:: 8/2018

Konjunktur 2018 – Aufschwung ohne Ende?

Baden-Württemberg befindet sich aktuell in einer auch im historischen Vergleich ungewöhnlich langen Aufschwungphase. Seit 20 Quartalen hält das Wachstum der Südwestwirtschaft mittlerweile an. Ob sich diese Entwicklung auch im Jahr 2018 fortsetzt, oder ob mögliche Grenzen des aktuellen Aufschwungs bereits sichtbar sind, soll mit den zur Jahresmitte 2018 verfügbaren Indikatoren beleuchtet werden.

Baden-württembergische Wirtschaftsleistung wächst seit 20 Quartalen

Vor 10 Jahren begann mit der Insolvenz von Lehman Brothers die Finanz- und Wirtschaftskrise. Zahlreiche fiskal- und geldpolitische Stabilisierungsmaßnahmen verhinderten einen Einbruch der Wirtschaftsleistung wie in den 1920er-Jahren. Allerdings dauerte die anschließende Erholung länger als nach normalen Konjunkturabschwüngen. Baden-Württembergs Wirtschaftsleistung übertraf das Vorkrisenniveau erst nach 14 Quartalen. Seit diesem sehr prägenden Einschnitt und der sich anschließenden Eurokrise verzeichnete die Wirtschaft eine auch aus historischer Sicht lange Wachstumsperiode. So weist der Südwesten seit dem 2. Quartal 2013 und damit seit 20 Quartalen positive Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf. Das Jahreswachstum ist sogar seit 2010 positiv.1

2017 verlief die Konjunktur im Südwesten und Deutschland mit 2,3 % bzw. 2,2 % realem BIP-Wachstum nahezu synchron. Daten für das 1. Quartal 2018 lassen schon erste Erkenntnisse für eine mögliche konjunkturelle Dynamik im Gesamtjahr zu. Mit 0,3 % Zuwachs zum Vorquartal verlangsamte sich in Deutschland der konjunkturelle Schwung zu Jahresbeginn. Im 4. Quartal 2017 betrug das Vorquartalswachstum noch 0,6 %.

Als mögliche Ursachen werden ein ungewöhnlich kalter Winter, der hohe Krankenstand ausgelöst durch die Grippewelle und Streiks angeführt. Inwieweit die Daten zum 1. Quartal durch die genannten Einmalfaktoren beeinflusst sind oder ob sich bereits die Unsicherheit beispielsweise aus dem Außenhandel oder politischen Entscheidungen wie dem Brexit widerspiegeln, ist zu Jahresbeginn noch nicht abschließend geklärt. Zudem fällt die deutsche BIP-Wachstumsrate im 1. Quartal 2018 mit 1,6 % zum Vorjahresquartal immer noch sehr ordentlich aus (4. Quartal 2017: 2,3 %). Baden-Württemberg liegt nach gegenwärtigem Stand mit einem realen BIP-Wachstum von 2 % im 1. Quartal leicht über den deutschen Werten.

Konjunkturentwicklung in den Wirtschaftsbereichen

Nicht nur in gesamtwirtschaftlichen Indikatoren wie dem Bruttoinlandsprodukt ist der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöste Einbruch deutlich sichtbar. Auch Messgrößen der einzelnen Wirtschaftsbereiche verzeichneten einen deutlichen Rücksetzer. So übertraf der reale Umsatzindex im Verarbeitenden Gewerbe erst Ende 2017 wieder das Vorkrisenniveau. Dies zeigt, wie lange der Erholungsprozess auch in Baden-Württemberg gedauert hat. Dank einer dynamischen Entwicklung im 2. Halbjahr 2017 liegt der Umsatz von Januar bis April 2018 durchschnittlich um knapp 6 % über dem Vorjahreszeitraum. Allerdings kamen seit Jahresbeginn keine zusätzlichen Konjunkturimpulse hinzu, sodass sich der Umsatz verglichen zum Vorquartal nahezu seitwärts entwickelte. Die Lage im Maschinenbau entspricht nahezu der Industriekonjunktur insgesamt. Um 5,7 % stieg der Umsatz in den ersten 4 Monaten verglichen zum Vorjahreszeitraum, er stagnierte aber zum 4. Quartal 2017. Das konjunkturelle Tempo gedrosselt hat der Bereich »Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen«. Im Gesamtjahr 2017 erhöhte sich dort der reale Umsatz noch um 7,5 % zum Vorjahr. Von Januar bis April 2018 fällt das Plus zum Vorjahreszeitraum fast 2 Prozentpunkte schwächer aus (5,4 %). Überraschend positive Umsatzzahlen meldet aktuell der Fahrzeugbau. Dank einer starken Auslandsnachfrage konnte der Umsatz in den ersten 4 Monaten um 9,1 % zulegen, nachdem das Wachstum im Gesamtjahr 2017 unterdurchschnittlich verlief (2,1 % gegenüber 3,3 % Wachstum im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt). Der Auftragseingang verbreitet die Hoffnung auf eine anziehende Industriekonjunktur im Jahresverlauf. Hier liegen die Neubestellungen von Januar bis April mit über 7 % über den Vorjahreswerten. Insbesondere der Fahrzeugbau (8 %) und der Maschinenbau (über 9 %) sind für das Plus verantwortlich.

Umsatzzahlen für den Dienstleistungssektor liegen bis zum 4. Quartal 2017 vor.2 Der Bereich »Information und Kommunikation« (IKT) zeichnete sich in den letzten beiden Jahren durch eine sehr hohe Dynamik aus (+ 12,8 % in 2016 und + 6,3 % in 2017). Im Schlussquartal 2017 legte das Wachstum mit 1,2 % Zuwachs gegenüber dem Vorjahresquartal eine Pause ein. Weiterhin intakt ist der Wachstumstrend bei den »sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen«, die unter anderem auch die Umsatzentwicklung von Leiharbeitsbetrieben umfasst. Um 8,8 % stiegen dort die Umsätze im 4. Quartal 2017 gegenüber dem Vorjahresquartal.

Niedrigste Zahl der Arbeitslosen seit Beginn der 1990er-Jahre

Die seit 20 Quartalen andauernde Aufschwungphase wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt aus. So erreichte die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosen im Gesamtjahr 2017 den niedrigsten Wert seit Beginn der 1990er-Jahre. Mit 191 800 Arbeitslosen im Mai 2018 fiel die Zahl gegenüber dem Vorjahr abermals. Die Arbeitslosenquote betrug 3,1 % und lag somit um 2 Prozentpunkte unter dem deutschen Wert. Parallel zur seit 2010 stetig gestiegenen Wirtschaftsleistung erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen. Diese lag 2017 durchschnittlich bei 6,25 Mill. Personen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wuchs seit 2014 mit einer Rate von über 2 %. Im 1. Quartal 2018 erhöhte sich die Beschäftigungsdynamik sogar noch (2,5 % Zuwachs gegenüber dem Vorjahresquartal). Dennoch verschoben sich die Wachstumskräfte über die Zeit hinweg etwas. So zog die Beschäftigungsentwicklung im Produzierenden Gewerbe3 seit Mitte 2016 von 1 % jährlichem Zuwachs auf 2,4 % an. Noch dynamischer entwickelte sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Baugewerbe. Hier verstärkte sich der Stellenzuwachs von 1 % in 2013 auf 3,2 % im 1. Quartal 2018. Die Entwicklung ging etwas zu Lasten des Dienstleistungssektors – allerdings auf hohem Niveau. Hier verloren die »Wirtschaftlichen Dienstleistungen« etwas an Dynamik, wobei die Beschäftigung immer noch um 4 % ausgeweitet wurde. Im Auftaktquartal 2018 wuchs die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im IKT-Sektor um 4,6 %, nach einem durchschnittlichen Wachstum von über 5 % im Gesamtjahr 2017. Das schwächere Beschäftigungswachstum könnte möglicherweise ein erstes Anzeichen dafür sein, dass Unternehmen nicht genügend Fachkräfte am Markt mehr finden.

Deutsche Industrieunternehmen melden vermehrt angebotsseitige Beschränkungen

Es stellt sich nun die Frage, inwieweit der aktuellen Aufschwungphase Grenzen gesetzt sind und ob diese bereits in verfügbaren Indikatoren sichtbar werden. Einen Anhaltspunkt liefert eine von der Europäischen Kommission regelmäßig in Auftrag gegebene Umfrage unter deutschen Industrieunternehmen. Diese ergab, dass die befragten Firmen ihre Produktion vermehrt durch Fachkräftemangel und mangelnde Rohstoffe bzw. Vormaterialien beschränkt sehen. Damit rücken am aktuellen Rand angebotsbeschränkende Faktoren in den Fokus. Allerdings ergab die gleiche Umfrage, dass über die Hälfte der Unternehmen keine produktionsbeschränkenden Faktoren beobachten.

Was den Auslastungsgrad der baden-württembergischen Industrie angeht, beträgt dieser aktuell 89 % und liegt 4 Prozentpunkte über dem historischen Durchschnitt seit 2002. Dennoch ist dies eher als ein Indiz für den bereits sehr lange anhaltenden Aufschwung zu werten. Je länger eine Aufschwungphase andauert, desto besser sind üblicherweise auch die Industriekapazitäten ausgelastet. Verglichen mit den Aufschwüngen 2008 und 2010 fällt der Anstieg aktuell gradueller aus und hat den bisherigen Höchststand von deutlich über 90 % noch nicht erreicht. Insofern kann der gegenwärtige Auslastungsgrad noch nicht als ein Überhitzungssignal gewertet werden.

Mögliche Engpässe am Arbeitsmarkt zeigen sich im Verhältnis Arbeitslose je gemeldete sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle. Kamen 2009 nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rechnerisch noch über sieben Arbeitslose auf eine gemeldete Stelle, so hat die positive Entwicklung sowohl bei der Zahl der Arbeitslosen als auch der gemeldeten Stellen diese Kennziffer im April 2018 auf 1,74 gedrückt. Dieses Verhältnis ist natürlich von theoretischer Natur, da das Bewerberprofil nicht immer mit dem gewünschten Stellenprofil übereinstimmt. Es zeigt aber, dass es für Unternehmen mittlerweile schwieriger wird, Stellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Parallel steigt die abgeschlossene Vakanzzeit5. Im April 2018 dauerte die Besetzung einer gemeldeten Stelle knapp 3 Monate. Trotz des Mangels an geeigneten Fachkräften ist die Lohnentwicklung sehr moderat. Mit 2,4 % Nominallohnwachstum im Jahresdurchschnitt 2017 partizipieren die Arbeitnehmer am anhaltenden Aufschwung. Aufgrund gestiegener Preise blieb ihnen nach Abzug der Inflation allerdings nur ein mageres Plus von 0,6 %. Damit fällt das Plus so gering aus wie seit 3 Jahren nicht mehr.

Die Preissteigerungsrate im Südwesten erreichte 2017 mit 1,8 % das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von unter, aber nahe 2 % und übersprang dieses im Durchschnitt der Monate April und Mai 2018 sogar. Verantwortlich für das Anziehen der Inflation ist der gestiegene Ölpreis. Dieser erhöhte sich in US-Dollar gerechnet seit Anfang 2016 um 140 %. Die Aufwertung des Euros im gleichen Zeitraum dämpfte den Anstieg zwar etwas, dennoch verdoppelten sich die Ölnotierungen (+ 121 % gegenüber Januar 2016). Aktuell scheint der Anstieg gestoppt worden zu sein. Allerdings bergen politische Spannungen im Nahen und Mittleren Osten das Risiko wieder steigender Ölnotierungen.

Außenwirtschaftliche Risiken nehmen zu

Mit einer Exportquote von knapp 41 % an der Wirtschaftsleistung ist die Südwestwirtschaft mehr als Deutschland (39 %) vom Außenhandel abhängig. So konnte im Gesamtjahr 2017 die 200 Mrd.-Euro-Marke erstmals überschritten und die Delle des Jahres 2016 somit wettgemacht werden. Besonders dynamisch entwickelte sich mit 10,1 % bzw. 8,1 % Plus zum Vorjahr der Außenhandel mit der Schweiz und Frankreich. Aber auch die BRIC-Staaten6 und hier insbesondere China steuerten mit einem Plus von 6,6 % ihren Teil zum wieder anziehenden Exportwachstum bei.

Im 1. Quartal konnten die Ausfuhren das Tempo des Vorjahres nicht halten und verloren deutlich an Schwung. Statt 5,1 % Wachstum im Gesamtjahr 2017 betrug der Zuwachs im 1. Quartal nur noch 1,4 %. Die Wachstumsabschwächung ist zu einem großen Teil auf die entwickelten Volkswirtschaften zurückzuführen, während die Ausfuhren nach China immer noch um 5,3 % zulegten. Grund für die geringere Dynamik könnten neben der zyklischen Wachstumsabschwächung in den entwickelten Volkswirtschaften die zunehmenden außenwirtschaftlichen Risiken sein. Hierbei sind nur die US-Handelspolitik und die Unsicherheit durch den Brexit genannt. Die im Juni 2018 von den USA eingeführten Zölle auf Stahl und Aluminium wirken sich für die betroffenen Unternehmen im Südwesten zwar schmerzhaft aus.

Der gesamtwirtschaftliche Effekt ist aufgrund des geringen Exportanteils der genannten Güter vernachlässigbar. Sollte es dagegen zu einer Zuspitzung des Handelskonfliktes kommen und der Fahrzeugbau flächendeckend mit Zöllen belegt werden, so wird der Effekt für die Südwestwirtschaft spürbarer ausfallen. Insgesamt stand der Fahrzeugbau 2017 für ein Drittel der Gesamtausfuhren Baden-Württembergs in die USA. In der Vergangenheit investierten baden-württembergische Autobauer und -zulieferer verstärkt in US-amerikanische Werke, um sich mit ihrer Produktion bei den Konsumenten vor Ort zu positionieren. Diese strategischen Überlegungen, aber auch die Diskussion über Zölle führten dazu, dass das Exportvolumen im Fahrzeugbau 2017 um 12,3 % geringer ausfiel. Stark entwickelte sich 2017 die US-Nachfrage nach Pharmazieprodukten, die mittlerweile den zweiten Platz der Exportgüter in die USA belegen und die Gütergruppe »Maschinen« trotz eines robusten Wachstums von 9,3 % zum Vorjahr auf den dritten Platz verdrängten.

Die durch den Brexit ausgelöste Unsicherheit machte sich 2017 in den Ausfuhren in das Vereinigte Königreich bemerkbar. Um 9,1 % sank das Exportvolumen verglichen zum Vorjahr. Der Fahrzeugbau nimmt auch hier mit knapp 31 % die wichtigste Rolle ein, auch wenn im Vorjahresvergleich knapp 10 % weniger Fahrzeuge und Fahrzeugteile nach Großbritannien geliefert wurden. Gegen den Trend entwickelte sich die Nachfrage nach Maschinen (10,6 % Plus zum Vorjahr).

Maschinen aus Baden-Württemberg sind ebenfalls in China gefragt. Die Ausfuhren stiegen 2017 um fast ein Viertel gegenüber dem Vorjahr. Wie in den USA und dem Vereinigten Königreich verzeichnet der Fahrzeugbau auch im Reich der Mitte ein dickes Exportminus (– 12,2 %).

Prognosen für die Weltwirtschaft signalisieren stabiles Wachstum – politische Unsicherheiten bleiben hoch

Der internationale Währungsfond (IWF) sieht für die Jahre 2018 und 2019 mit je 3,9 % ein stabiles kaufkraftbereinigtes Wachstum der Weltwirtschaft. Allerdings verschieben sich die Wachstumszentren von den entwickelten Volkswirtschaften hin zu aufstrebenden Ländern wie Indien oder China. Für die entwickelten Volkswirtschaften prognostiziert der IWF eine zyklische Abschwächung das heißt, die Ländern nähern sich ihrem langfristigen Wachstumspotential von oben. Da Baden-Württemberg schwerpunktmäßig in Industriestaaten exportiert, fällt das für den Südwesten relevante Wachstum der Exportmärkte entsprechend schwächer aus. Insgesamt dürfte dieses 2018 bei 3 % und 2019 bei 2,7 % liegen. Damit nähert sich das Wachstum der baden-württembergischen Exportmärkte dem historischen Durchschnitt an. Allerdings sind Prognosen insbesondere im Hinblick auf die herrschenden Risiken mit hoher Unsicherheit behaftet. Hierbei sind nur die Stichworte Brexit, US-Zölle und die hohe Unternehmensverschuldung in China genannt. Sollten sich diese Risiken tatsächlich materialisieren, so könnte das globale Wachstum in den nächsten Jahren schwächer ausfallen als aus heutiger Sicht prognostiziert. Aber auch ein Übertreffen der Wachstumsprognosen – wie bei den IWF-Prognosen der letzten beiden Jahre geschehen – ist nicht vollständig ausgeschlossen.

Steigende Zinsen als Konjunkturbremse

Die kurzfristigen Zinsen befinden sich in der Eurozone seit März 2016 bei 0 %. Als zusätzliche Reaktion auf die Finanz- und Eurokrise beschloss die EZB, Unternehmens- und Staatsanleihen aufzukaufen. Neben anderen strukturellen Faktoren7 ist dies ein Grund für das aktuell sehr niedrige Zinsniveau. So rentiert eine 10-jährige deutsche Staatsanleihe bei knapp 0,5 %. Allerdings haben die Renditen verglichen mit den Tiefstständen 2016 um 0,6 Prozentpunkte angezogen. Gerade auf diesem niedrigen Niveau kann diese Entwicklung noch nicht als Zinswende interpretiert werden. Dennoch scheint die Periode sinkender Zinsen beendet zu sein mit Konsequenzen für die wirtschaftliche Dynamik. Mittelfristig dürfte der Zinsaufwand im Bundeshaushalt wieder ansteigen, sodass unter der Maßgabe eines weiter ausgeglichenen Haushalts entsprechend weniger Haushaltsmittel nachfragewirksam werden. Neben diesem Primäreffekt strahlen steigende Renditen für Staatsanleihen auch in andere Bereiche der Volkswirtschaft aus, da die Bundesanleihe für viele andere Refinanzierungsverträge als Referenzzins gilt. So dürften die Zinsen beispielsweise für Immobilienkredite oder Konsumentenkredite ebenfalls ansteigen. Aber auch Unternehmen werden in einem solchen Umfeld höhere Finanzierungskosten zahlen müssen. Damit könnten sich steigende Zinsen aufgrund ihrer breiten Wirkung als Konjunkturbremse herausstellen. Hinzu kommt, dass die EZB einen Ausstieg aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik in der 2. Jahreshälfte 2018 signalisiert hat. Je nach Entwicklung des Konjunkturzyklus und hier insbesondere der Inflation in der Eurozone kann dieser Ausstieg auch beschleunigt werden,8 wodurch möglicherweise die Zinsen schneller als heute prognostiziert angehoben werden könnten.

Divergierende Fiskalpolitik in den USA und Europa

Die öffentliche Verschuldungssituation in großen Wirtschaftsräumen birgt ebenfalls ein mögliches Konjunkturrisiko. So liegt die Verschuldungsquote bezogen auf die Wirtschaftsleistung deutlich über dem Vorkrisenniveau von 2007/2008. Durch die Finanz- und die sich anschließende Eurokrise erhöhten sich die Verschuldungsquoten zum einen aufgrund der gestiegenen nominalen Staatsverschuldung,9 zum anderen aufgrund der gesunkenen Wirtschaftsleistung. Seit einigen Jahren gelingt es den meisten entwickelten Volkswirtschaften, ihre Schuldenstände zu stabilisieren und sogar abzubauen. Die aktuelle Prognose des IWF besagt, dass diese Entwicklung in den nächsten Jahren andauern dürfte. Einzige Ausnahme stellen die USA dar, die in der vom IWF betrachteten 5-Jahresprognose als einziges Land ihre Verschuldungsquote trotz gut laufender Konjunktur erhöhen werden. Danach übertreffen die Vereinigten Staaten im Jahr 2023 mit knapp 117 % den Schuldenstand Italiens. Wie sich dieses Auseinanderdriften der öffentlichen Verschuldung auf den aktuell sehr synchron laufenden globalen Konjunkturzyklus auswirkt, lässt sich noch nicht abschließend bewerten. Es dürfte allerdings bei einem konjunkturellen Einbruch schwieriger werden, fiskalpolitisch mit höheren Staatsausgaben die Wirtschaft zu stabilisieren.

1 Bei den jährlichen Wachstumsraten konnte die in Baden-Württemberg kurze konjunkturelle Flaute durch die Eurokrise 2012 ausgeglichen werden.

2 Diese sind im Gegensatz zum Verarbeitenden Gewerbe nicht um Preisveränderungen bereinigt.

3 Ohne Baugewerbe.

4 Gleitender Jahresdurchschnitt.

5 Die abgeschlossene Vakanzzeit misst die Dauer vom gewünschten Besetzungstermin der Arbeitsstelle bis zur Abmeldung der Arbeitsstelle in Tagen.

6 Die BRIC-Staaten stehen für die großen aufstrebenden Volkswirtschaften Brasilien, Russland, Indien und China.

7 Beispielsweise niedrige Inflationserwartungen und sinkendes Trendwachstum der Volkswirtschaft.

8 Höher ausgefallene Inflationsraten veranlassten die EZB 2008 und 2011 zu Zinserhöhungen.

9 Der Schuldenstand stieg aufgrund der automatischen Stabilisatoren, bei denen im Abschwung höhere Ausgaben für Arbeitslosigkeit und geringere Einnahmen aufgrund der schrumpfender Wirtschaftsleistung anfallen. Diverse Programme zur Bankenrettung erhöhten ebenfalls den nominalen Schuldenstand. Schließlich fanden schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme Eingang in den Schuldenstand.