:: 4/2017

Welche Fächergruppe bietet die besten Karrierechancen?

Absolventenbefragung an 19 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg im Jahr 2015

4 632 Absolventinnen und Absolventen beteiligten sich im Jahr 2015 an der Absolventenbefragung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die nun bereits zum achten Mal in Folge vom Statistischen Landesamt im Auftrag der Hochschulen und des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst durchgeführt wurde. Die Befragung aus dem Jahr 2015 unterstrich die Ergebnisse vorangegangener Befragungen und zeigte erneut, dass Absolventinnen und Absolventen mit einem Abschluss an einer der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ausgezeichnete Karrierechancen haben.1 Dennoch war festzustellen, dass die Wahl des Studiengangs Einfluss auf einen erfolgreichen Start ins Berufsleben haben kann. So finden Absolventinnen und Absolventen der Ingenieurwissenschaften am schnellsten eine Beschäftigung und haben sehr gute Verdienstmöglichkeiten. Absolventinnen und Absolventen der Mathematik/Naturwissenschaften nehmen am häufigsten ein weiteres Studium auf oder beginnen eine Promotion. Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bekommen direkt nach dem Studium am häufigsten befristete Arbeitsverträge.

Bewerbungsphase – ein Studium der Ingenieurwissenschaften führt am schnellsten zum Job

80 % der Absolventinnen und Absolventen der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 75 % der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften und 70 % der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften suchten im Anschluss an ihr Studium eine Erwerbstätigkeit.2 Der Rest begab sich dagegen nicht auf die Suche. Der Verzicht auf die Stellensuche wurde am häufigsten mit der Aufnahme eines weiteren Studiums bzw. einer Promotion (Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: 54 %, Ingenieurwissenschaften: 58 %, Mathematik/Naturwissenschaften: 65 %,) oder dem Finden eines Jobs ohne Bewerbung (Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: 21 %, Mathematik/Naturwissenschaften: 26 %, Ingenieurwissenschaften: 28 %) begründet.

Im Hinblick auf den Sucherfolg gab es keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den drei Fächergruppen. So fanden 94 % der Ingenieurwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler, 93 % der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler und 92 % der Mathematikerinnen/Naturwissenschaftlerinnen bzw. Mathematiker/Naturwissenschaftler im Anschluss an ihr Studium eine Erwerbstätigkeit.

Im Gegensatz dazu wurden zwischen den Absolventinnen und Absolventen der verschiedenen Fächergruppen Unterschiede bei der Dauer und dem Umfang der Bewerbungsphase festgestellt. Mit einer durchschnittlichen Dauer der Bewerbungssuche von 2,4 Monaten, durchschnittlich 11,9 Bewerbungen und drei Bewerbungsgesprächen fanden die Absolventinnen und Absolventen der Fächergruppe Ingenieurwissenschaften am schnellsten und mit dem geringsten Aufwand eine Beschäftigung. Die Absolventinnen und Absolventen der Mathematik/Naturwissenschaften benötigten durchschnittlich 2,6 Monate, 12,1 Bewerbungsversuche und 3,2 Bewerbungsgespräche. Verhältnismäßig am aufwendigsten war die Suche für die Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit durchschnittlich 2,9 Bewerbungsmonaten, 17,7 Bewerbungsversuchen und 3,3 Bewerbungsgesprächen. Sie benötigten somit einen halben Monat länger als Absolventinnen und Absolventen der Ingenieurwissenschaften, mussten knapp sechs Bewerbungen mehr schreiben und mehr Bewerbungsgespräche führen als Absolventinnen und Absolventen der beiden anderen Fächergruppen bis sie eine Arbeitsstelle fanden.

Erste und aktuelle Tätigkeit – weiteres Studium bei Absolventinnen und Absolventen der Mathematik/Naturwissenschaften am beliebtesten

Im Vergleich der drei Fächergruppen war der Anteil der Absolventinnen und Absolventen der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften, die sich direkt nach dem Studium in einem Angestellten- oder Beamtenverhältnis befanden, am geringsten. So konnte lediglich die Hälfte eine »klassische« Erwerbstätigkeit vorweisen. Bei den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und bei den Ingenieurwissenschaften waren es hingegen nahezu drei Fünftel (59 %). Dafür war der Anteil der Absolventinnen und Absolventen der Mathematik/Naturwissenschaften, die ein weiteres Studium aufnahmen oder eine Promotion begannen, mit einem Wert von 30 % am höchsten. Lediglich 24 % der Ingenieurwissenschaftlerinnen bzw. Ingenieurwissenschaftler und 18 % der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler begannen ein weiteres Studium oder eine Promotion. Die Ingenieurwissenschaften hatten zwar den geringsten Anteil an Arbeitslosen in der ersten Phase (8 %). In den anderen beiden Fächergruppen war dieser Wert jedoch mit je 10 % nur geringfügig höher.

Um Entwicklungen bei den beruflichen Tätigkeiten abbilden zu können, wurden die Absolventinnen und Absolventen nicht nur zu ihrer ersten Beschäftigung direkt nach dem Studium, sondern auch zu ihrer Tätigkeit zum Zeitpunkt der Erhebung befragt (vergleiche i-Punkt »Beispiel für erste und derzeitige Phase«). Die Anteile in der Kategorie »Erwerbstätigkeit in einem Angestellten- oder Beamtenverhältnis« stiegen deutlich an. So befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung 78 % (+ 19 Prozentpunkte) der Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 76 % (+ 17 Prozentpunkte) der Ingenieurwissenschaften und 69 % (+ 19 Prozentpunkte) der Mathematik/Naturwissenschaften in einem Angestellten- oder Beamtenverhältnis. Die Mathematik/Naturwissenschaften waren mit 23 % weiterhin die Fächergruppe mit dem höchsten Anteil an Absolventinnen und Absolventen, die ein weiteres Studium oder eine Promotion aufgenommen hatten. Von den Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften waren dies 12 % und der Ingenieurwissenschaften 15 %. Als arbeitslos klassifizierten sich in jeder Fächergruppe zum Zeitpunkt der Befragung lediglich 3 %.

Beschäftigungsverhältnis – viele Befristungen zum Berufsstart

Wie beispielweise der Zeit-Online-Artikel »Befristete Verträge werden zur Normalität«3 suggeriert, setzen Unternehmen verstärkt befristete Verträge ein und wählen insbesondere für Berufsanfängerinnen und -anfänger vergleichsweise häufig diese Einstellungsform. Und tatsächlich trifft dieser Sachverhalt auch auf die Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zu. In der ersten Phase direkt nach dem Studium befanden sich 21 % der Absolventinnen und Absolventen in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Dabei führte ein Abschluss in einem Fach der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften am häufigsten zu einem befristeten Arbeitsvertrag (25 %). Absolventinnen und Absolventen der Mathematik/Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften erhielten hingegen nur in knapp einem Fünftel der Fälle einen befristeten Arbeitsvertrag.

Ein Teil der zunächst befristet Beschäftigten schaffte aber den Sprung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Zum Zeitpunkt der Befragung befanden sich nahezu neun von zehn Absolventinnen und Absolventen in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Mit 90 % konnten Absolventinnen und Absolventen der Ingenieurwissenschaften am häufigsten einen unbefristeten Arbeitsvertrag vorweisen. Aber auch in den beiden anderen Fächergruppen verfügten zum Zeitpunkt der Befragung immerhin 87 % (Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) bzw. 88 % (Mathematik/Naturwissenschaften) über einen Dauerarbeitsvertrag.

Unterschiede zwischen den Fächergruppen wurden auch bei einem Vergleich der Werte zur Beschäftigung in Voll- oder Teilzeit sichtbar. Knapp jeder Zehnte der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler (9 %) gab an, in der derzeitigen Phase in Teilzeit beschäftigt zu sein. Absolventinnen und Absolventen der Fächergruppen Mathematik/Naturwissenschaften (5 %) und Ingenieurwissenschaften (3 %) zählten seltener zu den Teilzeitbeschäftigten.

Einkommenssituation – Verdienst über 40 000 Euro ist die Regel

Ein Vergleich der jährlichen Bruttoeinkommen zum Zeitpunkt der Befragung (derzeitige Phase) machte Unterschiede zwischen den Fächergruppen deutlich. Zwar war in allen drei Fächergruppen der Anteil der Personen, die zwischen 40 001 und 50 000 Euro verdienen, am höchsten (Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 26 %, Ingenieurwissenschaften 28 % und Mathematik/Naturwissenschaften 35 %). Bei Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften war jedoch der Anteil der Personen, denen lediglich ein Einkommen zwischen 10 000 und 30 000 Euro zur Verfügung stand, mit 11 % deutlich höher als in den anderen Fächergruppen (je 5 %). Dies galt auch für die nächste Einkommensstufe zwischen 30 001 und 40 000 Euro. Rund jede fünfte Absolventin bzw. jeder fünfte Absolvent aus der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften lag in dieser Verdienstgruppe. In den anderen beiden Fächergruppen war nur jeweils jede achte Absolventin bzw. jeder achte Absolvent in dieser Gehaltsgruppe angesiedelt. Die Betrachtung der Gehaltsgruppen ab 50 001 Euro verdeutlicht den Gehaltsunterschied zwischen Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern und den Absolventinnen und Absolventen der beiden anderen Fächergruppen. Zwischen 50 001 und 60 000 Euro verdienten immerhin noch knapp 18 % der Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, ein Einkommen zwischen 60 001 und 70 000 Euro erzielten aber nur noch 11 %. In der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften verdienten 23 % zwischen 50 001 und 60 000 Euro und 14 % zwischen 60 001 und 70 000 Euro. Die Absolventinnen und Absolventen der Ingenieurwissenschaften waren in beiden Gehaltsgruppen Spitzenreiter mit einem Anteil von 26 % bzw. 15 %. In der höchsten Gehaltskategorie mit über 70 000 Euro Bruttoeinkommen im Jahr, zeigte sich jedoch, dass auch ein Beruf im Bereich der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zu Spitzengehältern führen kann. So verdienten immerhin knapp 13 % der Absolventinnen und Absolventen mit einem Abschluss in diesem Bereich mehr als 70 000 Euro im Jahr. In der Fächergruppe der Ingenieurwissenschaften lag der Anteil der Spitzenverdiener bei 12 % und bei Absolventinnen und Absolventen der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften lag das Einkommen nur bei 9 % über 70 000 Euro.

Die Absolventinnen und Absolventen der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sind aber trotz des tendenziell geringeren Einkommens keinesfalls unzufrieden mit ihrer finanziellen Situation. So gab bei allen drei betrachteten Fächergruppen mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie mit ihrem Gehalt zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind (51 % Mathematik/Naturwissenschaften, 54 % Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und 56 % Ingenieurwissenschaften).

Studium an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften schafft gute Voraussetzungen

Über alle betrachteten Fächergruppen hinweg fanden mehr als neun von zehn arbeitsuchende Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften einen Job. Zum Zeitpunkt der Befragung gaben in allen drei betrachteten Fächergruppen nur je 3 % an, dass sie arbeitslos waren. Befristete Arbeitsverträge waren direkt nach dem Studium zwar häufiger, aber viele Absolventinnen und Absolventen schafften innerhalb recht kurzer Zeit den Schritt hin zu einer dauerhaften Arbeitsstelle. Die Einkommenssituation war für die Mehrzahl der Absolventinnen und Absolventen zufriedenstellend.

Ein Studium an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften schafft, ganz gleich welcher Fächergruppe der gewählte Studiengang angehört, eine solide Grundlage für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Allerdings haben Absolventinnen und Absolventen der Ingenieurwissenschaften tendenziell die besten Karrierechancen. Bei der Integration in den Arbeitsmarkt, bei Befristung und Einkommen haben sie gegenüber den Absolventinnen und Absolventen der beiden anderen Fächergruppen ganz leicht die Nase vorn.