:: 12/2018

Kultur in Baden-Württemberg – eine Annäherung aus statistischer Sicht

In Baden-Württemberg ist ein reichhaltiges kulturelles Angebot zu finden, das rege genutzt wird. Seine Vielfalt erschwert aber auch den Versuch, sich einen Überblick hierüber zu verschaffen. Trotz des Fehlens einer einheitlichen »Kulturstatistik« lassen sich einige Aspekte des kulturellen Lebens in Zahlen fassen. Zum Beispiel geben die öffentlichen Haushalte in Baden-Württemberg pro Jahr mehr als 1 Mrd. Euro für kulturelle Zwecke aus. Die staatlichen oder staatlich geförderten Theater konnten in der Spielzeit 2017/18 mehr als 3 Mill. Zuschauer begrüßen. Die kommunalen Bibliotheken besitzen einen Bestand von 16 Mill. Printmedien, wobei sich der Trend zur Ausleihe elektronischer Medien in den letzten Jahren verstärkt hat. Knapp 19 % der Schülerinnen und Schüler allgemeinbildender Gymnasien belegten im Schuljahr 2017/18 einen 4-stündigen Kurs in den Fächern »Bildende Kunst« oder »Musik« und an den Hochschulen im Land waren rund 10 600 Studierende in der Fächergruppe »Kunst, Kunstwissenschaft« eingeschrieben.

»Kultur« ist ein schillernder Begriff, der weit gefasst die gesamte Gestaltung der natürlichen Umwelt durch den Menschen umfassen kann. Häufig werden mit »Kultur« in einem engeren Sinn Bereiche und Einrichtungen wie Musik, bildende und darstellende Kunst, Opern- und Schauspielhäuser, Museen, Festspiele, Orchester oder Bibliotheken in Verbindung gebracht.1 Ein datengestützter Überblick über die kulturellen Aktivitäten in Baden-Württemberg kann nur einige Aspekte beleuchten. Dies liegt nicht allein an der Schwierigkeit, eine allgemein gültige Abgrenzung des Kulturbereichs zu definieren, sondern auch am Fehlen einer einheitlichen Kulturstatistik. Welches auch ein Problem für den nationalen Bildungsbericht »Bildung in Deutschland 2012« darstellt, der in einem Schwerpunktkapitel den Versuch unternahm, die kulturelle und musisch-ästhetische Bildung im Lebenslauf zu beleuchten.2 Bereits seit einigen Jahren gibt es Ansätze in der amtlichen Statistik, diese Lücke zu füllen und Grundlagen für eine umfassende Datenbasis zu schaffen.3 Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist die demnächst erscheinende Gemeinschaftsveröffentlichung »Kulturindikatoren auf einen Blick 2018« der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.4

Auf Länderebene wurde bislang nur vereinzelt der Versuch unternommen, einen Gesamtüberblick über die Kulturstatistiken eines Landes zu geben.5 Im Folgenden werden auf Grundlage verschiedener Statistiken einige Facetten kultureller Aktivitäten und Kultureinrichtungen in Baden-Württemberg dargestellt.

Öffentliche Haushalte geben über 1,1 Mrd. Euro für Kultur aus

In den Haushalten des Landes Baden-Württemberg sowie der Gemeinden und Zweckverbände im Land waren im Jahr 2013 insgesamt Ausgaben in Höhe von 1,138 Mrd. Euro für kulturelle Zwecke enthalten.6 Mit 460 Mill. Euro entfiel der größte Betrag hiervon auf die Förderung von Theater und Musik. Gut 213 Mill. Euro wurden für Museen, Sammlungen und Ausstellungen ausgegeben und knapp 153 Mill. Euro für Bibliotheken. Die Kunsthochschulen erhielten etwa 84 Mill. Euro und für Denkmalschutz und Denkmalpflege wurden knapp 48 Mill. Euro aufgewendet. Die Pflege kultureller Angelegenheiten im Ausland ist vorrangig eine Angelegenheit des Bundes, weshalb aus den öffentlichen Haushalten in Baden-Württemberg lediglich knapp 4 Mill. Euro für diesen Zweck aufgewendet wurden. In andere Bereiche der Kulturpflege flossen insgesamt rund 157 Mill. Euro. Für die Kulturverwaltung wurde mit rund 20 Mill. Euro ein relativ geringer Anteil der Kulturausgaben verwendet.

Bezieht man die Kulturausgaben auf die Einwohnerzahl wurden von den öffentlichen Haushalten in Baden-Württemberg im Jahr 2013 insgesamt 107,08 Euro je Einwohner aufgewendet. Damit lag Baden-Württemberg um 1,25 Euro über dem Durchschnitt der Bundesländer und an vierter Stelle unter den Flächenländern. Vergleicht man die Kulturausgaben mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt der Anteil in Baden-Württemberg mit 0,27 % des BIP knapp unterhalb des Durchschnittswerts aller Bundesländer von 0,3 %.

Jährlich rund 4 Mill. Besuche in öffentlich geförderten Theatern, Orchesterveranstaltungen und bei Festivals

Das Angebot an Theater- und Musikveranstaltungen im Land ist nahezu unüberschaubar und umfasst Angebote für alle Interessen. Aus statistischer Sicht lassen sich jedoch nur die Angebote in Zahlen fassen, die eine staatliche Förderung erhalten haben. Hierzu zählten im Jahr 2017

  • 2 Staatstheater,
  • 3 Landesbühnen7,
  • 10 Kommunaltheater,
  • 30 Privattheater,
  • 15 Festspiele sowie
  • 8 Orchester.

Unter den geförderten Festspielen befanden sich zum Beispiel die Burgfestspiele Jagsthausen, die Volksschauspiele Ötigheim oder die Schwetzinger Festspiele. Fördermittel erhielten unter anderem auch das Freiburger Barockorchester, die Stuttgarter Philharmoniker oder das Kurpfälzische Kammerorchester Mannheim.

Die Theater verzeichneten in der Spielzeit 2016/17 insgesamt rund 3,16 Mill. Besucherinnen und Besucher in den mehr als 16 500 Vorstellungen ihrer über 500 Inszenierungen. Mit gut 1,54 Mill. entfiel knapp die Hälfte dieser Besuche auf die Kommunaltheater. Die Vorstellungen der beiden Staatstheater in Stuttgart und Karlsruhe wurden von knapp 768 000 Zuschauerinnen und Zuschauern besucht, diejenigen der Theater in privater Trägerschaft von gut 584 000. Die drei Landesbühnen konnten an ihren Spielstätten und bei Gastspielen insgesamt knapp 265 000 Besucherinnen und Besucher begrüßen. Größere Schwankungen waren bei den Theaterbesuchen in den letzten Jahren nur bei den Staatstheatern zu verzeichnen. Der Anstieg ab dem Spieljahr 2013/14 ist dabei in erster Linie auf die Wiedereröffnung des Schauspielhauses des Staatstheaters Stuttgart nach einer längeren Renovierungsphase zurückzuführen.

Die 812 Vorstellungen, die in der Spielzeit 2016/17 im Rahmen von Festspielen aufgeführt wurden, erreichten eine Zuschauerzahl von knapp 349 000, wobei die Volksschauspiele Ötigheim mit rund 84 000 Besuchen und die Freilichtspiele Schwäbisch Hall mit rund 55 000 Besuchen den größten Zuspruch fanden. Der Ausreißer bei der Besucherzahl von Festspielen in der Spielzeit 2011/12 ist auf einen einmaligen Zuschuss für das Zelt-Musik-Festival in Freiburg zurückzuführen, das damals mehr als 150 000 Besuche zählte.

Die acht geförderten Orchester gaben im Jahr 2017 insgesamt 817 Konzerte, darunter 445 am Ort ihres Sitzes. Von den 372 Gastspielen fanden 177 in Baden-Württemberg, 114 in anderen Bundesländern und 81 außerhalb Deutschlands statt. Alles in allem wurden diese Konzerte von rund 505 000 Zuhörerinnen und Zuhörern besucht. Die größte Reichweite hatte hierbei das Freiburger Barockorchester mit rund 106 000 Konzertbesucherinnen und -besuchern. Damit zählten die Veranstaltungen der staatlich geförderten Theater, Festspiele und Orchester insgesamt rund 4 Mill. Besuche.

Knapp 110 000 Plätze in den Kinos im Land

Auch Filmtheater – oder einfacher gesagt: Kinos – gehören zum kulturellen Angebot im Land. Nach Angaben der Filmförderungsanstalt gab es im Jahr 2017 in Baden-Württemberg 647 Kinos mit insgesamt rund 109 600 Plätzen. Die Besuche lagen mit 16,5 Mill. auf dem Niveau des Vorjahres, aber deutlich unter dem Wert von 19 Mill., der im Jahr 2015 erreicht worden war. Somit lag die Zahl der durchschnittlichen Kinobesuche 2017 je Einwohnerin und Einwohner bei 1,5. Sie war damit nur noch halb so hoch wie zu Beginn der 1970er-Jahre.

Im Jahr 2017 knapp 58 Mill. Entleihungen aus kommunalen Bibliotheken

Die 789 kommunalen Bibliotheken sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Kulturangebots im Land. Sie ermöglichen flächendeckend den Zugang zu Medien in gedruckter und in letzter Zeit zunehmend auch elektronischer Form. Im Jahr 2017 verfügten sie über einen Bestand von fast 15,8 Mill. Printmedien, wobei diese Zahl seit 2010 mit leichten Schwankungen recht konstant ist. Die Nachfrage nach gedruckten Medien hat allerdings in den letzten Jahren nachgelassen. Wurden im Jahr 2015 noch gut 56,6 Mill. Printmedien ausgeliehen, so sank diese Zahl bis 2017 auf 52,9 Mill. Im Gegenzug stieg die Zahl der Entleihungen von elektronischen Medien in diesem Zeitraum von knapp 2,8 Mill. auf 4,7 Mill. Rechnerisch hat somit jeder Einwohner und jede Einwohnerin Baden-Württembergs im Jahr 2017 etwas mehr als 5,2 Print- oder elektronische Medien aus einer kommunalen Bibliothek entliehen.

Nicht in diesen Zahlen enthalten sind unter anderem die wissenschaftlichen Bibliotheken an den Hochschulen und die beiden Landesbibliotheken – die Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart und die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe. Die Württembergische Landesbibliothek verfügte im Jahr 2017 über einen Gesamtbestand von rund 6,1 Mill. Printmedien und verzeichnete 1,464 Mill. Entleihungen.8 Die Badische Landesbibliothek hatte fast 2,7 Mill. konventionelle Medien im Bestand und zählte rund 663 000 Entleihungen.9

Knapp 16 Mill. Besuche in Museen

Museen können Orte sein, an denen das kulturelle Erbe bewahrt wird, aktuelle Tendenzen der Gegenwartskultur dargestellt werden, ein Austausch über Ideen stattfindet oder ein Einblick in fremde Kulturen gegeben wird. Statistische Daten über die Museen in Deutschland werden vom Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin gesammelt. Nach den Ergebnissen dieser Museumsstatistik gab es 2016 in Baden-Württemberg 1 140 Museen.10 Von diesen waren fast die Hälfte Museen für Volks- und Heimatkunde, rund 15 % waren kulturgeschichtliche Museen, knapp 11 % Kunstmuseen, gut 10 % Museen für Naturwissenschaft und Technik und etwa 7 % historische und archäologische Museen.

Die Reichweite der einzelnen Museen ist äußerst unterschiedlich. Das kleine Heimatmuseum einer Gemeinde dürfte eher eine lokale Anziehungskraft haben. Dagegen haben Einrichtungen wie die Staatsgalerie in Stuttgart oder das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM I) in Karlsruhe sicher ein Publikum, das weit über die Landesgrenzen hinausreicht. Für das Jahr 2016 wurden in der Museumsstatistik 15,66 Mill. Besuche in Museen in Baden-Württemberg erfasst.11 Rechnerisch ergibt das gut 1,4 Besuche je Einwohnerin und Einwohner.

Schulen leisten einen wichtigen Beitrag zur Kulturvermittlung

Wichtige Orte der Vermittlung kultureller Bildung sind natürlich die Schulen. In den Stundentafeln der verschiedenen Bildungsgänge sind Fächer mit kulturellem Bezug fest verankert. Darüber hinaus bieten viele Schulen die Möglichkeit, in Arbeitsgemeinschaften kulturelles Schaffen weiter zu vertiefen. So ist es beispielsweise bei der Kurswahl in der Kursstufe der Gymnasien vorgeschrieben, Bildende Kunst oder Musik als 2- oder 4-stündigen Kurs zu wählen. Im Schuljahr 2017/18 hatten 9 220 Schülerinnen und Schüler »Bildende Kunst« als 4-stündigen Kurs gewählt, was einem Anteil von 13,5 % an der Schülerschaft der Kursstufe entsprach. Weitere 3 513 Schülerinnen und Schüler (5,2 %) hatten sich für »Musik« als 4-stündigen Kurs entschieden. Einen 2-stündigen Kurs besuchten im Fach »Bildende Kunst« 38 394 Schülerinnen und Schüler (56,3 %) und im Fach »Musik« 19 281 Schülerinnen und Schüler (28,3 %). Weitere 6 505 Schülerinnen und Schüler (9,5 %) hatten sich für das im Wahlbereich angebotene Fach »Literatur« ggf. in Kombination mit »Theater« entschieden. Diese Verteilung blieb über die letzten Jahre hinweg recht konstant.

Viele Schülerinnen und Schüler nutzen auch das Angebot zur Mitarbeit in Arbeitsgemeinschaften. Im Schuljahr 2017/18 waren an Gymnasien über alle Klassenstufen hinweg rund 29 500 Schülerinnen und Schüler Mitglied in einem Schulchor, rund 21 200 beteiligten sich an einer Arbeitsgemeinschaft im Bereich »Orchester/Instrumentalspiel« und etwa 15 000 an einer im Bereich »Theater/Rhythmik«. In den anderen Themenbereichen mit kulturellem Bezug wie zum Beispiel »Film/Foto/Video« oder »Bildende Kunst« waren zusammen mehr als 10 000 Schülerinnen und Schüler aktiv.

Auch an beruflichen Schulen sind kulturbezogene Unterrichtsinhalte in vielen Bildungsgängen integrierte Bestandteile der Stundentafeln. An den beruflichen Gymnasien können die künstlerischen Fächer allerdings nur in 2-stündiger Form gewählt werden. Im Schuljahr 2017/18 hatten sich dort 4 195 Schülerinnen und Schüler für den Kurs »Bildende Kunst« und 1 393 für den Kurs »Musik« entschieden. Berufliche Schulen führen auch Bildungsgänge, die zu einem Abschluss in einem Beruf im künstlerischen oder gestalterischen Bereich führen. Im Schuljahr 2017/18 durchliefen 3 182 Schülerinnen und Schüler eine solche Ausbildung, von denen sich 1 329 im 1. Ausbildungsjahr befanden. Der größten Teil – 1 434 Schülerinnen und Schüler – strebte die Ausbildung im Beruf »Grafik-Design-Assistentin/Assistent« an, gefolgt vom Beruf »Assistentin/Assistent für Mode-Design« mit 804 Schülerinnen und Schülern. Zu den beruflichen Schulen zählt zum Beispiel auch die staatliche Ballettakademie der John-Cranko-Schule, eine Einrichtung mit weltweitem Renommee. Hier wurden im Schuljahr 2017/18 insgesamt 43 Tänzerinnen und Tänzer aus 19 Staaten im klassischen Ballett ausgebildet.

630 duale Ausbildungsverträge in Berufen mit künstlerisch-gestalterischem Bezug

Jugendlichen, die einen Beruf mit künstlerischer oder gestalterischer Ausrichtung anstreben, bieten sich neben vollzeitschulischen Angeboten auch Möglichkeiten im Bereich der dualen Berufsausbildung. Im Jahr 2017 hatten sich 630 Auszubildende für einen Ausbildungsvertrag in einem Beruf in den Berufshauptgruppen »Produktdesign und kunsthandwerkliche Berufe, bildende Kunst, Musikinstrumentenbau« sowie »Darstellende und unterhaltende Berufe« entschieden. Hierzu zählen Berufe wie »Goldschmied/-schmiedin«, »Klavier- und Cembalobauer/-bauerin« oder »Mediengestalter/-gestalterin Bild und Ton«. Weiter verbreitet sind allerdings die ebenfalls zu diesen Hauptgruppen zählenden Berufe »Raumausstatter/-ausstatterin« und »Fachkraft für Veranstaltungstechnik«.

Mehr als 10 000 Studierende in der Fächergruppe »Kunst, Kunstwissenschaft«

Für die akademische Ausbildung im künstlerischen Bereich sind nicht allein die Kunst- und Musikhochschulen zuständig. Auch andere Hochschulen bieten Studiengänge in der Fächergruppe »Kunst, Kunstwissenschaft« an. So lag die Gesamtzahl der Studierenden in der Fächergruppe »Kunst, Kunstwissenschaft« im Wintersemester 2017/18 mit 10 607 deutlich über der Zahl der 4 441 an den Kunst- und Musikhochschulen12 in Baden-Württemberg Eingeschriebenen. Mit einem Anteil von etwas über einem Drittel war der Studienbereich »Musik, Musikwissenschaften« der beliebteste, gefolgt vom Studienbereich »Gestaltung«, den etwas weniger als ein Drittel der Studierenden gewählt hatte.

Die Zahl der Studierenden in dieser Fächergruppe blieb seit dem Wintersemester 2012/13 relativ konstant und lag beständig zwischen 10 500 und 10 700 und damit etwas höher als im Wintersemester 2010/11, als hier 10 229 Studierende immatrikuliert waren. Trotz dieses leichten Anstiegs ist seit 2010/11 der Anteil der Studierenden der Fächergruppe »Kunst, Kunstwissenschaft« an der Gesamtzahl der Studierenden von 3,6 % auf unter 3 % zurückgegangen, da die Studierendenzahl insgesamt von gut 287 000 auf fast 360 000 weitaus stärker angestiegen ist.

Weibliche Studierende sind in diesen künstlerischen oder kunstwissenschaftlichen Studiengängen deutlich häufiger vertreten als männliche. Der Frauenanteil lag im Wintersemester 2017/18 bei gut 62 %. Allerdings hat er sich seit dem Wintersemester 2010/11 leicht rückläufig entwickelt. Damals waren noch etwas mehr als zwei Drittel der Studierenden weiblich.

Sinkende Nachfrage nach Angeboten im Bereich »Kultur – Gestalten« an den Volkshochschulen

In der Regel besteht ein Leben lang Interesse an kulturellen Angeboten. Diese zählen daher zum Kernbereich des Kurs- und Lehrgangsangebots der Volkshochschulen (VHS). Im Jahr 2017 registrierten die Volkshochschulen im Land 171 300 Belegungen von Kursen oder Lehrgängen im Programmbereich »Kultur – Gestalten«. Dies entsprach rund 13 % aller Teilnahmen im Jahr 2017. Allerdings ist in den letzten Jahren ein sinkendes Interesse an diesen Angeboten festzustellen. Im Jahr 2010 lag die Belegungszahl mit gut 195 600 noch deutlich höher, auch der Anteil hatte mit knapp 16 % noch einen höheren Wert erreicht. Deutlich angestiegen sind in diesem Zeitraum dagegen die Belegungen in den Programmbereichen »Sprachen« und »Gesundheit«.

Die kulturellen und gestalterischen Angebote der Volkshochschulen werden weit überwiegend von Frauen wahrgenommen. Im Jahr 2017 waren vier Fünftel der Teilnehmenden weiblich. Damit lag der Anteil etwas über dem Durchschnitt aller Kurse und Lehrgänge, der knapp 72 % betrug. Auch die Altersstruktur der Bildungswilligen im Bereich »Kultur – Gestalten« unterschied sich vom Durchschnitt aller VHS-Angebote. Insbesondere Kinder und Jugendlich im Alter von unter 18 Jahren hatten mit knapp 22 % einen überdurchschnittlichen Anteil, der weit über dem Mittelwert von etwas weniger als 9 % lag. Aber auch am anderen Ende der Altersskala waren die kulturellen und gestalterischen Kurse und Lehrgänge besonders beliebt. Der Anteil der 50- bis 64-Jährigen lag mit gut 27 % um knapp 3 Prozentpunkte und der Anteil der 65-Jährigen und Älteren mit 16 % um 1 Prozentpunkt über dem Mittelwert.

Musikschulen und Kunstschulen erreichen mit ihrem Angebot rund 350 000 Menschen

Ein weiterer Baustein der kulturellen Grundversorgung sind die öffentlichen Musikschulen und Kunstschulen. Sie fördern durch ihr Angebot das Erlernen von musikalischen und künstlerischen Fähigkeiten und leisten dadurch einen Beitrag zur Bewahrung des kulturellen Erbes. Nach eigenen Angaben waren Ende 2016 insgesamt 217 Schulen Mitglied im Landesverband der Musikschulen. Deren rund 8 200 Lehrkräfte hatten fast 297 000 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Von zunehmender Bedeutung sind für die Musikschulen Kooperationen mit Schulen und Kindertageseinrichtungen, da Kindern und Jugendlichen durch die Zunahme der Ganztagsbetreuung ein kleineres Zeitfenster für außerschulische Aktivitäten verbleibt. Zwischen Musikschulen und Schulen bestanden 2016 mehr als 1 400 Kooperationen. Musikschulen und Kindertageseinrichtungen arbeiteten in fast 2 300 Fällen zusammen. Darüber hinaus gab es eine Vielzahl von Kooperationen mit Musikvereinen, Chören, Kirchen, Volkshochschulen, Senioreneinrichtungen und anderen Partnern.13

Im Vergleich zu den auf ein lebenslanges Lernen ausgerichteten Musikschulen konzentrieren sich die im Landesverband der Kunstschulen Baden-Württemberg zusammengeschlossenen Einrichtungen weitgehend auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Diesem Verband haben sich 33 Jugendkunstschulen angeschlossen, weitere sechs sind ihm assoziiert. Pro Jahr nehmen mehr als 53 000 Kinder und Jugendliche die Angebote der Jugendkunstschulen wahr.14 Neben Kursen im Bereich der bildenden Kunst werden hier unter anderem Programme zu den Themen Fotografie, Film, Literatur, Theater, Tanz oder neue Medien angeboten.

Chöre und Musikvereine sind unverzichtbare Einrichtungen der kulturellen Freizeitgestaltung

Singen und Musizieren sind für viele Menschen wichtige Bestandteile ihrer Freizeitgestaltung. Für Baden-Württemberg scheint dies in besonderem Maß zuzutreffen. In den drei baden-württembergischen Mitgliedsverbänden15 des Deutschen Chorverbands waren im Jahr 2017 zusammen fast 380 000 aktive und passive Mitglieder registriert. Dies entsprach einem Anteil von 3,5 % an der Einwohnerzahl des Landes. Nur in Rheinland-Pfalz lag dieser Wert mit 4,7 % noch höher.16

Natürlich sind außer Chören im Land auch viele Musikvereine aktiv. Als gemeinsamer Dachverband hat sich hier der Landesmusikverband Baden-Württemberg e.V. (LMV) etabliert, dem neben den drei Chorverbänden sieben weitere Orchesterverbände angehören. Nach eigenen Angaben vertritt der LMV rund 12 000 Ensembles mit rund 1 Mill. Mitgliedern.17 Darüber hinaus gibt es noch unzählige weitere, nicht in Verbänden organisierte Orchester und Chöre, die regelmäßig oder projektbezogen musizieren und öffentliche Auftritte haben. In diesem Zusammenhang sei auch an die vielen Kirchenchöre erinnert, die nicht nur in Gottesdiensten auftreten, sondern auch öffentliche Konzerte veranstalten. Gleiches gilt für die etwa 1 000 Posaunenchöre der evangelischen Kirchengemeinden, in denen in ganz Baden-Württemberg rund 25 000 Musizierende aktiv sind.18

Kulturelles Erbe ist nicht immer nur mit Zahlen zu beschreiben

Der Kulturbereich beschränkt sich aber nicht nur auf musikalische, künstlerische oder literarische Aktivitäten. Zum kulturellen Erbe gehören genauso Denkmäler, Landschaften oder andere immaterielle Kulturgüter, die mit statistischen Begriffen nur unzulänglich fassbar sind. Um diese Kulturgüter für die Nachwelt möglichst dauerhaft zu bewahren, hat die UNESCO eine Liste des Welterbes mit Objekten von außerordentlichem universellen Wert ins Leben gerufen. Auf dieser Liste sind 42 Welterbestätten in Deutschland enthalten, von denen sechs – zumindest zum Teil – in Baden-Württemberg liegen (in Klammern das Jahr der Aufnahme in die Liste):

  • Zisterzienserkloster Maulbronn (1993),
  • Klosterinsel Reichenau im Bodensee (2000),
  • der obergermanisch-raetische Limes (2005),
  • die prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen (2011),
  • das architektonische Werk von Le Corbusier, unter anderm zwei Häuser in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart (2016),
  • Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb (2017).

Das Landesamt für Denkmalpflege arbeitet derzeit an einem transnationalen Antrag für eine weitere Welterbestätte mit. Dieser Antrag läuft unter dem Titel »Great Spas of Europe« und hat zum Ziel, elf europäische Kurstädte des 19. Jahrhunderts in sieben Staaten als Kulturerbe zu sichern. Zu diesen Kurstädten zählt auch Baden-Baden. Der Antrag soll im Jahr 2019 bei der UNESCO eingereicht werden.19

Diese Kulturstätten haben an sich einen unschätzbaren Wert, können aber auch durch eine Präsentation in Museen und Ausstellungen eine zahlenmäßig fassbare Wirkung haben. Darüber hinaus bilden sie touristische Anziehungspunkte, die Besucher in die jeweilige Region lenken, wobei ihr genauer Beitrag zu den Besucherströmen kaum messbar sein dürfte.

Diese Zusammenstellung kann nur einen oberflächlichen Einblick in den Bereich der Kultur in Baden-Württemberg geben. Dennoch mag hieraus ein Eindruck der Vielfalt des kulturellen Angebots und dessen Nutzung entstehen. Weitere Facetten des kulturellen Schaffens können an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Hierzu zählen zum Beispiel Archive, die Denkmalpflege, Fernsehen und Radio, Buchveröffentlichungen, Zeitungen, Angaben zur Zahl der Erwerbstätigen und zum Umsatz in der Kulturwirtschaft oder die Ausgaben privater Haushalte für Kulturgüter. Die demnächst erscheinende Gemeinschaftsveröffentlichung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder »Kulturindikatoren auf einen Blick 2018« wird auch zu diesen Aspekten Informationen enthalten. Die amtliche Statistik wird weiter daran arbeiten, einen umfassenden Überblick über den Kulturbereich zu schaffen und einen möglichst nutzerfreundlichen Zugang zu diesen Informationen zu ermöglichen.

1 Vergleiche Statistische Ämter des Bundes und der Länder: Kulturfinanzbericht 2016, S. 17.

2 Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.): Bildung in Deutschland 2012, Bielefeld 2012, S. 157 ff.

3 Vergleiche die Gemeinschaftsveröffentlichungen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder: Kulturstatistiken. Kulturindikatoren auf einen Blick. Ein Ländervergleich, Ausgabe 2008; Musikfestivals und Musikfestspiele in Deutschland, Ausgabe 2017 sowie die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamts: Beschäftigung in Kultur und Kulturwirtschaft 2015, Zeitverwendung für Kultur und kulturelle Aktivitäten in Deutschland, Ausgabe 2016, Spartenbericht Musik 2016, Spartenbericht Museen, Bibliotheken und Archive 2017 sowie Spartenbericht Baukultur, Denkmalschutz und Denkmalpflege 2018. Die Veröffentlichungen sind als PDF-Dateien abrufbar auf der Seite https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Kultur/Kulturfinanzbericht.html (Abruf: 05.10.2018). Die Veröffentlichungen seit 2015 sind im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts entstanden.

4 Die Veröffentlichung erscheint voraussichtlich im Dezember 2018.

5 Schröder, Marco: Eine Kulturstatistik für Rheinland-Pfalz, in: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz, Heft 1/2018, S. 40–50.

6 Die Angaben beruhen auf dem Kulturfinanzbericht 2016. Der Kulturfinanzbericht 2018 mit Daten für das Rechnungsjahr 2015 wird gegen Ende des Jahres erscheinen.

7 Badische Landesbühne Bruchsal, Württembergische Landesbühne Esslingen und Landestheater Württemberg Hohenzollern Tübingen Reutlingen.

8 Quelle: Württembergische Landesbibliothek http://www.wlb-stuttgart.de/die-wlb/wir-ueber-uns/wlb-in-zahlen-2017/ (Abruf: 05.10.2018).

9 Quelle: Badfische Landesbibliothek https://www.blb-karlsruhe.de/die-blb/portraet/statistik/ (Abruf: 05.10.2018).

10 Materialien aus dem Institut für Museumsforschung, Heft 71, https://www.smb.museum/fileadmin/website/Institute/Institut_fuer_Museumsforschung/Publikationen/Materialien/mat71.pdf (Abruf: 05.10.2018).

11 Angaben zur Besucherzahl lieferten nur 794 (von 1 140) Museen. Die Gesamtzahl der Besuche liegt somit noch höher.

12 Darunter 165 Studierende in der Fächergruppe »Ingenieurwissenschaften«.

13 Quelle: Landesverband der Musikschulen Baden-Württembergs https://musikschulen-bw.de/index.php?id=40 (Abruf: 04.10.2018).

14 Quelle: Landesverband der Kunstschulen Baden-Württemberg https://www.jugendkunstschulen.de/seiten/landesverband/ (Abruf: 04.10.2018).

15 Baden-Württembergischer Sängerbund e.V., Badischer Chorverband e.V. und Schwäbischer Chorverband e.V.

16 Vergleiche Kulturindikatoren auf einen Blick 2018, Indikator I.4 (im Druck).

17 Quelle: Landesmusikverband Baden-Württemberg e.V. https://www.landesmusikverband-bw.de/cms/iwebs/default.spx?mmid=8558&smid=30151 (Abruf: 04.10.2018).

18 Quellen: Evangelische Landeskirche in Württemberg https://www.elk-wue.de/leben/bildung-und-kultur/kirchenmusik/ und Badische Posaunenarbeit https://www.posaunenarbeit.de/ (Abrufe: 04.10.2018).

19 Vergleiche Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart https://www.denkmalpflege-bw.de/denkmale/unesco-welterbe/ (Abruf: 05.10.2018).