:: 4/2017

Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg

Teil 1: Altersstruktur und Herkunft der Bevölkerung mit Migrationshintergrund

In Baden-Württemberg lebten 2015 rund 3 Mill. Menschen, die einen Migrationshintergrund (siehe Übersicht) haben. Fast drei Viertel von ihnen stammen aus Europa. Darunter bilden Zuwanderer bzw. deren Nachkommen, die ihre Wurzeln in der Türkei haben, mit gut 16 % die größte Gruppe. Mit einem mittleren Alter von rund 36 Jahren ist die Bevölkerung mit Migrationshintergrund etwa 10 Jahre jünger als diejenige ohne Migrationshintergrund. Der folgende Beitrag wurde für den Themenband »Migration und Bildung in Baden-Württemberg« im Rahmen der Bildungsberichterstattung 2017 erstellt. Der Themenband entstand in Kooperation zwischen Landesinstitut für Schulentwicklung und Statistischem Landesamt und wurde am 20. Februar 2017 der Presse vorgestellt. Der vollständige Themenband kann unter www.bildungsbericht-bw.de heruntergeladen und dort als Printversion bestellt werden.

Diesem ersten Teil, in dem die Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg nach ausgewählten Merkmalen anhand der Ergebnisse des Mikrozensus 2015 untersucht wird, folgen zwei weitere Teile in den nächsten Statistischen Monatsheften.

Gut jeder vierte Baden-Württemberger hat einen Migrationshintergrund

Im Jahr 2015 lebten in Baden-Württemberg rund 3 Mill. Personen mit Migrationshintergrund im engeren Sinn.1 Damit hatten 28 % der baden-württembergischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Davon verfügten fast 1,4 Mill. über eine ausländische und knapp 1,6 Mill. über die deutsche Staatsangehörigkeit.

Im Jahr 2011 hatten annähernd 2,7 Mill. Baden-Württemberger einen Migrationshintergrund. Dies waren ca. 25 % der gesamten Bevölkerung Baden-Württembergs. Die Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund ist damit seit 2011 um rund 13 % angewachsen, während sich die Gesamtbevölkerung in Baden-Württemberg in den letzten 4 Jahren um 2,6 % erhöht und die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund um 1,1 % abgenommen hat.

Innerhalb Baden-Württembergs hatte die wirtschaftsstarke Region Stuttgart (hier ohne Stadtkreis Stuttgart) mit über 30 % den höchsten Anteil an Personen mit Migrationshintergrund – gemessen an der Gesamtbevölkerung. Weit übertroffen wurde dieser Wert vom Stadtkreis Stuttgart, der einen Anteil von knapp 40 % aufwies. Auch die Region Nordschwarzwald hatte mit annähernd 30 % einen überdurchschnittlich hohen Wert. Die geringsten Anteile an Personen mit Migrationshintergrund waren in der Region Bodensee-Oberschwaben mit stark 19 % zu finden, gefolgt von der Region Südlicher Oberrhein (rund 23 %) und der Region Donau-Iller (gut 25 %). Der Landesdurchschnitt lag 2015 bei 28 %.

Auf längerfristige und fachlich tiefgegliederte Zeitreihenvergleiche wird im Rahmen der Mikrozensusauswertungen in diesem Beitrag verzichtet, da mit dem Zensus 2011 eine Umstellung der Hochrechnungsbasis stattfand. Seit dem Berichtsjahr 2011 werden die Mikrozensusergebnisse anhand der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis des Zensus 2011 hochgerechnet, während die Daten für die Berichtsjahre bis einschließlich 2010 anhand der Bevölkerungsfortschreibung auf Basis der Volkszählung 1987 hochgerechnet wurden.2 Außerdem fanden im Zeitablauf methodische Umstellungen sowohl im Rahmen der Erhebung als auch in den Auswertungen statt. Mit der Veröffentlichung des Berichtsjahres 2015 wurde die Typisierung des Migrationshintergrunds einer Revision unterzogen. Hierbei wurden kleinere Bereinigungen und Anpassungen vorgenommen, die die bisher veröffentlichten Ergebnisse jedoch nicht merklich beeinträchtigt haben.

Nur rund 11 % der Bevölkerung mit Migrationshintergrund 65 Jahre und älter

Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund weist deutlich jüngere Altersstrukturen auf als die ohne Migrationshintergrund. Mehr als ein Drittel (34 %) der in Baden-Württemberg lebenden Bevölkerung mit Migrationshintergrund war im Berichtsjahr 2015 unter 25 Jahre alt, nur rund 11 % waren 65 Jahre und älter. Von den Personen ohne Migrationshintergrund waren lediglich gut 22 % in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen. Der Anteil der älteren Menschen (65 Jahre und mehr) war hier mit 24 % hingegen mehr als doppelt so hoch wie bei den Personen mit Migrationshintergrund in der gleichen Altersgruppe. Knapp 31 % der baden-württembergischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund waren 25 bis unter 45 Jahre alt. Bei den Personen ohne Migrationshintergrund waren es lediglich annähernd 23 %. Das durchschnittliche Alter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund lag demnach mit rund 36 Jahren etwa 10 Jahre unter dem der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund mit ca. 46 Jahren.

Wird die Bevölkerungsgruppe mit Migrationshintergrund getrennt nach deutscher und ausländischer Staatsangehörigkeit betrachtet, so zeigen sich auch hier – zumindest in den Altersgruppen unter 45 Jahren – größere Unterschiede. Während nur annähernd 22 % der Ausländer jünger als 25 Jahre waren, waren es bei den Deutschen mit Migrationshintergrund nahezu 45 %. Diese hohen Anteile resultieren aus der hohen Anzahl der Deutschen unter 25 Jahren ohne eigene Migrationserfahrung, die als Deutsche geboren wurden. Fast umgekehrt verhielt es sich in der Altersgruppe der 25- bis unter 45-Jährigen. In den Altersgruppen ab 45 Jahren gab es zwischen den beiden Personengruppen keine vergleichsweise auffälligen Unterschiede.

Anteile bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen am höchsten

Im Schnitt verfügt mehr als ein Viertel aller Baden-Württemberger über einen Migrationshintergrund. Zwischen den einzelnen Altersgruppen unterscheiden sich die Anteile zum Teil deutlich. Infolge der jüngeren Altersstruktur der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist deren Anteil an der Gesamtbevölkerung in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen mit über 37 % am höchsten. Davon entfielen rund 26 Prozentpunkte auf Deutsche mit Migrationshintergrund und 11 Prozentpunkte auf Personen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Bei genauerer Betrachtung der Personen unter 25 Jahren zeigt sich, dass der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei den unter 10-Jährigen mit nahezu 44 % am höchsten war. Auch in der Altersgruppe der 25- bis unter 45-Jährigen war der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund mit fast 35 % überdurchschnittlich hoch. Von den über 65-jährigen Baden-Württembergern haben hingegen nur gut 15 % einen Migrationshintergrund.

Rund 16 % aller Personen mit Migrationshintergrund haben ihre Wurzeln in der Türkei

Von allen Personen mit Migrationshintergrund lebten im Jahr 2015 fast 35 % bereits seit Geburt und fast 38 % seit mindestens 20 Jahren in Deutschland. Lediglich rund 10 % der Menschen mit Migrationshintergrund lebten kürzer als 5 Jahre in Deutschland. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die aktuelle Situation der Asylsuchenden noch unzureichend in den Ergebnissen des Mikrozensus 2015 widerspiegeln dürfte.

Fast drei Viertel (74 %) der Bevölkerung mit Migrationshintergrund stammten aus Europa, wobei der größte Anteil der Zuwanderer bzw. deren Nachkommen ihre Wurzeln in der Türkei haben. 489 000 und somit rund 16 % von den 3 Mill. Personen mit Migrationshintergrund besitzen die türkische (erweiterte) Staatsangehörigkeit3. Mit deutlichem Abstand folgten Italien und Rumänien als Herkunftsland mit jeweils 7,5 % und 6,2 %. Neben der Anwerbung von Gastarbeitern seit Mitte der 1950er-Jahre – beispielsweise aus Italien, der Türkei, Griechenland oder dem ehemaligen Jugoslawien – führte unter anderem auch die politische Öffnung der ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts zu verstärkter Zuwanderung. Infolgedessen kamen ab Ende der 1980er-Jahre insbesondere Aussiedlerinnen und Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, Polen und Rumänien nach Deutschland.4 So hatten 2015 knapp 16 % der in Baden-Württemberg lebenden Bevölkerung mit Migrationshintergrund ihre Wurzeln im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und fast 44 % in den Gastarbeiteranwerbestaaten. Annähernd 14 % der Zuwanderer und ihrer Nachkommen stammten aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Die Zuwanderung dürfte überwiegend aufgrund des Arbeitsangebotes in Deutschland in den 1960er- und 1970er-Jahren und infolge des Bürgerkrieges Anfang der 1990er-Jahre erfolgt sein.

Wird nur die Personengruppe betrachtet, die selbst zugewandert ist (Personen mit eigener Migrationserfahrung), zeigt sich, dass ebenfalls die meisten Menschen (11,4 %) ihre Wurzeln in der Türkei haben. An zweiter und dritter Stelle folgten Rumänien und Polen mit 7,9 % und 7,4 %.

Fast vier Fünftel der jungen Menschen mit Migrationshintergrund seit Geburt in Deutschland

In Baden-Württemberg lebten im Berichtsjahr 2015 über 1 Mill. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, die jünger als 25 alt Jahre waren. Mit fast 19 % hatten die meisten von ihnen türkische, die zweitgrößte Gruppe italienische Wurzeln (6,9 %). Danach folgten als Herkunftsländer die Russische Föderation (5,1 %), Polen und Kasachstan (jeweils 4,6 %).

Fast 80 % der jungen Menschen mit Migrationshintergrund unter 25 Jahren lebten von Geburt an in Deutschland und hatten damit keine eigene Migrationserfahrung. Lediglich rund ein Fünftel, das waren gut 207 000 Personen, hatte eigene Migrationserfahrung. Von diesen zugewanderten unter 25-Jährigen kamen 6,9 % aus Rumänien, 6,5 % aus Russland und 6 % aus Kasachstan.

1 Im Rahmen der Mikrozensusauswertungen 2015 (und 2011) wird auf Personen mit Migrations­hintergrund »im engeren Sinn« Bezug genommen.

2 Die Berichtsjahre 2011 und 2012 wurden anhand der Bevölkerungsfortschreibung sowohl auf Basis der Volkszählung 1987 als auch auf Basis des Zensus 2011 hochgerechnet.

3 Im Mikrozensus wird derzeit das Herkunftsland nicht erfragt. Daher wird hier und im Folgenden die erweiterte Staatsangehörigkeit, das heißt die derzeitige, frühere bzw. elterliche Staatsangehörigkeit zur Bestimmung der Herkunft verwendet. In der Systematik des Mikrozensus werden die Türkei und die Russische Föderation zu Europa zugeordnet. Siehe hierzu auch Statistisches Bundesamt (2016): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit: Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2015. Fachserie 1, Reihe 2.2. Wiesbaden.

4 Vergleiche https://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138012/geschichte-der-zuwanderung-nach-deutschland-nach-1950 (Abruf: 03.11.2016).