:: 8/2017

Auslandsmobilität von Hochschulabsolventinnen und -absolventen

Wer verbringt wie lange einen Teil des Studiums im Ausland?

2016 wurden erstmals gleichzeitig Absolventinnen und Absolventen von vier unterschiedlichen Hochschularten in Baden-Württemberg befragt. Das »europäische Mobilitätsziel« wird an allen Hochschularten erreicht. Die deutlich ehrgeizigeren »deutschen Mobilitätsziele« können nicht oder nur teilweise erfüllt werden. Vier von zehn der baden-württembergischen Hochschulabsolventinnen und -absolventen unter 25 Jahren waren zu Studienzwecken im Ausland. Absolventinnen absolvierten etwas häufiger einen Auslandsaufenthalt als Absolventen. Absolventinnen und Absolventen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg integrierten am häufigsten einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium. Am längsten hielten sich Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften im Ausland auf.

Die landesweite Absolventenbefragung im Jahr 2016 wurde vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der Hochschulen selbst durchgeführt. An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg wurden die Prüfungsjahre 2011 und 2015 und an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften die Prüfungsjahre 2011 und 2014 befragt. Die beiden Erhebungen der Musikhochschulen des Landes in den Jahren 2015 und 2016 wurden aufgrund geringer Fallzahlen gemeinsam ausgewertet und umfassen die Prüfungsjahre1 2009 bis 2014. An den Pädagogischen Hochschulen2 wurden hingegen die Kalenderjahre 2011, 2013 und 2014 befragt. Somit liegen für das Jahr 2016 erstmals Daten zu allen befragten Hochschularten vor.3 Aufbau und Ablauf des Studiums unterscheiden sich je nach Hochschulart erheblich. Diesem Umstand wurde durch ein entsprechendes Fragebogendesign Rechnung getragen. Gleichzeitig gibt es auch identische Fragebogenteile, die es ermöglichen einen Vergleich zwischen den Hochschularten anzustellen. Eine ebensolche Frage ist die nach einem Auslandsaufenthalt während des Studiums.

Deutsches Mobilitätsziel – es gibt noch viel zu tun

Das europäische Mobilitätsziel (i-Punkt) wurde an allen befragten Hochschulen in Baden-Württemberg deutlich erreicht, da mindestens 26 % der Studierenden je Hochschulart einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium integrierten. Die deutschen Mobilitätsziele, welche Bestandteil des Koalitionsvertrags der Bundesregierung aus dem Jahr 2013 sind, gestalten sich aufgrund der bereits hohen Mobilität deutscher Hochschulgraduierter im europäischen Vergleich wesentlich ambitionierter.4 Die erste Zielquote aus diesem Aktionsplan (50 % mit einen Auslandsaufenthalt) wurde dabei deutlich verfehlt. Mit Blick auf eine Auslandsmobilität von mindestens 3 Monaten Dauer liegen die Duale Hochschule Baden-Württemberg und die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften mit 28 % am Rande der zweiten Zielquote von 33 %. Die Erreichung der zweiten Zielquote kann aufgrund der steigenden Zahl von studienbedingten Auslandsaufenthalten für die nächsten Absolventenjahrgänge optimistisch gesehen werden.

Gibt es Gründe, die am Auslandsaufenthalt hindern?

Doch nicht alle Absolventinnen und Absolventen haben die Chance, solch eine Erfahrung in ihrem Lebenslauf zu verbuchen. Neben familiären bzw. privaten Gründen sprechen besonders finanzielle Gründe gegen einen Auslandsaufenthalt, wenn zum Beispiel kein Auslands-BAföG oder Stipendienprogramm in Anspruch genommen werden kann. Zwar wurden nur die Absolventinnen und Absolventen der Pädagogischen Hochschule dazu befragt,5 warum sie sich gegen einen Auslandsaufenthalt entschieden, vermutlich würden die Absolventinnen und Absolventen der übrigen Hochschularten aber ähnliche Gründe dafür anführen.

Fast vier von zehn (37 %) Absolventinnen und Absolventen der Pädagogischen Hochschulen gaben an, dass ein Auslandsaufenthalt für die Berufspläne nicht notwendig bzw. nicht interessant war. Knapp jede fünfte Absolventin bzw. jeder fünfte Absolvent (18 %) verzichtete aus familiären oder privaten Gründen auf einen Auslandsaufenthalt. Bei 14 % fehlten die finanziellen Mittel für einen Auslandsaufenthalt und 12 % wollten ihr Studium durch einen Auslandsaufenthalt nicht in die Länge ziehen. Es mangelte nach Ansicht der meisten Studierenden also nicht an einer ausreichenden Beratung seitens der Hochschule oder an zu wenigen Angeboten. Erfreulich war auch, dass nur rund 2 % der befragten PH-Absolventinnen und Absolventen angaben, dass die fehlende Anerkennung von Studienleistungen der Grund war, nicht ins Ausland zu gehen. So bestehen für die Studierenden nur noch geringe Hindernisse in der Anerkennung der Studienleistungen bzw. »credits«.

Bei den gut 300 Absolventinnen und Absolventen, die aus familiären oder persönlichen Gründen nicht ins Ausland gingen, sind die Einflussmöglichkeiten seitens Politik und Hochschule begrenzt. Vor allem bei denjenigen, die aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf eine Studienzeit im Ausland verzichteten, ließe sich gegebenenfalls über einen Ausbau oder eine Anpassung der entsprechenden Förderprogramme ein Auslandsaufenthalt während des Studiums ermöglichen.

Was kann Skeptiker und Unentschlossene überzeugen?

Neben den im Studium oder durch berufliche Erfahrungen bzw. Praktika erworbenen Kenntnissen, können Auslandsaufenthalte die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und den Einstieg in die Erwerbstätigkeit erleichtern. So fanden Absolventinnen und Absolventen mit einem Auslandsaufenthalt tendenziell etwas schneller eine Erwerbstätigkeit als ihre Mitstudierenden, die diesen Schritt nicht vollzogen. Beispielsweise suchten die Absolventinnen und Absolventen der Musikhochschulen, die einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium integrierten, im Schnitt etwa einen halben Monat kürzer nach einer Erwerbstätigkeit. An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (0,2 Monate) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (0,1 Monate) zeigte sich dieser Effekt auf einem hohen Niveau etwas schwächer. Neben dem Erlernen einer neuen Sprache wirken sich interkulturelle Kompetenzen, »soft skills« und das persönliche Netzwerk an der Auslandsdestination positiv auf die berufliche Biografie der Studierenden aus. Egal ob für ein Auslandssemester, einen Sprachkurs, oder das Anfertigen der Abschlussarbeit, – um nur einige Gründe für einen Auslandsaufenthalt zu nennen – ein Auslandsaufenthalt kann ganz unterschiedlich für die spätere Erwerbstätigkeit von Nutzen sein.

Ich bin dann mal weg! – Großteil war länger als ein halbes Jahr im Ausland

An den baden-württembergischen Hochschulen der Absolventenbefragungen 2016 war insgesamt etwas weniger als ein Drittel der Befragten (32 %) studienbedingt im Ausland. Die Absolventinnen und Absolventen der Duale Hochschule Baden-Württemberg integrierten dabei mit 36 % am häufigsten einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium. Für die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer der Pädagogischen Hochschulen (28 %) und Musikhochschulabsolventinnen und -absolventen (26 %) war dies nur für gut ein Viertel relevant. Ein knappes Drittel (31 %) der Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften verbrachte einen Teil des Studiums im Ausland. An der Universität Stuttgart absolvierte gut ein Fünftel (21 %) der Absolventinnen und Absolventen, die 2012 ihr Masterstudium abschlossen, einen Auslandsaufenthalt.

Im Schnitt waren die Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften 7,1 Monate im Ausland. Das war knapp 2 Monate länger als die angehenden Lehrerinnen und Lehrer der Pädagogischen Hochschulen, die im Schnitt für 5,3 Monate ins Ausland gingen, und fast doppelt so lange wie Absolventinnen und Absolventen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, die durchschnittlich lediglich 3,7 Auslandsmonate zu verzeichnen hatten. Drei Viertel der Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die einen Auslandsaufenthalt absolviert hatten, verbrachten mindestens ein halbes Jahr im Ausland. Bei den Lehramtsabsolventinnen und -absolventen war fast ein Drittel (32 %) für bis zu 3 Monate »abroad«. Mehr als vier von zehn (42 %) der Absolventinnen und Absolventen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg waren knapp 3 Monate im Ausland.

Wer wagt den Sprung ins Ausland?

Absolventinnen waren etwas häufiger im Ausland als Absolventen, wobei der Unterschied mit 2 Prozentpunkten gering ausfällt. Deutlich wurde jedoch, dass ein Auslandsaufenthalt häufiger von jüngeren Absolventinnen und Absolventen unter 25 Jahren absolviert wurde. In dieser Altersklasse war der Anteil an Studierenden mit Auslandsaufenthalt mit 40 % mehr als doppelt so hoch wie bei Absolventinnen und Absolventen im Alter von 35 Jahren und darüber (18 %). In den Altersgruppen von 25 bis 30 Jahren (32 %) bzw. von 31 bis 34 Jahren (30 %) integrierten nur drei von zehn Absolventinnen und Absolventen einen Auslandsaufenthalt in ihr Studium. Dies erklärt sich beispielsweise damit, dass ältere Absolventinnen und Absolventen bereits mehr (berufliche) Erfahrung im bzw. neben dem Studium sammeln konnten und für sie ein Auslandsaufenthalt im befragten Studium eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass innerhalb dieser Personengruppe familiäre und persönliche Gründe wie bspw. eine feste Partnerschaft oder Kinder einem Auslandsaufenthalt eher entgegenstehen. Hochschulabsolventinnen und -absolventen, die ihre Studienzugangsberechtigung im europäischen oder außereuropäischen Ausland erworben hatten, absolvierten häufiger einen Auslandsaufenthalt als Absolventinnen und Absolventen, die in Deutschland das Abitur bzw. eine andere Art der Hochschulzugangsberechtigung erhalten hatten (+ 5 Prozentpunkte). Zudem zeigte sich, dass deutsche Absolventinnen und Absolventen etwas öfter zu Studienzwecken im Ausland waren als ihre ehemaligen ausländischen Kommilitoninnen und Kommilitonen (+ 2 Prozentpunkte).

Wo soll’s denn hingehen? – USA Ziel Nr. 1, rund die Hälfte bleibt in Europa

Die Absolventinnen und Absolventen wählten mehr als hundert verschiedene Nationen rund um den Globus für ihren Auslandsaufenthalt.6 Knapp die Hälfte (47 %) der Absolventinnen und Absolventen, die sich für einen Auslandsaufenthalt entschied, wählte hierfür ein europäisches Land. Am beliebtesten innerhalb Europas waren Großbritannien (14 % aller europäischen Länderausprägungen), Frankreich (6 %) und die Schweiz (4 %). Großbritannien lag zudem weltweit auf Platz 2.

Etwas mehr als ein Viertel (28 %) der Absolventinnen und Absolventen entschied sich für ein Land auf dem amerikanischen Kontinent. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren, nicht nur innerhalb dieses Kontinents das beliebteste Land für einen Auslandsaufenthalt. Mit 836 Nennungen waren sie mit Abstand das am häufigsten weltweit gewählte Land für eine Zeit im Ausland. Fast jede fünfte Absolventin bzw. jeder fünfte Absolvent (19 %) mit einem Auslandsaufenthalt während des Studiums entschied sich für die USA. Kanada schaffte es auf Rang 9 und damit noch unter die »Top Ten« der beliebtesten Länder. Mexiko landete auf Rang 12. Immerhin 16 % wählten für das Land des Auslandsaufenthaltes ein asiatisches Land. Am häufigsten wurde hierbei China genannt. Mit einem Anteil von 7 % schaffte es die Volksrepublik auf Rang 3 der weltweit beliebtesten Länder. Weitere beliebte Nationen in Asien waren Indien (Rang 13) und Singapur (Rang 15). Obwohl sich nur 5 % der Absolventinnen und Absolventen mit Auslandsaufenthalt für ein afrikanisches Land entschieden, schaffte es Südafrika auf Rang 7 der beliebtesten Länder. Daneben wurden noch 16 weitere Länder in Afrika genannt. Auf den fünften Kontinent zog es rund 4 % der Absolventinnen und Absolventen, wobei sich die meisten für Australien entschieden. Aber auch Neuseeland war nicht unattraktiv für einen Auslandsaufenthalt und landete immerhin noch unter den Top 20 der beliebtesten Länder weltweit.

Fazit zum Auslandsaufenthalt

Knapp ein Drittel der befragten Absolventinnen und Absolventen wagte den Austausch und verbrachte einen Teil der Studienzeit im Ausland. Die Gründe dafür waren vielfältig und ebenso divers war die Art und Weise, wie dieser Aufenthalt ins Studium eingebettet wurde. Ein Teil verbrachte nur wenige Wochen im Ausland, ein großer Teil blieb hingegen für einen ganzen Studienabschnitt oder ein ganzes Semester im Ausland. Die Erfahrungen im Ausland wirken sich vorteilhaft auf das Studium und den Berufseinstieg aus. Trotz aller positiver Aspekte, die ein Auslandsaufenthalt mit sich bringt, darf nicht übersehen werden, dass es für einen nicht unbeträchtlichen Teil an Absolventinnen und Absolventen aus verschiedenen Gründen nicht möglich war, diese Erfahrungen zu machen, und dass die ehrgeizig gesteckten deutschen Mobilitätsziele noch nicht erreicht sind.

1 Prüfungsjahr umfasst ein Wintersemester und das darauffolgende Sommersemester (zum Beispiel Prüfungsjahr 2011 = Wintersemester 2010/11 und Sommersemester 2011).

2 Im folgenden Beitrag werden zur besseren Darstellung nur die Ergebnisse für die Lehramtsabsolventinnen und -absolventen an den Pädagogischen Hochschulen dargestellt. Pädagogische Hochschulen sind inzwischen jedoch nicht mehr rein lehrerbildende Hochschulen, sondern übernehmen als bildungswissenschaftliche Hochschulen mit Universitätsrang die akademische Professionalisierung der Bildungsberufe in ihrer ganzen Breite. Im ausführlichen Bericht werden auch die Ergebnisse der Bachelorabsolventinnen und -absolventen ausgewertet.

3 Als Vergleichsstudie dient »Studienzufriedenheit und Berufserfolg – Ergebnisse der Absolventenstudie 2013/14 der Universität Stuttgart«. Universität Stuttgart, Stabsstelle Qualitätsentwicklung, 2015. http://www.qe.uni-stuttgart.de/services/befragungen/ (Abruf: 04.04.2017).

4 Vergleiche Handbuch zur Datenerhebung von temporären studienbezogenen Auslandsaufenthalten. Ergebnisse aus dem EU-Benchmarking-Projekt des DAAD zur Erfassung von studienbezogenen Auslandsaufenthalten gemäß novelliertem Hochschulstatistikgesetz, 2016.

5 In den Absolventenbefragungen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und der Dualen Hochschule Baden-Württemberg gab es dazu nur eine offene Frage.

6 Die folgenden Angaben beziehen auf alle Absolventinnen und Absolventen mit Auslandsaufenthalt. Im Schaubild wurden jedoch alle teilnehmenden Absolventinnen und Absolventen dargestellt, um die Relation zu verdeutlichen. Dies erklärt die Diskrepanz in den Prozentangaben.