:: 5/2018

Erhebungen und Systematik in den Baugewerbestatistiken

Der Beitrag beschreibt den Stand der Erhebungspraxis in den Baugewerbestatistiken aus baden-württembergischer Sicht. Zunächst wird das Baugewerbe wirtschafts­zweigsystematisch eingeordnet und die Erstellung des Berichtskreises aus dem statistischen Unternehmensregister gestreift. Danach wird auf die einzelnen Erhebungen und auf die Betriebsgrößenstruktur sowohl des Bauhaupt- als auch des Ausbaugewerbes eingegangen.

Das »Mixmodell«, das neben erhobenen Daten auch Verwaltungsdaten verarbeitet, liefert für das gesamte Bauhaupt- und Ausbaugewerbe Messziffern und Veränderungsraten. Das Spannungsfeld zwischen differenziertem Datenbedarf einerseits und möglichst geringer Belastung der zur Auskunft Verpflichteten andererseits durchzieht den gesamten Beitrag und wird auch zukünftig auf der Agenda der Baugewerbestatistik bleiben.

Der Bedarf an Daten zur Hoch- und Tiefbautätigkeit bzw. zum Bauwesen im Lande war schon in unmittelbarer Nachkriegszeit hoch und gesellschaftspolitisch besonders bedeutsam. Noch vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland und lange vor Gründung des Landes Baden-Württemberg wurde bereits 1948 im Rahmen einer Industrieberichterstattung im »Vereinten Wirtschaftsgebiet« die monatliche Befragung der Betriebe des Bauhauptgewerbes in den damaligen statistischen Ämtern der Länder der drei westlichen Besatzungszonen wieder aufgenommen.1

Mit dem »Gesetz über die Allgemeine Statistik in der Industrie und im Bauhauptgewerbe« vom 15. Juli 19572 erhielt die Industrieberichterstattung ihre erste bundesgesetzliche Grundlage. Zunächst überwiegend als monatliche Konjunkturbeobachtung konzipiert – jährlich wurden zusätzlich die Geräteausstattung und die »Forderungen aus betrieblichen Leistungen und Lieferungen« abgefragt – wurde 1963 der Fragenkatalog um eine Strukturkomponente ergänzt.3 Zum 6. November 1975 wurde der Baugewerbestatistik ihre derzeit geltende Gesetzesform gegeben4 und in den Folgejahren wurde diese bis heute weiter fortgeschrieben und dem sich ändernden Informationsbedarf angepasst und modernisiert.

Das Baugewerbe in der Wirtschaftszweigsystematik

Heute ist die Bauberichterstattung Konjunktur- und Strukturbeobachtung der Bauwirtschaft zugleich und methodisch in das System der Statistiken des Produzierenden Gewerbes eingebettet. Das System der Baugewerbestatistiken bewegt sich wie alle Primärstatistiken, bei denen Betriebe bzw. Unternehmen befragt werden, im Spannungsfeld zwischen möglichst aktuellem und umfassendem Informationsbedarf einerseits, der durch eine Vielzahl von Informations- und Datennutzern bekundet wird, und der Belastung der Befragten durch gesetzlich angeordnete Auskunftspflichten andererseits.

Das Baugewerbe in Deutschland teilt sich aus statistischer Sicht in das Bauhaupt- und das Ausbaugewerbe. Es umfasst nach der derzeit gültigen Klassifikation der Wirtschaftszweige5, die rechtsverbindlich auf europäischen und internationalen Systematiken basiert, zum einen den Hoch- und Tiefbau sowie vorbereitende Baustellenarbeiten (abgebildet in den Statistiken des Bauhauptgewerbes) und zum anderen die Bauinstallation, das sonstige Ausbaugewerbe sowie – wirtschaftszweigsystematisch seit der Klassifikation von 2008 dem Hochbau zugeordnet6 – die Erschließung von Grundstücken und Bauträgern (abgebildet in den Statistiken des Ausbaugewerbes). Der Begriff »Bauhauptgewerbe« findet sich in der Klassifikation seit Einführung der Wirtschaftszweigsystematik 1993 so nicht mehr, wurde aber beibehalten, da er in der Gesetzesgrundlage (ProdGewStatG) zur Bestimmung des Berichtskreises verwandt wird.

Berichtskreisziehung aus dem statistischen Unternehmensregister

Wie werden die Erhebungseinheiten ermittelt? Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder führen ein statistisches Unternehmensregister7, das hauptsächlich aus Verwaltungsdateien wie den steuerpflichtigen Umsätzen der Finanzverwaltung und den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit gespeist wird. Weiterhin werden Erkenntnisse aus den laufenden Wirtschafts-statistiken in das Unternehmensregister eingepflegt. Das Unternehmensregister bildet unter anderem8 die Betriebs- und Unternehmenszusammenhänge ab, klassifiziert die Einheiten wirtschaftszweigsystematisch und dokumentiert die jeweiligen Berichtspflichten. Es dient somit als Unterstützungsinstrument für statistische Erhebungen unter anderem auch für die Erhebungen des Baugewerbes.

Immer wenn ein baden-württembergischer Betrieb mit einer bauhauptgewerblichen Zuordnung neu im Unternehmensregister auftaucht, zum Beispiel infolge einer Unternehmensneugründung, oder die »Berichtskreisschwelle« von 20 (Bauhauptgewerbe) oder 10 (Ausbaugewerbe) tätigen Personen streift oder überschreitet, zum Beispiel durch »Unternehmenswachstum«, wird mittels einer Vorabbefragung geprüft ob sich daraus Berichtspflichten ergeben.

Diese Vorgehensweise stellt sicher, dass das Baugewerbe gemäß der gesetzlichen Bestimmungen korrekt abgebildet wird und die Berichtskreise der Baugewerbestatistiken regelmäßig ergänzt und korrigiert werden. Umgekehrt wird ein Betrieb, der zum Beispiel die Auswahlkriterien durch einen Rückgang in der Zahl der Beschäftigten nicht mehr erfüllt, aus der Berichtspflicht entlassen.

Unterschied zwischen Betrieb und Unternehmen

In den Statistiken des Baugewerbes werden sowohl bauhaupt- bzw. ausbaugewerblich tätige Betriebe als auch Unternehmen des Baugewerbes befragt. Betriebe sind die örtlichen Niederlassungen eines Unternehmens. Mit Unternehmen ist in den Baugewerbestatistiken die »rechtliche Einheit« gemeint. Ein Unternehmen kann mehrere Betriebe (Niederlassungen) umfassen. Wenn zum Beispiel die bauhauptgewerblichen Betriebe eines Unternehmens befragt werden, werden die erhobenen Daten der örtlichen Niederlassung zugeordnet und nicht etwa dem Ort der Baustelle, auf der der Betrieb tätig war. Wird hingegen das baugewerbliche Unternehmen befragt, enthält die Datenmeldung die Angaben aller unternehmenszugehörigen Betriebe, die auch in anderen Bundesländern ihren Betriebssitz haben können. Der Nachweis wird am Ort der Hauptniederlassung (Firmensitz) verbucht. Eine Aussage darüber, welche Umsätze durch Bauunternehmen zum Beispiel an einzelnen Großbaustellen des Landes erwirtschaftet werden, ist also nicht möglich.

In sehr wenigen Fällen kommt es in Baden-Württemberg vor, dass ein baugewerblicher Betrieb eines Unternehmens befragt wird, der wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens insgesamt aber nicht im Baugewerbe liegt, sondern außerhalb. Umgekehrt kann es in Ausnahmefällen vorkommen, dass ein baugewerbliches Unternehmen neben seinem baugewerblichen Betrieb, der den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Wertschöpfung bildet, weitere Betriebe (Niederlassungen) nicht baugewerblicher Zuordnung hat (zum Beispiel einen Baustoffhandel).

Die Erhebungen im Bauhauptgewerbe

Die Erhebungen im Bauhauptgewerbe sind aufeinander abgestimmt und erfolgen in monatlichem, vierteljährlichem und jährlichem Turnus. In allen Statistiken des Baugewerbes besteht Auskunftspflicht. Zudem sind die Betriebe und Unternehmen verpflichtet, ihre Meldung auf elektronischem Wege an die statistischen Ämter abzugeben.9 Kern der Bauberichterstattung ist die monatliche Befragung von bauhauptgewerblichen Betrieben. Hierzu werden alle bauhauptgewerblichen Betriebe von Unternehmen des Baugewerbes oder anderer Wirtschaftszweige mit 20 oder mehr tätigen Personen herangezogen.10 Vervollständigt wird diese »Vollerhebung mit Abschneidegrenze« von der einmal jährlich durchgeführten »Ergänzungserhebung«, in die alle bauhauptgewerblichen Betriebe Baden-Württembergs einbezogen werden, also auch die kleineren mit weniger als 20 tätigen Personen.

Zwar bestand das Bauhauptgewerbe 2017 in Baden-Württemberg weit überwiegend, nämlich zu 87 %, aus Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten, doch waren in den 13 % der größeren Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten 58 % der bauhauptgewerblich Beschäftigten tätig. Diese Betriebe erwirtschafteten zudem 71 % des bauhauptgewerblichen Umsatzes des Jahres 2016. Die monatliche und die jährliche Erhebung in Kombination ergeben somit eine vollständige und umfassende Zustandsbeschreibung des Bauhauptgewerbes. Die Datenqualität wird mittels standardisierten Qualitätsberichten dokumentiert.11 Für eine hohe Datenqualität sorgen ausgefeilte maschinelle Prüfroutinen bei der Verarbeitung des Datenrücklaufs und nicht zuletzt Rückfragen in Zweifelsfällen bei den Auskunftspflichtigen durch die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Baugewerbestatistik. Die verbleibenden Antwortausfälle, die dann maschinell oder manuell geschätzt werden müssen, bewegen sich auch dank gesetzlicher Auskunftspflicht in Baden-Württemberg im unteren einstelligen Prozentbereich.

Ergänzend werden bei den größeren Betrieben des Bauhauptgewerbes, die sich im Berichtskreis des Monatsberichts befinden, in vierteljährlichem Turnus der Wert des Auftragsbestands zum Ende des Berichtsquartals abgefragt. Differenziert werden soll nach Art der Bauten (zum Beispiel Wohnungsbau oder Gewerblicher Hochbau) bzw. dem Auftraggeber (zum Beispiel Hochbauten für Körperschaften des öffentlichen Rechts). Der Auftragsbestand weist als Konjunkturindikator in die Zukunft und gibt Hinweise auf die Auslastung der Baubetriebe.

Während in der monatlichen Befragung die Konjunk­turmerkmale tätige Personen, Entgelte, Auftragseingänge mit geleisteten Arbeitsstunden und Umsätzen im Berichtsmonat abgefragt werden, sind in der jährlichen Gesamterhebung (»Ergänzungserhebung«) neben den Angaben zum Berichtsmonat zusätzlich noch Strukturmerkmale wie der Schwerpunkt der bauhauptgewerblichen Tätigkeit des Betriebes, die Stellung der tätigen Personen im Betrieb, sowie der Umsatz des Vorjahres gefragt. Die Frage nach der bauhauptgewerblichen Tätigkeit des Betriebes dient der korrekten wirtschaftszweigsystematischen Zuordnung. Gegebenenfalls ist der Betrieb einem anderen Wirtschaftszweig zuzuordnen und von der Meldepflicht zu Statistiken des Bauhauptgewerbes zu entbinden.

Nicht der bauhauptgewerbliche Betrieb, sondern das bauhauptgewerbliche Unternehmen werden bei der jährlichen Unternehmens- einschließlich Investitionserhebung befragt. Hierzu sind alle Unternehmen des Bauhauptgewerbes mit 20 oder mehr tätigen Personen auskunftspflichtig, die Anzahl der befragten Einheiten ist jedoch mit Zahlenobergrenze gesetzlich gedeckelt (bundesweit höchstens 35 000 Unternehmen). Für das abgeschlossene Geschäftsjahr differenziert erhoben werden die Merkmale »tätige Personen«, »Entgelte«, die »Jahresbauleistung« im In- und Ausland, sowie »Investitionen und Verkaufserlöse«.

Die Erhebungen im Ausbaugewerbe

Bei den Erhebungen im Ausbaugewerbe und bei Bauträgern steht weniger der konjunkturelle als der strukturelle Aspekt im Vordergrund. Zum Ausbaugewerbe zählen Betriebe, die Ausbauarbeiten und entsprechende Reparatur- und Unterhaltungsarbeiten an Gebäuden vornehmen. Das sind nach der Wirtschaftszweigsystematik die Gruppen »Bauinstallation« und »Sonstiger Ausbau«. Zusätzlich wird noch die Wirtschaftsgruppe »Erschließung von Grundstücken, Bauträger« hinzugezählt.12

Vierteljährlich werden bei Betrieben mit 20 oder mehr tätigen Personen die Merkmale Anzahl der tätigen Personen, Entgeltsumme, Umsatz und geleistete Arbeitsstunden erhoben. Im Ausbaugewerbe wird auf eine jährliche »Ergänzungserhebung« für alle kleineren Betriebe verzichtet. Stattdessen werden einmal jährlich Betriebe mit zehn und mehr tätigen Personen erfasst. Erfragt wird zusätzlich zu den bereits genannten Merkmalen der Umsatz des Vorjahres. Wie im Bauhauptgewerbe ist die Anzahl der Befragten bundesweit mit Zahlenobergrenze gedeckelt (bundesweit vierteljährlich höchstens 9 000 zu befragende Betriebe, sowie zusätzlich 18 000 Betriebe in der jährlichen Befragung). Im Ausbaugewerbe dominieren zahlenmäßig die kleinen Betriebe, in noch deutlicherer Größenordnung als im Bauhauptgewerbe. Hier stand das Argument der Entlastung kleiner Betriebe von regelmäßigen statistischen Berichtspflichten im Vordergrund. Rund 92 % der ausbaugewerblichen Betriebe Baden-Württembergs haben keine oder weniger als zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und werden somit in den Statistiken des Ausbaugewerbes nur in wenigen Fällen in der Strukturerhebung befragt.13

Die Bedeutung des Ausbaugewerbes hat in den Jahren des konjunkturellen Aufschwungs zugenommen. Dies spiegelt sich auch daran, dass die Zahl der Betriebe mit 20 und mehr tätigen Personen in Baden-Württemberg und auch in anderen Bundesländern deutlich zugenommen hat. Da die Zahl der vierteljährlich zu befragenden Betriebe des Ausbaugewerbes auf höchstens 9 000 gesetzlich gedeckelt ist, drohte diese Zahl für das Berichtsjahr 2018 überschritten zu werden. Daher musste die »Abschneidegrenze« von bisher 20 und mehr Beschäftigte bis auf Weiteres auf 23 und mehr Beschäftigte angehoben werden, um weiterhin eine rechtssichere Befragung gewährleisten zu können. Dies wird natürlich Auswirkungen auf die Ergebnisdarstellung im Zeitvergleich haben.

Struktur- und Kostenstrukturerhebungen im Baugewerbe

Ergänzend zu den Investitionserhebungen im Baugewerbe werden jährlich durch das Statistische Bundesamt Struktur- und Kostenstrukturerhebungen bei kleineren und größeren Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes in Form von Stichproben durchgeführt, die ein Bundesergebnis, nicht jedoch länderspezifische Daten liefern. Hierzu werden zum einen als Strukturerhebung mit eingeschränktem Merkmalskatalog 6 000 Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten befragt. Diese kleineren Unternehmen melden Angaben zu den tätigen Personen, Entgelte, Umsatz, die Kosten nach Kostenarten (zum Beispiel für Personal, Material oder Dienstleistungen) und die Investitionen. Zum anderen werden höchstens 6 000 größere Unternehmen des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes mit 20 oder mehr Beschäftigten bundesweit befragt. Sie melden als Kostenstrukturerhebung neben den genannten Merkmalen, die differenzierter als bei den kleineren Unternehmen erfragt werden, zusätzlich Angaben zu den Bauleistungen, selbst erstellten Anlagen, Material- und Warenbeständen, Material- und Wareneingang, Kosten, angefallene Umsatzsteuer, gegebenenfalls erhaltene Subventionen sowie Ausgaben für Forschung und Entwicklung.

Diese Daten dienen vor allem auch dazu, die sich aus der europäischen strukturellen Unternehmensstatistik ergebenden Informationsanforderungen zu erfüllen. Nachweise sind seit dem Erhebungsjahr 2002 für Unternehmen aller Größenordnungen zu leisten, weswegen auch die kleineren Unternehmen einbezogen werden mussten.14

Aktualität

Die unterjährigen Statistiken des Baugewerbes sind terminlich eng getaktet. Beim Monatsbericht im Bauhauptgewerbe liegen die Daten für Baden-Württemberg in der Regel 6 Wochen nach Monatsende vor und werden in aggregierter Form an das Statistische Bundesamt gemeldet und dort noch einmal geprüft. Nach spätestens 8 Wochen steht das Bundesergebnis. Zur Ermittlung eines ersten Konjunkturtrends wird ein »Vorabergebnis« mit einer Meldequote von in Baden-Württemberg um 60 % 4 Wochen nach Monatsende an das Bundesamt übermittelt.

Bei der Vierteljahreserhebung im Ausbau liegt ein Vorabergebnis ebenfalls 4 Wochen nach Quartalsende vor, das Endergebnis zur Meldung an das Bundesamt nach einer Bearbeitungszeit von 8 Wochen. Bei den Jahreserhebungen sind die Fristen nicht ganz so eng gesetzt. Landesergebnisse liegen rund viereinhalb Monate nach Erhebungsstichtag vor. Hierbei ist anzumerken, dass der Mahn- und Nachfassaufwand für die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im Statistischen Landesamt aufgrund der größeren Berichtskreise höher liegt als bei den unterjährigen Erhebungen. Viele der befragten kleineren Betriebe, die aufgrund ihrer Betriebsgröße nur jährlich zu einer Baugewerbestatistik melden müssen, benötigen zudem Erläuterungen und Hilfestellung bei der Abgabe der Meldung.

Regelmäßig wünschen Betriebe eine Fristverlängerung, weil die Umsatzdaten noch nicht vorliegen. Gerade auch größere Betriebe, die für das Landesergebnis prägend sind und womöglich über eine ausgelagerte Buchhaltung verfügen und entsprechende Dauerfristverlängerungen mit den Finanzämtern getroffen haben, tun sich manchmal schwer, die Termine zu halten. Eine Vorverlegung der Abgabefristen, wie teilweise von Datennutzern gewünscht, würde sich negativ auf die Datenqualität auswirken, da sich der Anteil der Befragungsbetriebe ohne Dateneingang merklich erhöhen würde. Gleichzeitig stiege der Anteil der zu schätzenden Antworten.

Verarbeitung von Verwaltungsdaten im sogenannten »Mixmodell«

Eingangs wurde vom Spannungsfeld zwischen Informationsbedarf einerseits und der Entlastung der Auskunftspflichtigen andererseits gesprochen. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass eine unterjährige Befragung der vielen kleineren Betriebe mit weniger als 20 Beschäftigten vor allem im Ausbaugewerbe, aber auch im Bauhauptgewerbe eine fühlbare Belastung der Befragten mit entsprechenden »Bürokratiekosten« mit sich brächte, rückte die Verwendung von nutzbaren Verwaltungsdaten auch für Baugewerbestatistiken in den Fokus der statistischen Ämter. Bis Ende 2016 wurden Daten des Monatsberichts im Bauhauptgewerbe mit Faktoren, die aus der jährlichen Erhebung gewonnen wurden, in den Folgemonaten bis zur nächsten Jahreserhebung auf die Gesamtheit aller Betriebe hochgerechnet, worauf dann die Faktoren wieder angepasst wurden. Dieses Verfahren führte mit zunehmender zeitlicher Entfernung zum jeweiligen Erhebungsstichtag (im Juni) zu einer sich vergrößernden Unschärfe bei der Beschreibung der konjunkturellen Lage. Für das Ausbaugewerbe wurde auf eine Hochrechnung verzichtet, da Informationen zu den vielen kleinen Betrieben unter zehn Beschäftigten überwiegend fehlten.

Im sogenannten Mixmodell15 werden Umsatzdaten der Finanzverwaltung und Beschäftigtendaten der Bundesagentur für Arbeit für die kleineren Betriebe des Bauhaupt- bzw. Ausbaugewerbes über das statistische Unternehmensregister verknüpft und den jeweiligen Primärdaten für die größeren Betriebe aus den Erhebungen zugespielt. Die Definitionen der Merkmale steuerpflichtiger Umsatz und sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus den Verwaltungsdaten decken sich allerdings im Einzelnen nicht vollständig mit den Merkmalsdefinitionen in den Erhebungen (wo nach baugewerblichem und sonstigem Umsatz und tätigen Personen gefragt wird). Die Daten aus den Verwaltungsdateien beziehen sich zudem einmal auf die rechtliche Einheit Unternehmen (steuerpflichtiger Umsatz) sowie auf den Betrieb (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte), weshalb von der Veröffentlichung absoluter Werte abgesehen wird. Gleichwohl haben umfangreiche Testrechnungen gezeigt, dass die Darstellung von Messziffern und Veränderungsraten für Umsatz und Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen, die aus dem Mixmodell resultieren, den konjunkturellen Verlauf im Vergleich zur Vorperiode hinreichend genau abbildet. Da in das Mixmodell regelmäßig aktualisierte Daten aus Verwaltungsdateien einfließen und mit den aktuellen Befragungsergebnissen kombiniert werden, liefert es belastbarere Daten für das Bauhauptgewerbe im ganzen als das Hochrechnungsverfahren mit für 1 Jahr konstanten Hochrechnungsfaktoren. Für das Ausbaugewerbe insgesamt kann das Mixmodell erstmals konjunkturelle Kennziffern liefern, da Hochrechnungsdaten nicht zur Verfügung stehen.

Wohin geht der Weg in der Baugewerbestatistik?

Das Bemühen, Betriebe und Unternehmen von statistischen Berichtspflichten zu entlasten, steht regelmäßig auf der Agenda der Politik. Das war in den 1990er-Jahren so, als zum Beispiel zur Entlastung kleinerer Unternehmen die Periodizität im Ausbaubericht von monatlich auf vierteljährlich und die Abschneidegrenze von zehn auf 20 tätige Personen heraufgesetzt wurde. Weiterhin wurde der Fragenkatalog sowohl bei der jährlichen Ergänzungs- als auch bei den Unternehmenserhebungen des Bauhauptgewerbes gekürzt, wovon alle befragten Betriebe bzw. Unternehmen profitierten.16 Auch in der Gegenwart ist eine Verringerung von Statistikpflichten der Wirtschaft mit dem Ziel »Bürokratieabbau« Gegenstand politischer Reformbemühungen.17

Die Statistischen Ämter der Länder haben bisher im Hinblick auf die Datennutzer immer darauf geachtet, dass die Datengrundlage es ermöglicht, zusätzlich zum Bundesergebnis aussagekräftige länderspezifische Auswertungen zu erstellen. Eine weitere Reduktion der Berichtskreise durch Anheben der Berichtsschwelle oder der Umstieg auf eine Stichprobe bei den Konjunktur- und Investitionsstatistiken könnte die länderspezifische Darstellung der Ergebnisse gefährden. Anpassungen des statistischen Programms der Baugewerbestatistiken werden gerade auch unter Berücksichtigung dieses föderalen Gesichtspunktes zu diskutieren sein. Als Maßnahme mit begrenztem Entlastungseffekt wäre eine weitergehende Übernahme bestimmter Merkmale aus Verwaltungsdateien und Verzicht auf deren primäre Erhebung zu werten. Andere, nicht von Verwaltungsdateien beziehbare Merkmale müssten nach wie vor bei allen Betrieben bzw. Unternehmen erhoben werden.

Die Aufbereitung und nutzergerechte Präsentation der Daten wird in den nächsten Jahren auch in der Baugewerbestatistik weiter ausgebaut. Grundsätzlich sind auch die Einzeldaten der Baugewerbestatistiken georeferenzierbar. Das digitale Datenverarbeitungsverfahren wird zunehmend mit automatisierten Plausibilitätsprüfungen unterstützt werden. Gleichzeitig steigen aber die Anforderungen an die Darstellung der wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht zuletzt aufgrund von Forderungen der europäischen Statistikbehörde EUROSTAT: der Betrachtungsfokus verschiebt sich vom einzelnen Betrieb bzw. Unternehmen eines Bundeslandes auf Unternehmensgruppen und Konzerne, die deutschlandweit analysiert werden. Die Betrachtung von Unternehmensverflechtungen geht über das Baugewerbe weit hinaus und umfasst fast alle Wirtschaftsbereiche.18 Diese komplexen Daten zu gewinnen und regelmäßig aktuell zu halten stellt die statistischen Ämter in den Wirtschaftsstatistiken vor große Herausforderungen.

1 Das Statistische Amt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets – Aufbau – Aufgabengebiet – Tätigkeitsbericht 1948, Wiesbaden 1949.

2 Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 31 vom 15. Juli 1957.

3 Zweites Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Allgemeine Statistik in der Industrie und im Bauhauptgewerbe vom 24. April 1963, Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 21.

4 Gesetz über die Statistik im Produzierenden Gewerbe vom 6. November 1975 (ProdGewStatG), Bundesgesetzblatt, Teil I, Nr. 125.

5 Klassifikation der Wirtschaftszweige (WZ 2008), Hrsg. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2009.

6 Davor, in der Klassifikation der Wirtschaftszweige Ausgabe 1993 (WZ 1993), waren die Bauträger im Wirtschaftsabschnitt »Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen, Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen« eingruppiert.

7 Nationale Rechtsgrundlage ist § 13 Bundesstatistikgesetz (BstatG).

8 Das Unternehmensregister erfüllt neben der Erhebungsunterstützung viele weitere statistische Zwecke, neuerdings werden auf Anforderung von EUROSTAT auch Unternehmensgruppen abgebildet. Näheres findet sich zum Beispiel in der Dokumentation des Statistischen Bundesamtes unter https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/Unternehmensregister/Methoden/methodisches.html (Abruf: 08.05.2018).

9 Nach § 11a Absatz 2 Bundesstatistikgesetz (BStatG).

10 In sehr wenigen Fällen kommt es vor, dass ein Unternehmen mit mehreren Betrieben (Niederlassungen) einem anderen Wirtschaftsbereich angehört als der befragte Baubetrieb, weil zum Beispiel andere unternehmensangehörige Betriebe Handel treiben oder Dienstleistungen anbieten und diese für das Gesamtunternehmen »wirtschaftszweigsystematisch schwerpunktbestimmend« sind. Es werden also bauhaupt- oder ausbaugewerblichen Betriebe befragt, unabhängig davon ob das dazugehörende Unternehmen (die rechtliche Einheit) dem Baugewerbe zugehört oder nicht.

11 Dies wird für alle Statistiken durchgeführt und durch das Statistische Bundesamt dokumentiert: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Qualitaetsberichte/Bauen/Einfuehrung.html (Abruf: 05.02.2018).

12 Nach der WZ 2008 sind dies die Wirtschaftsgruppen mit den Systematiknummern 43.2 und 43.3 sowie 41.1.

13 Überschlägige Auszählung aus dem statistischen Unternehmensregister Baden-Württembergs 2016. – Eine Berichtspflicht für Baugewerbebetriebe kann in Einzelfällen auch in anderen, nicht baugewerblichen, Statistiken auftreten.

14 Gesetz zur Neuordnung der Statistik im Produzierenden Gewerbe und zur Änderung des Gesetzes über Kostenstrukturstatistiken vom 21. März 2002, hier: Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 14/7556, S. 8.Vergleiche auch Höh, Hartmut: Strukturentwicklung des Baugewerbes und Bedeutung kleinerer Unternehmen, in: Statistisches Bundesamt (2005) (Hrsg.): Wirtschaft und Statistik, Heft 3, S. 109–117.

15 Dechent, Jens: Die Mixmodelle in den Konjunkturstatistiken des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes – Verwendung von Verwaltungsdaten in den Baugewerbestatistiken, in: Statistisches Bundesamt (2017) (Hrsg.): Wirtschaft und Statistik (WISTA), Heft 3.

16 Dreher, Christoph: Die Statistiken im Baugewerbe – ein Überblick, Teil 1, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, 11/2002, S. 529 ff.

17 Kapitel »Bürokratieabbau« in: »Ein neuer Aufbruch für Europa …«, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Berlin, 7. Februar 2018, Zeilen 2 868–2 889.

18 Statistisch gesehen handelt es sich um einen »erweiterten Unternehmensbegriff«. Mehrere rechtliche Einheiten, nämlich einzelne Unternehmen, stehen in wirtschaftlichen Austauschbeziehungen zueinander. So wird zum Beispiel häufig neben dem Bauunternehmen die Immobilienverwaltung oder die Personalverwaltung in rechtlich selbstständige Einheiten (weitere einfache Unternehmen) ausgegliedert. Die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen dieser Einheiten untereinander (»komplexes Unternehmen«) werden in der herkömmlichen Betrachtungsweise bisher nicht erfasst. Siehe auch: Opfermann, Rainer/Beck, Martin: Einführung des EU-Unternehmensbegriffs, in: Statistisches Bundesamt (2018) (Hrsg.), Wirtschaft und Statistik, Heft 1, S. 63 ff.