:: 2/2018

Wohnbau und Wohnraumbedarf in den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs

Im Beitrag werden die Baugenehmigungen für den Wohnungsneubau der Jahre 2013 bis 2016 nach Stadt- und Landkreisen ausgezählt. Es zeigt sich, dass im Landkreis Biberach in Bezug zur Einwohnerzahl die meisten Neubauwohnungen genehmigt wurden. Anhand einer aktuellen Studie der prognos AG zum Wohnraumbedarf auch in Baden-Württemberg wird verglichen, ob die Wohnungen im Lande da genehmigt wurden, wo sie gebraucht werden. So gesehen bleibt der Wohnungsneubau fast in allen Kreisen des Landes hinter dem vermuteten Bedarf zurück. Schließlich wird nach den Gebäudearten differenziert und dargestellt, wie viele Ein- und Mehrfamilienhäuser 2016 in den Stadt- und Landkreisen zum Bau freigegeben wurden.

Die Frage ob Wohnraum bevorzugt da entsteht, wo er besonders dringend gebraucht wird, ist nicht einfach zu beantworten. Meist wird in bestimmten Regionen ein Bedarf festgestellt, der zum Beispiel am Zuwachs der Wohnbevölkerung bzw. den davon abgeleiteten steigenden Haushaltszahlen gemessen wird. Häufig wird rechnerisch die Zahl der Haushalte dem Wohnungsbestand gegenübergestellt. Stellt man die Zahl der neu zugezogenen Haushalte den genehmigten Neubauten gegenüber, liegt der Schluss nahe, es fehle an verfügbarem Wohnraum.1 Viel hängt davon ab, ob für Wohnungssuchende die Wohnung bzw. der angebotene Neubau in Arbeitsplatznähe noch erschwinglich ist. Oft ist eine bezahlbare arbeitsnahe Wohnung in den Zuzugsgebieten nur schwer zu finden. Das könnte der Grund dafür sein, dass einige zuziehende Haushalte im weiten Umland nach einer Wohnung suchen (müssen). In den öffentlichen Medien wird immer wieder thematisiert, dass um zur Arbeit zu kommen, Menschen zunehmend längere Pendlerwege in Kauf nehmen, mit allen Auswirkungen auf Verkehr und soziale Infrastruktur.2

Wohnraumbedarf und Genehmigungsgeschehen

Diese Thematik aufgreifend werden im Folgenden die genehmigten Neubauwohnungen in Wohngebäuden in regionaler Verteilung dargestellt. Um zufällige Genehmigungsspitzen »nach oben« oder »nach unten« möglichst zu nivellieren und Bevölkerungsunterschiede in den Kreisen auszugleichen, wurden im Schaubild 1 die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen der Jahre 2013 bis 2016 kumuliert und auf 10 000 Personen der jeweiligen Kreisbevölkerung bezogen. Die Rangfolge zeigt den Landkreis Biberach mit Abstand an der Spitze der Zahl der genehmigten Neubauwohnungen und den Landkreis Neckar-Odenwald-Kreis mit der im Vergleich geringsten Genehmigungszahl. Die Stadtkreise verteilen sich über die gesamte Rangfolge der Genehmigungszahlen, beginnend mit Ulm am oberen Ende mit deutlich überdurchschnittlichem Genehmigungsgeschehen und endend mit Stuttgart und Karlsruhe am unteren Rand mit unterdurchschnittlichem Genehmigungsgeschehen. Es fällt auf, dass bei den südöstlich und südlich gelegenen baden-württemberger Kreisen ein überdurchschnittlich lebhaftes Genehmigungsgeschehen zu beobachten ist: Von Norden beginnend mit dem Alb-Donau-Kreis und Ulm, dann Biberach, weiter südlich mit Ravensburg, dem Bodenseekreis und den Kreisen Konstanz sowie dem südwestlich gelegenen Kreis Waldshut.

In der Übersicht sind die Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs nach regionalen Wohnungsmarkttypen angeordnet. Datenquelle ist die bereits zitierte prognos-Studie, die den regionalen Wohnungsbedarf berechnet, indem die Entwicklung der Zahl der Haushalte in Beziehung zur Entwicklung des Wohnungsbestandes gesetzt wird. Neben dem Verhältnis von Wohnungen zu Haushalten wurden zusätzlich Arbeitsmarkt- und Wohlstandsindikatoren mit einbezogen.3

Vergleicht man die relative Position der Stadt- und Landkreise in der Rangfolge aus Schaubild 1 mit der Zuordnung der Kreise zu den regionalen Wohnungsmarkttypen in der Übersicht, können die in der Studie getroffenen Aussagen mit diesen aktualisierten Daten bekräftigt werden. Im Schaubild wurden die genehmigten Neubauwohnungen der Jahre 2013 bis 2016 in Beziehung auf 10 000 Personen der jeweiligen Stadt- bzw. Landkreisbevölkerung desselben Jahres gesetzt, diese Indikatorwerte dann addiert. Dadurch ergibt sich über die 4 Genehmigungsjahre eine relativ stabile Tendenz. Auffällig sind die doch recht weit gestreuten Genehmigungszahlen zwischen 227 auf 10 000 Personen (Landkreis Biberach) und 79 (Neckar-Odenwald-Kreis).

In der Region mit der nach prognos ausgeprägtesten Wohnraumnachfrage – dem Stadtkreis Stuttgart – wurden im Verhältnis zur Bevölkerung in den Jahren 2013 bis 2016 eine unterdurchschnittliche Zahl von Neubauwohnungen genehmigt (105 Neubauwohnungen auf 10 000 der Stadtbevölkerung gerechnet). Die weiteren Stadtkreise außer Baden-Baden befinden sich alle im Segment mit sehr angespannten Wohnungsmärkten. Unterdurchschnittliche Neubauaktivität gemessen an der Stadtbevölkerung verzeichneten vor allem der Stadtkreis Karlsruhe gefolgt vom Stadtkreis Pforzheim. Die Stadtkreise Ulm und Heidelberg lagen im Bezugszeitraum im oberen Drittel der Rangfolge bei den Neubaugenehmigungen.

Nicht alle Landkreise mit »angespannten« Wohnungsmärkten (Spalte 3 der Übersicht) wiesen im Bezugszeitraum überdurchschnittliche bzw. durchschnittliche Genehmigungszahlen im Wohnungsneubau auf. Im unteren Genehmigungsdrittel lagen die Landkreise Rhein-Neckar, Ludwigsburg und Rems-Murr. Dagegen wurden den Landkreisen Alb-Donau, Waldshut und Schwäbisch Hall »relativ ausgeglichene« Wohnungsmärkte bescheinigt, die Ziffer der genehmigten Neubauwohnungen befand sich dort interessanterweise im oberen Drittel. Ein deutlich überdurchschnittliches Genehmigungsgeschehen, mit Positionen im Schaubild 1 ganz oben, verzeichneten der Landkreis Biberach und der Bodenseekreis. Wohnungsmärkte mit »stagnierender Nachfrage« (Spalte 5 der Übersicht) wurden für die Kreise Freudenstadt und Neckar-Odenwald ermittelt. Diese befanden sich mit ihren Genehmigungsziffern im unteren Drittel der Rangfolge in Schaubild 1. In Baden-Württemberg gibt es aus Sicht der Prognos-Studie (derzeit) weiterhin keinen Stadt- bzw. Landkreis mit rückläufiger Wohnungsnachfrage (Spalte 6 der Übersicht).

Welche Gebäudearten wurden genehmigt?

Im Folgenden soll das Neubaugeschehen bei Wohngebäuden des Jahres 2016 in regionaler Verteilung und aufgeteilt nach Gebäudeart betrachtet werden. Landesweit wurden 44 204 Wohnungen in Wohngebäuden zum Bau freigegeben, davon 11 349 Wohnungen als Einfamilienhäuser, 26 856 Wohnungen in der Gebäudeart Zwei- oder Mehrfamilienhaus und 5 999 Wohnungen in Wohnheimen.4 Von den insgesamt genehmigten Neubauwohnungen in Wohngebäuden entstehen voraussichtlich 34 % als Eigentumswohnungen.

In welchen Kreisen entstehen bevorzugt Einfamilienhäuser?

Ordnet man die Zahl der genehmigten neuen Einfamilienhäuser des Jahres 2016 den entsprechenden Stadt- und Landkreisen zu, wurden im Landkreis Karlsruhe mit genehmigten 700 neuen Einfamilienhäusern landesweit mit Abstand die meisten Einfamilienhäuser genehmigt (Schaubild 2), gefolgt von den Landkreisen Rhein-Neckar (558 Neubauten) und Heilbronn (514 Neubauten). Am unteren Ende befinden sich erwartungsgemäß fast alle Stadtkreise. Knapper und teurer Baugrund begrenzt in den Stadtkreisen den Einfamilienhausbau auf relativ wenige Einheiten. Der Stadtkreis Mannheim führt mit 193 neu genehmigten Einfamilienhäusern 2016 das untere Drittel der Rangfolge an, Schlusslicht war Heidelberg mit gerade 23 genehmigten Neubauten. Zu 73 % entstanden die genehmigten Einfamilienhäuser 2016 in freistehender Bauweise, 16 % in Form einer Doppelhaushälfte und 11 % als Reihenhaus bzw. in Form einer sonstigen Gebäudeart.5

Neubau von Zwei- und Mehrfamilienhäusern

Die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen in Zwei- und Mehrfamilienhäusern in den Stadt- und Landkreisen zeigt Schaubild 3. Im Landkreis Esslingen wurden mit 1 217 Wohnungen landesweit die meisten in dieser Gebäudeart genehmigt. Der Stadtkreis Freiburg im Breisgau steht mit genehmigten 1 171 Wohnungen an zweiter Stelle. Bei diesen Genehmigungszahlen fällt wieder die ausgeprägte regionale Verteilung auf. Die wenigsten Genehmigungen in dieser Gebäudeart wurden im Neckar-Odenwald-Kreis mit 140 Wohnungen und im Landkreis Heidenheim mit 168 Wohnungen erteilt. Zweifamilienhäuser wurden 2016 zu 86 % als Einzelhaus genehmigt und zu 11 % in Form einer Doppelhaushälfte projektiert. Die Wohnungen in Mehrfamilienhäusern oder im sogenannten Geschosswohnungsbau werden zu 89 % in Einzelhäusern entstehen. In dieser regionalen Verteilung spiegelt sich sicherlich der Versuch, dem Wohnungsbedarf hauptsächlich in den Städten gerecht zu werden. Ob dies in Kreisen mit angespanntem Wohnungsmarkt ausreichend ist um den Wohnungsbedarf abzudecken, kann den Zahlen so nicht entnommen werden.

Im Rahmen des Wohnheimbaus wird ebenfalls neuer Wohnraum entstehen. In dieser Gebäudeart wurden 2016 landesweit im Stadtkreis Mannheim mit 1 181 die meisten Wohnungen genehmigt, gefolgt vom Stadtkreis Stuttgart mit 931 Wohnungen und dem Landkreis Karlsruhe mit 599 Wohnungen. 96 % dieser Wohnungen werden in freistehenden Gebäuden entstehen. In sieben Landkreisen wurden 2016 keine neuen Wohnheimbauten bei den Baurechtsbehörden zur Genehmigung eingereicht bzw. genehmigt (Schaubild 4).

Im Geschosswohnungsbau wird weniger häufig »in die Höhe gebaut«, als man vielleicht denken mag, wie die folgende Aufzählung veranschaulicht:

  • 15 % der genehmigten Wohnungen in Drei- oder Mehrfamilienhäusern entstehen in Gebäuden mit 20 oder mehr Wohnungen (in 117 von zusammen 2 662 Gebäuden)
  • 21 % der Wohnungen in 313 Gebäuden mit 13 bis 19 Wohneinheiten
  • 39 % der Wohnungen in Gebäuden mit sieben bis zwölf Wohnungen, das ist die am häufigsten vorkommende Gebäudeart im Geschosswohnungsbau (in 958 Gebäuden)
  • 20 % der Wohnungen in 878 Gebäuden mit vier bis sechs Wohneinheiten
  • 5 % der Wohnungen in 396 Gebäuden, die drei Wohnungen umfassen

Entwicklung der Genehmigungszahlen für Neubauten 2017

Die Genehmigungszahlen für die ersten drei Vierteljahre 2017 lassen bereits erkennen, dass das Genehmigungsvolumen des Jahres 2016 nicht mehr erreicht wird. Von Januar bis September 2017 errechnet sich ein Rückgang von 14 % genehmigter Neubauwohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum.

Den Genehmigungszahlen ist weiterhin zu entnehmen, dass für alle Gebäudearten außer bei den neuen Zweifamilienhäusern Genehmigungsrückgänge zu verzeichnen waren. So wurden zwischen Januar und September 2017 8 144 Einfamilienhäuser genehmigt (−7 %), als Zweifamilienhäuser 3 286 Wohnungen (+3 %) und in Mehrfamilienhäusern (Wohngebäuden mit drei oder mehr Wohnungen) 15 071 Wohnungen (−8 %). Die Genehmigungszahlen neuer Wohnheimwohnungen haben sich im selben Bezugszeitraum mehr als halbiert: 2 015 Wohnungen gegenüber 5 293 Wohnungen im Vorjahr (−62 %). Mit dem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen sinkt natürlich auch der Bedarf an Wohnheimneubauten. Da in den vergangenen Jahren vermehrt Wohnheimwohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen gebaut wurden, dürfte der aktuelle Bedarf für Wohnheimwohnungen in den meisten Kreisen gedeckt sein, eine Bedarfslücke in Universitäts- und Hochschulstädten mit vielen Studierenden ausgenommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass insgesamt gesehen weniger neue Wohnungen genehmigt wurden als Bedarf vorhanden scheint. Zudem werden im Jahr 2017 die Genehmigungszahlen für Neubauwohnungen wieder unter das Niveau von 2016 zurückfallen. Insbesondere Wohnungen im Geschosswohnungsbau (»Mehrfamilienhäuser«) in Städten mit Bevölkerungszuzug dürften Mangelware bleiben.

1 prognos AG (Hrsg.): Wohnraumbedarf in Deutschland und den regionalen Wohnungsmärkten, Studie Wohnungsbautag 2017. Stuttgart/Freiburg 31. 5. 2017.

2 Neuer Rekordwert – In Deutschland gibt es immer mehr Pendler, in: SPIEGEL Online vom 31. 7. 2017 mit Bezug auf Angaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung.

3 Wohnraumbedarf in Deutschland, a. a. O., S. 14.

4 Dazu kamen 2016 noch 973 genehmigte Neubauwohnungen in Nichtwohngebäuden, das heißt in Gebäuden, die überwiegend zu anderen Zwecken als zum Wohnen dienen.

5 Als einzelnes Gebäude gilt bei zusammenhängender Bebauung, zum Beispiel bei Doppel- und Reihenhäusern, jedes Gebäude, das von einem anderen durch eine Brandmauer getrennt ist oder über einen eigenen Zugang und ein eigenes Treppenhaus verfügt.