:: 9/2017

Versuch einer Kreistypisierung für ein kommunales Bildungsmanagement

Kommunen weisen hinsichtlich ihrer demografischen, wirtschaftlichen, sozial- und siedlungsstrukturellen Rahmenbedingungen große Unterschiede auf. Dies führt zu einer sehr heterogenen Bildungslandschaft in Deutschland. Um diese systematisch untersuchen zu können, bestehen seit einigen Jahren in immer mehr Kommunen Bemühungen, ein kommunales Bildungsmonitoring aufzubauen. In diesem Aufsatz wird der Versuch unternommen, mithilfe einer Clusteranalyse eine Typisierung der Kreise und kreisfreien Städte anhand von Kontextfaktoren von Bildung durchzuführen. Diese Bestandsaufnahme verfolgt das Ziel, den Austausch zwischen an Bildungsmonitoring interessierten und Bildungsmonitoring betreibenden Kommunen, die vor ähnlich gelagerten Herausforderungen stehen, zu befördern.

Einleitung

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im Jahr 2014 die Förderrichtlinie »Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement« initiiert, in deren Rahmen das Statistische Bundesamt, das Statistische Landesamt Baden-Württemberg und das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) als Konsortium Bildungsmonitoring zusammenarbeiten. Dabei entwickelt das Konsortium Bildungsmonitoring Produkte wie den Anwendungsleitfaden zum Aufbau eines kommunalen Bildungsmonitorings (Konsortium Bildungsmonitoring, 2014) oder die Kommunale Bildungsdatenbank (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2017a) weiter und unterstützt Kommunen1 beim Aufbau eines Bildungsmonitorings2.

Kommunen, die Bildungsmonitoring betreiben, sehen sich unterschiedlichen Rahmenbedingungen für Bildung ausgesetzt. So gibt es Kommunen, in denen der demografische Wandel einen ausgeprägten Einfluss auf die Bildungslandschaft hat, in anderen Kommunen spielen Aspekte wie der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund eine wichtige Rolle. Je nachdem, welche Rahmenbedingungen vorliegen und zusammentreffen, unterscheiden sich die Problemlagen und somit auch die Themen für ein Kommunales Bildungsmonitoring. Deshalb entstand im Rahmen der »Transferinitiative Kommunales Bildungsmanagement« die Idee, Kreise und kreisfreie Städte in Deutschland zu typisieren. Damit sollen Gruppen von Kreisen und kreisfreien Städten mit ähnlichen Rahmenbedingungen identifiziert werden: Zum einen wird eine Bestandsaufnahme erstellt und zum anderen eine Möglichkeit für an Bildungsmonitoring interessierte und Bildungsmonitoring betreibende Kommunen geschaffen, sich auszutauschen. Auf diese Weise können Kreise, die aufgrund ihrer demografischen, sozialen, wirtschaftlichen und siedlungsstrukturellen Rahmenbedingungen vor ähnlichen Herausforderungen des Bildungssystems stehen, miteinander in Kontakt treten und voneinander lernen. Im Vergleich mit anderen bereits bestehenden Kreistypisierungen, wie zum Beispiel den Siedlungsstrukturellen Kreistypen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), dem Landatlas des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft oder den Demographietypen des Wegweisers Kommune der Bertelsmann Stiftung (Bertelsmann Stiftung, 2013), liegt hier der Fokus auf den Rahmenbedingungen der Kreise und kreisfreien Städte, welche die regionale Bildungslandschaft beeinflussen.

Nach den theoretischen Zusammenhängen zwischen Rahmenbedingungen und Bildung werden das Vorgehen bei der Auswahl der Variablen sowie die Clusteranalyse als Methode der Kreistypisierung vorgestellt. Im Anschluss werden die methodischen Vorüberlegungen und das Ergebnis nach der Berechnung verschiedener Modelle von Clusteranalysen berichtet, bevor die Cluster inhaltlich charakterisiert und die Herausforderungen, vor denen die Bildungslandschaften der zugehörigen kreisfreien Städte und Landkreise vermutlich stehen, beschrieben werden. Schlussendlich werden einige methodische Herausforderungen der Analyse kurz beleuchtet und ein Ausblick auf den künftigen Nutzen der Ergebnisse gegeben.

Theorie und Empirie der Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen und Bildung

Bei der Kreistypisierung werden Kreise und kreisfreie Städte zusammengeführt, deren Rahmenbedingungen ähnlich sind. Dementsprechend werden die Einflüsse der Rahmenbedingungen auf Bildungslandschaften unter theoretischen Gesichtspunkten nach den folgenden Themenkomplexen betrachtet: Demografie, soziale Lage, Wirtschaftsstruktur sowie Siedlungsstruktur und räumliche Lage.

Die Bevölkerungsentwicklung, die Altersstruktur der Bevölkerung sowie der Wanderungssaldo beeinflussen kommunale Handlungsmöglichkeiten und -verpflichtungen im Bildungsbereich: Die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, Bildungs- und Ausbildungsinfrastrukturen bereitzustellen, hängen stark von diesen Merkmalen ab. Ebenso sind die soziale Lage der Einwohner einer Region und Bildung miteinander verknüpft. Auf individueller Ebene wirken sozioökonomischer Status, Bildungserfolg und Einkommen aufeinander ein (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2010, hier: Seite 204 f.). Ferner beeinflusst beispielsweise die Arbeitslosenquote direkt den kommunalen Haushalt. Kommunen mit einer höheren Arbeitslosenquote müssen höhere Sozialausgaben tätigen und können dadurch weniger investieren, unter anderem auch in Bildung (Arnold und andere, 2015, hier: Seite 1039). Zudem gibt es Zusammenhänge zwischen der Wirtschaftskraft und -struktur einer Region und dem Bildungsniveau und der Bildungsbeteiligung der Bevölkerung (Ammermüller/Zwick, 2005, hier: Seite 9), der Ausbildungs- und Weiterbildungsintensität der ansässigen Unternehmen (Martin und andere, 2015, hier: Seite 103; Bundesinstitut für Berufsbildung, 2014) und der Finanzkraft der Gemeinden (Bundesministerium der Finanzen, 2013). Des Weiteren wirkt Siedlungsstruktur, die durch den Grad der Verstädterung beziehungsweise der Ländlichkeit eines Kreises sowie die Bevölkerungs- und Arbeitsplatzdichte gekennzeichnet ist, direkt auf die Bildungsinfrastruktur vor Ort. Ballungsgebiete und große Städte können alle Schularten bereitstellen und sind häufig Standort von Universitäten und Hochschulen, und auch die Versorgung im Bereich der Erwachsenenbildung ist gewährleistet. Im Gegensatz dazu sind Bildungsangebote im ländlichen Raum unter Umständen nicht wohnortnah erreichbar, sodass die Einwohner sich in das Umland oder zu größeren Städten hin orientieren und, wenn überhaupt, nur als Pendler Bildungsangebote wahrnehmen können (Schmitz-Veltin, 2006, hier: Seite 352).

Methodische Vorgehensweise

Die Clusteranalyse als Methode der Kreistypisierung

Es existieren verschiedene Ansätze, um anhand von Variablen, welche die dargestellten theoretischen Themenkomplexe darstellen, eine Typisierung vornehmen zu können. Die Clusteranalyse ist die am häufigsten verwendete Methode bei regionalökonomischen Klassifizierungsproblemen. Der Vorteil dieser multivariaten, strukturentdeckenden Methode ist die Möglichkeit, viele Merkmale zur Charakterisierung der Fälle einzubeziehen (Schmidt, 1996, hier: Seite 321). Das Ziel der Clusteranalyse ist es, Untersuchungseinheiten zu Clustern zusammenzuführen, sodass sich die Untersuchungseinheiten innerhalb eines Clusters möglichst stark ähneln und zwischen den Clustern möglichst stark unterscheiden (Gutfleisch, 2007, hier: Seite 20).

Vierstufige Auswahl der Variablen nach methodischen Kriterien

Auf Basis der in Kapitel 2 vorgestellten theoretischen Vorüberlegungen wurde ein Datensatz mit 50 Variablen erstellt. Als Datenquellen dienten die Regionaldatenbank (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2017b), die Kommunale Bildungsdatenbank (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2017a) sowie die INKAR-Datenbank (BBSR, 2017a) und eine thematische Karte des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR, 2017b).

Zunächst wurden die Daten mittels einer z-Transformation standardisiert, um sicherzustellen, dass die aufgenommenen Variablen alle den gleichen Maßstab aufweisen. Im Anschluss wurden in einem vierstufigen Verfahren die für die Clusteranalyse geeigneten Variablen ausgewählt. Im ersten Schritt wurden alle Variablen, für die bei mehr als zwei Kreisen oder kreisfreien Städten keine Daten vorliegen, eliminiert, da Beobachtungen mit fehlenden Fällen bei einer Clusteranalyse ausgeschlossen werden. Im zweiten Schritt wurden die Variablen auf eine Normalverteilung hin überprüft, welche Voraussetzung für die Berechnung einer Clusteranalyse und auch für die der Clusteranalyse vorgeschaltete Korrelationsanalyse ist. Da vorausgesetzt wird, dass die Rahmenbedingungen und das Bildungssystem sich gegenseitig beeinflussen, war das dritte Auswahlkriterium ein Zusammenhang der in die Analyse aufgenommenen Variablen mit Bildung. Dabei wird Bildung im Lebenslauf durch verschiedene Variablen beschrieben, wie beispielsweise durch den Anteil der Abgängerinnen und Abgänger ohne Hauptschulabschluss oder den Anteil der Absolventinnen und Absolventen mit allgemeiner Hochschulreife an allgemein bildenden und beruflichen Schulen. In einem vierten Schritt wurde die Multikollinearität der verbliebenen Variablen überprüft: Für die Durchführung einer Clusteranalyse sollten stark miteinander korrelierende Variablen ausgeschlossen werden, da sie zum großen Teil redundante Informationen liefern. Somit wird durch den Ausschluss dieser Variablen vermieden, dass ein Merkmal in der Analyse zu stark gewichtet wird (Backhaus und andere, 2011, hier: Seite 450). Hierzu wurde ebenfalls eine Korrelationsmatrix nach Pearson erzeugt. Bei Variablen, die mit r < −0,8 und r > 0,8 korrelierten, wurde diejenige der beiden, die einen geringeren Zusammenhang mit Bildung aufwies, aus dem Datensatz entfernt. Nach Ablauf dieser vier Schritte verblieben 17 Variablen, die alle theoretischen Themenbereiche abdecken. Diese Variablen flossen als Merkmale, nach denen die Kreise geclustert werden, in die Clusteranalyse ein (Übersicht 1).

Vorüberlegungen zur Clusteranalyse: Auswahl des Proximitätsmaßes und des Fusionierungsalgorithmus

Um eine Clusteranalyse durchzuführen, muss zuerst das Proximitätsmaß ausgewählt werden. Hierbei besteht die Wahl zwischen Ähnlichkeits- und Distanzmaßen. Das Ähnlichkeitsmaß misst dabei die Ähnlichkeit zwischen den Objekten, während mit dem Distanzmaß die Differenz zwischen den Objekten gemessen wird. Ähnlichkeitsmaße werden hauptsächlich angewandt, um Entwicklungsprozesse zu vergleichen, sodass in dieser Untersuchung, in der die Unterschiede und damit der Abstand zwischen den Kommunen im Fokus stehen, ein Distanzmaß ausgewählt wurde (Gutfleisch, 2007, hier: Seite 88 f.). Da alle Variablen ein metrisches Skalenniveau aufweisen, kommen folgende Distanzmaße infrage: City-Block-Metrik (L1-Norm), Euklidisches Distanzmaß (L2-Norm), Quadriertes Euklidisches Distanzmaß (L2-Norm). Die quadrierte Euklidische Distanz berücksichtigt jedoch große Differenzwerte bei der Berechnung durch die Quadrierung stärker als die anderen Maße und macht damit am deutlichsten Differenzen zwischen den Objekten sichtbar. Aus diesem Grund wurde die Quadrierte Euklidische Distanz als Proximitätsmaß ausgewählt.

Auf der Basis dieses ausgewählten Distanzmaßes fasst ein Fusionierungsalgorithmus im zweiten Schritt die Kreise in Gruppen zusammen. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden unterschiedliche Verfahren angewandt und schließlich das Ward-Verfahren als Fusionierungsalgorithmus ausgewählt. Das Ward-Verfahren ist ein hierarchisches, agglomeratives Verfahren, welches bei jedem Fusionierungsschritt die beiden Cluster mit der geringsten Distanz zusammenfasst. Der Abstand zwischen dem zuletzt gebildeten Cluster und den anderen Clustern wird folgendermaßen berechnet:

D(R;P+Q)= 1/(NR+NP+NQ) ∙{(NR+NP)∙D(R,P) + (NR +NQ)∙D(R,Q) – NR ∙ D (P,Q)}

mit:

D(X,Y)Distanz zwischen den Gruppen X und Y
NRZahl der Objekte in Gruppe R
NPZahl der Objekte in Gruppe P
NQZahl der Objekte in Gruppe Q (Backhaus und andere, 2011, hier: Seite 421 f.)

Mittels des Ward-Verfahrens werden die Cluster verschmolzen, die das Heterogenitätsmaß, die sogenannte Fehlerquadratsumme, am wenigsten erhöhen. Dies ermöglicht die Bildung von möglichst homogenen Clustern (Backhaus und andere, 2011, hier: Seite 426 f.).

Als Kriterium für die Auswahl der Clusteranzahl kann das »Elbow-Kriterium« herangezogen werden. Sobald sich das Heterogenitätsmaß, also die Fehlerquadratsumme, »sprungartig« erhöht und somit heterogene Cluster zusammengefasst werden, sollte der Fusionierungsalgorithmus abgebrochen werden. Im Falle dieser Untersuchung ergab sich eine optimale Clusteranzahl von 5.

Clusteranalysen

Um die Auswirkungen der Anzahl der vorgegebenen Cluster und etwaiger Ausreißer auf die Clusterbildung zu beobachten und einzuschätzen, wurden mehrere Clusteranalysen durchgeführt und schlussendlich das passendste Modell ausgewählt. Im Vorfeld wurden mögliche Ausreißer mittels des Single-Linkage-Verfahrens identifiziert. In diesem Verfahren werden die Cluster mit der kleinsten Distanz zueinander verschmolzen; es ist deshalb dazu geeignet, Ausreißer zu identifizieren. Danach wurden Modelle mit und ohne diese Ausreißer berechnet, wobei in letzteren Modellen 19 Kommunen, darunter überproportional viele Kreise und kreisfreie Städte in Bayern, als Ausreißer ausgeschlossen wurden. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um kleine kreisfreie Städte, die in anderen Bundesländern bei Kreisreformen eher den umliegenden Landkreisen zugeschlagen worden wären und die für die umliegenden Landkreise eine Zentrumsfunktion ausüben.

Unter dem Aspekt, dass letztendlich alle Kreise und kreisfreien Städte einem Kreistyp zugeordnet werden sollten, ist die Clusterung ohne Ausreißer jedoch nur begrenzt sinnvoll. Die Güte des Modells, zum Beispiel bei Betrachtung des R², welches den Anteil der durch die Cluster erklärten Varianz darstellt, verändert sich zudem zwischen den Modellen mit Ausreißern und ohne Ausreißer nur minimal. Die Güte der Modelle wird also durch den Ausschluss der Ausreißer nicht verbessert, sodass sie schlussendlich im Datensatz belassen wurden.

Neben der finalen 5-Cluster-Lösung wurden mehrere weitere Modelle berechnet. Werden die Cluster einer 6-Cluster-Lösung mit dem Ward-Verfahren im Vergleich zur 5-Cluster-Lösung betrachtet, so sind die Cluster 1, 2, 3 und 5 (siehe Übersicht 2) in beiden Modellen identisch, in der 6-Cluster-Lösung bilden jedoch einige der bayerischen Kreise und kreisfreien Städte, die mittels des Single-Linkage-Verfahrens als Ausreißer identifiziert wurden, zusammen mit anderen bayerischen Kommunen einen eigenen Cluster. In der 5-Cluster-Lösung wird dieser Cluster mit Cluster 4 zusammengefasst.

Wird eine 7-Cluster-Lösung berechnet, bildet Berlin zusätzlich einen eigenen Cluster. Die Vergleichbarkeit Berlins mit den anderen Großstädten, mit denen die Bundeshauptstadt in der 5-Cluster-Lösung einem Cluster zugeordnet wurde, ist also begrenzt.

Weiterhin wurde eine Clusteranalyse mit vorgeschalteter Faktorenanalyse berechnet. Das Ziel dieses Vorgehens bestand darin, die 17 Variablen auf wenige voneinander unabhängige Faktoren zu reduzieren, die nicht miteinander korrelieren, und die Clusteranalyse im Anschluss mit diesen Faktoren als Merkmalsvariablen durchzuführen. Es wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit einer Varimax-Rotation gewählt und gemäß dem Kaiser-Kriterium (Backhaus und andere, 2011, hier: Seite 359) fünf Faktoren extrahiert. Dabei zeigte sich allerdings, dass die extrahierten Faktoren inhaltlich nicht eindeutig zu interpretieren sind und nur einen Teil des ursprünglichen Informationsgehalts der Variablen widerspiegeln (Backhaus und andere, 2011, hier: Seite 450). Auf Basis der Faktorenanalyse erschien, gemäß dem Elbow-Kriterium, eine 3-Cluster-Lösung sinnvoll, die für den Zweck der Kreistypisierung jedoch keinen Mehrwert liefert, da die Trennung der Cluster hier nur nach Ostdeutschland, Westdeutschland und Großstädten erfolgt. Aufgrund dieser beiden Aspekte wurde eine Kreistypisierung auf Basis der Clusteranalyse mit vorgeschalteter Faktorenanalyse verworfen.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Clusteranalysen generell sehr stark zwischen städtischen Kreisen/kreisfreien Städten und ländlichen Kreisen sowie westdeutschen und ostdeutschen Kommunen trennen. Es bestehen sowohl in der 5- als auch der 6-Cluster-Lösung Cluster, in denen jeweils nur westdeutsche und (bis auf zwei Ausnahmen) nur ostdeutsche Landkreise zusammengefasst werden. Dies spricht für die immer noch heterogenen sozioökonomischen Voraussetzungen in Ost und West, welche auch in den Ergebnissen einer Clusteranalyse mit Bezug zu Rahmenbedingungen von Bildung deutlich werden.

Mittels einer Diskriminanzanalyse wurde im Anschluss die Trennschärfe der Cluster der ausgewählten 5-Cluster-Lösung überprüft. Das Kriterium der »Wahrscheinlichkeit der Zugehörigkeit zu den Gruppen« überstieg in allen Clustern die zufällige Zuordnung in hohem Maß und die Betrachtung des Gütekriteriums Wilks‘ Lambda ergibt, dass die Cluster mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 1 % trennscharf sind und sich statistisch signifikant voneinander unterscheiden.

Die Ergebnisse der finalen 5-Cluster-Lösung sind im Schaubild dargestellt.

Methodische Herausforderungen

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Ergebnisse von Clusteranalysen generell relativ instabil sind, da sie sehr stark von den ausgewählten Merkmalsvariablen sowie vom Fusionierungsalgorithmus abhängig sind. Außerdem konnten nicht alle theoretisch interessanten Variablen in die Analyse aufgenommen werden, da die Datenverfügbarkeit von Daten auf Kreisebene beschränkt ist. Die theoretische Herleitung der Variablen und Auswahl in vier Schritten erscheint sinnvoll, dennoch hätten andere Entscheidungen bei der Variablenauswahl möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt. Eine Herausforderung bei Daten im Zeitverlauf sind weiterhin Gebietsstandsänderungen. Diese wurden nur berücksichtigt, wenn neue Kreise durch den Zusammenschluss mehrerer Kreise entstanden, nicht aber, wenn einzelne Gemeinden einem anderen Kreis zugeordnet wurden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass manche Landkreise ein großes strukturelles Gefälle aufweisen. Als Beispiel können einige brandenburgische Kreise genannt werden, deren Berlin zugewandte Seite sich strukturell sehr positiv entwickelt, während der andere Teil des Landkreises immer strukturschwächer wird.

Charakteristika der Kreistypen und daraus resultierende Herausforderungen der jeweiligen kommunalen Bildungslandschaften

Nach den methodischen Betrachtungen zur Durchführung der Kreistypisierung wird im Folgenden dargestellt, welche Rahmenbedingungen die Cluster kennzeichnen. Übersicht 2 beschreibt die Ausprägungen der der Analyse zugrunde liegenden Merkmale, insbesondere wenn sie vom Durchschnittswert abweichen beziehungsweise hohe positive oder negative t-Werte aufweisen. Der Cluster 1 besteht aus 141 hauptsächlich ländlichen und eher strukturschwachen Landkreisen. Aufgrund von Bevölkerungsrückgang und der niedrigen Bevölkerungsdichte ist die Bereitstellung wohnortnaher Bildungsinfrastruktur eine Herausforderung. Dies führt, ebenso wie die eher schwache wirtschaftliche Situation, zur Abwanderung junger Menschen. Diese Wanderungsbewegungen junger Menschen zwischen 18 und 25 Jahren werden auch als Bildungswanderung bezeichnet. Der Cluster 2 enthält 123 Kreise, darunter viele Landkreise aus Baden-Württemberg und Bayern mit eher strukturstärkeren Rahmenbedingungen. Themen eines kommunalen Bildungsmanagements sind vermutlich eine bedarfsgerechte Planung von Plätzen in frühkindlichen Bildungseinrichtungen und Schulen sowie ein effizientes Übergangsmanagement zwischen Schule und Beruf und die Vernetzung der Bildungsangebote vor Ort. In Cluster 3 befinden sich 38 Kreise, davon bis auf zwei Ausnahmen nur ostdeutsche kreisfreie Städte und Landkreise. Angesichts des starken Bevölkerungsrückgangs und der eher hohen Arbeitslosenquote sind die zu bewältigenden Herausforderungen groß, um eine wohnortnahe Bildungsinfrastruktur aufrecht zu erhalten und im Bereich der beruflichen Bildung ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen bereitzustellen. Cluster 4 bilden 71 Kommunen, vor allem kreisfreie Städte. In diesem Cluster fällt die relativ hohe Arbeitslosenquote trotz einer hohen Arbeitsplatzdichte auf. Die Rahmenbedingungen für die Bildungslandschaft stellen sich ansonsten jedoch insgesamt weder besonders positiv noch besonders negativ dar. Cluster 5 setzt sich aus 29 großstädtischen Kommunen, meistens mit einem Hochschulstandort, zusammen. Die Vernetzung der Angebote und Maßnahmen, um Übergänge effizienter zu gestalten, ist das Ziel des Bildungsmanagements vor Ort. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und Neuzugewanderten durch Bildung.

Fazit

Die Betrachtung der Ergebnisse der Clusteranalyse und die Ausprägungen der ihr zugrunde liegenden Variablen geben deutliche Hinweise auf die Herausforderungen und Stärken der Kommunen hinsichtlich ihrer Bildungslandschaften. Es zeigt sich, dass die Cluster hauptsächlich entlang der Achsen städtisch-ländlich, Ostdeutschland-Westdeutschland sowie strukturschwächere und strukturstärkere Räume verlaufen. Es gibt deshalb zwei Cluster, die hauptsächlich aus Landkreisen bestehen und sich auf der Dimension Strukturstärke und Strukturschwäche unterscheiden. Weiterhin bilden sich ein Cluster mit ostdeutschen Landkreisen und kreisfreien Städten sowie die zwei urbanen Cluster heraus, die zum einen hauptsächlich aus kreisfreien Städten verschiedener Größe und zum anderen aus sehr großen Städten und Hochschulstandorten bestehen. Zudem werden durch die Ergebnisse der Clusteranalyse die strukturellen Unterschiede innerhalb Deutschlands deutlich. Diese zum Teil sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den Regionen Deutschlands führen zunehmend zu einer Diskussion, wie die im Grundgesetz vorgesehene »Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse« im Hinblick auf die Bildungsinfrastruktur gewährleistet werden kann (Strubelt, 2006, hier: Seite 305). In diesem Zusammenhang wird die These vertreten, dass sich der Gegensatz zwischen ländlichen und urbanen Räumen immer weiter verstärkt und eine solche Entwicklung sich auch auf die unterschiedlichen regionalen Bildungslandschaften vor Ort auswirken wird. Eine Möglichkeit, den Herausforderungen zu begegnen, denen die Kreise gegenüber stehen, besteht darin, von Lösungsansätzen anderer Kommunen zu lernen. Deshalb sollen die Ergebnisse der Kreistypisierung in geeigneter Form aufbereitet und den Kommunen, die Bildungsmonitoring und Bildungsmanagement betreiben, als Unterstützungsinstrument an die Hand gegeben werden. Damit soll auch das Ziel erreicht werden, die Kontaktaufnahme zwischen Kreisen mit ähnlichen Rahmenbedingungen und den Austausch von Ideen und Best-Practices im Bildungsmanagement zu befördern.

Der hier vorgestellte Versuch einer Kreistypisierung kann dabei als Grundlage gesehen werden, die es gilt, in Zukunft weiter zu entwickeln und gezielt an die Bedürfnisse und Fragestellungen der Kommunen anzupassen.

1 Die Begriffe Kommunen oder Kreise werden in diesem Artikel synonym verwendet, um Landkreise und kreisfreie Städte zu bezeichnen.

2 Zu den Anfängen des kommunalen Bildungsmonitorings siehe auch Schneider, 2014.