:: 2/2017

Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg

Teil 2: Ergebnisse der Bürgermeisterwahlen und Wahlbeteiligung

Eine Analyse auf der Basis der Wahlen von 2010 bis 2015

Zwischen 2010 und 2015 fanden in Baden-Württemberg 813 Bürgermeisterwahlen1 statt. Die Analyse der Wahlergebnisse zeigt beispielsweise, dass die Mehrheit der gewählten Bürgermeister zum Zeitpunkt ihrer Wahl keiner Partei angehörten. Allerdings finden sich hier beachtliche regionale Unterschiede. Eine Abwahl eines wieder kandidierenden Bürgermeis­ters kommt selten vor. Demgegenüber ist der Anteil der gewählten Bürgermeisterinnen in jüngerer Zeit angestiegen. Die Wahlbeteiligung fällt unter anderem je nach Gemeindegröße und Zahl der Bewerber unterschiedlich aus. Die Darstellung der ausführlichen Ergebnisse schließt an dieser Stelle an den im Statistischen Monatsheft 1/2017 erschienenen ersten Teil zur Analyse der Bürgermeisterwahlen von 2010 bis 2015 an.

Gewählte mit oder ohne Parteizugehörigkeit

Die Mehrheit der baden-württembergischen Bürgermeister (58 %) gehört zum Zeitpunkt ihrer Wahl keiner Partei oder Freien Wählervereinigung an. Dabei schwankt diese Quote in den einzelnen Wahljahren durchaus kräftig, genau zwischen 48 % 2011 und 69 % 2014. Eine Veränderungstendenz ist in dem beobachtenden Zeitraum 2010 bis 2015 nicht erkennbar.

42 % der gewählten Bürgermeister haben also zum Wahlzeitpunkt im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2015 eine Parteizugehörigkeit vorzuweisen. Eindeutig die meisten parteigebundenen Bürgermeister gehören der CDU an (73 %), gefolgt von der SPD (15 %), den Freien Wählervereinigungen (7 %), der FDP (3 %) und den GRÜNEN (2 %).

Nach Gemeindegrößenklassen sortiert zeigt sich eine eindeutige Tendenz: Je kleiner die Gemeinde, umso eher ist der Bürgermeister parteilos. In Kleingemeinden unter 2 000 Einwohner sind gut zwei Drittel (68 %) der Gewählten ohne »Parteibuch«; in den Gemeinden zwischen 10 000 bis unter 20 000 Einwohner hält es sich in etwa die Waage zwischen parteilosen (52 %) und parteigebundenen (48 %) Bürgermeistern. Die gewählten Oberbürgermeister in den Größenklassen von 20 000 Einwohner aufwärts sind mehrheitlich einer Partei (oder Freien Wählervereinigung) zugehörig.

Gewählte Bürgermeister mit einem CDU-Parteibuch sind in allen Gemeindegrößenklassen (außer in der Klasse 500 000 Einwohner und mehr) mit weitgehend gleich hohen Anteilen vertreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgermeister SPD-angehörig ist, steigt hingegen mit der Gemeindegröße; 30 % der Oberbürgermeister in Städten von 50 000 bis unter 100 000 Einwohner und immerhin 43 % der Oberbürgermeister in Großstädten von 100 000 bis unter 500 000 Einwohner werden von der SPD »gestellt«.

Innerhalb des Landes Baden-Württemberg gibt es erhebliche regionale Unterschiede bei der Frage, ob ein Bürgermeister ein »Parteibuch« hat oder nicht. Während im württembergischen Regierungsbezirk Stuttgart zwei Drittel (67 %) und im württembergisch-hohenzollerischen Regierungsbezirk Tübingen 61 % der Gewählten keiner Partei (oder Freien Wählervereinigung) angehören, sind es in den weitgehend badisch geprägten Regierungsbezirken Karlsruhe und Freiburg nur etwas mehr als die Hälfte (Karlsruhe: 55 %) oder wie im Fall Freiburg sogar weniger als die Hälfte (45 %) der gewählten Bürgermeister, die parteiungebunden sind. Hier offenbaren sich auch heute noch tradierte Unterschiede zwischen Baden und Württemberg – in Baden die Tradition des »politischen« Bürgermeisters und in Württemberg des »unpolitischen« Fachbürgermeisters.2

Rund ein Drittel der gewählten Bürgermeister in den Regierungsbezirken Tübingen und Karlsruhe haben jeweils das Parteibuch der CDU. Im Regierungsbezirk Freiburg liegt der CDU-Bürgermeister-Anteil sogar bei 42 %, während er im Regierungsbezirk Stuttgart nur 21 % beträgt. SPD-Bürgermeister finden sich indessen in allen Regierungsbezirken gleichermaßen – nur im Regierungsbezirk Tübingen treten Bürgermeister mit SPD-Zugehörigkeit deutlich seltener (2 %) auf.

Wahlergebnisse der gewählten Bürgermeister

Bürgermeister in Baden-Württemberg werden im Durchschnitt des Betrachtungszeitraums mit 78,1 % der gültigen Stimmen gewählt. Dabei sind diese Stimmenanteile in den letzten Jahren, korrespondierend zur Zunahme der Bewerberzahlen ab 2013 in Folge des Auftretens der Vertreter der Nein-Idee-Partei, leicht gesunken.

Erwartungsgemäß verringert sich das erzielte Wahlergebnis der Gewählten mit steigender Konkurrenz: Je mehr Mitbewerber bei einer Wahl auftreten, desto niedriger fällt tendenziell das Ergebnis des Wahlsiegers aus. Bei Bürgermeisterwahlen mit nur einem Bewerber wird mit durchschnittlich 95 % Stimmenanteilen (94,9 %) eine Wahl gewonnen. Die restlichen Prozentanteile gehen an Personen, die in der freien Zeile des Stimmzettels gewählt wurden. Auf diesem Wege erzielten in manchen Orten »Sonstige Bewerber« erstaunliche Stimmenanteile, wie zum Beispiel in Kolbingen 2010 (24 %), Gosheim 2010 (14 %), Nürtingen 2011 (32 %), Bad Waldsee 2012 (23 %), Ehningen 2012 (27 %), Eisenbach 2012 (20 %), Dürbheim 2012 (47 %), Albstadt 2015 im 1. Wahlgang (44 %) und Bad Saulgau 2015 (14 %). Seit Auftreten der Vertreter der Nein-Idee-Partei freilich hat sich das Potenzial der »Unzufriedenen« aber verstärkt diesen zugewandt.

Das Wahlergebnis der gewählten Bürgermeister steigt – auch das überrascht grundsätzlich nicht – mit der Amtszeit an, wobei bei den Ergebnissen der Bewerber, die in die vierte oder in die fünfte Amtszeit gehen, kaum noch Steigerungen erzielt werden (können).

In die erste Amtszeit gehen gewählte Bürgermeister gewöhnlich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit (65,5 %). Diese Wählerbasis erhöht sich bei der ersten Wiederwahl, einhergehend mit einer durchschnittlichen Halbierung der Bewerberzahlen, um rund 20 Prozentpunkte. Ab der vierten, teilweise schon ab der dritten Amtszeit, sind dann »Traumergebnisse« von 95 bis 99 % nicht selten.

Auch die allermeisten Neuwahlen werden mit absoluter Stimmenmehrheit entschieden; lediglich bei 17 % der Neuwahlen im Zeitraum 2010 bis 2015 wurden die Bürgermeister mit weniger als 50 % der gültigen Stimmen ins Amt gewählt.

Abwahl des amtierenden Bürgermeisters

Die Abwahl eines sich wiederbewerbenden Bürgermeisters passiert ausgesprochen selten. Nur bei 40 Bürgermeisterwahlen, also bei 4,9 % von 2010 bis 2015 abgehaltenen Bürgermeisterwahlen beziehungsweise bei 7,6 % aller Bürgermeisterwahlen, bei denen der Amtsinhaber erneut angetreten war, wurde der Amtsinhaber nicht mehr gewählt; bei 19 dieser Wahlen passierte dies schon im ersten Wahlgang, weil ein Herausforderer auf Anhieb die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erhielt. Bei 21 Wahlen erfolgte die Abwahl im zweiten Wahlgang (Neuwahl). Durchschnittlich kandidierten 3,2 Personen bei Wahlen, die zur Abwahl des amtierenden Bürgermeisters führte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Bürgermeister bei einer erneuten Kandidatur »durchfällt«, liegt bei etwa 1 : 13. Ein Anstieg der Abwahlrate im Betrachtungszeitraum ist indessen nicht festzustellen.

Das Risiko der Abwahl steigt mit der Gemeindegrößenklasse bis 50 000 Einwohner; Abwahlen in Städten über 50 000 Einwohner sind von 2010 bis 2015 nicht vorgekommen. Auch sind die Risiken, in den württembergischen Regierungsbezirken Stuttgart und Tübingen abgewählt zu werden, mit einer Abwahlquote von 7 % deutlich höher als in den badischen Regierungsbezirken Freiburg (3 %) und Karlsruhe (2 %).3

Wahl einer Bürgermeisterin

Während knapp zwei Drittel der insgesamt im kommunalen Bereich Beschäftigten (Angestellte und Beamte)4 und sogar rund drei Viertel der Studierenden an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung (ehemals Fachhochschulen für öffentliche Verwaltung) in Kehl und Ludwigsburg5 Frauen sind, stehen Frauen noch höchst selten als gewählte Bürgermeisterinnen an der Spitze einer Gemeindeverwaltung. Gerade einmal bei 6,8 % der Bürgermeisterwahlen (insgesamt 55 Wahlen) im Zeitraum 2010 bis 2015 wurde eine Frau zur Bürgermeisterin gewählt6. Bei insgesamt 175 Wahlen (2010 bis 2015) ist eine oder sind mehrere Bewerberinnen angetreten; insgesamt waren es 190 Bewerberinnen (9,2 % aller Bewerber). Bei fast jeder dritten Wahl, bei der eine (oder vielleicht auch mehr als eine) Frau kandidierte, wurde auch am Ende eine Bürgermeisterin gewählt (Erfolgsquote der weiblichen Bewerber: 1 : 3,2).

Gewählte Bürgermeisterinnen treten in allen Gemeindegrößenklassen ohne erkennbare Schwerpunkte auf. Knapp ein Drittel (31 %) der Bürgermeisterinnen hat zum Zeitpunkt ihrer Wahl ein »Parteibuch« (Männer 43 %). Zwei Drittel (67 %) der Bürgermeisterinnen sind neu gewählt und treten ihre erste Amtszeit an, für 27 % ist es die zweite Amtszeit und nur für 6 % die dritte Amtszeit.

Der steigende Anteil weiblicher Bürgermeister in den Jahren 2014 und 2015 dürfte sich alleine deshalb in Zukunft als Trend verstetigen, da zwei Drittel (67 %) der gewählten Bürgermeisterinnen im Betrachtungszeitraum (2010 bis 2015) zum ersten Mal in ihr Amt gewählt wurden, während dies generell nur bei 40 % aller Gewählten der Fall war.

Die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen – Allgemeines Beteiligungsniveau

Die Wahlbeteiligung bei baden-württembergischen Bürgermeisterwahlen liegt im Durchschnitt der betrachteten Jahre 2010 bis 2015 etwas über der 50-Prozentmarke, exakt bei 51,2 %.7 Dabei reicht die Bandbreite der durchschnittlichen Beteiligungsquoten der Einzeljahre von 48,1 % (2015) bis 55 % (2013). Das Wahlinteresse bei Bürgermeisterwahlen im Land liegt so etwas über dem bei Gemeinderatswahlen. 2014 war die Wahlbeteiligung im Südwesten bei Gemeinderatswahlen erstmals unter die 50-Prozentmarke (49,1 %; – 1,6 Prozentpunkte) und damit auf den tiefsten Nachkriegsstand gerutscht.

Eine eindeutige Veränderungstendenz lässt sich innerhalb des Beobachtungszeitraums (2010 bis 2015) nicht diagnostizieren, wenngleich die aktuelle Beteiligungsquote des Jahres 2015 mit 48,1 % das bislang niedrigste Niveau darstellt. Im längerfristigen Vergleich ist allerdings der Trend einer rückläufigen Wahlbeteiligung nicht zu übersehen. So ist der Städtetagserhebung von Brugger (2008, S. 121) in der Städtegruppe A (Stadtkreise) ein Rückgang der Wahlbeteiligung zwischen den Erhebungszeiträumen 1987/1995 und 1999/2007 von 52,9 auf 45,1 % zu entnehmen; in der vorliegenden Erhebung von 2010 bis 2015 hat die Gemeindegrößenklasse von 100 000 bis unter 500 000 Einwohner gerade noch eine durchschnittliche Beteiligungsquote von 35 %. In der Städtegruppe B des Städtetags (überwiegend Städte > 20 000 Einwohner) ging die Beteiligung von 51,7 auf 45,9 % zurück. Zum Vergleich die Durchschnittswerte für den hier erhobenen Zeitraum 2010 bis 2015: In der Größenklasse 20 000 bis unter 50 000 Einwohner wurden 38,7 % und in der nächsthöheren Klasse bis 100 000 Einwohner 36,5 % gemessen – also auch diesbezüglich eine eindeutige Tendenz nach unten.

In der Städtegruppe C (10 000 bis unter 20 000 Einwohner) sind die Beteiligungsanteile in der Städtetagsumfrage von 58,9 auf 53,8 % gesunken, gegenüber einer in dieser Untersuchung ermittelten Quote von 44,6 % für die Jahre 2010 bis 2015 in der Gemeindegrößenklasse 10 000 bis unter 20 000 Einwohner. Auch Klein (2014, S. 152, 153) stellt einen Rückgang der Wahlbeteiligung bei den Bürgermeisterwahlen im Land fest. Danach lag in den Jahren der 1990er-Dekade das Beteiligungsniveau bei 54 bis 58 %, in den letzten Jahren des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrhundert (bis 2009) sank das Beteiligungslevel auf etwa 48 bis 50 %. Dieser Trend hat sich ganz offensichtlich in den Jahren 2010 bis 2015 gemäß der aktuellen Studie nicht fortgesetzt, sondern mit rund 51 % stabilisiert.

Wahlbeteiligung nach der Gemeindegröße

Die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen variiert sehr stark je nach Größe der Gemeinde. Während die Wahlbeteiligung in Gemeinden ab 5 000 Einwohner (= 48 % aller Bürgermeisterwahlen 2010 bis 2015) im Mittel unterhalb der 50-Prozent-Schwelle liegt, zeigen vor allem die Wahlberechtigten in kleineren Gemeinden unter 2 000 Einwohner (63,5 %), aber auch jene in Gemeinden der Größenklasse 2 000 bis unter 5 000 Einwohner (54,8 %) ein deutlich höheres Beteiligungsinteresse an Bürgermeisterwahlen. Die niedrigsten Beteiligungsquoten werden in Städten mit 50 000 bis unter 100 000 Einwohner (36,5 %) und in Großstädten von 100 000 bis unter 500 000 Einwohner (35 %) gemessen.

Nicht in das Schema sinkender Beteiligungsquoten mit steigender Stadtgröße passt die Landeshauptstadt Stuttgart in der Größenklasse 500 000 und mehr Einwohner mit einem deutlich über dem Beteiligungsniveau der nächst niedrigeren Größenklassen liegenden Wahlbeteiligung.

Exkurs: Die Wahlbeteiligung bei der Oberbürgermeisterwahl 2012 in Stuttgart

Die Wahlbeteiligung der letzten Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl, 46,7 % im ersten Durchgang und 47,2 % im zweiten Durchgang (Neuwahl), repräsentiert den Spitzenwert einer Wahlbeteiligung bei einer Oberbürgermeisterwahl in einer der acht baden-württembergischen Großstädte (100 000 Einwohner und mehr) in diesem Jahrzehnt. Nur Freiburg (2010: 45,2 %), Ulm (2015: 42,5 %) und Karlsruhe (2012: 42,2 %) hatten zuletzt Beteiligungsquoten in annähernder Höhe wie die Landeshauptstadt. In anderen Großstädten wie Heidelberg (2014: 21,8 %) oder Reutlingen (2011: 23,8 %) beteiligten sich kaum mehr als 20 % der Wahlbevölkerung.

Ein allgemein sehr hoch entwickeltes Wahl- und letztlich auch Politikinteresse der Stuttgarter Wahlberechtigten ist bei allen Wahlen immer wieder festzustellen und hervorzuheben. Zusätzliche Erklärungsansätze für die besonders hohe Wahlbeteiligung bei Oberbürgermeisterwahlen in Stuttgart stellen, im Lichte der bisherigen Erkenntnisse, die Umstände dar, dass zum einen 2012 der Amtsinhaber nicht mehr antrat und zum anderen das Bewerberfeld mit 14 Kandidaten beim ersten Wahlgang und neun verbliebenen Kandidaten bei der Neuwahl ungewöhnlich groß war; andernorts in baden-württembergischen Großstädten sind zwischen zwei und fünf Oberbürgermeisterbewerber üblich.

Wahlbeteiligung nach Regierungsbezirken

Nach Regierungsbezirken differenziert werden die höchsten Beteiligungswerte bei Bürgermeisterwahlen in der südlichen Landeshälfte, und zwar in den Regierungsbezirken Freiburg (53,2 %) und Tübingen (52,6 %) erzielt. Auch die Durchschnittswahlbeteiligung des Regierungsbezirks Karlsruhe (51,4 %) übersteigt in den Jahren 2010 bis 2015 die 50-Prozentmarke. Schlusslicht der vier Regierungsbezirke ist Stuttgart mit 48,5 %.

Wahlbeteiligung nach Wiederantritt des Amtsinhabers

Ein ganz wesentlicher Einfluss auf die Höhe der Wahlbeteiligung hat naturgemäß die Konkurrenzsituation und die Frage, wie spannend die Ausgangslage einer Bürgermeisterwahl ist: Wie groß ist das Bewerberfeld, wie offen ist der Wahlausgang?

Tritt der Amtsinhaber nicht mehr an, liegt die Wahlbeteiligung durchschnittlich bei 56,9 % (2010 bis 2015) und damit um fast 10 Prozentpunkte höher als bei den Wahlen, bei denen der Amtsinhaber wieder antritt.

Wahlbeteiligung nach der Bewerberzahl

In die gleiche Richtung weist die Differenzierung der Wahlbeteiligung nach der Zahl der Bewerber bei Bürgermeisterwahlen. Bei einer Wahl ohne personelle Alternative im Bewerberfeld (nur ein Kandidat) – immerhin fast ein Drittel (31 %) aller Wahlen im Zeitraum 2010 bis 2015 – liegt die Wahlbeteiligung bei 41,5 %. Schon bei zwei Kandidaten wird mit 50 % eine deutlich höhere Beteiligung erreicht. Auf Werte zwischen durchschnittlich 58 und 59 % klettert die Wahlbeteiligung bei drei oder vier Kandidaten. Bei Wahlen mit fünf Kandidaten werden die höchsten Quoten erzielt (63,2 %); marginal geringer sind die Beteiligungsanteile bei sechs beziehungsweise sieben Kandidaten. Bei Wahlen mit acht oder mehr Kandidaten (zehn Wahlen von 2010 bis 2015) liegt die Durchschnittswahlbeteiligung mit 53,8 % darunter.

Wahlbeteiligung nach der Amtszeit

Korrespondierend zur Konstellation, wenn der Amtsinhaber nicht mehr zur Wahl antritt, werden die höchsten Wahlbeteiligungsquoten (60,9 %) bei jenen Bürgermeisterwahlen erzielt, bei denen der Bürgermeister neu in das Amt gewählt wurde (entweder weil der Amtsinhaber nicht mehr antrat oder weil er abgewählt wurde). Bei allen Folgewahlen, wenn also der Amtsinhaber für die zweite, dritte, vierte, fünfte oder in Einzel­fällen sogar sechste Amtszeit gewählt wird, unterscheiden sich die Wahlbeteiligungsquoten nicht mehr (44 bis 45 %).

Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen mit einer Neuwahl

Eine spannende Ausgangslage bei einer Bürgermeisterwahl liegt im Regelfall dann vor, wenn ein zweiter Wahlgang notwendig ist, da im ersten Wahlgang kein Bewerber die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen auf sich vereinen konnte. Aus solchen Wahlergebnissen resultiert im Mittel eine Wahlbeteiligung von 61 %, mithin 10 Prozentpunkte mehr als generell bei Bürgermeisterwahlen von 2010 bis 2015. Bei der Neuwahl kommt es dann häufig zu einem Demobilisierungseffekt in Folge des Rückgangs der Bewerberzahlen: Bei beinahe zwei Drittel der Neuwahlen (62,2 %) sinkt die Wahlbeteiligung gegenüber dem ersten Wahlgang. Der Unterschied in der Wahlbeteiligung bei beiden Wahlgängen beläuft sich auf durchschnittlich 1,6 Prozentpunkte.

Wahlbeteiligung bei der Koppelung mit Parlamentswahlen

Gerne machen die Gemeinden von der Möglichkeit der Bündelung der Wahltermine Gebrauch, um die »Belastung« der Bürger und der ehrenamtlichen Wahlhelfer zu verringern und um vor allem monetäre Synergieeffekte zu erzielen, sofern der Termin einer Parlamentswahl sich mit den Fristerfordernissen der Bürgermeisterwahl in Einklang bringen lässt. So wurden am 27. März 2011 die Landtagswahl in zehn Gemeinden, am 22. September 2013 die Bundestagswahl in neun Gemeinden und am 13. März 2016 die Landtagswahl in 14 Gemeinden mit einer Bürgermeisterwahl zusammengelegt. Die Koppelung einer Bürgermeisterwahl mit dem ohnehin schon verbundenen Wahltag der Europa- und der Kommunalwahlen wird hingegen vermieden.8

Ein wahlbeteilungsstimmulierender Effekt für die Bürgermeisterwahlen durch das generell höhere Beteiligungsniveau bei Parlamentswahlen entsteht verstärkt bei den zumeist weniger spannenden Ausgangskonstellationen, wenn der Amtsinhaber wieder zur Wahl antritt. Dann liegt die Wahlbeteiligung in einer Größenordnung von rund 17 bis 19 Prozentpunkte über dem Erwartungsniveau. Bei Wahlen hingegen, bei denen der Amtsinhaber nicht mehr kandidiert, ist der Beteiligungsabstand im Regelfall von vorneherein geringer und daher auch der Wahlbeteiligungszuwachs mit ca. 11 bis 13 Prozentpunkte niedriger.

Ganz ähnliche Effekte lassen sich bei der Einbeziehung des Einflussfaktors der Gemeindegrößenklassen erkennen. In Kleingemeinden bis 2 000 Einwohner fällt der Wahlbeteilungsschub durch die Wahlkoppelung mit einer Parlamentswahl mit ca. 10 Prozentpunkten geringer aus als in größeren Gemeinden mit einem generell niedrigeren Ausgangsbeteiligungsniveau, wo die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen als Folge einer Wahlkoppelung um bis zu 20 Prozentpunkte höher ausfallen kann.

Zusammenfassung

Die vorliegende Untersuchung zu den Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg basiert auf der systematischen wöchentlichen Berichterstattung im Staatsanzeiger für Baden-Württemberg über die stattgefundenen Wahlen im Land. Während in Teil 1 (Schwarz, Thomas: »Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2017«) die Zahl der von 2010 bis 2015 durchgeführten Wahlen und die der Wahlbewerber im Mittelpunkt standen, richtet sich der Blick in diesem zweiten Teil auf die Wahlergebnisse und die Wahlbeteiligung.

Die Mehrheit (58 %) der baden-württembergischen Bürgermeister gehören zum Zeitpunkt ihrer Wahl keiner Partei/Wählervereinigung an. Parteilose Bürgermeister finden sich am häufigsten in Kleingemeinden. Oberbürgermeister in Städten ab 20 000 Einwohner aufwärts sind mehrheitlich parteigebunden. Alte historische Traditionen, eher parteigebundene Bürgermeister in Baden und parteilose Bürgermeister in Württemberg, lassen sich bis heute feststellen.

Fast drei Viertel (73 %) der parteigebundenen Bürgermeister haben ein Parteibuch der CDU.

Mit durchschnittlich 78,1 % der gültigen Stimmen werden Bürgermeister im Land in ihr Amt gewählt. Bei Bürgermeisterwahlen mit nur einem Bewerber werden sogar Wahlergebnisse um die 95 % erzielt. Die Wahlergebnisse der gewählten Bürgermeister steigen mit der Amtszeit an; in die erste Amtszeit gehen Bürgermeister gewöhnlich mit etwa 65,5 % Stimmenanteilen. Auch die allermeisten Neuwahlen enden mit einer absoluten Stimmenmehrheit des gewählten Bürgermeisters.

Nur sehr selten wird ein wieder kandidierender Bürgermeister abgewählt; die Abwahlwahrscheinlichkeit liegt bei etwa 1 : 13.

Bürgermeisterinnen sind im Kommen; 7 % aller Bürgermeisterwahlen zwischen 2010 und 2015 wurden von Frauen gewonnen. Bei fast jeder dritten Wahl, bei der eine (oder hin und wieder auch mehr als eine) Frau kandidierte, wurde eine Bürgermeisterin gewählt. Im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen besitzen Bürgermeis­terinnen deutlich seltener ein »Parteibuch«.

Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2015 betrug die Wahlbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen im Land 51,2 %. Der Vergleich mit den Ergebnissen früherer Studien zeigt eindeutig einen Abnahmetrend auf.

Die Wahlbeteiligung sinkt grundsätzlich mit steigender Gemeindegrößenklasse. Die Bandbreite bewegt sich zwischen 63 % in Gemeinden unter 2 000 Einwohner und 35 % in Städten von 100 000 bis 500 000 Einwohner.

Die Wahlbeteiligung fällt in einer Größenordnung von 10 Prozentpunkten deutlich höher aus, wenn der Amtsinhaber nicht mehr antritt. Ein enger Zusammenhang ist auch zwischen der Bewerberzahl und der Wahlbeteiligungshöhe nachweisbar.

Teil 1 des Beitrags ist im Statistischen Monatsheft 1/2017 erschienen (Schwarz, Thomas: »Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2017«).

Die Erstveröffentlichung dieses Beitrages erfolgte in: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 8/2016, Statistisches Amt der Stadt Stuttgart.

Wir danken Herrn Thomas Schwarz für die freundliche Genehmigung zum Nachdruck in redaktionell leicht modifizierter Form.

Literatur- und Quellenverzeichnis

  • Brugger, Norbert: Welche Wahlbeteiligungsquote ist zu erwarten? Antworten auf diese und elf andere häufige Fragen zu Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, in: Statistik und Informationsmanagement, Landeshauptstadt Stuttgart, Monatsheft 5/2008, S. 119–132.
  • Kern, Timm: Warum werden Bürgermeister abgewählt? Eine Studie aus Baden-Württemberg über den Zeitraum von 1973 bis 2003. Stuttgart 2007.
  • Klein, Alexandra: Bürgermeisterwahlen in Baden-Württemberg. Wahlbeteiligung, Wahltypen und Sozialprofi l. Stuttgart 2014.
  • Roth, Norbert (Hrsg.): Position und Situation der Bürgermeister in Baden-Württemberg. Stuttgart 1998.
  • Wehling, Hans-Georg: Bürgermeister, in: Remmert/Wehling: Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung. Stuttgart 2012, S. 61–67.
  • Wehling, Hans-Georg/ Siewert, Hans-Jörg: Der Bürgermeister in Baden-Württemberg. Stuttgart 1984.

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden bei Funktionsbezeichnungen die männliche Form benutzt; selbstverständlich gelten die jeweiligen Ausführungen auch für weibliche Personen und Bezeichnungen in gleicher Weise. Außerdem wird der Begriff Bürgermeisterwahlen auch für die Wahlen der Oberbürgermeister in Städten ab 20 000 Einwohner verwendet.

2 Wehling, Hans-Georg: Zur Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung im deutschen Südwesten, in: Pfizer/Wehling (Hrsg.): Kommunalpolitik in Baden-Württemberg. Stuttgart 1991, S. 43 sowie Koziol, Klaus: Nachkriegsbürgermeister in Baden-Würt­temberg: Typologie, Amtsmotivation, Leis­tung. Tübingen 1981. Mit der Kreisreform zum 1. Januar 1973, im Zuge der auch die vier Regierungsbezirke neu zugeschnitten und umbe­nannt wurden (Nordwürttemberg in Stutt­gart, Südwürttemberg-Hohenzollern in Tübingen, Nordbaden in Karlsruhe und Südbaden in Freiburg), eignen sich die Regierungsbezirke allerdings nur noch mit Einschränkung zur Abgrenzung der historischen Landesteile Baden, Hohenzollern und Württemberg. Insbesondere im Bereich des heutigen Main-Tauber-Kreises, der Kreise Calw, Freudenstadt, Rottweil, Tuttlingen, Sigmaringen und des Bodenseekreises stimmen die historischen Zuordnungen nicht mehr (vgl. auch www.landeskunde-baden-wuerttemberg.de).

3 Klein (2014, S. 180) macht hier allerdings im Untersuchungszeitraum 1990 bis 2009 eine gegenteilige Beobachtung, dass nämlich im Regierungsbezirk Karlsruhe eine fast doppelt so hohe Abwahlquote vorlag als in den übrigen Regierungsbezirken.

4 vgl. Personal im öffentlichen Dienst nach Beschäftigungsbereichen in Baden-Württemberg am 30.06.2014 (Frauenanteil: 64 %); Quelle: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg.

5 Statistische Berichte Baden-Württemberg, Unterricht und Bildung, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg. 01.09.2015 mit Daten zum Wintersemester 2014/15.

6 Zum Stand 01.05.2016 beziffert der Staatsanzeiger für Baden-Würt­temberg die Zahl der amtierenden Bürgermeisterinnen im Land auf 72 (6,7 %); vgl. Staatsanzeiger für Baden-Württemberg, Nr. 4 vom 05.02.2016. Die erste Frau im Land, die zur (Ober-)Bürgermeisterin gewählt wurde, war Beate Weber in Heidelberg im Dezember 1990 (Remmert/Wehling, 2012, S. 70, 71); bis 2009 erhöhte sich die Bürgermeisterinnenquote auf 4 % der baden-württembergischen Bürgermeis­ter (vgl. Klein, 2014, S. 137).

7 Berechnet als arithmetische Mittel der einzelnen Wahlbeteiligungswerte der Gemeinden.

8 Am 25. Mai 2014 wurde nur eine Bürgermeisterwahl mit der Europa- und den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg gekoppelt.