:: 9/2018

Jungpflanzenspezialisten und Selbstpflückefelder – Zierpflanzenbau in Baden-Württemberg

Bunt wie ihre Blumenfelder selbst stellen sich die Betriebe dar, die in Baden-Württemberg Zierpflanzen anbauen: Da ist der traditionelle Gärtner, der seine selbstgezogenen Balkonpflanzen über das eigene Ladengeschäft verkauft, die Gräber auf dem Friedhof bepflanzt und Hochzeiten mit Blumenschmuck beglückt. Daneben gibt es hochspezialisierte Betriebe, die wenige Kulturen in hohen Stückzahlen produzieren und teils weltweites Renommee genießen. Auf der anderen Seite zählen auch Landwirte, die Blumen zum Selbstpflücken in ihre Fruchtfolge eingebunden haben, zu den Zierpflanzenbetrieben. Nach 5-jähriger Pause wurde im Jahr 2017 wieder eine Zierpflanzenerhebung durchgeführt. In Verbindung mit den Ergebnissen der Agrarstrukturerhebung 2016, die auch Fragestellungen zum Gartenbau umfasste, kann eine strukturelle Analyse des Zierpflanzenbaus vorgenommen werden (i-Punkt »Zierpflanzenerhebung 2017«).

In Baden-Württemberg wurden im Jahr 2017 in 672 Betrieben Zierpflanzen angebaut. Diese Betriebe verfügten 2017 über eine Produktionsfläche von 486 Hektar (ha) im Freiland und 186 ha unter hohen begehbaren Schutzabdeckungen1. Während auf über 80 % der Freilandflächen Schnittpflanzen wachsen, zeigt sich im geschützten Anbau das umgekehrte Bild. Auf 155 ha (83 % der Fläche) werden Topfpflanzen fürs Fensterbrett oder den Balkonkasten einschließlich deren Jungpflanzen herangezogen.

»Ich hab für dich ‘nen Blumentopf …«

Knapp zwei Drittel der Zierpflanzenbetriebe produzieren Topfpflanzen. Diese werden entweder in einem früheren Stadium als Jungpflanzen oder Halbfertigware zur Weiterkultur an andere Erzeugerbetriebe abgegeben oder als fertige Pflanzen an andere Wiederverkäufer oder direkt an Endkunden verkauft. In der Zierpflanzenerhebung wird zwischen den Produktgruppen Zimmerpflanzen sowie Beet- und Balkonpflanzen unterschieden. Zimmerpflanzen umfassen die Arten, die bei uns in der Regel zu empfindlich für das Freiland sind und daher Innenräume wie Wohnungen und Büros schmücken. Beet- und Balkonpflanzen erfreuen das Auge im Freiland, sind also in Gärten, Parks oder Friedhöfen zu finden. Die Grenze zwischen diesen beiden Pflanzengruppen ist jedoch fließend. So wird die klassische Zimmerpflanze Alpenveilchen seit einigen Jahren erfolgreich für die Herbstbepflanzung in Balkonkästen vermarktet, auch Hortensien finden sich drinnen und draußen.

Insgesamt wurden in Baden-Württemberg 2016/2017 knapp 78,9 Mill. fertige Topfpflanzen herangezogen, Beet- und Balkonpflanzen machen davon mit knapp 69,7 Mill. Stück über 88 % der Produktion aus. Sie zeichnen sich gegenüber den Zimmerpflanzen durch eine kürzere Kulturdauer und eine einfachere Anzucht aus und haben auch einen größeren Absatzmarkt. So produzieren auch fast alle der 427 Topfpflanzenproduzenten Beet- und Balkonpflanzen, während die 9,2 Mill. Zimmerpflanzen von nur 279 Betrieben kultiviert werden.

Top drei …

Im Zimmerpflanzensegment dominieren seit Jahren drei Kulturen: Weihnachtssterne, Zwiebelpflanzen und Alpenveilchen. Zusammen machen sie knapp 60 % der Jahresproduktion aus. Trotz kurzem zeitlichen Nachfragefenster werden Weihnachtssterne von 157 Betrieben angebaut und stellen mit 2,4 Mill. Stück allein über ein Viertel aller Zimmerpflanzen. Weitere 145 Betriebe kultivieren 1,8 Mill. Zwiebelpflanzen wie beispielsweise Narzissen, Tulpen oder Hyazinthen. 1,3 Mill. Alpenveilchen werden von 138 Betrieben herangezogen.

Nur etwas für Spezialisten hingegen sind Kakteen, Grün- und Blattpflanzen. 17 Betriebe kultivieren erfolgreich die enorme Stückzahl von knapp 912 000 Pflanzen in großer Variabilität, was Sortenspektrum und Größenreichtum betrifft. Geringe Bedeutung haben in Baden-Württemberg Azaleen, Orchideen oder Kalanchoe.

… und big five

Bei Beet- und Balkonpflanzen, zu denen auch die Stauden zählen, konzentriert sich der Anbau ebenfalls auf einzelne Kulturen. Stiefmütterchen, Stauden, Geranien, Primeln und Begonien machen mit knapp 50,5 Mill. Pflanzen 72 % der gesamten Freilandpflanzen-Produktion aus. Besonders beliebt, sowohl bei Gärtnern als auch bei Verbrauchern, sind Stiefmütterchen, von denen jährlich knapp 19 Mill. Pflanzen erzeugt werden. Diese können bereits im Herbst verkauft und ausgepflanzt werden oder in der Gärtnerei ohne großen Aufwand den Winter überdauern. So ist es nicht verwunderlich, dass fast alle Gärtner mit Beet- und Balkonpflanzenproduktion (87 %) diese Pflanzenart im Sortiment haben. Ähnlich bedeutend ist der eigene Anbau von Geranien (85 % der Betriebe) und Petunien, einschließlich Calibrachoa, die zwar in kleineren Stückzahlen, aber von vier Fünfteln aller Betriebe kultiviert werden. Nur wenige Betriebe haben sich auf einzelne Pflanzenarten spezialisiert, über 80 % der Betriebe bauen zwischen fünf und elf verschiedene Kulturen in unterschiedlichsten Größen, Sorten und Varietäten an.

Mit 14,3 Mill. Töpfen liegen Stauden wie Lilien, Rittersporn oder Astern auf Platz zwei der Beet- und Balkonpflanzen-Rangliste. Diese Pflanzengruppe bleibt aber eine Kultur für Spezialisten: Lediglich zwölf Betriebe erzeugen jeweils über 150 000 Stauden im Jahr und vereinen mit 13,2 Mill. Stück über 92 % der Gesamtproduktion auf sich.

Rosen, Tulpen, Nelken – Schönes für die Vase

Zu den Schnittpflanzen zählen neben Blumen, Stauden und Rosen auch Schmuckgräser und andere Pflanzen mit ornamentalen Blättern, Gehölze zum Grün- und Blütenschnitt sowie Zierkürbisse. Während Topfpflanzen überwiegend in geschütztem Anbau unter Glas und Folie herangezogen werden – eine Ausnahme bilden nur Stauden und Stiefmütterchen – erfolgt der Anbau von Schnittpflanzen größtenteils im Freiland. Den 442 Anbauern stand im Jahr 2017 eine Gesamtfläche von 424 ha zur Verfügung, davon 393 ha im Freiland und lediglich 31 ha im Gewächshaus. Die Anbaufläche im Freiland, aufgrund mehrfacher Nutzung mit 406 ha etwas höher als die Grundfläche, wird von Sommerblumen, Schnittstauden, Chrysanthemen und weiteren Blumen dominiert (307 ha), wozu auch in nicht unerheblichem Umfang die beliebten Selbstpflückefelder der einheimischen Landwirte gehören. Gehölze zum Grün- und Blütenschnitt, wie Forsythien, Flieder oder Korkenzieherweiden, wachsen auf gut 67 ha Fläche. Eine untergeordnete Rolle spielen die Freilandrosen mit 32 ha Anbaufläche. Die »Königin der Blumen« dominiert jedoch im Gewächshaus: Von insgesamt 35 ha Anbaufläche für Schnittpflanzen im geschützten Anbau werden Rosen auf 17 ha angebaut. Sowohl unter Glas als auch im Freiland konzentriert sich der Anbau auf jeweils nur elf Betriebe, die mehr als drei Viertel der Anbaufläche bewirtschaften.

Eine gute Kinderstube – Jungpflanzen, Blumenzwiebeln und Sämereien

Pflanzenvermehrung ist wenigen Spezialisten vorbehalten. Nur 13 Betriebe produzieren auf 14,3 ha Saatgut, Blumenzwiebeln oder -knollen. Weitere 16 ha werden von 79 Gärtnern für die Produktion von Jungpflanzen genutzt. Auf dieser Fläche wurden 2017 gut 87 Mill. Jungpflanzen oder halbfertige Topfpflanzen erzeugt – überwiegend Beet- und Balkonpflanzen –, die an Kollegen verkauft oder im eigenen Betrieb weiter kultiviert wurden. Nur 20 Betriebe befassen sich mit der Vermehrung von Zimmerpflanzen, von denen 8,9 Mill. Stück im Jahr angezogen werden. Sowohl betrieblich als auch regional ist eine starke Konzentration des Anbaus festzustellen: Über 90 % aller Jungpflanzen werden von nur neun Betrieben vor allem im mittleren Neckarraum produziert.

Zierpflanzenbau: Meist Gartenbau in Reinkultur

Während bei der Zierpflanzenerhebung lediglich die Anbauverhältnisse im Zierpflanzenbau erfragt werden, können für die gleichzeitig in die Agrarstrukturerhebung 2016 einbezogenen Betriebe weitergehende Analysen angestellt werden. So ist es durch das eingebettete Gartenbaumodul möglich, die Betriebe mit Anbau von Zierpflanzen differenzierter zu klassifizieren (i-Punkt »Gartenbaumodul der Agrarstrukturerhebung 2016«). Dabei zeigt sich, dass über 80 % der Zierpflanzenbetriebe zu den eigentlichen Gartenbaubetrieben zählen, die 50 % und mehr ihrer Einnahmen aus dem Gartenbau generieren. Darunter machen die 418 Betriebe mit Schwerpunkt Erzeugung den größten Anteil aus. Dienstleistungen wie Friedhofsgärtnerei und Floristik oder der Verkauf von zugekaufter Ware überwiegen bei einem Viertel der Gartenbaubetriebe.

Gartenbaubetriebe mit Schwerpunkt Erzeugung können auf Basis dieser Einordnung – entsprechend der Klassifikation der landwirtschaftlichen Betriebe – zusätzlich nach Betriebstypen – Gemüsebau, Blumen und Zierpflanzen, Obstbau, Baumschulen – dargestellt werden. Der Betriebstyp Blumen und Zierpflanzen stellt eine weitere Fokussierung dar, handelt es sich hierbei doch um Betriebe, in denen mehr als zwei Drittel des Standardoutputs2 aus dem Produktionszweig Zierpflanzen stammen. Die 305 Betriebe, die diesem Betriebstyp angehören, machen nur 45 % der bei der Zierpflanzenerhebung befragten Betriebe aus. Sie bewirtschaften jedoch mit 132 ha knapp 71 % der gesamten Gewächshausflächen, wo sie witterungsunabhängig mit hochwertiger Produktion punkten: So erzeugten sie im Jahr 2017 mit 8,1 Mill. Stück 88 % der gesamten Zimmerpflanzen und 69 % aller Beet- und Balkonpflanzen (48,2 Mill. Stück). Auch die Schnittpflanzenproduktion im geschützten Anbau ist überwiegend in ihrer Hand. Unterdurchschnittlich hingegen ist ihre Flächenausstattung im Freiland. Dort werden nur 171 ha bewirtschaftet.

Die 107 Betriebe, die nicht zu den Gartenbaubetrieben gehören, sondern ihren Schwerpunkt in der Landwirtschaft haben, bewirtschaften ausschließlich Freilandflächen mit Schnittpflanzen. Auf 94 ha werden größtenteils Frühjahrs- und Sommerblumen zum Selbstpflücken angebaut.

Sag mir, wo die Blumen sind

Die Produktion von Zierpflanzen in Baden-Württemberg zeigt deutliche regionale Schwerpunkte. Zwar gibt es in vielen Orten im Land Gärtnereien und Blumengeschäfte, oftmals haben diese ihre eigene Produktion jedoch ganz aufgegeben oder liegen mit ihren Rest-Produktionsflächen unterhalb der statistischen Nachweisgrenze. Diese Betriebe haben sich auf Dienstleistungen wie Grabpflege, Überwinterungsservice oder Floristik sowie den Handel mit zugekauften Pflanzen spezialisiert.

Eine nennenswerte Produktion hat sich vor allem in klimatisch begünstigten Gebieten wie im Neckar-, Rems- und Oberrheintal oder am Bodensee herausgebildet. Ein Produktionsschwerpunkt mit mehr als 50 ha Fläche unter hohen begehbaren Schutzabdeckungen und 112 ha Fläche im Freiland liegt in Stuttgart, dem Rems-Murr-Kreis und im Kreis Ludwigsburg. Die Gewächshausflächen machen mehr als ein Viertel, die Freilandflächen deutlich über 20 % der gesamten baden-württembergischen Zierpflanzenfläche aus. Da insbesondere in Stuttgart Grund und Boden ein knappes Gut ist, haben sich dort sowie in den unmittelbar nördlich und östlich gelegenen Gemeinden Ludwigsburg, Kornwestheim, Remseck, Fellbach und Waiblingen die meisten Betriebe auf den Anbau unter Glas konzentriert. Dieser Anbau verspricht bei hoher Spezialisierung trotz geringer Flächenausstattung eine hohe Wertschöpfung. Weitere große Gewächshausflächen sind in Mannheim, Karlsruhe und Heilbronn zu finden.

1 Hohe begehbare Schutzabdeckungen umfassen Gewächshäuser aus Glas oder Kunststoff sowie begehbare Folientunnel.

2 Der Standardoutput (SO) ist der standardisierte Geldwert der Bruttoerzeugung eines landwirtschaftlichen Betriebs. Der SO des Betriebs wird durch Multiplikation der pflanzen- und tierartenspezifischen SO mit den im Betrieb vorhandenen Flächen und Tieren ermittelt.