:: 4/2019

Entwicklung der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg

5 Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab Vollendung des 1. Lebensjahres

Der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter 3 Jahren wird bereits seit einigen Jahren auf Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindeebene forciert. Der im August 2013 in Kraft getretene Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege für alle Kinder ab dem vollendeten 1. Lebensjahr trieb die Entwicklung erneut voran. Die Daten der Kinder- und Jugendhilfestatistik1 zeigen anhand steigender Zahlen der Einrichtungen, der betreuten Kinder, des Personals sowie der finanziellen Ausgaben, dass der Ausbau der Kleinkindbetreuung in Baden-Württemberg verstärkt voranschreitet.

Anzahl der unter 3-Jährigen steigt in der Kindertagesbetreuung

Die Anzahl der in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege betreuten unter 3-Jährigen erreichte am Stichtag 01.03.2018 den Höchststand von 93 412 Kindern.2 Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Steigerung um 4,6 %. Seit Inkrafttreten des Rechtanspruchs auf einen Betreuungsplatz (Erhebungsjahr 2013) ist die Anzahl um 37 % gestiegen. Den größten Anstieg gab es 2014, im Jahr nach Einführung des Rechtsanspruchs (+ 12 % gegenüber 2013) (i-Punkt).

Nach wie vor findet die Kleinkindbetreuung vorwiegend in Kindertageseinrichtungen statt. Während sich in Kindertagespflege 13 605 betreute Kinder befanden, besuchten weitere 79 807 Kinder unter 3 Jahren eine Kindertageseinrichtung. In den letzten Jahren ist tendenziell ein leichter Anstieg des Anteils der Kindertagespflege an der Kindertagesbetreuung von 13,5 % im Jahr 2013 auf 14,6 % im Erhebungsjahr 2018 zu beobachten (Schaubild 1).

Mehr Kleinkinder in der Gesamtbevölkerung

Dem Ausbau der Betreuungsangebote steht eine wachsende Anzahl der Kinder unter 3 Jahren in der Bevölkerung Baden-Württembergs gegenüber. Während es am 31.12.2013 noch gut 274 000 Kinder unter 3 Jahren gab, waren es am 31.12.2017 bereits rund 321 000 Kinder in dieser Altersgruppe. Das entspricht einem prozentualen Zuwachs in diesem Zeitraum von 17 %.

Betreuungsquote steigt entsprechend langsam

Die wachsende Anzahl der Kleinkinder in der Bevölkerung zeigt sich auch bei der Entwicklung der Betreuungsquote. Obwohl sich die Anzahl der betreuten Kinder unter 3 Jahren stetig erhöht, ist die Betreuungsquote3 der unter 3-Jährigen in den letzten Jahren vergleichsweise langsam bis auf 29,1 % im Jahr 2018 gestiegen. Den mit Abstand größten Anstieg gab es 2014 (+ 2,9 Prozentpunkte gegenüber 2013), dem 1. Erhebungsjahr seit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Vom Erhebungsjahr 2014 bis zum Jahr 2018 stieg die Betreuungsquote um weitere 1,3 Prozentpunkte an.

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Altersjahren sind dabei relativ groß. Von den Kindern die das 1. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und für die somit kein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz bestand, wurden 2018 insgesamt 2,1 % betreut. Bei den Kindern im Alter von 1 bis unter 2 Jahren lag die Betreuungsquote bei 29,6 %. Seit 2013 ist die Quote in dieser Altersgruppe um 6,3 Prozentpunkte gestiegen, wobei mehr als die Hälfte der Steigerung von 2013 auf 2014 und somit unmittelbar nach der Einführung des Rechtsanspruchs stattfand. Bei den Kindern im Alter von 2 bis unter 3 Jahren wurde die größte Steigerung der Betreuungsquote ebenfalls im Jahr 2014 erreicht (+ 5,5 Prozentpunkte gegenüber 2013). Im Erhebungsjahr 2018 lag die Betreuungsquote der Kinder in diesem Alter bei 56,2 % und somit 8,0 Prozentpunkte höher als 2013 (Schaubild 2).

Betreuungszeiten werden länger

Neben der reinen Betreuungszahl, stieg auch der Betreuungsumfang der Kleinkinder. Im Erhebungsjahr 2018 wurden in Kindertageseinrichtungen 39,2 % der Kinder unter 3 Jahren ganztags, das heißt mehr als 7 Stunden durchgehend pro Betreuungstag betreut. Das waren 5,4 Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2013. Der Median4 der Betreuungszeit pro Woche ist von 32 Stunden im Jahr 2013 auf 33 Stunden im Erhebungsjahr 2018 gestiegen.

In der Kindertagespflege lag der Anteil der Ganztagsbetreuten unter 3-Jährigen am 1. März 2018 mit 28,4 % deutlich niedriger. Der Median der Betreuungszeit pro Woche lag bei 23 Stunden.

Ausbau findet auch beim Personal statt

Grundlegend für den Ausbau der Kleinkindbetreuung ist die Entwicklung des Personals. Ähnlich der Anzahl betreuter Kinder, hat auch die Anzahl der beschäftigten Personen in den Kindertageseinrichtungen Baden-Württembergs 2018 einen Höchststand erreicht. Am Stichtag 01.03.2018 waren insgesamt 105 296 Personen in Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Das entspricht einer Steigerung von 5 % im Vergleich zum Vorjahr und einem Drittel seit 2013 (+ 33 %). Am stärksten sind die Personalzahlen im Erhebungsjahr 2014 angestiegen (+ 10 Prozentpunkte gegenüber 2013).

Eine entsprechende Entwicklung ist bei den Kindertagespflegepersonen nicht erkennbar, obwohl die Anzahl der betreuten Kinder in Kindertagespflege stieg. Die Anzahl der Kindertagespflegepersonen stieg 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 3 %. Seitdem ist die Anzahl tendenziell leicht sinkend und erreichte 2018 einen Tiefstand von 6 574 Personen (– 2,1 % gegenüber 2013). Dementsprechend ist die rechnerische Anzahl der betreuten Kinder je Tagespflegeperson von 2,9 im Jahr 2013 auf 3,4 im Erhebungsjahr 2018 gestiegen.

Öffentliche Ausgaben in Höhe von rund 4 Mrd. Euro für Kindertagesbetreuung

Die Ausgaben öffentlicher Träger der Kinder- und Jugendhilfe Baden-Württembergs beliefen sich im Jahr 2017 auf fast 6 Mrd. Euro.5 Den größten Anteil der Bruttoausgaben der Kinder- und Jugendhilfe bildete der Bereich der Kindertagesbetreuung. Rund 4 Mrd. Euro wurden im Jahr 2017 für Kindergärten, Horte, Kinderkrippen, altersgemischte Einrichtungen sowie Tagespflege für Kinder aufgewendet (68 % der Gesamtausgaben). Im Jahr 2013 waren es rund 3 Mrd. Euro (69 % der Gesamtbruttoausgaben in Höhe von 4 Mrd. Euro). Die Ausgaben für die Kindertagesbetreuung sind demnach seit dem Erhebungsjahr 2013 um fast ein Drittel gestiegen (+ 32 %). Besonders stark sind die Ausgaben für die Kindertagesbetreuung im Jahr der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz 2013 angestiegen (+ 22 % gegenüber 2012).

Regionale Unterschiede bei der Kleinkindbetreuung

Bei der Tagesbetreuung der unter 3-Jährigen zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs (Schaubild 3 und 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine rein quantitative Darstellung handelt, die keine Rückschlüsse auf die Qualität der regionalen Betreuungsstrukturen zulässt.

Starke regionale Schwankungen zeigen sich beispielsweise bei der Betreuungsquote der Kinder unter 3 Jahren. Am höchsten war die Betreuungsquote 2018 in den Stadtkreisen Heidelberg (44,5 %), Freiburg im Breisgau (42,5 %), Karlsruhe (38,4 %) und Stuttgart (38,1 %). Während im Stadtkreis Heidelberg die Betreuungsquote bereits im Jahr 2013 bei 44,8 % lag, haben die Betreuungsquoten in den Stadtkreisen Freiburg im Breisgau (+ 4,8 Prozentpunkte), Karlsruhe (+ 7,7 Prozentpunkte) und Stuttgart (+ 6,7 Prozentpunkte) seit 2013 deutlich zugenommen.

Im Stadtkreis Pforzheim (20,9 %) und im Landkreis Göppingen (21,6 %) waren die Anteile der in Kindertageseinrichtungen oder Kindertagespflege betreuten Kinder unter 3 Jahren 2018 am niedrigsten. In diesen Kreisen entsprach die Steigerung seit 2013 ungefähr dem Landesdurchschnitt (+ 4,2 Prozentpunkte).

Regionale Schwankungen bei den öffentlichen Ausgaben

Auch bezüglich der öffentlichen Ausgaben für Kindertageseinrichtungen je Kind unter 14 Jahren6 bestanden im Erhebungsjahr 2017 große regionale Unterschiede. Besonders hohe Pro-Kopf-Ausgaben erreichten die Stadtkreise Heidelberg (rund 3 400 Euro) und Stuttgart (rund 3 700 Euro). Der Landesdurchschnitt der Ausgaben für Kindertageseinrichtungen je Kind unter 14 Jahren lag bei rund 2 400 Euro.

Fazit und Ausblick

Die Daten zeigen, dass seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege für alle Kinder ab dem vollendeten 1. Lebensjahr im August 2013 der Bereich der Kleinkindbetreuung verstärkt ausgebaut wurde. Am stärksten fand der Ausbau im Erhebungsjahr 2014 statt, was auf eine direkte Reaktion auf die rechtlichen Regelungen hinweist. Seitdem sind jährlich leichte Steigerun­gen der Betreuungsverhältnisse beobachtbar.

Die amtliche Statistik kann die Betreuungsquote, nicht aber den Bedarf an Betreuungsangeboten abbilden. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW)7 kommt zu dem Ergebnis, dass die Betreuungslücke für unter 3-Jährige in Baden-Württemberg 2018 bei 13,2 % (rund 42 300 Kinder) lag. Die Lücke ergibt sich aus der Differenz zwischen der Betreuungsquote (29,1 %) und der Bedarfsquote (42,3 %). Nach der Bevölkerungsvorausrechnung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg wird zudem die Anzahl der unter 3-Jährigen in der Bevölkerung in den nächsten Jahren tendenziell zunehmen.

Die Höhe der Betreuungslücke und die voraussichtlich wachsende Anzahl an 3-Jährigen weisen darauf hin, dass weiterhin von einem hohen Ausbaubedarf der Betreuungsangebote für Kleinkinder auszugehen ist.

1 In Teil III der Kinder- und Jugendhilfestatistik werden unter anderem Daten zu den Kindern und tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen und öffentlich geförderter Kindertagespflege erhoben. Stichtag der Erhebungen ist der 1. März eines jeden Jahres.

2 Kinder in Kindertagespflege, die nicht zusätzlich eine Kindertageseinrichtung oder eine Ganztagsschule besuchen, sowie Kinder in Kindertageseinrichtungen.

3 Anzahl der Kinder in Kindertagesbetreuung je 100 Kinder der gleichen Altersgruppe.

4 Der Median ist der mittlere Wert einer aufsteigend geordneten Datenreihe. Das heißt bei der Betreuungszeit, dass die eine Hälfte der betreuten Kinder mehr, die andere Hälfte weniger Stunden pro Woche betreut wird. Gegenüber dem ebenfalls häufig verwendeten arithmetischen Mittelwert ist der Median robuster gegenüber Ausreißern in den Variablenwerten.

5 Die Statistik der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Jugendhilfe ist Teil der Kinder- und Jugendhilfestatistiken und weist Ausgaben nach, die aus öffentlichen Mitteln für Zwecke der Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe geleistet werden, sowie die entsprechenden Einnahmen. Die Erhebung wird jährlich über das abgelaufene Kalenderjahr durchgeführt.

6 Bevölkerungsstand: 31.12.2017.

7 Institut der deutschen Wirtschaft 2018: In Deutschland fehlen 273 000 Kita-Plätze für Kinder unter 3 Jahren. http://www.iwkoeln.de/presse/interaktive-grafiken/beitrag/wido-geis-thoene-in-deutschland-fehlen-273000-kita-plaetze-fuer-kinder-unter-drei-jahren.html (Abruf: 29.01.2019).