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Habilitationsverfahren an baden-württembergischen Hochschulen

Die Habilitation gilt in Deutschland weiterhin als wesentliche Grundvoraussetzung für eine Professur. Im Jahr 2016 habilitierten sich 259 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an baden-württembergischen Hochschulen. Wie schon in den Vorjahren, wurden auch 2016 wieder die meisten Habilitationsverfahren in der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften durchgeführt. Während im Jahr 1980 lediglich 4 % der Habilitationen von Frauen abgeschlossen wurden, betrug 2016 der Frauenanteil bereits 25 %. Neben der Zusammenfassung der Ergebnisse des aktuellen Berichtsjahrs 2016, wird im folgenden Beitrag auch ein Rückblick auf die Habilitationsstatistik im Jahr 1980 und die darauf folgenden Jahre geworfen.

Größte Anzahl an Habilitationen in der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften

In Baden-Württemberg besitzen die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen und die Kunsthochschulen das Habilitationsrecht. 25 staatliche baden-württembergische Hochschulen sind demnach berechtigt, qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern den Erwerb der Habilitation zu ermöglichen. Im Jahr 20161 erlangten 64 Wissenschaftlerinnen und 195 Wissenschaftler an Hochschulen in Baden-Württemberg eine Habilitation. Damit hatten insgesamt 259 Personen die höchste Hochschulprüfung bestanden und die Lehrbefugnis für ein bestimmtes wissenschaftliches Fachgebiet oder Fach erlangt. Mit der Lehrbefugnis können sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um eine Professur an Hochschulen bewerben.

Mit 134 entfiel der Großteil der Habilitationen im Jahr 2016 auf die Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften, gefolgt von den Geisteswissenschaften/Sport (40) und Mathematik/Naturwissenschaften (35) (Schaubild 1). Die wenigsten Habilitationsverfahren wurden in der Fächergruppe Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften, Veterinärmedizin (4) durchgeführt. Insbesondere im Bereich der Medizin wird der Habilitation für die Karrierechancen auch weiterhin eine sehr hohe Bedeutung beigemessen. Mit diesem Titel wird ein positiver Einfluss auf das Vorankommen in der persönlichen Laufbahn, wie zum Beispiel bessere Chancen auf eine Stelle als Oberarzt oder Chefarzt, verknüpft. Auch in der Mathematik und den Naturwissenschaften wird mit Blick auf die Karrieremöglichkeiten häufiger eine Habilitation angestrebt als in anderen Fächergruppen.

Jede vierte Habilitation wird von einer Frau abgelegt

Über alle Fächergruppen hinweg betrug der Frauenanteil an den Habilitationen 25 %. Lediglich in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften überstieg die Anzahl der von Frauen eingereichten Habilitationen die der Männer (54 %) (Tabelle). Mit 31 % lag auch der Frauenanteil an den Habilitierten in der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften über dem Durchschnitt. Am geringsten war der Anteil der habilitierten Frauen in den Ingenieurwissenschaften. In dieser Fächergruppe waren 18 der 20 Habilitierten männlich. Der Frauenanteil der an den Universitäten durchgeführten Habilitationsverfahren lag bei 24 %. An den Pädagogischen Hochschulen waren hingegen alle Habilitierten weiblich. Die lange Dauer der wissenschaftlichen Karriere bis zur Berufung auf eine Professur und die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie werden häufig als Gründe angeführt, warum Frauen seltener eine Habilitation anstreben.2

Der Weg zur höchsten akademischen Prüfung ist in der Regel tatsächlich sehr lang: So lag das Durchschnittsalter der Habilitierten im Jahr 2016 bei 41,3 Jahren. Mit einem Durchschnittsalter von 44,0 Jahren waren die Habilitierten der Fächergruppe Geisteswissenschaften/Sport am ältesten. Auch das Durchschnittsalter der Habilitierten in den Ingenieurwissenschaften lag mit 42,7 Jahren über dem Durchschnittsalter ins­gesamt. Vergleichsweise jung waren hingegen Habilitierte in den Rechts-, Wirtschafts- und ­Sozialwissenschaften (Durchschnittsalter: 40,2 Jahre). Der jüngste Habilitierte war ein 29-Jähriger (Lehr- und Forschungsbereich: Klinisch-Praktische Humanmedizin), der älteste ein 62-Jähriger (Lehr- und Forschungsbereich: Allgemeine und vergleichende Literatur- und Sprachwissenschaft).

12 % der im Jahr 2016 Habilitierten besaßen keine deutsche Staatsangehörigkeit. Von den 30 Habilitierten mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit stammten 21 aus der Europäischen Union. Darunter waren Staatsangehörige aus Italien (4), Griechenland (4) und Frankreich (3) am häufigsten vertreten. Von den Habilitierten aus Ländern, die nicht zur Europäischen Union gehören, stammten die meisten aus Russland (4).

Universität Heidelberg führt die meisten Habilitationsverfahren durch

30 % der Habilitierten erwarben ihre Qualifikation an der Universität Heidelberg (78), gefolgt von der Universität Tübingen (65) mit einem Anteil von 25 % und der Universität Freiburg (44) mit einem Anteil von 17 %. In diesen drei Universitäten dominierten Habilitationen in der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften. Auf Platz vier dieses Rankings lag die Universität Ulm. 20 von 23 Habilitationen waren hier der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften zuzuordnen. Eine in diesem Zusammenhang relevante Gemeinsamkeit ist, dass diesen vier Universitäten jeweils ein Universitätsklinikum zugehörig ist. Neben dem Personal an den Universitäten selbst, stehen durch die Universitätsklinika weitere personelle Ressourcen zur Betreuung von Habilitationsverfahren zur Verfügung. Mit 19 Habilitationen folgte das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und damit die erste Universität, die kein Studium der Zahnmedizin oder der allgemeinen Medizin anbietet und kein Universitätsklinikum besitzt. Drei Habilitationen wurden an einer Pädagogischen Hochschule abgelegt, alle weiteren wurden an einer Universität abgeschlossen. Die Habilitationen an den Pädagogischen Hochschulen fielen alle in die Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

64 % der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren zum Zeitpunkt der Habilitation an der Hochschule beschäftigt. Davon war ein Drittel auf Dauer beschäftigt und zwei Drittel hatten eine Beschäftigung auf Zeit. 80 % der an der Hochschule der Habilitation Beschäftigten befanden sich in einem Angestelltenverhältnis und 19 % waren verbeamtet.3

223 Habilitationen im Jahr 1980, 259 Habilitationen im Jahr 2016

Nachdem im ersten Teil dieses Beitrags der Fokus auf dem aktuellen Berichtsjahr 2016 lag, soll im zweiten Teil ein Blick in die Vergangenheit der amtlichen Habilitationsstatistik geworfen werden. Im Jahr 1980 beendeten 223 Personen an baden-württembergischen Hochschulen ein Habilitationsverfahren (Schaubild 2). 1984 ging die Anzahl der Habilitationen auf 159 zurück. In den Folgejahren nahm die Anzahl der Habilitationen wieder zu und erreichte im Jahr 2002 mit 407 Habilitationen ihren bisherigen Höchststand. Anschließend war trotz Sprüngen in einzelnen Jahren tendenziell ein Rückgang zu beobachten. Im aktuellen Berichtsjahr 2016 schlossen 259 Personen eine Habilitation ab.

Im Vergleich zum Jahr 1980 lag die Anzahl der im Jahr 2016 Habilitierten damit nur um 36 (+ 16 %) höher. Die Studierendenzahl4 hat sich hingegen vom Wintersemester 1980/81 (147 769 Studierende) bis zum Wintersemester 2016/17 (359 862 Studierende) mehr als verdoppelt (+ 144 %). Aus diesem Vergleich kann jedoch weder geschlossen werden, dass sich grundsätzlich weniger Akademikerinnen und Akademiker für eine Karriere als Professorin bzw. Professor entscheiden noch, dass die Anzahl der zu betreuenden Studierenden pro Professorin bzw. Professor angestiegen ist. Zum einen wäre es möglich, dass vermehrt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an baden-württembergischen Hochschulen in anderen Bundesländern oder im Ausland eine Habilitation anstreben. Umgekehrt könnten auch mehr Habilitierte aus anderen Bundesländern oder dem Ausland eine Stelle in Baden-Württemberg antreten. Eine derartige Analyse von Mobilitätsbewegungen der Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ist anhand der in der amtlichen Habilitationsstatistik erfassten Merkmale jedoch nicht durchführbar. Zum anderen galt bis Ende des 20. Jahrhunderts die Habilitation als Regelzugang zum Professorenberuf. Mit der Einführung der Juniorprofessur im Jahr 2002 und der Juniordozentur im Jahr 2007 wurden die bisherigen Möglichkeiten zur Erlangung einer Professur an baden-württembergischen Hochschulen erweitert. Seit der Änderung dieser gesetzlichen Regelungen können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwischen dem klassischen Weg zur Professur mittels Habilitationsverfahren und der Qualifizierung durch eine Juniorprofessur bzw. Juniordozentur entscheiden.

Aus der Hochschulpersonalstatistik lassen sich jedoch Hinweise entnehmen, die auf eine Änderung des Betreuungsverhältnisses hin zu einer höheren Anzahl an Studierenden pro Professorin bzw. Professor verweisen. Während im Jahr 2002 auf knapp 5 170 Professorinnen und Professoren nahezu 217 160 Studierende kamen, waren es im Jahr 2016 rund 7 360 Professorinnen und Professoren sowie gut 359 860 Studierende. Die Anzahl der Studierenden stieg in diesem Zeitraum demnach um 62 %, wohingegen die Zunahme der Professorenstellen lediglich bei 42 % lag. Das wissenschaftliche und künstlerische Personal5 an den baden-württembergischen Hochschulen insgesamt nahm im Zeitraum 2002 bis 2016 nur um 27 % (4 830 Personen) zu.

Deutlicher Anstieg des Frauenanteils seit 1980

In den 1980er-Jahren stellten habilitierte Wissenschaftlerinnen noch Ausnahmen dar. So befanden sich unter den 223 Habilitierten im Jahr 1980 lediglich 8 Frauen. 1985 hatte sich die Anzahl der Frauen gegenüber 1980 immerhin verdoppelt. Auch der Frauenanteil unter den Habilitierten verdoppelte sich damit von 4 % im Jahr 1980 auf 8 % im Jahr 1985. Der Frauenanteil bezogen auf die Gesamtstudierendenzahl war jedoch sowohl 1980 (35 %) als auch 1985 (36 %) deutlich höher als der Frauenanteil unter den Habilitierten. Der Anteil weiblicher Habilitierter stieg bis 2004 auf 21 % und schwankte anschließend zwischen 19 % und 32 %. 2016 wurde jede vierte Habilitation von einer Frau abgelegt.

Im Vergleich dazu war der Anteil der weiblichen Studierenden im Wintersemester 2016/17 nahezu doppelt so hoch (47 %). Die Diskrepanz zwischen dem Anteil weiblicher Studierender und weiblichen Habilitierten verringerte sich seit 1980 zwar spürbar, ist aber auch 2016 mit einer Differenz von 22 Prozentpunkten noch stark ausgeprägt. Obwohl das Verhältnis zwischen Männern und Frauen unter den Studierenden nahezu ausgeglichen ist, durchlaufen deutlich mehr Männer als Frauen ein Habilitationsverfahren. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ab welcher Karrierestufe der Frauenanteil sinkt. Der Anteil der Frauen unter den erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen aller Studiengänge lag, wie bei den Studierenden auch, im Prüfungsjahr 2016 bei 47 %. Bei den abgeschlossenen Promotionen ging der Frauenanteil schon auf 43 % zurück. Unter den hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern war der Frauenanteil mit 40 % noch etwas geringer. Damit findet der größte Einbruch des Frauenanteils jedoch erst auf der höchsten Stufe vor der Professur statt.

Verteilung auf Fächergruppen unterscheidet sich von Studierendenstatistik

Die meisten Habilitationen wurden 1980 in der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften erlangt. Auf dem zweiten und dritten Platz folgten Habilitierte der Fächergruppe Mathematik/Naturwissenschaften und der Geisteswissenschaften/Sport. Diese Reihenfolge blieb, mit wenigen Ausnahmen5, bis zum aktuellen Berichtsjahr erhalten.6 Die Reihenfolge der gefragtesten Fächergruppen unter den Habilitierten unterscheidet sich von der Reihenfolge der beliebtesten Fächergruppen unter den Studierenden, wie beispielsweise ein Vergleich der Studierendenstatistik des Wintersemesters 2016/17 mit der Habilitationsstatistik für das Berichtsjahr 2016 zeigt. Im Jahr 2016 entfielen über die Hälfte (52 %) der Habilitationen auf die Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften. Lediglich 5 % der Studierenden waren im Wintersemester 2016/17 in dieser Fächergruppe eingeschrieben. Die meisten Studierenden waren im Wintersemester 2016/17 in der Fächergruppe Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (34 %) eingeschrieben. Der Anteil dieser Fächergruppe an den Habilitationen lag lediglich bei 10 %.

Habilitationsverfahren werden vorwiegend an den größten Universitäten durchgeführt

Heidelberg (60), Freiburg (50) und Tübingen (34) führten 1980 die meisten Habilitationsverfahren durch. Nahezu zwei Drittel (65 %) der Habilitationen im Jahr 1980 entfielen dabei auf diese drei Universitäten. Auch in den Folgejahren befanden sich diese Hochschulen stets in der Spitzengruppe. Im Jahr 2016 stammten sogar 72 % der Habilitierten aus diesen drei Universitäten. An der Spitze stand mit einem Anteil von 30 % Heidelberg (78), gefolgt von Tübingen (65) mit 25 % und Freiburg (44) mit 17 %. Mit einem Anteil von 14 % an der Gesamtstudierendenzahl der baden-württembergischen Hochschulen mit Habilitationsrecht waren an der Universität Heidelberg (29 133) im Wintersemester 2016/17 auch die meisten Studierenden eingeschrieben. Auf den Plätzen zwei und drei folgten die Universitäten Tübingen (28 035) und Stuttgart (27 114) mit einem Anteil von jeweils 13 % an der Gesamtstudierendenzahl der habilitationsberechtigten Hochschulen in Baden-Württemberg. Knapp dahinter lagen das KIT (25 009) und die Universität Freiburg (24 912) mit einem Anteil von jeweils 12 %.

Obwohl die Universität Stuttgart und das KIT auch zu den größten Universitäten des Südwestens zählen, führten sie nicht annähernd so viele Habilitationsverfahren wie die Universitäten Heidelberg, Freiburg und Tübingen durch. Im Gegensatz zu den anderen drei Universitäten verfügen die Universität Stuttgart und das KIT weder über medizinische Fächer in ihrem Studienangebot noch über ein Universitätsklinikum. Die Durchführung von Habilitationsverfahren wird in Baden-Württemberg demnach von einer geringen Anzahl an Universitäten dominiert, die bei der Anzahl der Studierenden auf den vorderen Plätzen liegen, ein medizinisches Studium anbieten und ein Universitätsklinikum besitzen.

1 Im Rahmen der Habilitationsstatistik für das Berichtsjahr 2016 wurden alle Neuhabilitierten (ohne Umhabilitationen) erhoben, für die das Habilitationsverfahren bis zum 31. 12. 2016 an einer baden-württembergischen Hochschule abgeschlossen war.

2 Zum Beispiel Friederike von Gross: Unikarriere oder Kinderwunsch?. In: Zeit Online. 17. März 2017 http://www.zeit.de/karriere/beruf/2017-03/wissenschaft-vereinbarkeit-familie-beruf-frauen (Abruf: 21. 8. 2017).

3 2 % der an der Hochschule der Habilitation Beschäftigten konnten weder der Kategorie beamtet noch angestellt zugeordnet werden.

4 Der Vergleich mit der Studierendenstatistik wurde gewählt, da aufbereitete Daten zur Prüfungsstatistik erst ab dem Prüfungsjahr 2002 vorhanden sind. Auch abgeschlossene Promotionen werden zur Prüfungsstatistik gemeldet.

5 Wissenschaftliches und künstlerisches Personal in Vollzeit und hauptberuflich beschäftigt.

6 In den Jahren 2009, 2010 und 2013 belegte die Fächergruppe Geisteswissenschaften, Sport den 2. Rang und Mathematik, Naturwissenschaften den 3. Rang.

7 Beobachtung bezieht sich auf die Jahre 1980, 1985, 1990,1995 sowie 2000 bis 2016. Für die sonstigen Jahrgänge liegen keine nach Fächergruppen differenzierte Daten vor.