:: 8/2018

Eine alternde Gesellschaft und Krankenhausversorgung

Einflussfaktoren der Patientenentwicklung in Baden-Württemberg

Die Entwicklung der stationären Krankenhausbehandlungen wurde zwischen 2005 und 2016 stark durch die demografische Alterung beeinflusst: Aufgrund der in den vergangenen Jahrzehnten durch Geburtenrückgang und steigende Lebenserwartung entstandenen Altersstruktur der Bevölkerung nahmen die Besetzungszahlen in hohen Altersgruppen zu, in denen die Behandlungshäufigkeit ohnehin deutlich erhöht ist. Daneben stiegen in vielen Altersgruppen die Behandlungsquoten. Auffällige Steigerungen der Behandlungshäufigkeit, die sich nicht durch die demografische Entwicklung erklären lassen, fanden sich zum Beispiel bei stationären Behandlungen wegen »sonstigen Herzkrankheiten«, »sonstigen Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens« und »affektiven Störungen«. Am aktuellen Rand stieg die Patientenzahl auch aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Zunahme der Geburtenhäufigkeit.

Die Zahl der stationären Krankenhauspatienten ist seit 2005 um ein Vielfaches stärker gestiegen als die Zahl der Einwohner im Land: Bei männlichen Patienten betrug das Plus im Jahr 2016 gegenüber 2005 gut 173 000 Fälle bzw. 20,6 %. Gleichzeitig nahm die männliche Bevölkerung im Land in diesem Zeitraum aber nur um insgesamt 2,8 % zu. Der Zuwachs bei Patientinnen belief sich auf gut 132 000 Fälle bzw. 13,6 %, während die weibliche Bevölkerung im Südwesten nur um 0,7 % wuchs. 2

Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Inwieweit wird sie von der demografischen Alterung der Bevölkerung in Baden-Württemberg beeinflusst? Inwieweit spielen andere Faktoren eine Rolle? Dies soll im Folgenden untersucht werden. Im Hintergrund steht dabei auch die Frage, inwieweit sich der künftige Bedarf in der Krankenhausversorgung anhand von Vorausrechnungen zur demografischen Entwicklung abschätzen lässt.

Diagnosestatistik bildet stationäre Behandlungen ab

Neben der Bevölkerungsstatistik ist die Krankenhausdiagnosestatistik die zentrale Datenquelle dieser Untersuchung. Als Krankenhausfälle/-behandlungen werden in der Diagnosestatistik aus Krankenhäusern entlassene vollstationäre Patientinnen und Patienten definiert. 3 Nicht nachgewiesen werden vorstationär, nachstationär oder ambulant behandelte Patientinnen und Patienten. Gegenstand dieser Untersuchung sind Patientinnen und Patienten mit Wohnsitz in Baden-Württemberg, die in einem Krankenhaus in Deutschland aufgrund einer Diagnose im Bereich »alle Krankheiten und Folgen äußerer Ursachen« (Positionsnummer A00–T98 der ICD-10), stationär behandelt wurden.

Hochbetagte Männer am häufigsten im Krankenhaus

Die Häufigkeit stationärer Krankenhausaufenthalte – gemessen als Zahl der Fälle je 100 000 der jeweiligen Bevölkerung – ist alters- und geschlechtsabhängig. Schaubild 1 zeigt den Verlauf der Behandlungsquoten beispielhaft für das Jahr 2016. Zunächst fällt auf, dass die Behandlungshäufigkeiten bei Männern in den meisten Altersgruppen höher sind als bei Frauen. Nur zwischen 10 und 44 Jahren werden Frauen häufiger stationär im Krankenhaus behandelt als Männer, was im Wesentlichen auf Diagnosen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt zurückzuführen ist.

Bei Neugeborenen beiden Geschlechts sind die Behandlungsquoten zunächst mit rund 50 000 Behandlungen je 100 000 unter 1-Jähriger noch hoch. In den Altersgruppen der 1- bis unter 10-jährigen Mädchen und Jungen sinkt die jeweilige Behandlungsquote auf weniger als 10 000 Behandlungen je 100 000 der jeweiligen Bevölkerung. Abgesehen von dem bereits erwähnten »Schwangerschaftsbauch« in der Behandlungskurve der Frauen steigt die betreffende Behandlungsquote mit zunehmenden Alter zunächst langsam an. Etwa ab dem Alter von 60 Jahren steigen die Behandlungsquoten der Geschlechter stärker. Am häufigsten werden hochaltrige Menschen im Krankenhaus behandelt: rund 72 000 bzw. 60 000 Krankenhausbehandlungen je 100 000 Männer bzw. Frauen im Alter von 85 bis 90 Jahren wurden 2016 erfasst.

Zahl der Älteren steigt

Die demografische Alterung der Bevölkerung in Baden-Württemberg ist in den 11 Jahren des Untersuchungszeitraums erkennbar fortgeschritten. Geburtenschwächere Jahrgänge seit den 1970er-Jahren ließen tendenziell die Besetzungszahlen der Jüngeren sinken. Damit wuchsen die Bevölkerungsanteile vor allem in denjenigen Altersgruppen, die besonders häufig stationär im Krankenhaus behandelt.

Insbesondere die Zahl der 70- bis unter 90-jährigen Männer hat im Land deutlich zugenommen.4 Sie stieg von knapp 113 000 im Jahr 2005 bis 2016 auf fast 205 000 Personen. Wesentliche Ursache für diese Steigerung um fast 82 %: Im Unterschied zu 2005 war diese Bevölkerungsgruppe 2016 nicht mehr durch Gefallene des Zweiten Weltkriegs vermindert.

Der Bevölkerungsanstieg in der Altersgruppe der 20- bis unter 30-jährigen Bevölkerung hat vor allem zwei Gründe. Zum einen fanden sich 2016 in dieser Altersgruppe die Kinder der Babyboomer. Zum anderen kam es zu einer verstärkten Zuwanderung, vor allem junger Männer, in dieser Altersgruppe.

In vielen Altersgruppen wird häufiger stationär behandelt

Schaubild 2 zeigt auch, dass sich die Zahl der Krankenhausbehandlungen zwischen 2005 und 2016 nicht parallel zur Bevölkerung entwickelt hat. In sieben der zehn dargestellten Altersgruppen ist die Fallzahl stärker gestiegen bzw. weniger gesunken als die Bevölkerungszahl. Dementsprechend sind in diesen Altersgruppen die Behandlungsquoten gestiegen. Betroffen sind unter anderem die Altersgruppen 70- bis unter 90 und unter 1 Jahr, in denen die Behandlungsquoten ohnehin schon besonders hoch waren. Gesunken sind die Behandlungsquoten nur in den Altersgruppen der 1- bis unter 10-Jährigen und der 50- bis unter 70-Jährigen. Neben den demografischen Faktoren – Zunahme der Einwohnerzahl und demografische Alterung – wirken offenbar weitere Faktoren auf die Entwicklung der stationären Fallzahlen.

Mehr gesunde Lebensjahre?

Im Zusammenhang mit der steigenden Lebenserwartung wird häufig diskutiert, ob diese mit einer Zunahme der Zahl der »gesunden« oder mit einer Zunahme der Zahl von »kranken« Lebensjahren verbunden ist.5 Schaubild 2 zeigt, dass mehr Menschen die Altersgruppen zwischen 70 und 90 Jahren erreichen. Gleichzeitig fällt auf, dass 70- bis 90-Jährige im Jahr 2016 häufiger als 2005 stationär im Krankenhaus behandelt wurden. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die gewonnene Lebenszeit mit mehr Krankheiten verbunden war. Andererseits wurden 50- bis unter 70-Jährige im Jahr 2016 seltener stationär behandelt als 11 Jahre zuvor. Waren die Menschen in diesen Altersgruppen 2016 gesünder als 2005? Für die Altersgruppe 50 bis unter 60 Jahre könnte dies auch auf einen Kohorteneffekt zurückzuführen sein: Im Jahr 2005 gehörten die 50- bis unter 60-Jährigen noch Jahrgängen an, die den schwierigen Lebensbedingungen der Nachkriegszeit ausgesetzt waren. Am aktuellen Rand wird die Altersgruppe der 50- bis unter 60-Jährigen von den in den Wirtschaftswunderjahren geborenen Babyboomern geprägt.6

Auch nicht demografische Faktoren beeinflussen Krankenhausfälle

Verbesserungen des Gesundheitszustands der Bevölkerung oder einzelner Bevölkerungsgruppen können die stationäre Behandlungsquote sinken lassen. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn aufgrund verbesserter Gesundheitsvorsorge oder günstigerer Lebensumstände bestimmte Krankheiten seltener auftreten. Allerdings lässt nicht jedes Sinken oder Steigen einer Behandlungsquote den Rückschluss auf eine »gesündere« oder »kränkere« Bevölkerung zu. Die Ursachen können auch in der Organisation der Gesundheitsversorgung und im Nachfrageverhalten der Patienten liegen:7

So lassen Verlagerungen von der stationären zur ambulanten Versorgung, beispielsweise bei der Krebsbehandlung, Patienten aus der Krankenhausstatistik »verschwinden«.

Die Einführung neuer Diagnose- bzw. Therapieverfahren kann fallsenkend oder -steigernd wirken, je nachdem, ob bislang stationäre Behandlungen durch ambulante ersetzt oder neue stationäre Behandlungen eingeführt werden.

Die verstärkte Inanspruchnahme, zum Beispiel der stationären Notfallversorgung, durch die Bevölkerung wirkt tendenziell fallsteigernd. Die Etablierung ärztlicher Notfallpraxen an den Krankenhäusern wirkt dagegen tendenziell fallsenkend.

Für diesen Beitrag wurde die Veränderung der Zahl der stationären Behandlungsfälle von Baden-Württembergern in Krankenhäusern zwischen 2005 und 2016 per Dekompositionsanalyse (i-Punkt) in drei Bestandteile zerlegt:

  • Einwohnereffekt: allein durch die Veränderung der Einwohnerzahl verursacht,
  • Altersstruktureffekt: allein durch die demografische Alterung verursacht,
  • Nicht demografische Effekte: durch sonstige Einflussfaktoren, inklusive Zufallseinflüsse, verursacht.

Demografische Alterung treibt Fallzahlen am stärksten

Über den Gesamtzeitraum 2005 bis 2016 betrachtet, stieg die Zahl der Krankenhausbehandlungen männlicher Patienten um fast 21 %. Mehr als die Hälfte dieses Anstiegs (11 Prozentpunkte) wurde dabei durch die demografische Alterung verursacht. Den zweitstärksten Einfluss übte die Zunahme der Einwohnerzahl aus. Diese war für einen Anstieg der Fallzahl um gut 6 Prozentpunkte verantwortlich.8 Nur die übrigen 2,4 Prozentpunkte des Anstiegs der Krankenhausbehandlungen entfielen auf nicht demografische Faktoren.

Der Anstieg bei den stationären Behandlungen weiblicher Patienten fiel mit 13,6 % geringer aus als bei männlichen Patienten. Dies ist ausschließlich auf die schwächer ausgeprägten demografischen Faktoren zurückzuführen: die demografische Alterung ist zwar auch bei den Frauen der stärkste Antrieb für den Anstieg der Zahl der Krankenhausfälle. Sie steht hier jedoch nur für eine Wachstumsrate von knapp 6 Prozentpunkten. Der Einwohnereffekt wirkte ebenfalls nur halb so stark wie bei den männlichen Patienten. Er bewirkte eine Zunahme der weiblichen Fallzahl um 2,7 Prozentpunkte. Fast doppelt so stark wie bei den Männern trieben allerdings die nicht demografischen Faktoren die Zahl der Krankenhausaufenthalte von Frauen in die Höhe. Diese waren für einen Anstieg von fast 5 Prozentpunkte verantwortlich. Hierauf wird im Rahmen des folgenden Abschnitts eingegangen.

Einwohnereffekt gewinnt ab 2011 an Einfluss

Die Zeitreihen in Schaubild 3 zeigen, dass die Effekte nicht in allen Jahren gleich stark gewirkt haben. Nicht demografische Effekte schwankten deutlich von Jahr zu Jahr.9 Demografische Effekte veränderten sich eher langsam. Vor allem bei der Entwicklung der männlichen Patienten ist ab 2011/2012 der wachsende Einfluss der Zuwanderung nach Baden-Württemberg zu erkennen. Da die zuwandernde Bevölkerung im Durchschnitt jünger war als die ansässige Bevölkerung, wurde die demografische Alterung gebremst: Während der Einwohnereffekt größer wurde, verringerte sich der Altersstruktureffekt.

Auffällig ist daneben, dass nicht demografische Effekte ab 2011 eher bremsend auf die Entwicklung der Krankenhausfälle der Männer wirkten. Bei der Entwicklung der weiblichen Patienten war dies nicht entsprechend zu beobachten. Wesentliche Ursache hierfür war ein Anstieg der Geburtenhäufigkeit, der zu erhöhten Behandlungsquoten der 15- bis 49-jährigen Frauen und zu steigenden Fallzahlen im Diagnosekapitel Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett führte.10

»Große« Diagnosekapitel bestimmen die Fallentwicklung

Die Kapitel11 Krankheiten des Kreislaufsystems, Neubildungen (zum Beispiel Tumore), Folgen äußerer Ursachen (zum Beispiel von Verletzungen), Krankheiten des Verdauungssystems, Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes sowie psychische und Verhaltensstörungen weisen für männliche und weibliche Patienten die höchsten Fallzahlen stationärer Behandlungen auf. Zusätzlich ist das bereits erwähnte Kapitel Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett von Bedeutung. Mit Ausnahme des Kapitels Neubildungen waren dies auch die Kapitel, die wesentlich für den Anstieg stationärer Behandlungen von 2005 bis 2016 verantwortlich waren. Den größten Anteil an der Zunahme männlicher Patienten um insgesamt rund 173 000 Fälle hatten Herz-Kreislauferkrankungen mit etwa 17 %. Den größten Anteil an der Zunahme weiblicher Patienten um über 132 000 Fälle hatten Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems mit rund 16 %.

Alterung wesentlich für Behandlungen des Kreislaufsystems

Zu den Diagnosen, die im Kapitel Krankheiten des Kreislaufsystems (I00–I99) zusammengefasst sind, gehören die Obergruppen ischämische Herzkrankheiten (unter anderem Herzinfarkt), Sonstige Herzkrankheiten (insbesondere Herzinsuffizienz) und zerebrovaskuläre Krankheiten (zum Beispiel Schlaganfall). Diese Krankheiten treten verstärkt im höheren Alter auf. Dementsprechend war es die demografische Alterung, die von 2005 bis 2016 den stärksten Steigerungseffekt auf die Fallentwicklung hatte: sie steigerte die Fallzahl männlicher Patienten um 20 % und die Fallzahl weiblicher Patienten um 13 %. Nicht demografische Faktoren wirkten per Saldo leicht fallsenkend, wobei es hier zwischen den beiden größten Obergruppen des Kapitels, ischämische Herzkrankheiten (I20–I25) und sonstige Herzkrankheiten (I30–I52) deutliche Unterschiede gab. Bei sonstigen Herzkrankheiten (inklusive Herzinsuffizienz) wirkten zusätzlich zur demografischen Alterung auch die nicht-demografischen Faktoren deutlich fallsteigernd, sodass es für männliche Patienten zu einem Plus von 56 % und für weibliche Patienten von 44 % kam. Dagegen wurde im Bereich der ischämischen Herzkrankheiten der deutlich fallsteigernde Alterungseffekt durch fallreduzierende nicht­demografische Faktoren ausgeglichen, sodass es für männliche Patienten nur zu einem Plus von 1 % und für weibliche Patienten zu einem Minus von 13 % kam.

Anstieg der Fälle mit Muskel-Skelett-Erkrankungen …

Die jährliche Zahl stationärer Behandlungen mit der Hauptdiagnose Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (M00–M99) zeigte im Untersuchungszeitraum mit Wachstumsraten von + 31 % bei Männern bzw. + 25 % bei Frauen das stärkste Wachstum aller Diagnosekapitel. Rund die Hälfte des Fallwachstums wurde dabei durch nicht demografische Faktoren verursacht. Diese wirkten allerdings nur in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums fallsteigernd.

… aufgrund von nicht demografischen Faktoren …

Wesentliche Ursache für die hohen Steigerungsraten bei Behandlungen aufgrund von Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems sind »sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens« (M50–M54). Hierzu zählen beispielsweise Bandscheibenerkrankungen und Rückenschmerzen. In dieser Obergruppe, auf die 2016 etwa ein Fünftel der Fälle des Kapitels entfiel, stiegen die jährlichen Fallzahlen vor allem durch nicht demografische Faktoren seit 2005 bei männlichen Patienten um 27 % und bei weiblichen Patienten sogar um 38 %.

… und Alterungseffekten

In der größten Obergruppe »Arthrose« (M15–M19), wurden die Fallzahlen dagegen vor allem durch demografische Effekte in die Höhe getrieben. Hier wurden 2016 rund 27 % mehr männliche und rund 14 % mehr stationäre weibliche Patienten gezählt als 2005.

Unterschiedlicher Einfluss nicht demografischer Faktoren

Schaubild 5 zeigt zwei weitere Kapitel, in denen nicht demografische Faktoren die Fallentwicklung stark beeinflusst haben. Deutlich fallsenkend wirkten sie auf die Entwicklung im Kapitel Neubildungen (C00–D48), wozu vor allem Krebserkrankungen gehören. Aufgrund des Altersstruktureffekts hätte die Zahl der Patienten zwischen 2005 und 2016 hier deutlich steigen müssen. Dies wurde jedoch durch nicht demografische Effekte weitgehend ausgeglichen bzw. überkompensiert. Die tatsächliche Veränderungsrate der Krankenhausbehandlungen wegen Neubildungen betrug nur + 4 % bei männlichen Patienten bzw. – 1 % bei weiblichen Patienten. Es ist anzunehmen, dass die Verlagerung von Chemotherapien12 vom stationären in den ambulanten Bereich hierbei eine Rolle gespielt hat.

Völlig anders stellte sich dagegen die Entwicklung der stationären Krankenhausaufenthalte aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen (F00–F99) dar. Die Patientenzahl mit psychischen und Verhaltensstörungen stieg zwischen 2005 und 2016 bei Männern mit 24 % und bei Frauen mit 20 % stärker an als die Zahl der Patienten insgesamt (A00–T98). Entscheidender Antrieb hierfür waren nicht demografische Faktoren, die wiederum vor allem in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraums wirkten. Auffällig war dies insbesondere bei Behandlungen aufgrund von affektiven Störungen (F30–F39). Dies sind klinisch bedeutsame Störungen der Stimmungslage von der der manischen Störungen bis zur Depression. Die Diagnose affektive Störung führte vor allem bei Kindern und jungen Erwachsenen häufiger zu einer stationären Behandlung. Der Anstieg der Zahl männlicher Patienten um 75 % und der Zahl weiblicher Patienten um 54 % zwischen 2005 und 2016 war fast ausschließlich auf die nicht demografischen Faktoren zurückzuführen.

Fazit und offene Fragen

Die Betrachtung der Behandlungszahlen ausgewählter Diagnosekapitel und Obergruppen 2005 bis 2016 hat gezeigt, dass demografische Faktoren vor allem zur Erklärung der langfristigen Gesamtentwicklung beitragen konnten. Je kürzer der Untersuchungszeitraum und je stärker die Fallentwicklung nach Diagnosen differenziert analysiert wurde, desto größer wurde die Bedeutung der nicht demografischen Faktoren.

Im Bereich der nicht demografischen Faktoren bleiben viele Fragen offen. So wurde mehrfach angedeutet, dass eine Verschiebung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich Ursache des Rückgangs von Fallzahlen sein könnte. Leider wird die ambulante Behandlung, sei es im Krankenhaus oder bei niedergelassenen Ärzten von den amtlichen Statistiken nicht abgebildet, sodass an dieser Stelle keine konkreteren Aussagen möglich sind. Bei einer Vorausschätzung des künftigen Bedarfs von Krankenhauskapazitäten wäre ein integrierter Ansatz zweckmäßig, der die ambulante und stationäre Versorgung betrachtet.

Die hier vorgestellte Untersuchung beschränkte sich auf die Entwicklung der Patientenzahlen. Dies ist nicht identisch mit der Entwicklung der Pflegetage, die auch von der Aufenthaltsdauer der Patienten bestimmt ist. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer je Patient im Krankenhaus ist seit Jahren rückläufig und ließ die Zahl der Pflegetage weniger stark ansteigen als die Patientenzahlen. Auch hier ergibt sich weiterer Untersuchungsbedarf.

1 Nicolas Fesenbeck entwickelte im Rahmen seines Praktikums im Sommer 2017 das Berechnungsmodell zur Komponentenzerlegung, auf dem diese Untersuchung beruht.

2 Die Bevölkerungsstatistik war aufgrund des Übergangs von der Fortschreibungsbasis »Volkszählung 1987« zu »Zensus 2011« einem Bruch unterworfen, der tendenziell zu einer Unterschätzung der Bevölkerungsentwicklung 2005 – 2016 führt.

3 Hierzu zählen auch Sterbefälle und Stundenfälle, bei denen die Aufenthaltsdauer weniger als 24 Stunden beträgt. Patientinnen und Patienten, die in einem Jahr mit der gleichen Diagnose wiederholt stationär ins Krankenhaus aufgenommen werden, sollen als ein Fall gemeldet werden. Für Patientinnen und Patienten, die bei mehreren Aufenthalten aufgrund unterschiedlicher Diagnosen behandelt werden, wird in der Statistik je Aufenthalt ein Fall erfasst.

4 Die seit der Volkszählung 1987 fortgeschriebene Zahl der 90-Jährigen und Älteren für das Jahr 2005 war deutlich überschätzt. Die Entwicklung dieser Altersgruppe wird dementsprechend unterschätzt. Sie werden daher im Folgenden nicht dargestellt.

5 Siehe zum Beispiel Eggen, Bernd/Knotz, Carlo: Wir leben länger! Aber auch länger gesund? Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2009, S. 13.

6 Für künftige Jahre ist laut Robert-Koch-Institut nicht absehbar, ob die steigende Lebenserwartung mit einer zu- oder abnehmenden Zahl gesundheitlicher Einschränkungen verbunden sein wird. Robert Koch-Institut (Hrsg.) (2015): Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, S. 497.

7 Vergleiche Nowossadeck, Enno/Pütz, Franziska: Regionale Unterschiede der Entwicklung der Krankenhausbehandlungen, Effekt unterschiedlicher demografischer Trends? In: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 3/2018, S. 358–366 und Nowossadeck, Enno: Demografische Alterung und stationäre Versorgung chronischer Krankheiten. Deutsches Ärzteblatt Jg. 109 (2012), Heft 9, S. 151–157.

8 Der Einwohnereffekt 2005–2016 fällt größer aus als die Veränderung der Einwohnerzahl 2005–2016. Ursache hierfür ist der Bruch in der Zeitreihe der Statistik der Bevölkerungsfortschreibung 2011/2012 beim Übergang von der Basis »Volkszählung 1987« zur Basis »Zensus 2011«. Für die Komponentenzerlegung wurde dieser Bruch ausgeblendet. Dadurch kann es zu einer leichten Überschätzung des Einwohnereffekts kommen.

9 Dies tritt umso stärker auf, je differenzierter die untersuchten Diagnosen sind.

10 Zwischen 2013 und 2016 stieg die zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer um 14 %.

11 Kapitel stellen das höchste Aggregationsniveau der Internationalen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision (ICD-10) dar. In diese Untersuchung sind die ersten 19 Kapitel einbezogen, die alle Krankheiten und Folgen äußerer Ursachen beinhalten.

12 Siehe Gesundheit in Deutschland, a. a. O., S. 314.