:: 10/2017

Entwicklung der Stromerzeugung in Baden-Württemberg vor dem Hintergrund der Energiewende

Die Energiewende ist aus der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskussion der letzten Jahre nicht mehr wegzudenken. Vor dem Hintergrund des Klima- und Umweltschutzes wurden Themen wie die Verminderung von CO2-Emissionen, die Verschmutzung von Luft und Wasser, die Endlichkeit fossiler Energieträger oder die Lagerung nuklearer Abfälle zunehmend wichtiger. Dies führte, insbesondere nach der Jahrtausendwende unter anderem mit der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) und dem von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 besiegelten ersten Atomausstieg, allmählich zu einem Wandel bei den zur Stromversorgung eingesetzten Energiequellen in Deutschland und Baden-Württemberg. So nahm die Bedeutung erneuerbarer Energieträger beständig zu. Die Kernenergie hat hingegen nach und nach an Gewicht verloren, auch wenn in Baden-Württemberg im Jahr 2016 noch mehr als ein Drittel des Stroms aus Atomenergie erzeugt wurde. Im folgenden Beitrag soll die Entwicklung der Stromerzeugung in Baden-Württemberg dargestellt werden. Wie hat sich die Zusammensetzung des Strommix im Land verändert? Welchen Beitrag hat die Kernenergie an der Stromversorgung? Wie hat sich der Anteil erneuerbarer Energieträger entwickelt?

Nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 rückte die Energiewende nochmals verstärkt in den Fokus des politischen Interesses. Die Bundesregierung beschloss ein 3-monatiges Atom-Moratorium, was die unmittelbare Abschaltung der beiden baden-württembergischen Reaktoren Neckarwestheim Block I und Philippsburg Block I zur Folge hatte. Mit einer Änderung des Atomgesetzes wurde zudem der schrittweise Verzicht auf die Stromerzeugung aus Kernenergie beschlossen.1 Bis spätestens Ende 2022 sollen alle Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Damit ist auch die Stilllegung der beiden verbleibenden Reaktoren Philippsburg Block II bis spätestens Ende 2019 und Neckarwestheim Block II bis spätestens Ende 2022 in Baden-Württemberg entschieden.

Gleichzeitig soll im Rahmen der Energiewende der Ausbau erneuerbarer Energien weiter vorangetrieben werden. Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang im EEG festgeschrieben, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2025 auf mindestens 40 % bis 45 % zu erhöhen. Bis zum Jahr 2050 soll der Anteil auf mindestens 80 % steigen.2

Im Jahr 2016 wurden in Baden-Württemberg rund 62 671 Millionen Kilowattstunden (Mill. kWh) Strom erzeugt. Gegenüber dem Vorjahr nahm die Bruttostromerzeugung damit um 1 % ab. Ein hoher Rückgang zeigte sich mit einem Minus von rund 6 % bei der Steinkohle, aus der 18 228 Mill. kWh Strom erzeugt wurden. Die Erzeugung aus Kernenergie ist im gleichen Zeitraum auf 21 711 Mill. kWh gesunken (−4 %). Dagegen erhöhte sich der Beitrag erneuerbarer Energieträger an der Stromerzeugung um rund 6 % auf 15 863 Mill. kWh. Auch die Erzeugung aus Erdgas ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen. Mit 3 755 Mill. kWh wurden gut 9 % mehr Strom erzeugt als im Jahr 2015 (Tabelle 1).

Bedeutung von Kernenergie nach wie vor hoch

Erstmals wurde im Jahr 1966 Strom aus Kernenergie in das Stromnetz des Landes eingespeist. Der Mehrzweckforschungsreaktor im Forschungszentrum Karlsruhe.3 besaß eine elektrische Leistung von 57 Megawatt (MW). Im Zeitraum von 1968 bis 1989 gingen in Baden-Württemberg fünf kommerzielle Kernkraftwerke ans Netz. Durch die Inbetriebnahme der Kernkraftwerke stieg die Stromerzeugung aus Kernenergie kontinuierlich an. Infolgedessen veränderte sich die Zusammensetzung der für die Stromerzeugung eingesetzten Energieträger deutlich. Im Jahr 1982 wurde erstmals mehr Strom aus Kernenergie als aus Steinkohle erzeugt. Seither ist Steinkohle der zweitwichtigste Energieträger im baden-württembergischen Strommix. Nachdem Block II des Kernkraftwerks Philippsburg im Jahr 1984 ans Netz ging, wurde im Folgejahr mehr als die Hälfte des Stroms in Baden-Württemberg aus Kernenergie erzeugt. Mitte der 1990er-Jahre erreichte die Nutzung von Kernenergie ihren Höchstwert. Im Jahr 1994 stieg der Anteil des Atomstroms auf über 61 %. Absolut betrachtet wurde in Baden-Württemberg mit 39 463 Mill. kWh im Jahr 1996 am meisten Strom aus Kernenergie erzeugt (Schaubild 1).

Nach nahezu 37 Betriebsjahren wurde das Kernkraftwerk Obrigheim im Jahr 2005 vom Netz genommen. Seitdem ging der Anteil der Kernenergie an der Bruttostromerzeugung tendenziell zurück. Nach der Stilllegung der beiden Reaktoren Neckarwestheim Block I und Philippsburg Block I im Jahr 2011 sind sowohl die erzeugten Strommengen als auch der Anteil der Stromerzeugung aus Kernkraft deutlich gesunken. Wurden 2010 noch 48 % des Stroms aus Kernenergie erzeugt, waren es 2 Jahre später nur noch knapp 38 %. Mit 21 905 Mill. kWh wurde im Jahr 2012 somit fast ein Drittel weniger Strom aus Kernenergie erzeugt als 2 Jahre zuvor. Im Jahr 2013 erreichte der Anteil der Kernenergie an der Bruttostromerzeugung einen Tiefstand von fast 33 %. Geringer lag der Anteil zuletzt 1981 mit knapp 31 %.

Trotz des Rückgangs in den letzten Jahren ist die Bedeutung der Kernenergie im Südwesten weiterhin hoch. Mit einem Anteil von annähernd 35 % steht die Kernenergie auch 2016 an erster Stelle im baden-württembergischen Strommix. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung in Deutschland mit gut 13 % erheblich unter dem Landeswert. In Deutschland waren 2016 noch insgesamt acht Kernkraftwerke in Betrieb.

Auch beim Einsatz der anderen Energieträger zeigten sich teilweise deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und Baden-Württemberg (Schaubild 2). So stand die Braunkohle nach der Gruppe der erneuerbaren Energiequellen mit einem Anteil von rund 23 % an zweiter Stelle im Energieträgermix der deutschen Stromversorgung, während sie in Baden-Württemberg kaum zum Einsatz kam. Der Anteil der Steinkohle an der Bruttostromerzeugung lag hingegen in Baden-Württemberg mit rund 29 % deutlich über dem Anteil im Bund mit gut 17 %.

Ein Viertel der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Bereits 1990 begann der Ausbau regenerativer Energieträger durch die Einführung des Stromeinspeisungsgesetzes. Darin wurden Netzbetreiber erstmals dazu verpflichtet, Strom aus erneuerbaren Energiequellen abzunehmen und zu vergüten. Mit dem im Jahr 2000 verabschiedeten EEG hat der Ausbau zunehmend an Dynamik gewonnen. Ziel war es unter anderem, durch feste staatliche Vergütung erneuerbaren Strom zu fördern. Das EEG wurde seit seinem Inkrafttreten mehrmals überarbeitet; zuletzt ist eine novellierte Fassung 2017 in Kraft getreten. Darin wurde unter anderem eine Umstellung des Fördersystems festgelegt. Die Höhe der Förderung für einzelne Erneuerbare-Energien-Anlagen wird zukünftig nicht mehr wie bislang staatlich festgelegt, sondern über die Teilnahme an wettbewerblichen Ausschreibungen ermittelt.

Im Vergleich zum Vorjahr wurde 2016 mehr Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt (+6 %). Der Anteil regenerativer Quellen an der Bruttostromerzeugung des Landes stieg damit auf gut 25 %. Seit dem Jahr 2003 hat sich ihr Anteil an der Stromerzeugung mehr als verdreifacht. Insgesamt ist die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien von 5 193 Gigawattstunden (GWh)4 im Jahr 2003 auf 15 863 GWh im Jahr 2016 gestiegen.

Auch der Beitrag der einzelnen regenerativen Energieträger an der baden-württembergischen Stromerzeugung hat sich seither deutlich verändert. Abgesehen von der Wasserkraft spielten die regenerativen Energiequellen im Jahr 2003 noch eine sehr geringe Rolle. So stammten rund drei Viertel des aus erneuerbaren Energieträgern erzeugten Stroms aus Wasserkraftwerken. Dies entsprach knapp 6 % der gesamten Bruttostromerzeugung. Die Erzeugung aus fester, flüssiger oder gasförmiger Biomasse kam 2003 auf einen Anteil von gut 1 %. Die Anteile der übrigen erneuerbaren Energieträger lagen deutlich unter 1 % (Schaubild 3).

Die Energieträger Fotovoltaik, Biomasse und Windkraft verzeichneten insbesondere in den letzten Jahren hohe Zuwachsraten. Allein seit dem Jahr 2010 hat sich die Stromerzeugung in den Fotovoltaikanlagen des Landes mehr als verdoppelt (+126 %). 2016 wurden 4 719 Mill. kWh Strom aus Fotovoltaik erzeugt. Die Stromproduktion aus Biomasse nahm gegenüber 2010 ebenfalls deutlich zu (+43 %) und lag 2016 bei 4 857 Mill. kWh. Bei der Stromerzeugung aus Biomasse zeigte sich im Vorjahresvergleich erneut ein leichter Zuwachs (+2 %), während die Fotovoltaikanlagen weniger Strom lieferten als im Jahr 2015 (−3 %). In den Laufwasser- und Speicherwasserkraftwerken des Landes wurde hingegen deutlich mehr Strom erzeugt als im Vorjahr (+13 %). Das kräftige Plus ist vor allem auf die Stromerzeugung in den Laufwasserkraftwerken zurückzuführen, die erheblich von der Wasserführung der Flüsse und damit von der Wetterlage sowie den Jahreszeiten abhängig ist. Auch die Stromerzeugung aus Windkraft entwickelte sich gegenüber dem Vorjahr sehr positiv (+49 %), wenn auch nach wie vor auf niedrigem Niveau. Ihr Anteil an der Stromerzeugung lag 2016 bei 2 % (2015: 1,3 %). Der kräftige Anstieg in Baden-Württemberg ist vor allem auf den Ausbau der Windenergie zurückzuführen. Allein im Jahr 2016 wurden 120 Windenergieanlagen in Baden-Württemberg in Betrieb genommen. Damit stieg die installierte Leistung im Land gegenüber dem Vorjahr um 335 MW auf 1 032 MW.5

Mit einem Anteil von 7,8 % an der Gesamtbruttostromerzeugung stand die Biomasse im Jahr 2016 erstmals an erster Position der erneuerbaren Energien. Die regenerative Wasserkraft kam auf einen Anteil von 7,7 %. Damit wurde jeweils knapp ein Drittel des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms aus diesen beiden Energieträgern erzeugt (Schaubild 4). Nachdem Fotovoltaik 2015 stärkster erneuerbarer Energieträger war, rangierte sie 2016 mit einem Anteil von 7,5 % an der gesamten Bruttostromerzeugung nur noch an dritter Stelle im Mix der Erneuerbaren.

Resümee

Die Zusammensetzung der für die Stromerzeugung in Baden-Württemberg eingesetzten Energieträger hat sich im Laufe der Zeit deutlich verändert. Seit den 1970er-Jahren wurde immer mehr Strom aus Atomenergie erzeugt. Mitte der 1990er-Jahre erreichte ihr Einsatz den Höhepunkt und ging seither tendenziell zurück. Nach wie vor stellt Kernenergie aber über ein Drittel der erzeugten Strommenge im Land. Im Gegensatz dazu blieb der Beitrag der Steinkohle im Zeitverlauf mit einigen Schwankungen relativ stabil. Im letzten Jahrzehnt verzeichneten vor allem die erneuerbaren Energieträger hohe Wachstumsraten. Dabei entwickelte sich insbesondere die Erzeugung aus Biomasse und Fotovoltaik sehr dynamisch.

Die Umsetzung der im Rahmen der Energiewende beschlossenen Maßnahmen und das Anstreben der formulierten Ziele werden auch zukünftig zu weiteren Änderungen im Energieträgermix der baden-württembergischen Stromerzeugung führen. Wesentliche Veränderungen wird es nach der Stilllegung der beiden verbliebenen Kernkraftreaktoren geben. Ab dem Jahr 2023 nach der Abschaltung des Reaktors Neckarwestheim II wird die Kernenergie keinen Beitrag mehr zur Stromerzeugung im Land leisten. Im Bereich der erneuerbaren Energien sind in den kommenden Jahren dagegen voraussichtlich weitere Zuwächse zu erwarten. Denn der Anteil regenerativer Energiequellen soll sich nach dem im EEG formulierten Ziel bis zum Jahr 2050 auf mindestens 80 % erhöhen.

1 Mit dem Dreizehnten Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes wurde die vom Bundestag im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke von durchschnittlich 12 Jahre zurückgenommen.

2 § 1 des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) vom 13. Oktober 2016 (BGBl. I, S. 2260).

3 Seit 1. Oktober 2009 hat sich das Forschungszentrum Karlsruhe mit der Universität Karlsruhe zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zusammengeschlossen.

4 1 Gigawattstunde (GWh) = 1 Mill. Kilowattstunden (kWh).

5 www.um.baden-wuerttemberg.de/de/energie/erneuerbare-energien/windenergie/entwicklung-des-windenergieausbaus/ [Abruf: 10. 11. 20178.