:: 12/2018

Wie schätzen Baden-Württemberger ihre Lebensbedingungen ein?

Ergebnisse der Erhebung EU-SILC 2016 im europäischen Vergleich

Die EU-SILC-Erhebung (European Union Statistics on Income and Living Conditions; »Leben in Europa«) liefert für alle Staaten der Europäischen Union (EU-28) vergleichbare Daten zur Einkommenssituation und zu den Lebensbedingungen privater Haushalte. Neben den finanziellen Größen zum Haushaltseinkommen werden auch persönliche Einschätzungen der Haushalte zu ihrer finanziellen Situation und ihren Lebensbedingungen erfragt. Im folgenden Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse aus Baden-Württemberg für das Jahr 2016 präsentiert, welche sich vor allem auf die subjektiven Einschätzungen der Haushalte beziehen und einen Vergleich im europäischen Kontext bieten. Betrachtet wurde beispielsweise die Einschätzung, wie die Haushalte mit ihrem Einkommen über die Runden kommen und ob sie aufgrund finanzieller Einschränkungen auf Dinge oder Güter verzichten, die zur Lebensqualität beitragen. Auch wird die Sicht der Haushalte auf ihre Belastungen durch Wohnkosten aufgezeigt und welche Probleme oder Mängel im Wohnumfeld auftreten. Ein weiterer Punkt ist die Einschätzung der persönlichen Gesundheit.

Haushalte kommen unterschiedlich gut mit ihrem Einkommen über die Runden

Neben den Angaben zur Einkommenshöhe ist auch die Ermittlung subjektiver Einschätzungen zur finanziellen Lage der Haushalte eine wichtige Aufgabe der Erhebung EU-SILC. Eine dieser subjektiven Messgrößen basiert auf der Selbsteinschätzung hinsichtlich des Zurechtkommens mit dem Einkommen und des damit verbundenen Bestreitens von Ausgaben für das tägliche Leben.

So gab im Jahr 2016 eine klare Mehrheit der Personen in baden-württembergischen Haushalten an, mit ihrem monatlichen Einkommen überwiegend gut zurechtzukommen. Rund 46 % der Personen lebten in Haushalten, die ihre finanzielle Situation als sehr gut oder gut beurteilten, und weitere 38 % in Haushalten, die mit ihrem Einkommen relativ gut zurechtkamen. Dagegen bewertete rund ein Sechstel der Haushalte die eigene finanzielle Lage eher negativ. 9 % der Bevölkerung in Baden-Württemberg kommen mit dem Einkommen relativ schlecht zurecht und weitere 7 % schlecht oder sehr schlecht. Die Ergebnisse für Deutschland unterscheiden sich kaum von denen im Land Baden-Württemberg. Auch ob man alleinlebend ist, zu zweit, mit oder ohne Kinder lebt wirkt sich nicht maßgeblich auf das Empfinden aus, wie ein Haushalt mit seinem Einkommen zurechtkommt. Am besten kamen nach eigener Einschätzung der Haushalte, auch in der europaweiten Betrachtung, Personen in Haushalten mit zwei oder mehr Erwachsenen ohne abhängige Kinder mit ihrem Einkommen zurecht.

Im europäischen Vergleich zeigt sich erwartungsgemäß, dass Haushalte in Ländern mit höheren Einkommen, wie zum Beispiel in Schweden, die eigene finanzielle Lage überwiegend positiv sehen. Ausgeprägt ist eine solche Einschätzung ebenfalls in Ländern wie Finnland, Dänemark oder den Niederlanden, deren Einkommensschnitt knapp unter dem in Baden-Württemberg liegt. Deutlich schlechter wird das Zurechtkommen mit dem Einkommen vor allem von den Haushalten in süd- und osteuropäischen Staaten gesehen. Insbesondere in Griechenland und Bulgarien überwiegen die kritischen Beurteilungen der persönlichen finanziellen Situation. 2016 gaben hier jeweils weniger als 10 % der Haushalte an, sehr gut oder gut bis relativ gut mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen.

Was sich Haushalte NICHT leisten können

Bei der Messung der materiellen Entbehrung geht es insbesondere darum, ob der Haushalt sich finanziell in der Lage sieht, sich bestimmte Güter und Dienstleistungen leisten zu können, die wesentlich zur Lebensqualität beitragen bzw. als notwendig angesehen werden. Im Jahr 2016 lebten rund 26 % der baden-württembergischen Bevölkerung in einem Haushalt, der nach eigener Einschätzung nicht über die finanziellen Mittel verfügte, eine unerwartete Ausgabe in Höhe von mindestens 985 Euro zu tätigen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Ausgaben für Reparaturen oder größere Anschaffungen. Deutschlandweit waren es 30 %, innerhalb der EU sahen sich über 36 % der Bevölkerung mit einer solchen unerwarteten Ausgabe finanziell überfordert. Insbesondere in Lettland, Kroatien und Zypern sind viele Haushalte von dieser Einschränkung betroffen. So gaben beispielsweise in Lettland 60 % der Haushalte an, eine solche Ausgabe nicht aus eigenen Finanzmitteln bestreiten zu können. Hingegen fühlten sich jeweils nur rund 21 % der Menschen in Schweden und Malta nicht in der Lage, eine unerwartete Ausgabe in dieser Höhe zu stemmen.

Auf eine Urlaubsreise mussten nach eigener Einschätzung rund 17 % der Baden-Württemberger verzichten. Sie fühlten sich finanziell nicht in der Lage, eine Woche Urlaub pro Jahr woanders als zu Hause zu verbringen. Ähnliche Werte wurden mit ca. 16 % in den Niederlanden und in Österreich (15 %) sowie für Deutschland erfragt, das mit über 18 % leicht über Baden-Württemberg lag. EU-weit konnte sich im Schnitt gut ein Drittel der Bevölkerung eine einwöchige Urlaubsreise nicht leisten. Innerhalb der EU zeigten sich zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten allerdings deutliche Unterschiede. So reichte die Spannweite von rund 8 % in Schweden bis nahezu 67 % der Haushalte in Rumänien, die sich nicht in der Lage sehen, eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen.

Rund 7 % der Einwohner Baden-Württembergs konnten sich nach eigener Einschätzung nicht jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel, Fisch oder eine hochwertige vegetarische Mahlzeit leisten. Baden-Württemberg lag damit knapp unter dem EU-Durchschnitt. Fast identische Werte wurden für Deutschland, Frankreich und Malta erfragt. Mit Abstand am schwierigsten scheint es für die Haushalte in Bulgarien zu sein, sich mit einer hochwertigen Mahlzeit zu versorgen. Über ein Drittel der bulgarischen Haushalte konnte sich dies nicht leisten. Abgesehen von diesem vergleichsweise hohen Wert zeigen sich hier im intereuropäischen Vergleich nicht ganz so große Unterschiede.

Die Wohnung angemessen heizen zu können ist ebenfalls ein grundlegendes Bedürfnis, auf das ein Haushalt in der Regel nur unfreiwillig verzichtet. Auch hier zeigen sich innerhalb der EU eher geringere Differenzen zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten. Diese Einschätzungen könnte aber auch von unterschiedlichen, klimabedingten Notwendigkeiten abhängen. Am schwersten fällt es den Haushalten in Bulgarien (39 %) sowie in Litauen und Griechenland mit jeweils rund 29 %. Insbesondere in den südeuropäischen Ländern fühlten sich die Haushalte vermehrt nicht in der Lage, ihre Wohnung angemessen zu heizen. Hohe Heizkosten und eine ungleiche Einkommensverteilung innerhalb des jeweiligen Landes dürften unter anderem hier eine Rolle spielen. In Baden-Württemberg sahen lediglich gut 4 % der Bevölkerung Probleme, ihre Wohnung hinreichend zu heizen. Der EU-Durchschnitt lag bei rund 9 %.

Einschätzungen zur Wohnkostenbelastung der Haushalte

Bereits im Jahr 2010 thematisierte die Europäische Kommission im Rahmen der Gründung der »Europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung« die hohe Bedeutung einer erschwinglichen Unterkunft und erklärte den Zugang zu bezahlbaren Unterkünften zu einem grundlegenden Bedürfnis und Recht. Häufig machen die Wohnkosten den größten Anteil an den Ausgaben eines Haushaltes aus, was möglicherweise dazu führt, dass andere finanzielle Ausgaben aufgeschoben oder komplett gestrichen werden – unter Umständen zu Lasten anderer Grundbedürfnisse.

Auch in Baden-Württemberg stellen die Wohnkosten für private Haushalte einen großen Posten der regelmäßigen Ausgaben dar. So wurden in Baden-Württemberg für die Wohnkosten (einschließlich Heizung, Strom und Wasser) im Mittel rund 8 289 Euro im Jahr ausgegeben, was mehr als einem Viertel des verfügbaren jährlichen Einkommens entspricht. Aber nicht nur die realen Ausgaben für das Wohnen werden bei der EU-SILC erfragt, auch die persönliche Einschätzung der Haushalte bezüglich der Belastung durch monatliche Wohnkosten. Rund 12 % der Baden-Württemberger empfinden ihre Wohnkosten als große Belastung, eine deutliche Mehrheit von knapp 60 % lebt in Haushalten, in denen die Wohnkosten als gewisse Belastung wahrgenommen werden. Diese Einschätzung unterscheidet sich in Baden-Württemberg nur wenig von der in Deutschland.

Im europäischen Vergleich zeigen sich hingegen größere Unterschiede. Während sich in Schweden und Dänemark mehr als 60 % und in Frankreich und in den Niederlanden rund die Hälfte der Haushalte durch Wohnkosten gar nicht belastet fühlten, waren es in Deutschland 29 % und Baden-Württemberg knapp 28 %. In mehr als der Hälfte aller europäischen Staaten wurden die Wohnkosten zumindest als gewisse Belastung gesehen. Besonders kritisch wurde das Thema Wohnkosten in Italien eingeschätzt. Weniger als 1 % der italienischen Haushalte gaben 2016 an, keine Belastung in den Wohnkosten zu sehen, allerdings verteilt sich der Rest relativ gleichmäßig auf eine gewisse und eine große Belastung während in den Haushalten Zyperns und Polens mehr als 60 % der Bevölkerung eine große Belastung in ihren Wohnkosten sahen.

Welche Probleme sehen Haushalte in ihrem Wohnumfeld

Die Lebensbedingungen der privaten Haushalte werden nicht zuletzt durch Beeinträchtigungen in der Wohnung und im Wohnumfeld beispielsweise durch Lärm, Umweltprobleme oder Kriminalität beeinflusst. In Baden-Württemberg wurden insbesondere Lärmbelästigungen, zum Beispiel durch Nachbarn, Verkehr, Geschäfte oder Industrie, kritisch gesehen. So fühlten sich rund 21 % der Baden-Württemberger durch Lärmbelästigung beeinträchtigt. Lediglich in den EU-Mitgliedsstaaten Portugal (23 %), Niederlande (25 %) und Malta, das mit rund 26 % den Höchstwert erreichte, fühlten sich mehr Haushalte von Lärm belästigt. Deutschland lag mit gut 25 % an zweiter Stelle. Die Problemwahrnehmung war damit sowohl im Land als auch im Bund ausgeprägter als im europäischen Durchschnitt mit knapp 18 %.

Auch das Thema Umweltverschmutzungen und Umweltbelastungen im Wohnumfeld wurde in Baden-Württemberg kritischer als in den meisten EU-Mitgliedsstaaten gesehen. Über 18 % der Bevölkerung im Südwesten nahm Umweltprobleme wahr. In Deutschland waren es rund 23 %. Übertroffen wurde Deutschland auch hier nur von Malta mit ca. 30 %. EU-weit fühlten sich im Schnitt 14 % der Haushalte durch Verschmutzungen und Umweltprobleme beeinträchtigt. Möglicherweise ist eine höhere Sensibilität für diese Themen in Deutschland ein Grund für die vergleichsweise kritische Einschätzung.

Probleme mit Kriminalität, Gewalt oder Vandalismus wurden hingegen in Baden-Württemberg nur von rund 10 % der Haushalte gesehen, was wiederum auf ein etwas höheres Sicherheitsempfinden hinweist. Der Wert für Deutschland lag mit gut 14 % leicht über dem EU-Durchschnitt (13 %). Am problematischsten wurden Kriminalität, Gewalt oder mutwillige Zerstörungen in Bulgarien wahrgenommen. Dort sah sich 2016 ein Viertel der Bevölkerung mit diesen Problemen im Wohnumfeld konfrontiert. In Kroatien und Litauen waren es lediglich 3 % bzw. über 3 %.

Auch von Feuchtigkeitsschäden waren die baden-württembergischen Haushalte nach eigener Einschätzung in geringerem Maße betroffen. Rund 12 % sahen sich davon beeinträchtigt. Dieser Wert liegt nur leicht unter dem Wert von Deutschland mit gut 12 %. Im Schnitt der EU-28 waren es über 15 %. Besonders stark betroffen waren die privaten Haushalte in Portugal. Nahezu 31 % der Haushalte hatten Probleme mit Feuchtigkeit in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld.

Einschätzung zum persönlichen Gesundheitszustand

Gute Gesundheit ist eine wichtige Voraussetzung für individuelle Lebensqualität und bildet die Grundlage, sowohl am Erwerbsleben wie auch an sozialen und freizeitbezogenen Aktivitäten teilzunehmen.

Mehr als zwei Drittel der Menschen in Baden-Württemberg ab 16 Jahren (69 %) bezeichneten ihren Gesundheitszustand im Jahr 2016 als gut oder sehr gut, unter den Erwerbstätigen lag dieser Anteil bei 80 %. In der Personengruppe der armutsgefährdeten Haushalten hingegen wurde der gesundheitlichen Zustand deutlich schlechter eingeschätzt – etwas mehr als die Hälfte (54 %) antworteten mit gut oder sehr gut. Eine ähnliche Einschätzung zeigt sich auch bei der Betrachtung der Gruppe der Nichterwerbstätigen (55 %). Häufig liegt hierbei natürlich ein wechselseitiger Zusammenhang zu Grunde. Europaweit betrachtet liegt die gesundheitliche Einschätzung der baden-württembergischen Bevölkerung auf mittleren europäischem Niveau.

Betrachtet man die einzelnen europäischen Mitgliedstaaten stellt man fest, dass es eine große Spannweite hinsichtlich der Wahrnehmung des eigenen Gesundheitszustandes gibt. 2016 lag der Anteil der Bevölkerung im Alter von 16 Jahren und älter, die ihren gesundheitlichen Zustand als sehr gut oder gut einstuften, in Litauen, Lettland und Portugal unter 50 % während in Irland 83 % der Bevölkerung ihre Gesundheit als gut oder sehr gut wahrnahmen. Auch in Zypern, den Niederlanden und in Schweden schätzten jeweils mehr als drei Viertel der Bevölkerung ihre Gesundheit als gut oder sehr gut ein.