:: 6/2017

Die finanzielle Lage privater Haushalte in Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2015

Das Einkommen der privaten Haushalte, deren Wohnkosten und die finanziellen Einschränkungen sind schwerpunktmäßige Themen der Statistik EU-SILC, die in den Staaten der Europäischen Union und weiteren Ländern erhoben wird. Damit ist diese Statistik eine wichtige Datenquelle für Sozial- und Armutsanalysen in Europa. Mit den Ergebnissen aus dem Erhebungsjahr 2015 werden im folgenden Beitrag Baden-Württemberg, Deutschland und ausgewählte europäische Staaten verglichen zu den Themen Einkommen und Armutsgefährdung sowie zu Einschätzungen der Haushalte über ihre finanzielle Lage und den »materiellen Entbehrungen«. Diese Kriterien bilden wichtige Armutsindikatoren für die EU.

Die Statistik EU-SILC ermöglicht – vor allem zum Themenbereich Einkommen und finanzielle Lage der privaten Haushalte – statistische Vergleiche zwischen europäischen Staaten. Neben den objektiven Zahlen zum Einkommen werden bei dieser Erhebung auch subjektive Einschätzungen erfragt, beispielsweise wie die Haushalte mit ihrem monatlichen Einkommen zurechtkommen oder ob die Wohnkosten als besondere Belastung gesehen werden.

Veröffentlichungen und Analysen zu EU-SILC liegen vor allem als bundesweite Ergebnisse für Deutschland und für andere EU-Staaten vor.1 Der Stichprobenumfang der Erhebung ermöglicht aber auch aussagekräftige Daten zumindest für die größeren Bundesländer. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse der EU-SILC-Statistik in einem Vergleich von Baden-Württemberg, Deutschland und den EU-Staaten mit mehr als 8 Mill. Einwohnern dargestellt.

Haushaltseinkommen und Armutsgefährdung

Für Baden-Württemberg berechnet sich aus der Erhebung EU-SILC 2015 ein mittleres Bruttoeinkommen (Median2) je Haushalt von 40 762 Euro im Jahr, wobei die Haushaltsgröße durchschnittlich 2,1 Personen beträgt. Nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen verbleibt den Haushalten ein mittleres verfügbares Einkommen von 30 008 Euro im Jahr. Deutliche Unterschiede bei der Höhe des Einkommens zeigen sich insbesondere nach Größe und Zusammensetzung der Haushalte. Deshalb wird mit Bezug auf die Anzahl der Personen im Haushalt das sogenannte Äquivalenzeinkommen3 berechnet, das einen Einkommenswert je Person darstellt und als Rechengröße für die Ermittlung von Armutsgefährdungsquoten dient. Im Jahr 2015 lag der Median des Nettoäquivalenzeinkommens in Baden-Württemberg bei gut 21 900 Euro im Jahr und damit etwas über dem bundesweiten Wert von knapp 20 700 Euro.

Bei einem Vergleich der Äquivalenzeinkommen in ausgewählten europäischen Staaten lag Deutschland in 2015 knapp hinter Großbritannien und den westlichen Nachbarstaaten Frankreich, Belgien und Niederlande. Baden-Württemberg hingegen lag etwas vor den genannten Ländern. Spürbar höhere Äquivalenzeinkommen zeigten sich für Österreich und vor allem für Schweden.

Geringere Einkommenswerte als in Deutschland wurden hingegen für Italien und Spanien ermittelt. Deutlich niedriger lagen die Einkommen schließlich in den südeuropäischen Ländern Griechenland und Portugal sowie in den östlichen Ländern Tschechische Republik, Polen, Ungarn und Rumänien. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass das Preisniveau in vielen dieser Staaten auch geringer ist.

Schaubild 1 zeigt zudem die Armutsgefährdungsquote4 in den einzelnen Staaten. Diese bildet einen Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut und weist auf eine Ungleichheit bei der Einkommensverteilung in den jeweiligen Staaten hin. Eine niedrige Quote wird vor allem in solchen Ländern erreicht, in denen die Unterschiede zwischen armen und reichen Haushalten geringer sind. Dies trifft neben den Niederlanden beispielsweise auch für die Tschechische Republik zu. Dort zeigt sich trotz einer eher geringen Höhe des mittleren Einkommens eine nur geringe Armutsgefährdungsquote.

Haushalte kommen unterschiedlich gut mit ihrem Einkommen zurecht

Neben den Angaben zur Einkommenshöhe ist auch die Ermittlung subjektiver Einschätzungen zur finanziellen Lage der Haushalte eine wichtige Aufgabe der EU-SILC-Statistik. So gab im Jahr 2015 eine klare Mehrheit der baden-württembergischen Haushalte an, mit ihrem monatlichen Einkommen überwiegend gut zurechtzukommen. Rund 41 % der Personen lebten in Haushalten, die ihre finanzielle Situation als sehr gut oder gut beurteilten, und weitere 41 % in Haushalten, die mit ihrem Einkommen relativ gut zurechtkamen. Dagegen bewertete knapp ein Fünftel der Haushalte die eigene finanzielle Lage eher negativ. 10 % der Bevölkerung kamen mit dem Einkommen relativ schlecht zurecht und weitere 8 % sogar schlecht oder sehr schlecht. Die Ergebnisse für ganz Deutschland unterscheiden sich fast nicht von denen im Land.

Im europäischen Vergleich zeigt sich erwartungsgemäß, dass Haushalte in Ländern mit höheren Einkommen wie zum Beispiel in Schweden die eigene finanzielle Lage überwiegend positiv sehen. Ausgeprägt ist eine solche Einschätzung aber auch in den Niederlanden, deren Einkommensschnitt knapp unter dem in Baden-Württemberg liegt. Deutlich schlechter wird das Zurechtkommen mit dem Einkommen vor allem von den Haushalten in süd- und osteuropäischen Staaten gesehen. Insbesondere in Rumänien, Griechenland und Ungarn überwiegen bei Weitem die kritischen Beurteilungen der persönlichen finanziellen Situation.

Einschätzungen zur Wohnkostenbelastung der Haushalte

Die Wohnkosten stellen für die privaten Haushalte oft den größten Posten ihrer regelmäßigen Ausgaben dar. So wurden in Baden-Württemberg für die Wohnkosten – einschließlich Heizung, Strom und Wasser – im Mittel rund 7 100 Euro im Jahr ausgegeben, also mehr als ein Viertel des verfügbaren Einkommens. Bei EU-SILC wird auch eine Einschätzung der Haushalte bezüglich der monatlichen finanziellen Belastung durch die Wohnkosten erfragt, und zwar in einer dreistufigen Skala. Eine deutliche Mehrheit von 61 % der Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger lebte im Jahr 2015 in Haushalten, in denen die Wohnkosten als gewisse Belastung gesehen wurden. Der Anteil derjenigen, die durch ihre Wohnkosten kein finanzielles Problem empfanden, war mit knapp 26 % deutlich größer als derjenigen mit subjektiv großer Belastung (13 %). Diese Bewertungen unterscheiden sich in Baden-Württemberg nur wenig vom deutschlandweiten Ergebnis.

Im europäischen Vergleich zeigen sich hingegen große Unterschiede bei den Einschätzungen der Haushalte zur finanziellen Belastung durch das Wohnen. Während sich im Jahr 2015 in Schweden und den Niederlanden eine Mehrheit der Haushalte durch Wohnkosten gar nicht belastet sah, lagen Deutschland und Baden-Württemberg eher im Mittelfeld der hier betrachteten Länder. Besonders kritisch wurde das Thema Wohnkosten in Polen, Spanien und Italien eingeschätzt. Dort gab eine Mehrheit der Bevölkerung an, dass ihre Wohnkosten eine große finanzielle Belastung für den Haushalt darstellen.

Haushalte und ihre »materiellen Entbehrungen«

Während für die Berechnung der Armutsgefährdungsquote die konkreten Einkommensangaben verwendet werden, geht es bei der Messung der materiellen Entbehrung vor allem darum, ob sich ein Haushalt in der Lage sieht, sich bestimmte Güter und Dienstleistungen, die von den meisten Menschen für eine angemessene Lebensführung als wünschenswert oder gar notwendig angesehen werden, finanziell leisten zu können.

Im Jahr 2015 lebten 26 % der Bevölkerung Baden-Württembergs in einem Haushalt, der nach eigener Einschätzung nicht über die finanziellen Mittel verfügte, eine unerwartete hohe finanzielle Ausgabe zu tätigen. In Deutschland sahen sich 30 % der Bevölkerung bei einer solchen unerwarteten Ausgabe finanziell überfordert, was jedoch noch unter dem EU-weiten Durchschnitt von knapp 37 % lag. Besonders deutlich trifft diese Einschränkung die Bevölkerung in den Haushalten Ungarns, Griechenlands und Rumäniens. In Ungarn gaben fast drei Viertel der Bevölkerung an, finanziell mit einer solch unerwarteten Ausgabe überfordert zu sein, womit beispielsweise der Kauf einer neuen Waschmaschine oder eine teure Autoreparatur gemeint ist. Auch in Griechenland und in Rumänien sah sich über die Hälfte der Bevölkerung finanziell nicht in der Lage, eine derartige Ausgabe zu bestreiten. Deutlich weniger eingeschränkt im Umgang mit kurzfristig anfallenden finanziellen Belastungen sahen sich demgegenüber die Haushalte in Schweden (16 %), Österreich oder den Niederlanden (jeweils 23 %).

Fast identisch zeigt sich dieses Bild auch bei der Frage, ob es sich der Haushalt finanziell leisten kann, mindestens eine Woche im Jahr zu verreisen. In Baden-Württemberg war 2015 der Anteil derjenigen, die sich eine Reise nicht leisten konnten, ebenso niedrig wie in den Niederlanden (jeweils 17 %). Auch Deutschland, Österreich und vor allem Schweden (7 %) rangierten damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 34 %, während mehr als die Hälfte der Bevölkerung Rumäniens, Ungarns, Griechenlands oder Portugals es nach eigener Einschätzung nicht schaffte, eine einwöchige Urlaubsreise finanziell zu stemmen.

Ob sich ein Haushalt mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten kann, ist ebenfalls ein Ausdruck seiner finanziellen Möglichkeiten. Am einfachsten schien dies den Haushalten in Schweden und den Niederlanden zu fallen. In Baden-Württemberg gaben rund 8 % der Haushalte an, sich nicht mindestens jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten zu können, in Deutschland 7 %. Beide Werte lagen damit knapp unter dem EU-Durchschnitt von beinahe 9 %. Interessanterweise fühlten sich mit diesem Problem auch nur 3 % der spanischen und 4 % der portugiesischen Bevölkerung belastet, obwohl dort die Einkommen vergleichsweise geringer waren. Hintergrund hierfür könnte – neben einer allgemein größeren Wertschätzung für das Essen – eventuell der höhere Anteil bei der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sein.

Geringere Differenzen zeigen sich im europäischen Vergleich, wenn es um das angemessene Heizen der Wohnung geht, wobei diese Einschätzung auch von klimabedingten unterschiedlichen Notwendigkeiten abhängen kann. Auffällig ist, dass gerade in den südeuropäischen Ländern mehr Probleme mit möglichen Heizkosten wahrgenommen werden. Hintergrund könnte sein, dass die Wohnungen in diesen Ländern häufig nur mit einfachen, aber stromverbrauchenden Heizungen ausgestattet sind. Eine zu hohe Belastung durch mögliche Heizkosten empfand 2015 mehr als ein Viertel der Bevölkerung in den Haushalten Griechenlands sowie fast ein Viertel der Menschen in Portugal. Auch in Italien sahen 17 % finanzielle Schwierigkeiten darin, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Hingegen bereitete es nur knapp 1 % der Bevölkerung in den Haushalten Schwedens finanzielle Probleme, die Wohnung angemessen zu heizen. In Deutschland und auch in Baden-Württemberg lag der Anteil bei 4 %.

Ein ebenfalls wichtiges Kriterium bei der Einschätzung zur finanziellen Situation eines Haushaltes ist die finanzielle Sicherheit, die Miete, Hypotheken oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen. Im Jahr 2015 gaben in Baden-Württemberg 3 % der Haushalte an, hierbei Schwierigkeiten zu haben, deutschlandweit waren es 5 % und im EU-Durchschnitt 12 %. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass in Griechenland fast die Hälfte der Bevölkerung in privaten Haushalten sich nicht in der Lage sah, pünktlich für ihre Wohn- bzw. Energiekosten aufzukommen. Das ist gut das Vierfache des europäischen Durchschnitts.

Armut oder soziale Ausgrenzung als Indikator auf EU-Ebene

Mit der EU-SILC-Statistik wird auf europäischer Ebene der Indikator »Armut oder soziale Ausgrenzung« berechnet,5 der sich aus drei Teil-Indikatoren zusammensetzt. Neben der monetären Armutsgefährdungsquote und den subjektiven Einschätzungen der Haushalte zur materiellen Entbehrung6 wird noch eine sehr geringe Erwerbsbeteiligung im Haushalt7 als Kriterium herangezogen. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse für die Indikatoren zu Armut oder sozialer Ausgrenzung im europäischen Vergleich.

Im Jahr 2015 waren auf der Grundlage dieses Indikators rund 16 % der Bevölkerung Baden-Württembergs, also gut jeder Sechste, von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. In Deutschland lag der Wert bei 20 % und EU-weit betraf dies knapp 24 % der Bevölkerung.

Hohe Anteile einer Gefährdung von Armut oder sozialer Ausgrenzung zeigen sich beispielsweise in Rumänien und Griechenland. Dort betraf dies 2015 mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Hingegen waren vor allem in der Tschechischen Republik, Schweden und den Niederlanden vergleichsweise geringe Anteile von armuts- und ausgrenzungsbedrohten Personen zu verzeichnen. Der Indikatorwert in diesen Staaten entspricht in etwa dem in Baden-Württemberg.

1 Insbesondere Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes und der europäischen Statistikbehörde Eurostat.

2 Der Median ist der mittlere Wert einer aufsteigend geordneten Datenreihe. Im Unterschied zum arithmetischen Mittelwert (Durchschnitt) reagiert der Median weniger empfindlich auf Extremwerte in den Daten und wird daher bevorzugt bei Analysen zum Einkommen und bei der Berechnung der Armutsgefährdung eingesetzt.

3 Das Äquivalenzeinkommen wird ermittelt, indem das gesamte Haushaltseinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden Personen geteilt wird. Jeder Person wird ein Gewicht zugewiesen (nach modifizierter OECD-Skala: erster Erwachsener 1,0; weitere Erwachsene 0,5; Kinder unter 14 Jahren 0,3). Das Haushaltseinkommen wird nun durch die Summe der Gewichte dividiert. Das so ermittelte Einkommen wird jeder Person im Haushalt als persönliches Äquivalenzeinkommen zugeschrieben.

4 Die Armutsgefährdungsquote ist nach EU-Definition der Anteil der Personen in Privathaushalten, der mit weniger als 60 % des mittleren Pro-Kopf-Einkommens (Median des Äquivalenzeinkommens) der gesamten Bevölkerung auskommen muss.

5 Die Verringerung der Anzahl der Personen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist eines der Kernziele der Strategie Europa 2020 der Europäischen Union.

6 Erhebliche materielle Entbehrung liegt nach der EU-Definition für EU-SILC dann vor, wenn mindestens vier von neun Kriterien erfüllt sind. (Neben den in Tabelle 1 genannten Punkten wird noch das Fehlen eines Autos, einer Waschmaschine, eines Farbfernseher und eines Telefons gewertet.)

7 Ein Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung liegt dann vor, wenn die tatsächliche Erwerbsbeteiligung der im Haushalt lebenden, erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder im Alter von 18 bis 59 Jahren insgesamt weniger als 20 % ihrer potenziellen Erwerbsbeteiligung beträgt.