:: 8/2017

Wer sind Baden-Württembergs LEADER?

Mit LEADER-Gebieten sind nicht, wie der Begriff vermuten ließe, die wirtschaftlich prosperierenden Regionen in Baden-Württemberg angesprochen. Es handelt sich vielmehr um geförderte ländliche Gebiete. Das Akronym LEADER steht für »Liaison entre actions de développement de l‘économie rurale«, also für die »Verbindung von Aktionen zur Entwicklung und Stärkung der Ländlichen Wirtschaft«. Dahinter verbirgt sich das Förderprogramm der Europäischen Union zur Stärkung und Weiterentwicklung der Ländlichen Räume. Ziel der Initiative ist es, die jeweils geförderten Regionen auf dem Weg zu einer selbstständigen Fortentwicklung zu unterstützen. Seit 1991 werden im Rahmen dieses Konzepts Projekte subventioniert, die sich diesem Ziel annehmen. Mit Fokus auf Daten zur Bevölkerungsentwicklung und -struktur wird hier ein Einblick gegeben, welche Unterschiede zwischen LEADER-Gebieten, Ländlichem Raum und Baden-Württemberg generell bestehen. So ist im Ländlichen Raum der demografische Wandel vergleichsweise stärker ausgeprägt als in verdichteten Gebieten. Die LEADER-Gebiete, als geförderter Teil des Ländlichen Raumes, zeigen noch etwas stärker die typischen Entwicklungen, die mit dem demografischen Wandel assoziiert werden. Die Bevölkerung wächst langfristig schwächer und es kommt insbesondere zu einer deutlicheren Alterung der Gesellschaft.

Die LEADER-Gebiete basieren nicht zwingend auf bestehenden administrativen Gebietsgrenzen. Stattdessen ergeben sich die Gebiete aus dem freien Zusammenschluss verschiedener Gemeinden und teilweise nur einzelner Gemeindeteile. Die Bewilligung von Zuschüssen im Rahmen der LEADER-Förderung orientiert sich stark an den Zielsetzungen Bewältigung des demografischen Wandels und Förderung der sozialen Inklusion, der Armutsbekämpfung und der wirtschaftlichen Entwicklung in ländlichen Gebieten1. Gebiete, die im Rahmen des Programms gefördert werden, sollten strukturelle Gemeinsamkeiten aufweisen. Gerade aufgrund dieser Homogenität der LEADER-Gebiete ist es interessant zu untersuchen, welche typischen Unterschiede sich zu den Nicht-LEADER-Gebieten und zum Ländlichen Raum in seiner Abgrenzung nach dem Landesentwicklungsplan (siehe i-Punkt »LEADER und ausgewählte Gebiete«) ergeben. Die amtliche Statistik hält regional tief gegliederte Daten bereit, anhand derer eine relativ genaue Darstellung der LEADER-Gebiete als regionale Analyseeinheit ermöglicht wird. So kann ein Stück weit beantwortet werden, was die Bevölkerungsentwicklung von Baden-Württembergs LEADERn auszeichnet. Entsprechend der Zielsetzung des Programmes rückt dabei die Betrachtung der demografischen Entwicklung in den Mittelpunkt. Zunächst soll ein Überblick über die allgemeine Bevölkerungsentwicklung gegeben werden, bevor im Weiteren eine nach Altersgruppen differenzierte Betrachtung vorgenommen wird. Daran schließt sich eine Untersuchung der maßgeblichen Entwicklungsfaktoren an.

Ein Fünftel der Bevölkerung lebt in den LEADER-Gebieten

Die aktuellen LEADER-Gebiete der Förderperiode 2014 bis 2020 umfassen insgesamt 443 Gemeinden. In diesen Gemeinden leben auf rund 1,7 Mill. Hektar (ha) Fläche etwas weniger als 2,4 Mill. Menschen. Die Nicht-LEADER-Gebiete beherbergen auf einer – mit 1,8 Mill. ha – nur etwas größeren Fläche 659 Gemeinden. Dort leben gut 8,5 Mill. Menschen und damit knapp vier Fünftel der gesamten Bevölkerung Baden-Württembergs. Dies macht auch die strukturellen Unterschiede zwischen beiden Gebieten deutlich. Die LEADER-Gebiete sind im Vergleich zu den Nicht-LEADER-Gebieten deutlich weniger verdichtet. Hier lebten auf fast 50 % der Landesfläche nur gut ein Fünftel der Landesbevölkerung.

Des Weiteren lassen sich die Gemeinden, die Teil der LEADER-Gebiete sind, überwiegend dem Ländlichen Raum im engeren Sinn (i.e.S.) zuordnen. 377 LEADER-Gemeinden, also rund 85 %, sind auch Gemeinden des Ländlichen Raums i.e.S. Weitere 5 % der LEADER-Gemeinden sind Teil der Verdichtungsbereiche im Ländlichen Raum, wodurch rund 90 % der LEADER-Gemeinden zum Ländlichen Raum insgesamt zählen. Allerdings bilden die Gemeinden des LEADER-Programms nur rund 61 % des Ländlichen Raumes insgesamt ab.

Bevölkerungszahl in den LEADER-Gebieten voraussichtlich stabil

Die LEADER-Gebiete verzeichneten im Zeitraum 2000 bis 2004 noch Bevölkerungszuwächse, anschließend nahm die Bevölkerung bis ins Jahr 2012 ab. Danach kam es erneut zu einem leichten Bevölkerungswachstum. Insgesamt gab es zwischen 2000 und 2015 einen leichten Rückgang um 0,7 %. Dagegen wuchs die Bevölkerung in den Nicht-LEADER-Gebieten im gleichen Zeitraum um 4,6 %. Auch im Ländlichen Raum insgesamt sowie im Ländlichen Raum i.e.S. stiegen die Bevölkerungszahlen über den betrachteten Zeitraum etwas an (+ 0,8 % bzw. + 0,6 %). Der aktuellen Bevölkerungsvorausrechnung2 folgend werden auch in Zukunft die Nicht-LEADER-Gebiete mit einem höheren Bevölkerungswachstum als die LEADER-Gebiete rechnen können. Die Wachstumsraten werden jedoch voraussichtlich etwas näher beieinander liegen. Bis zum Jahr 2035 wird mit einem marginalen Bevölkerungswachstum in den LEADERn um 0,3 % gerechnet, wohingegen für die Nicht-LEADER 3,4 % Bevölkerungswachstum erwartet werden. Auch im Ländlichen Raum insgesamt (1,3 %) und im Ländlichen Raum i.e.S. (0,8 %) wird mit geringen Bevölkerungszunahmen gerechnet. Für die LEADER-Gebiete wird die Bevölkerungszahl im Jahr 2035 voraussichtlich aber etwas unter dem Wert des hier betrachteten Ausgangsjahres, dem Jahr 2000, liegen.

Stärkere Alterung in den LEADER-Gebieten …

Insbesondere die jüngeren Altersgruppen der unter 18-Jährigen, der 18- bis unter 25-Jährigen und der 25- bis unter 30-Jährigen weisen in den Nicht-LEADER-Gebieten einen deutlich höheren Bevölkerungszuwachs, bzw. eine geringere Bevölkerungsabnahme auf. Im Zeitraum von 2000 bis 2015 war in diesen Altersgruppen das Bevölkerungswachstum in den Nicht-LEADER-Gebieten um jeweils ungefähr 10 Prozentpunkte höher als in den LEADER-Gebieten. Im gleichen Zeitraum wuchs die Altersgruppe der 65-Jährigen und Älteren in den Nicht-LEADER-Gebieten ebenfalls stärker. Lediglich in der Altersgruppe der 50- bis unter 65-Jäh­rigen fielen in den LEADER-Gebieten die Bevölkerungszunahmen stärker aus. Das Wachstum betrug 32 % zu 18,5 %. Insgesamt ergab sich daraus auch eine markante Veränderung des Durchschnittsalters. Während die Menschen in den LEADER-Gebieten im Jahr 2000 mit einem durchschnittlichen Alter von 39,6 Jahren noch jünger waren als in den Nicht-LEADER-Gebieten (40,4 Jahre), kehrte sich dies bis 2015 um. In jenem Jahr lag das Durchschnittsalter in den LEADERn bei 43,8 Jahren und in den Nicht-LEADERn bei 43,1 Jahren. In beiden Gebieten kam es bezogen auf das Durchschnittsalter zu einer deutlichen Alterung der Bevölkerung, die in den LEADER-Gebieten um 1,5 Jahre stärker ausfiel.

Ähnliche Tendenzen, wenn auch deutlich weniger markant, zeigen sich beim Vergleich der LEADER-Gebiete mit dem Ländlichen Raum insgesamt. Hier hatten die LEADER insbesondere in den jüngeren Altersklassen einen geringeren Bevölkerungszuwachs bzw. einen höheren -rückgang. Er lag nochmals 1 Prozentpunkt unter der Entwicklung im Ländlichen Raum insgesamt. Für die Altersklassen ab 50 Jahren lassen sich allerdings kaum Unterschiede zwischen LEADER-Gebieten und Ländlichem Raum insgesamt feststellen. Der Ländliche Raum i.e.S. hatte jedoch in diesen Altersklassen durchaus leicht höhere Bevölkerungszuwächse.

… voraussichtlich auch in den nächsten Jahren

Die Ergebnisse der jüngsten Bevölkerungsvorausrechnung lassen grundsätzlich eine Verstärkung dieser Tendenz erwarten. Es kommt zeitgleich zu einer Bevölkerungsabnahme und einer zunehmenden Alterung der Bewohner. Das Durchschnittsalter wird in den LEADER-Gebieten voraussichtlich spürbar stärker steigen als in den Nicht-LEADER-Gebieten. Bei Ersteren wird das durchschnittliche Alter von 43,8 Jahren im Jahr 2015 aus heutiger Sicht auf voraussichtlich 46,9 Jahre im Jahr 2035 zunehmen. Das sind 3,1 Jahre. Dagegen werden die Nicht-LEADER-Gebiete im Durchschnitt nur 2,3 Jahre altern. Das Durchschnittsalter wird voraussichtlich von 43,1 Jahren im Jahr 2015 auf 45,4 Jahre im Jahr 2035 zunehmen.

Im Vorausrechnungszeitraum wird in fast allen Altersgruppen ein stärkeres Wachstum bzw. eine geringere Abnahme der Bevölkerung in den Nicht-LEADER-Gebieten erwartet. Lediglich für die Altersgruppe der über 65-Jährigen ist von einer stärkeren Bevölkerungszunahme in den LEADER-Gebieten auszugehen, 42,6 % gegenüber 35,3 % in den Nicht-LEADER-Ge­bieten.

In allen Altersgruppen unter 65 Jahre wird die Bevölkerung in den betrachteten Gebieten wahrscheinlich zurückgehen. Bei den LEADER-Gebieten wird dies besonders stark in der Altersgruppe 18 bis unter 25 Jahre der Fall sein. Hier wird der Rückgang voraussichtlich bei fast 20 % liegen. Zudem ist für die Altersgruppen 25 bis unter 30 und 50 bis unter 65 Jahre mit einem Rückgang von rund 17 % zu rechnen. Die Gruppe der 65-Jährigen und Älteren wird dagegen aus heutiger Sicht um mehr als 42 % wachsen.

Auch die Nicht-LEADER-Gebiete werden in den mittleren Altersgruppen Bevölkerung verlieren und in den höheren Altersgruppen wachsen, allerdings gilt dies jeweils merklich schwächer. Im Vergleich zwischen Nicht-LEADER-Gebieten und LEADERn ist vor allem bemerkenswert, dass erstere mit einem Bevölkerungszuwachs in der Altersgruppe unter 18 Jahren von voraussichtlich 4,2 % rechnen können, während letztere rund 2 % verlieren dürften.

Der Ländliche Raum insgesamt wird die Entwicklung ähnlich stark erfahren, wie die LEADER-Gebiete. In nahezu allen Altersgruppen wird die Bevölkerung aus heutiger Sicht nur um rund 1 Prozentpunkt weniger ab bzw. mehr zunehmen. Zwischen LEADERn und Ländlichem Raum i.e.S. werden sich fast keine Unterschiede feststellen lassen. Bezogen auf die Alterung der Bevölkerung werden die LEADER-Gebiete damit voraussichtlich eine etwas ausgeprägtere Entwicklung als der Ländliche Raum insgesamt und eine nahezu identische Entwicklung wie der Ländliche Raum i.e.S verzeichnen.

Wanderungsgewinne auch in LEADER-Gebieten

Woraus ergeben sich diese räumlichen Bevölkerungsentwicklungen? Grundsätzlich sind sowohl ein negativer Wanderungssaldo, das heißt weniger Zuwanderung als Abwanderung, als auch ein Geburtendefizit, das heißt weniger Geburten als Sterbefälle, als Ursache eines Bevölkerungsrückgangs möglich. Wanderungsbewegungen schwanken zwischen den einzelnen Jahren häufig stark. Dadurch lassen sich nur schwer langfristige Trends beschreiben. Im Vergleich der LEADER- und Nicht-LEADER-Gebiete fällt zunächst auf, dass letztere zwischen 2000 und 2015 durchgängig von einem Überschuss an Zuzügen profitieren konnten, während erstere zumindest im Zeitraum 2006 bis 2011 mit einer Bevölkerungsabwanderung konfrontiert waren. In den anschließenden Jahren gab es auch in den LEADER-Gebieten deutlich steigende Wanderungsgewinne, welche im Jahr 2015, dem Höhepunkt der Zuwanderung Asylsuchender, ihren Höchststand im hier betrachteten Zeitraum erreichten. In beiden Gebieten konnte über den gesamten Zeitraum betrachtet eine positive Wanderungsbilanz verzeichnet werden. In den LEADER-Gebieten wanderten von 2000 bis 2015 pro Jahr im Schnitt 2,1 Personen je 1 000 Einwohner netto zu. In den Nicht-LEADER-Gebieten lag dieser Wert bei rund 4,8 Personen je 1 000 Einwohner3.

Darüber hinaus sind vor allem die Unterschiede der Wanderungssalden zwischen den Altersgruppen interessant. Über den betrachteten Zeitraum lassen sich zum Teil deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Altersklassen feststellen. Besonders groß war die Differenz zwischen den Gebieten für die 18- bis unter 25-Jährigen. Die LEADER erfuhren in den betrachteten Jahren eine Nettoabwanderung von rund 13,7 Personen je 1 000 Einwohner. Die Nicht-LEADER wiesen dagegen per Saldo eine Zuwanderung von rund 28,6 Personen je 1 000 Einwohner auf. Bei den 25- bis unter 30-Jährigen hatten auch die LEADER-Gebiete ein – wenn auch geringes – Wanderungsplus. Dennoch lag die Nettozuwanderung in die Nicht-LEADER-Gebiete mit gut 13 Personen je 1 000 Einwohner deutlich darüber. Es handelte sich bei beiden Altersgruppen aller Wahrscheinlichkeit nach um berufs- und ausbildungsbedingte Wanderungen. Die Aufnahme eines Studiums, einer Ausbildung oder eines Arbeitsverhältnisses sind aufgrund der strukturellen Gegebenheiten in den verdichteten Räumen eher zu realisieren.

In den übrigen Altersgruppen hatten die LEADER-Gebiete zwischen einer und knapp drei Personen je 1 000 Einwohner höhere Wanderungssalden. Diese Gebiete sind daher als Lebensraum weiterhin attraktiv. Die insgesamt höheren Wanderungszahlen in den Nicht-LEADERn sind also ausschließlich auf die starke Zuwanderung der 18- bis unter 30-Jährigen zurück zu führen, obwohl diese nur etwa 14 % (LEADER) bzw. 13 % (Nicht-LEADER) der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Im Vergleich LEADER-Gebiete und Ländlicher Raum lässt sich zur Entwicklung bis zum Jahr 2015 konstatieren, dass die grundsätzlichen Trends übereinstimmend verliefen. Ländlicher Raum i.e.S, Ländlicher Raum insgesamt und die LEADER-Gebiete wiesen von 2000 bis 2005 abnehmende Wanderungssalden auf, die 2006 in allen Gebieten sogar ins Negative umschlugen. Mehr Ab- als Zuwanderungen gab es bis 2011, mit der Ausnahme des Ländlichen Raumes insgesamt, welcher in diesem Jahr bereits einen geringen positiven Saldo verzeichnete. Bis 2015 stiegen die Zuwanderungsüberschüsse dann konstant an. Über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg gab es in allen Gebieten eine Nettozuwanderung, die in den LEADERn mit 2,1 Personen je 1 000 Einwohnern und Jahr am geringsten ausfiel. Im Ländlichen Raum i.e.S. lag dieser Wert bei 2,3 Personen je 1 000 Einwohnern und Jahr und im Ländlichen Raum insgesamt bei 2,5 Personen je 1 000 Einwohnern und Jahr.

Bei der Betrachtung der durchschnittlichen Zuwanderung verschiedener Altersgruppen zeigten sich ebenfalls starke Übereinstimmungen zwischen dem Ländlichen Raum insgesamt und i.e.S. sowie den LEADER-Gebieten. In jeder Altersklasse, mit Ausnahme der 18- bis unter 25-Jährigen, gab es moderate Nettozuwanderungen, welche bei der Altersklasse der unter 18-Jährigen am stärksten ausfielen. Die Abwanderung der 18- bis unter 25-Jährigen ist insbesondere im Vergleich zu der Zuwanderung in den restlichen Altersgruppen sehr markant.

Steigende Geburtenzahlen

Die im Vergleich zu anderen Raumeinheiten geringe Zuwanderung in die LEADER-Gebiete begründet zunächst einmal einen langsameren Anstieg der Bevölkerungszahl. Die Entwicklung der Geburten- und Sterbefälle kann diese Tendenz beeinflussen. Sie kann sogar zu einer Abnahme der Bevölkerung führen, wenn ein hinreichend hohes Geburtendefizit vorliegt. Die zurückliegende Entwicklung soll daher im Folgenden dargestellt werden.

Innerhalb der LEADER-Gebiete nahm die Zahl der Lebendgeborenen von 2000 bis 2011 konstant ab. Im Jahr 2000 wurden hier rund 24 700 Kinder geboren, 2011 waren es nur noch etwa 18 200. In den Folgejahren stieg die Zahl der Geburten wieder an und erreichte 2015 rund 20 400 Lebendgeborene. Gleichzeitig hatte die durchschnittliche Kinderzahl, mit der die Geburtenhäufigkeit unabhängig von der Altersstruktur der Frauen gemessen werden kann, im Jahr 2015 mit 1,6 Kindern je Frau den höchsten Wert im Betrachtungszeitraum, nachdem es bis zum Jahr 2010 einen Rückgang gab und seitdem leicht gestiegene Werte feststellbar waren. Daraus lässt sich grundsätzlich schließen, dass in den LEADER-Gebieten im Laufe der vergangen Jahre die Frauen im Durchschnitt mehr Kinder bekamen.

Beeinflusst wird die Kennziffer »durchschnittliche Kinderzahl je Frau« von unterschiedlichen Faktoren. So lässt sich ohne weitere Differenzierung zum Beispiel nicht sagen, inwieweit der Anstieg auf nachgeholten, in ein späteres Alter verschobenen Geburten basiert, ob sozialstrukturelle Einflüsse in der Zusammensetzung der weiblichen Bevölkerung eine Rolle spielen oder eine grundlegende Verhaltensänderung in jüngeren Jahrgängen hin zu mehr Geburten stattgefunden hat. Eine vergleichsweise hohe durchschnittliche Kinderzahl bewirkt außerdem für sich allein genommen noch keinen Geburtenanstieg. Entscheidend ist auch die Zahl der potentiellen Eltern. Derzeit kommen wieder vergleichsweise stärker besetzte Jahrgänge – die Kinder der Babyboomer – in das Alter, in dem sie Familien gründen. Dies beeinflusst die Höhe der absoluten Geburtenzahlen.

Die Geburtenentwicklung verlief in den Nicht-LEADER-Gebieten im Wesentlichen identisch zu den LEADER-Gebieten. Es kam in den Jahren bis 2011 zu einem Geburtenrückgang. Die Zahl der Lebendgeborenen nahm vom Jahr 2000 mit rund 81 500 bis zum Jahr 2011 mit etwa 70 600 Geburten deutlich ab. Dies entspricht einem Rückgang um rund 11 000 Geburten oder 13 %. Danach kam es zu einem signifikanten Anstieg bis 2015, auf dann etwa 79 800 Geburten. Ebenso nahm die durchschnittliche Kinderzahl seit 2000 zunächst auf 1,3 Kinder je Frau ab und erreichte im Jahr 2008 erneut das Niveau des Jahres 2000 von 1,4 Kinder je Frau. Im Jahr 2015 stieg die Zahl dann sogar auf 1,5 Kinder je Frau. Die Frauen bekamen also wieder etwas häufiger Kinder, in den Nicht-LEADER-Gebieten jedoch durchschnittlich weniger als in den LEADER-Gebieten.

Sowohl im Ländlichen Raum i.e.S. also auch im Ländlichen Raum insgesamt stellten sich die Entwicklungen in der Tendenz letztlich genauso wie in den LEADER-Gebieten dar. Bis 2011 nahmen die Geburten kontinuierlich ab und stiegen anschließend bis ins Jahr 2015. Auch die Entwicklung der durchschnittlichen Kinderzahl je Frau verlief in diesen beiden Raumkategorien sehr ähnlich, wenn auch auf einem leicht höheren Niveau als in den LEADER-Gebieten. In den Ersteren wurde schon 2014 wieder die durchschnittliche Kinderzahl von 1,6 erreicht.

Steigende Zahl an Sterbefällen

Die zweite Seite der natürlichen Bevölkerungsentwicklung und das »Gegenstück« zur Geburtenentwicklung ist die Entwicklung der Sterbefälle. Die Gesamtzahl der Sterbefälle entwickelte sich über alle untersuchten Gebiete hinweg ähnlich. Die Anzahl der Gestorbenen schwankt zwischen den Jahren zwar häufig, der langfristige Trend zeigt jedoch eine Zunahme an Todesfällen pro Jahr. In den LEADER-Gebieten nahmen die Sterbefälle von 22 400 im Jahr 2000 auf 25 200 im Jahr 2015 zu. Es verstarben also 2 800 Personen mehr, dies entspricht einer Zunahme von 12 %. In den Nicht-LEADER-Gebieten nahm die Anzahl der Gestorbenen von 73 000 auf 82 00, also um 9 900 Personen zu. Dies bedeutet einen Zuwachs um 14 %. Im Ländlichen Raum insgesamt (von 33 500 Sterbefällen im Jahr 2000 zu 38 300 Sterbefällen in 2015) und im Ländlichen Raum i.e.S. (von 25 200 Sterbefällen im Jahr 2000 zu 29 000 Sterbefällen in 2015) bewegten sich die Veränderungen mit einer Zunahme um 14 bzw. 15 % in einem ähnlichen Rahmen.

Für den räumlichen Vergleich der Entwicklung wird die Sterberate hinzugezogen. Sie gibt die Anzahl der Todesfälle pro 1 000 Einwohner an. In allen Arealen stieg die Sterberate seit 2008 relativ stetig, während sie in den Jahren zuvor noch vergleichsweise stark zwischen den Jahren schwankte. Die Unterschiede zwischen LEADERn, Nicht-LEADERn, Ländlichem Raum und Ländlichem Raum i.e.S. nahmen im gesamten Betrachtungszeitraum konstant zu.

Grundsätzlich wiesen die Nicht-LEADER-Ge­biete in jedem Jahr die niedrigste Sterberate auf, sie lag im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2015 bei 8,9 Personen je 1 000 Einwohner. Der Ländliche Raum i.e.S. verzeichnete bereits merklich höhere Raten, lag aber nie über dem Ländlichen Raum insgesamt oder den LEADERn. Die durchschnittliche Sterberate lag hier bei 9,3 Personen je 1 000 Einwohner. Der Ländliche Raum insgesamt zeigte, bei einem Durchschnitt von 9,4 Personen je 1 000 Einwohner, geringfügig höhere Raten als der Ländliche Raum i.e.S. Die LEADER-Gebiete hatten dagegen in jedem einzelnen Jahr die höchste Sterberate und lagen im Durchschnitt der betrachteten Jahre bei einer Rate von 9,6 Personen je 1 000 Einwohner. Über Unterschiede in der Sterblichkeit, das Sterberisiko, zwischen den Raumeinheiten lässt die Sterberate allerdings keine fundierten Aussagen zu.

Ursächlich für einen Unterschied der Sterberaten sind aus bevölkerungsstatistischer Sicht im Wesentlichen die Alterszusammensetzungen der jeweiligen Bevölkerungen. Je älter die Bevölkerung ist, desto höher ist in der Regel auch die Sterberate. Dabei ist insbesondere der Anteil an Personen in einem hohen Alter relevant, da in diesen Altersbereichen die Sterbewahrscheinlichkeit deutlich zunimmt.

Vergleichsweise hohes Geburtendefizit in den LEADER-Gebieten

Aus der Kombination der Entwicklung von Geburten und Sterbefällen ergibt sich der Geburtenüberschuss, bzw. das Geburtendefizit. Den deutlichsten Geburtenüberschuss gab es im Jahr 2000 und zwar über alle untersuchten Gebiete hinweg. Seitdem ließ sich ein fallender Trend beobachten. Seit 2005 zeigte sich in den Ländlichen Räumen und den LEADER-Gebieten ein Geburtendefizit, welches trotz zwischenjährlicher Schwankungen absolut und relativ deutlich zunahm. In den Nicht-LEADER-Gebieten gab es erst seit 2008 ein durchgängiges Geburtendefizit. Um die Entwicklungen zwischen den Gebieten zu vergleichen, müssen sie in Relation zur jeweiligen Bevölkerung betrachtet werden. Dafür wird der Geburtenüberschuss bzw. das -defizit bezogen auf jeweils 1 000 Einwohner analysiert. Im Jahr 2000 lagen LEADER und Nicht-LEADER mit einer Geburt je 1 000 Einwohner im Plus, während im Ländlichen Raum insgesamt mit 1,2 und im Ländlichen Raum i.e.S mit 1,4 ein etwas größerer Geburtenüberschuss vorlag. In den folgenden Jahren nahm in allen Gebieten der Geburtenüberschuss tendenziell ab, im Ländlichen Raum i.e.S., dem Ländlichen Raum insgesamt und den LEADERn allerdings deutlich stärker als in den Nicht-LEADER-Gebieten. Der Ländliche Raum, und noch ausgeprägter die LEADER-Gebiete, nehmen aufgrund der natürlichen Bevölkerungsbewegung also deutlich kräftiger ab als die Nicht-LEADER-Gebiete. Die in diesen Gebieten zwar etwas höhere Geburtenrate kann die höhere Sterberate letztlich nicht ausgleichen.

Resümee

Die Bevölkerungsrückgänge der jüngeren Vergangenheit fielen in den LEADER-Gebieten im Durchschnitt sichtbar stärker aus als in den Nicht-LEADER-Gebieten und auch dem Ländlichen Raum insgesamt. Auch für die Zukunft ist eher mit Stabilität als mit besonderem Bevölkerungszuwachs zu rechnen. Demgegenüber können die Nicht-LEADER-Gebiete mit einem spürbaren Zuwachs rechnen. Das Geburtendefizit ist in den LEADER-Gebieten deutlich stärker ausgeprägt als in den Nicht-LEADER-Gebieten und auch stärker als im Ländlichen Raum. Zwar hatten auch die LEADER-Gebiete in der jüngeren Vergangenheit Wanderungsgewinne zu verzeichnen. Die junge Bevölkerung ab 18 bis unter 25 Jahre wanderte jedoch in merklichem Umfang in andere Räume ab. Das gilt aber für den gesamten Ländlichen Raum. Die weitere Alterung der Bevölkerung fällt, gemessen am Durchschnittsalter, in den LEADER-Gebieten etwa gleich stark aus wie im Ländlichen Raum. Gegenüber den Nicht-LEADER-Gebieten ist jedoch mit einer stärkeren Alterung zu rechnen.

In der Gesamtbilanz lässt sich sagen: Die LEADER-Gebiete sind hinsichtlich der Entwicklung der Bevölkerungszahl tatsächlich ein besonderer Teil des Ländlichen Raums. Aufgrund eines verhältnismäßig stärker steigenden Geburtendefizits und einer geringeren Bevölkerungszuwanderung fällt voraussichtlich auch künftig der Einwohnerzuwachs merklich geringer aus. Eine stärkere Alterung, verglichen mit den Nicht-LEADER-Gebieten, gibt es in den LEADERn genauso wie im Ländlichen Raum.

1 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2014): Partnerschaftsvereinbarung zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission für die Umsetzung der ESI-Fonds unter dem Gemeinsamen Strategischen Rahmen in der Förderperiode 2014 bis 2020, S. 17.

2 Voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerung (VEB) zur Basis 2014.

3 Der durchschnittliche jährliche Wanderungssaldo je 1 000 Einwohner wurde auf Basis des durchschnittlichen jährlichen Wanderungssaldos und der durchschnittlichen jährlichen Bevölkerungszahl ermittelt.