:: 2/2019

Berufspendler im Bundesländervergleich

Morgens in aller Frühe auf die Autobahn oder in den Zug, abends erst spät wieder zuhause ankommen – für Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger gehört Pendeln zum Alltag. Allen Bundesländern gemeinsam ist, dass die jeweils häufigste einfache Pendeldistanz unter 10 km liegt und das Auto, außer in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit ihrem gut ausgebauten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln, das mit Abstand bevorzugte Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit ist.

Deutschland erlebt derzeit einen Beschäftigungsboom. Das bedeutet auch, dass tagtäglich mehr Menschen von ihrer Wohnung zum Arbeitsplatz pendeln müssen. Der Berufsverkehr1 ist nach dem Freizeitverkehr der zweitwichtigste Verkehrszweck im Personenverkehr. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) errechnete, dass ein Fünftel der rund 1 276 Mrd. Personenkilometer (Pkm) 2, die in Deutschland 2016 zurückgelegt wurden, auf das Konto der täglichen Wege von und zur Arbeit gingen. Während der Berufsverkehr in Deutschland gegenüber 2008 um 13 % auf nun jährlich 239 Mrd. Pkm zugenommen hat, verzeichnete der gesamte Personenverkehr im genannten Zeitraum nur eine Zunahme um 8 %3 (Schaubild 1).

Ist die Mobilitätsbereitschaft der Erwerbstätigen infolge der Veränderungen am Arbeitsmarkt gewachsen und hat der Zeitaufwand für den täglichen Weg zur Arbeit durch das größere Verkehrsaufkommen und der damit verbundenen Belastung der Verkehrsinfrastruktur zwischen 2008 und 2016 zugenommen? Haben die merklich gestiegenen Spritpreise bzw. ein größeres Umweltbewusstsein bei den Berufspendlerinnen und -pendlern gar eine Verlagerung von motorisiertem Individualverkehr auf günstigere und/oder ökologischere Verkehrsmittel bewirkt? Nicht zuletzt aufgrund der Untersuchungen über negative gesundheitliche Auswirkungen der täglichen Pendelmobilität4 und der Debatte über Maßnahmen gegen den Klimawandel sind diese Fragen von hoher Aktualität. Antworten liefern die Ergebnisse eines Zusatzprogramms zum Mikrozensus über das Verkehrsverhalten der Pendlerinnen und Pendler in Deutschland, das alle 4 Jahre erhoben wird, zuletzt für das Jahr 2016.

Nur marginale Veränderungen bei der Entfernung

Die seit 2008 gestiegene Beschäftigung ist nicht mit größeren Pendeldistanzen einhergegangen. Die Anteile der Pendlerinnen und Pendler nach Entfernungsklassen blieben nahezu unverändert. Für gut die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland lag 2016 die Arbeit in einem Umkreis von 10 km zu ihrer Wohnung. 30 % hatten täglich 10 km bis 25 km in eine Richtung zu pendeln und fast jeder Fünfte musste täglich einen mehr als 25 km langen Weg zur Arbeit zurücklegen. Darunter waren 5 % Fernpendlerinnen und Fernpendler mit einer einfachen Wegstrecke von mindestens 50 km. Die Entfernungsklassen sind in allen Bundesländern in dieser Reihenfolge besetzt, das heißt am häufigsten ist der Arbeitsweg kürzer als 10 km und am seltensten 50 km und länger. In den östlichen Flächenländern haben Pendlerinnen und Pendler im Durchschnitt häufiger lange Arbeitswege als in den westlichen Flächenländern. Zwar liegt der Anteil der Pendler mit Arbeitswegen unter 10 km im Osten etwas höher als im Westen, der Anteil der Pendler über 10 km bis 25 km ist dort im Durchschnitt jedoch niedriger, der Anteil der Pendler über 25 km dagegen höher als in den westlichen Bundesländern (Schaubild 2).

Häufig kurze Arbeitswege, aber länger unterwegs

Trotz nahezu unveränderter Distanzstrukturen hat sich der Zeitaufwand für den täglichen Weg zur Arbeit etwas erhöht. 2016 benötigten gut 72 % der Erwerbstätigen in Deutschland weniger als 30 Minuten auf ihrem Weg zur Arbeit, 2008 waren es noch 4 Prozentpunkte mehr. In allen Bundesländern brauchten die meisten Berufspendlerinnen und -pendler 10 bis unter 30 Minuten für den Hinweg zur Arbeit. Im Bundesdurchschnitt waren es 49 %. Gleichauf mit 23 % lagen die Berufspendlerinnen und -pendler, die in weniger als 10 Minuten am Arbeitsplatz sind und für die der Weg zur Arbeit zwischen einer halben und einer Stunde dauert. Für nur 5 % sind es 60 Minuten und mehr. Während sich der Anteil der Fernpendlerinnen und -pendler gegenüber 2008 nur geringfügig erhöht hat, stieg der Anteil der Erwerbstätigen mit Wegzeiten von 30 bis unter 60 Minuten gegenüber 2008 um mehr als 3 Prozentpunkte an. Im Gegenzug ist seit 2008 der Anteil der Personen mit Pendelzeiten unter 10 Minuten von 27 % auf 23 % im Jahr 2016 gesunken. Dies könnte die Folge stärker belasteter Verkehrswege, aber auch die Folge eines Umstiegs auf ein anderes Verkehrsmittel sein. Nicht ausgeschlossen ist allerdings auch die Möglichkeit, dass sich die Pendelzeiten aufgrund von Verschiebungen innerhalb der Distanzklassen erhöht haben; zum Beispiel, dass sich in der Klasse über 25 km bis 50 km heute mehr Pendler mit einer Pendeldistanz von 40 km und mehr befinden (Schaubild 3).

Modal Split im Pendlerverkehr

Das Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort kann mit dem Pkw5, der Bahn, dem öffentlichen Nahverkehr, zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad erfolgen. Auch eine Kombination verschiedener Verkehrsmittel, wie beim klassischen »Park and Ride«, ist möglich. Die Wahl des jeweiligen Verkehrsmittels bzw. einer entsprechenden Kombination hängt von drei Faktoren ab. Zum einen von der verfügbaren Infrastruktur und damit der Qualität der Anbindung, zum anderen von den Kosten, aber auch von den persönlichen Präferenzen der Pendlerinnen und Pendler. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsort möglichst zeit- und kostensparend, aber auch bequem erreicht werden soll. 6 Die prozentualen Anteile der einzelnen Verkehrsmittel am gesamten Verkehrsaufwand geben Aufschluss über die Verkehrsmittelnutzung, dem so genannten »Modal Split«.

Auch bei der Verkehrsmittelwahl kam es in den betrachteten 8 Jahren nur zu marginalen Veränderungen. Ein Trend weg vom motorisierten Individualverkehr und hin zu umweltfreundlicheren Alternativen lässt sich nicht beobachten. Ganz im Gegenteil: Allen Appellen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zum Trotz blieb das Auto mit deutlichem Abstand das bevorzugte Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeit. Im Jahr 2016 nutzten 68 % der Erwerbstätigen in Deutschland einen Pkw für den Weg zur Arbeitsstätte, 3 % davon als Mitfahrer. Nur 14 % gaben Bus oder Bahn den Vorzug, 9 % der Erwerbstätigen nahmen das Rad und 8 % gingen zu Fuß. Gut 1 % nutzten Krafträder oder andere Verkehrsmittel.

Immer mehr Frauen steigen auf das Auto um

Deutliche Unterschiede zeigen sich bei der Verkehrsmittelwahl von Berufspendlerinnen und Berufspendlern. Sieben von zehn Männern nutzten im Jahr 2016 das Auto. Von den Frauen steuerten nur knapp zwei Drittel die Arbeitsstätte mit dem Pkw an. Allerdings hat sich der Unterschied zwischen den Geschlechtern im Laufe der Zeit etwas verringert. Während bei Männern der Anteil der Selbstfahrer gegenüber 2008 in etwa gleich geblieben ist, steigen immer mehr Frauen in den Pkw (2008: 59 %, 2016: 64 %). Im Gegenzug reduzierten sich im Zeitvergleich die Unterschiede bei der Nutzung der übrigen Verkehrsmittel. Allerdings nutzten Frauen noch immer häufiger als Männer den öffentlichen Nahverkehr (Frauen: 16 %, Männer: 12 %), schwangen sich auf das Fahrrad oder waren zu Fuß unterwegs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Frauen insgesamt geringere Entfernungen zur Arbeitsstätte zurücklegen. So wohnten im Bundesdurchschnitt 56 % der Frauen im Jahr 2016 im Umkreis von 10 km um die Arbeitsstätte, bei den Männern traf das nur auf 47 % zu. Es ist anzunehmen, dass Frauen einen wohnortnahen Arbeitsplatz bevorzugen, da sie häufiger als Männer teilzeit- oder geringfügig beschäftigt sind und als berufstätige Ehefrauen und Mütter meist weitere Aufgaben zu bewältigen haben, die sich besser mit einer Arbeitstätigkeit in Wohnortnähe vereinbaren lassen. Aber auch ein mangelnder Pkw-Besitz könnte ausschlaggebend für die Wahl eines wohnortnahen Arbeitsplatzes sein. In Baden-Württemberg lebten 2016 zwei Drittel der Frauen in einem Umkreis von 10 km zum Arbeitsplatz und sechs von zehn Frauen nutzten für den Arbeitsweg das Auto.

Unterschiedliches Pendelverhalten in den Bundesländern

Die regionale Infrastruktur sowohl an Arbeitsplätzen als auch an Verkehrsmitteln und Verkehrswegen dürfte für das Pendelverhalten ausschlaggebender sein als zeitliche Faktoren. 7 So lagen 2016 in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg beispielsweise die Anteile von Erwerbstätigen mit Wegen von unter 10 km über dem Bundesdurchschnitt, aber es sind mit 10 % bzw. 12 % deutlich unterdurchschnittliche Anteile von Erwerbstätigen mit Wegzeiten unter 10 Minuten zu beobachten. Eine erhebliche Sogwirkung des großen Arbeitsplatzangebotes einer Großstadt wie Berlin strahlt auch auf das benachbarte Brandenburg aus; von den dort lebenden Erwerbstätigen wechselten 25 % täglich das Bundesland (Bundesdurchschnitt 6 %). So hatte ein knappes Drittel (31 %) von ihnen einen täglichen Arbeitsweg von mindestens 25 km pro Wegstrecke. Entsprechend benötigten Brandenburger mit einem Anteil von fast 39 % häufiger als Erwerbstätige aus anderen Ländern eine halbe Stunde und länger für den Weg zur Arbeit. Im Bundesdurchschnitt traf dies nur auf gut ein gutes Viertel (28 %) zu, und von den baden-württembergischen Erwerbstätigen mussten nur 23 % mindestens eine halbe Stunde pendeln, obwohl sie in einem großen Flächenland leben. Hier sind die Arbeitsplätze nicht auf einen Standort konzentriert, sondern auf mehrere Zentren wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg oder Ulm über das Land verteilt.

Auch bei der Verkehrsmittelwahl werden Unterschiede deutlich: In den Stadtstaaten Berlin und Hamburg mit ihrem gut ausgebauten Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln nutzten 2016 immerhin 43 % beziehungsweise 41 % der Pendlerinnen und Pendler diese Möglichkeit. Umgekehrt fuhren vier von fünf saarländischen Erwerbstätigen mit dem Auto zur Arbeit. Besonders fahrradbegeistert sind die Bremerinnen und Bremer, von denen 20 % dieses Verkehrsmittel für den Arbeitsweg wählten, während man in Thüringen im Vergleich der Bundesländer am häufigsten zu Fuß ging. 12 % der Erwerbstätigen legten dort auf diese umweltschonende Art ihren Weg zum Arbeitsplatz zurück. Allerdings war auch für über die Hälfte der Erwerbstätigen in Thüringen der Weg zur Arbeit kürzer als 10 km. Bei den kurzen Arbeitswegen führt Sachsen mit einem Anteil von 56 % vor Thüringen (55 %) und Baden-Württemberg (54 %). Im Südwesten waren trotz der kurzen Arbeitswege hingegen keine erhöhten Anteile von Fußgängern und Radfahrern unter den Berufspendlerinnen und -pendlern zu beobachten. Vielmehr entspracht der Landeswert hier, wie auch bei der Pkw-Nutzung, in etwa dem Bundesdurchschnitt (Schaubild 4).

1 Ohne Geschäfts- und Dienstreiseverkehr.

2 Wird die Fahrleistung mit der Zahl der beförderten Personen multipliziert, ergibt das den Verkehrsaufwand gemessen in Personenkilometern (Pkm).

3 Vergleiche Radke, Sabine: Verkehr in Zahlen 2018/19.

4 Vergleiche Pfaff, Simon: Mobilität – Zahl der Pendler erreicht Rekord. Wiesbaden 2017.

5 Eigener Pkw oder Firmenwagen.

6 Vergleiche Ducki, Antje/Nguyen, Huu Tan: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.), 2016.

7 Vergleiche Schüller, Frank/ Wingerter, Christian: Berufspendler, in: Datenreport 2016, Destatis.