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Geburtenhoch und geringere Sterblichkeit in den Sommermonaten

Zum jahreszeitlichen Verlauf der Geburten-, Eheschließungs- und Sterbefallzahlen in Baden-Württemberg

Die Bevölkerungsentwicklung Baden-Württembergs war in den vergangenen Jahren nicht nur von einer vor allem durch die Flüchtlingskrise bedingten sehr starken Zuwanderung geprägt. Überraschend war auch, dass die Zahl der Geburten im Land stetig angestiegen ist. Gleichzeitig hat sich aber auch die Zahl der Sterbefälle tendenziell erhöht und lag im Jahr 2015 so hoch wie noch nie seit Bestehen des Landes. Ebenfalls angestiegen ist zuletzt die Zahl der Eheschließungen.

Neben diesen langfristigen Trends ist auch von Interesse, wie sich die Geburten-, Eheschließungs- und Sterbefallzahlen innerhalb eines Jahres verteilen. Gibt es hierbei auffällige saisonale Muster und falls ja, haben sich diese möglicherweise im Zeitablauf geändert? Diesen Fragen soll im folgenden Beitrag nachgegangen werden.

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2015 rund 100 300 Kinder lebend geboren und damit ca. 4 600 mehr als 2014.1 Somit übertraf die Zahl der Lebendgeborenen zum ersten Mal seit 2001 wieder die Marke von 100 000 und lag zum vierten Mal in Folge höher als im jeweiligen Vorjahr. Eine Ursache für diesen positiven Trend wird in der in den vergangenen Jahren enorm angestiegene Zuwanderung gesehen, die auch zu einer Zunahme der Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter geführt hat. Hinzu kommt, dass nun Kinder der geburtenstarken Jahrgänge Anfang der 1960er-Jahre, die sogenannten Babyboomer, selbst wieder Kinder bekommen. Und schließlich ist auch die Geburtenrate, also die durchschnittliche Kinderzahl je Frau, in den vergangenen Jahren angestiegen.2

Die meisten Geburten: früher im März, heute im Spätsommer …

Die Zahl der Geburten verteilt sich nicht gleichmäßig über das Jahr. Die Monate mit den meisten Neugeborenen waren im Jahr 2015 der Juli mit 9 300 Kindern3, gefolgt vom September (9 200) und dem August (9 100). Die wenigsten Kinder kamen im Februar (7 200) und im April (7 600) zur Welt. Wird die unterschiedliche Zahl der Tage in den einzelnen Monaten herausgerechnet, so war die Geborenenzahl im September am höchsten, gefolgt von den Monaten Juli und August; am niedrigsten war dann die Zahl der Lebendgeborenen im April, Februar und März.

Diese Verteilung der Geburten über das Jahr mit »Spitzen« im (Spät-)Sommer ist erst seit den 1980er-Jahren zu beobachten. In den 1960er-Jahren war es dagegen noch so, dass im März die meisten Kinder geboren wurden. In den 1970er-Jahren waren die Geburten gleichmäßiger als heute über das Jahr verteilt. Dieses Muster bzw. die Änderung dieser Verteilung der Geburten über das Jahr war und ist auch bundesweit zu beobachten.4

Die Gründe, weshalb überdurchschnittlich viele Kinder im Spätsommer geboren werden, sind nicht abschließend geklärt. Da diese Verhältnisse aber erst seit den 1980er-Jahren zu beobachten sind, ist zu vermuten, dass die Ursachen eher verhaltensbedingt und kaum biologischer Natur sind. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, führt die vielen Geburten im Sommer darauf zurück, dass die Familienplanung zunehmend bewusster gestaltet wird. Die zukünftigen Mütter würden sehr pragmatisch an die kommenden Jahre denken: »Kindergeburtstage machen im Sommer einfach mehr Spaß.«5

… und auch geheiratet wird am liebsten im Sommer

In Baden-Württemberg heirateten im Jahr 2015 rund 52 600 Paare. Das waren knapp 1 900 oder annähernd 4 % mehr als 2014. Zugleich ist dies der höchste Stand seit dem Jahr 2000, als sich ca. 55 400 Paare das »Jawort« gaben. Der mit Abstand beliebteste Hochzeitsmonat war im Jahr 2015 der Mai mit rund 7 100 Eheschließungen. Am zweithäufigsten wurde im Juli geheiratet (6 100), gefolgt von August und September (jeweils 5 900).

In den Jahren 2010 bis 2014 waren entweder der Juli oder der August für eine Hochzeit am begehrtesten – wahrscheinlich deshalb, weil diese Jahreszeit beste Aussichten auf warmes und beständiges Wetter bietet und sich die Hochzeit im Freien feiern lässt. Dagegen war noch in den 1990er-Jahren sowie in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts der Mai in den meisten Jahren der beliebteste Monat. Diese Spitzenposition konnte der »Wonnemonat« im Jahr 2015 erstmals wieder seit 2005 einnehmen. Der Grund hierfür dürfte ein besonderes Datum gewesen sein: Allein am Freitag, den 15.5.15, gaben sich 1 896 Paare das »Ja-Wort«. Am zweithäufigsten wurde wohl aus ähnlichen Gründen am 10.10.15 geheiratet (862-mal).

Bereits in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts wurde die saisonale Verteilung der Hochzeiten vor allem davon bestimmt, in welchem Monat es einen sogenannten »Schnapszahl-Tag« gab. So hat das Heiraten an einem solchen besonderen Tag in den Jahren 2005 bis 2009 dazu beigetragen, dass im jeweiligen Monat am häufigsten geheiratet wurde (2005: Mai; 2006: Juni; 2007: Juli; 2008: August; 2009: September). Und auch der 12.12.12. hat wohl dazu geführt, dass im Jahr 2012 der Dezember zum Heiraten am häufigsten ausgewählt wurde.6

Der Monat Dezember ist aber auch unabhängig von einem solchen besonderen Datum in den vergangenen Jahrzehnten zum Heiraten attraktiver geworden. Während noch bis Anfang der 1990er-Jahre die Zahl der Hochzeiten im letzten Monat des Jahres unter dem Durchschnitt der 12 Kalendermonate eines Jahres lag, wurden nicht nur im Dezember 2012, sondern auch im Dezember 2004 die häufigsten, im Dezember der Jahre 2003, 2005, 2006 und 2008 jeweils die zweitmeisten Ehen geschlossen. 2015 rangierte der letzte Monat des Jahres immerhin noch auf dem fünften Rang. Für diesen Trend dürften vor allem steuerliche Gründe eine Rolle spielen. Ehepaare können nämlich bei einer Zusammenveranlagung von den Steuervorteilen des Ehegattensplittings für das gesamte laufende Jahr profitieren, unabhängig davon, in welchem Monat die Eheschließung stattgefunden hat.7

Sterblichkeit ist im Winter höher …

Im Jahr 2015 starben rund 108 100 Baden-Württemberger. Gegenüber 2014 bedeutet dies ein Anstieg der Gestorbenenzahl um etwa 7 400 Personen. Von den Verstorbenen waren 4 % jünger als 50 Jahre alt, 25 % starben zwischen dem 50. und 74. Lebensjahr und 71 % wurden 75 Jahre oder älter.

Die meisten Todesfälle im Jahr 2015 waren im Februar zu beklagen (11 000), gefolgt von den Monaten März (10 500) und Januar (10 300); die wenigsten starben im September (7 800), Juni (8 000) und im November (8 300). Wenn berücksichtigt wird, dass die Monate unterschiedlich lang sind, waren die Monate Februar und März ebenfalls diejenigen mit der höchsten Sterblichkeit. September und Juni wären auch dann, wenn die Monate gleich viele Tage hätten, diejenigen mit dem geringsten Sterberisiko.

Insgesamt zeigt sich für 2015, aber auch für frühere Jahre, dass die Sterblichkeit der Bevölkerung nicht unerheblichen saisonalen Schwankungen unterliegt. Überdurchschnittlich viele Menschen sterben im Dezember und in den ersten Monaten eines Jahres, während im Sommer das Sterberisiko in der Regel geringer ist. Ausnahmen hiervon waren der August 2003 und – in abgeschwächter Form – der Juni und der Juli des Jahres 2006, als aufgrund der außergewöhnlich hohen Temperaturen relativ viele Sterbefälle zu verzeichnen waren.8 Aber auch im Juli 2015 starben relativ viele Menschen, ebenfalls wohl wegen der damals herrschenden extremen Hitze.9

… aber die saisonalen Unterschiede haben sich abgeschwächt

Die höhere Sterblichkeit im Winterhalbjahr wird im Wesentlichen darauf zurückgeführt, dass die Anfälligkeit ohnehin geschwächter Menschen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenentzündungen erhöht ist.10 Allerdings sei der Effekt der Kälte auf die Sterberate in den vergangenen Jahrzehnten immer geringer geworden, weil die Bevölkerung dem Wetter durch Heizungen und Klimaanlagen immer weniger ausgesetzt ist.11 Dieser Sachverhalt lässt sich auch für Baden-Württemberg belegen. Die saisonale Sterblichkeit im Winter ist gegenüber den 1950er-Jahren zurückgegangen, die in der wärmeren Jahreszeit entsprechend angestiegen.12

Gibt es weitere Erkenntnisse darüber, weshalb die Sterblichkeit im Winter größer ist? Eindeutig ist auch ein starker Zusammenhang zwischen der Sterblichkeit und Grippeerkrankungen13, die ja meistens in der kalten Jahreszeit auftreten. Dagegen sind Verkehrsunfälle nicht ursächlich für die Häufung der Todesfälle im Winter. Vielmehr lag die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahren deutlich unter dem jeweiligen Jahresdurchschnitt. Letzteres könnte darauf zurückzuführen sein, dass in der kalten Jahreszeit aufgrund der ungünstigeren Straßenverhältnisse weniger und vorsichtiger gefahren wird. Auch die Suizidhäufigkeit lag in den vergangenen Jahren in den Wintermonaten meistens unter dem jeweiligen Jahresdurchschnitt.

Ausblick: Sterblichkeit im Sommer könnte künftig ansteigen

Es hat sich gezeigt, dass es bei den Geburten und Eheschließungen saisonale Muster gibt, die sich allerdings – vor allem bei den Geburten – im Zeitablauf deutlich verändert haben. Wurden früher noch im Frühjahr die meisten Kinder geboren und am häufigsten geheiratet, gilt dies nun jeweils für den (Spät-)Sommer. Dagegen lag die Sterblichkeit in den Sommermonaten schon immer niedriger als im Winter, wobei sich diese saisonalen Schwankungen in den vergangenen Jahrzehnten abgeschwächt haben.

Die Jahre 2003 und 2006 haben aber auch deutlich gemacht, dass nicht nur Kälte, sondern auch Hitze die Sterblichkeit erhöhen kann. Nach Erkenntnissen der Epidemiologin Alexandra Schneider hat Hitze sogar etwas stärkere Effekte auf die Sterblichkeit als Kälte.14 Der Klimawandel, geprägt durch häufigere und intensivere Hitzewellen, wird deshalb aller Voraussicht nach zu einem Anstieg der Sterblichkeit in den Sommermonaten führen15, wodurch sich die saisonalen Unterschiede in der Mortalität weiter abschwächen könnten. Allerdings hat eine aktuelle Auswertung ergeben, dass in Baden-Württemberg die Zahl der Sterbefällen aufgrund ungewöhnlich hoher Temperaturen in den letzten Jahren nicht angestiegen ist. Dies könnte möglicherweise daran liegen, dass sich die Bevölkerung besser auf sehr hohe Temperaturen einzustellen vermag, zum Beispiel aufgrund vermehrter Klimaanlagen insbesondere in Altenpflegeeinrichtungen, aber auch dadurch, dass Ältere zu ausreichender Flüssigkeitsaufnahme angehalten werden.

1 Für das Berichtsjahr 2016 liegen die Ergebnisse zu den Geburten, aber auch zu den Eheschließungen und Sterbefällen noch nicht vor.

2 Die Geburtenrate lag im Jahr 2011 noch bei 1,36 Kindern je Frau, 2015 dagegen bereits bei 1,51 Kindern je Frau.

3 Die Monatswerte im Text sind alle auf 100 auf- bzw. abgerundet.

4 Statistischen Bundesamt (Hrsg.): Geburten in Deutschland, Ausgabe 2012, S. 16 ff.

5 Familienplanung: Babyboom im Sommer, Focus online vom 25.01.2008.

6 In den Medien wird immer wieder berichtet, dass die Scheidungshäufigkeit von Hochzeiten, die an einem »Schnapszahltag« geschlossen wurden, überdurchschnittlich hoch sei; vergleiche beispielsweise Süddeutsche.de: »Schnapszahl-Hochzeiten sind riskant« vom 11.11.2011. Um diese Aussage zu überprüfen, führte das Statistische Landesamt Baden-Württemberg im Jahr 2012 eine Sonderauswertung für die am 8.8.1988 sowie am 9.9.1999 geschlossenen Ehen durch. Ergebnis dieser Auswertung war, dass diese Ehen in Baden-Württemberg zumindest in den ersten Jahren nicht häufiger, sondern sogar etwas seltener als die an »normalen« Tagen der Jahre 1988 bzw. 1999 geschlossenen Ehen geschieden wurden.

7 Ähnliche Gründe dürften mit dazu beigetragen haben, dass in den 1950er-Jahren der August regelmäßig derjenige Monat mit den meisten Hochzeiten war. Nach den damaligen steuerrechtlichen Vorschriften galten nämlich die Ehegatten bei einer Heirat bis spätestens Ende August steuerlich für das gesamte Jahr als verheiratet; vergleiche Gröner, Gerhard: Zum jahreszeitlichen Verlauf der Heiratszahlen, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, 3/85, S. 95.

8 Im August des Jahres 2003 waren zwischen 900 und 1 300 Todesfälle in Baden-Württemberg auf die damals ungewöhnlich hohen Temperaturen zurückzuführen; vergleiche: Gesundheitliche Auswirkungen der Hitzewelle im August 2003, Untersuchung im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg, 2004, S. 12.

9 Jahresrückblick: Deutschlandwetter im Jahr 2015, Pressemitteilung des Deutschen Wetterdienstes vom 30.12.2015.

10 Müller-Lissner, Adelheid: Geburten- und Sterberate: Tage der Liebe, Tage des Todes, in: Gesundheitsberater Berlin vom 21.04.2016.

11 Meinert, Julia: Wann der Tod Saison hat, in: welt.de vom 14.09.2014.

12 Diese Aussage gilt nur bezüglich der jeweiligen prozentualen Verteilung der Sterbefälle innerhalb eines Jahres. Die Sterbeziffer, also die Zahl der Gestorbenen bezogen auf die Bevölkerung, ist dagegen in den vergangenen Jahrzehnten auch in den Sommermonaten deutlich gesunken.

13 Vergleiche Kuhn, Dorothee/Baumann, Lothar/Zöllner, Iris: Saisonale Schwankungen in der Mortalität in Baden-Württemberg 1999 – 2006, in: Brückenschlag von Medizinischer Informatik, Biometrie und Epidemiologie zur Medizintechnik; Tagungsband zur 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie vom 15.–19. September 2008 in Stuttgart, S. 347 ff.

14 Zitiert aus: Meinert, Julia: Wann der Tod Saison hat, in: welt.de vom 14.09.2014.

15 Zacharias, Stefan/Koppe, Christina: Einfluss des Klimawandels auf die Biotropie des Wetters und die Gesundheit bzw. die Leistungsfähigkeit der Bevölkerung in Deutschland, Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes, 2015, S. 25.