:: 5/2019

Bedeutung von familiären Pachtbeziehungen in der Landwirtschaft

Auswirkungen auf die Landwirtschaftszählung 2020

Der Boden ist essenzieller Produktionsfaktor der Landwirtschaft. Er kann sich dabei im Eigentum der Betriebe befinden, alternativ kann das Nutzungsrecht an landwirtschaftlichen Flächen durch Zahlung eines Pachtentgelts an den jeweiligen Grundeigentümer erworben werden. Die Landpacht hat durch den hohen Pachtflächenanteil an der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) dabei einen maßgeblichen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg der Betriebe. In der amtlichen Statistik werden die Besitz- und Pachtverhältnisse in den Landwirtschaftszählungen sowie in den Agrarstrukturerhebungen erhoben. Zuletzt war das Thema Bestandteil der Agrarstrukturerhebung (ASE) 2016 und findet nun seine Fortsetzung in der Landwirtschaftszählung (LZ) 2020. Aufgrund eines gesteigerten Interesses an Informationen über den Bodenmarkt werden 2020 die Neupachtungen in den letzten 2 Jahren nicht nur stichprobenartig, sondern bei allen Betrieben erhoben. Auf eine Differenzierung bei der gepachteten LF zwischen verwandten und nicht-verwandten Verpächtern wird jedoch verzichtet. Grund ist der Bedeutungsverlust der Verpachtung innerhalb der Familie.

Landwirte können durch Pacht oder Erwerb des Grundeigentums Nutzungsrechte für landwirtschaftliche Flächen erlangen. Aus ökonomischer Sicht stellt die Pacht für den Betrieb regelmäßige, in überschaubarer Höhe anfallende Kosten dar. Dies ist der wichtigste Vorteil im Vergleich zur einmaligen Bereitstellung von hohen monetären Mitteln beim Kauf. Zeitlich befristete Pachtverträge bergen jedoch das Risiko nicht verlängert zu werden, wodurch sich eine Planungsunsicherheit ergeben kann. Für wachstumswillige landwirtschaftliche Betriebe ist die Pacht ein bedeutendes Instrument. Sie können damit ihre bewirtschaftete Fläche, bei entsprechendem Angebot in kurzer Zeit ohne groß investieren zu müssen, erweitern.

Differenzierte Erhebung der Pachtverhältnisse

Das Thema Pacht ist traditioneller Bestandteil von Agrarstrukturerhebungen. Innerhalb der in etwa 10-jährigem Abstand durchgeführten Landwirtschaftszählungen erfolgt die Erhebung in allen Betrieben, in den dazwischen liegenden Agrarstrukturerhebungen in einer repräsentativen Stichprobe. Die Auskunfts-pflichtigen geben darin ihre bewirtschaftete Fläche differenziert nach ihren eigenen selbstbewirtschafteten, unentgeltlich erhaltenen und gepachteten Flächen an. Betriebe der Rechtsform Einzelunternehmen, das sind in Baden-Württemberg laut ASE 2016 89 % aller Betriebe, mussten bislang ihre Pachtfläche herkunftsbezogen aufteilen. Unterschieden wurden Verpächter, die zur Familie gehören und andere Verpächter. Die Inhaber von Einzelunternehmen sind natürliche Personen, die wiederum familiäre Beziehungen zu ihren Verpächtern haben können. Für Flächen von anderen Verpächtern war zudem das Jahrespachtentgelt mit Unterscheidung nach Nutzungsart (Ackerland, Grünland und sonstigen Flächen1) anzugeben. Das Entgelt für Flächen, die in den letzten 2 Jahren neu gepachtet wurden oder Pachtpreisänderung zu verzeichnen waren, war gesondert mitzuteilen.

Prosperitätsgrenze etwa bei 100 Hektar

Schon in der LZ 1991 wurde ein Pachtflächenanteil an der gesamten LF (Pachtquote) von fast der Hälfte (45,3 %) festgestellt. Die Pachtquote wuchs bis 2007 kontinuierlich auf 61,2 % an und verharrt seither bei ca. 60 %. Rund drei Viertel, der in der ASE 2016 erfassten Betriebe gaben an, Flächen zugepachtet zu haben. Deren Gesamtpachtfläche belief sich auf 857 100 Hektar (ha). Von deren restlicher LF entfällt 36 % auf eigene selbstbewirtschaftete Fläche und 4 % auf unentgeltlich erhaltene Fläche (Tabelle 1 und Schaubild 1).

Die durchschnittlichen Pachtentgelte pro Hektar sind von 1991 (167 Euro/ha) bis zur letzten Erhebung in 2016 (237 Euro/ha) durchweg angestiegen (Tabelle 1). Zwischen 2010 und 2016 lag die mittlere Wachstumsrate pro Jahr bei 3,1 %, wenn man nur das gepachtete Ackerland betrachtet sogar bei 3,4 %. Der hohe Pachtflächenanteil sowie die zunehmenden Pachtentgelte spiegeln die Bedeutung von Landpacht bei der wirtschaftlichen Betriebsführung in der Landwirtschaft wieder.

Auf dem Pachtmarkt zeigen sich die Folgen des Strukturwandels, der sich auf der einen Seite durch eine weitgehend unveränderte LF und auf der anderen Seite durch eine rückläufige Betriebszahl auszeichnet. In 2010 und 2016 ist der Umfang der LF mit etwa 1,4 Mill. ha identisch, während die Betriebszahl im gleichen Zeitraum um 9,1 % zurückgegangen ist. Flächen, die durch Auflösung oder Verkleinerung von Betrieben auf den Pachtmarkt kommen, werden vor allem von größeren Betrieben gepachtet. Sie dehnen ihre Bewirtschaftungsfläche aus, um ihre Existenz zu sichern. Im Vergleich zwischen der Betriebsgrößenstruktur von 2010 und 2016 lässt sich erkennen, dass Zunahmen in der Betriebszahl und LF nur in Größenklassen ab 100 ha LF zu verzeichnen sind. Betriebe, die über der Wachstumsschwelle von 100 ha LF liegen, haben zwischen 2010 und 2016 zahlenmäßig zugelegt (14,3 %) und folglich hat auch die von ihnen bewirtschaftete Fläche (17,6 %) deutlich zugenommen. Insgesamt bewirtschaften die Betriebe ab 100 ha LF im Jahr 2016 492 890 ha LF. Innerhalb von 6 Jahren hat die von ihnen bewirtschaftete LF um 73 673 ha zugenommen. Die Zunahme resultiert zu zwei Dritteln (49 059 ha) auf Pachtflächen. Seit 2010 ist die Pachtfläche dieser Betriebe um mehr als 15 % gestiegen. Bei »kleineren« Betrieben (unter 100 ha LF) haben dagegen die LF und die Pachtfläche zwischen 2010 und 2016 abgenommen (Tabelle 2).

Bedeutungsverlust der Verwandtschaftspacht

Einer stabilen Beziehung zwischen Pächter und Verpächter wird in der Landwirtschaft eine große Bedeutung beigemessen. Eine Verpachtung innerhalb der Familie wird deswegen als Vorteil für beide Seiten angesehen. Für den Verpächter wird die Unsicherheit hinsichtlich der Zahlungsmoral verringert und die soziale Verbundenheit erhöht die Planungssicherheit hinsichtlich der Fortsetzung auslaufender Pachtverträge für beide Parteien. 2 Der Strukturwandel wirkt sich jedoch auch auf die Verwandtschaftspacht aus. Im Zeitverlauf zwischen 1991 und 2016 ist die Fläche aus familiärer Verpachtung absolut sowie relativ zur Gesamtpachtfläche erheblich zurückgegangen. Während im Jahr 1991 eine Fläche von 90 023 ha (13,7 % an der gesamten Pachtfläche) von Familienangehörigen gepachtet wurden, waren es 2016 nur noch 58 800 ha (6,9 %) (Schaubild 2). Jeder Einzelbetrieb ist limitiert in der Möglichkeit von Verwandten zu pachten: Je größer ein Betrieb ist, desto kleiner wird zwangsläufig der Anteil der Pachtflächen aus familiärer Herkunft.

Der Bedeutungsverlust der Verwandtschaftspacht geht zudem mit Entwicklungen bei der Rechtsform der Betriebe einher. Da Zupacht von Verwandten nur für Einzelunternehmen möglich ist, ist diese Pachtform an deren Entwicklung gekoppelt. Die bewirtschaftete Fläche der Einzelunternehmen ist rückläufig. Im Jahr 2010 wurden mit 1 186 360 ha noch 84,1 % der gesamten LF von Einzelunternehmen bewirtschaftet. 2016 fiel der Anteil auf 78,9 % und entsprach damit einer Fläche von 1 116 503 ha. Im gleichen Zeitraum stieg die LF von Personengesellschaften um mehr als ein Drittel (35,6 %) und von juristischen Personen um 8,1 % an. Insgesamt lässt sich eine Entwicklung vom familiengeführten Einzelunternehmen hin zu komplexeren Betriebsstrukturen feststellen (in denen Verwandtschaftspacht nach den Konventionen der Agrarstatistik nicht vorkommt).

Verwandtschaftspacht: Verzicht auf statistische Erfassung

Diese Entwicklung nimmt die amtliche Statistik zum Anlass, Veränderungen in der Befragung zur LZ 2020 vorzunehmen. Einzelunternehmen werden entlastet indem auf die bisherige Unterscheidung zwischen gepachteter LF von Familienangehörigen und von anderen Verpächtern verzichtet wird. Dementsprechend müssen Betriebe aller Rechtsformen nur noch die gesamte gepachtete LF mit dafür entrichtetem Pachtentgelt angeben. Das heißt im Umkehrschluss, dass nun auch Pachtentgelte aus verwandtschaftlich verpachteten Flächen erhoben werden. Die Auswirkungen auf das durchschnittliche Pachtentgelt sind gering. Wenn für die Verwandtschaftspacht von einem 20 % niedrigerem Entgelt ausgegangen wird, wäre das durchschnittliche Pachtentgelt für alle Pachtflächen nur um 3 EUR/ha LF oder 1,4 % niedriger als das bisherige, für nicht familiäre Pachtungen errechnete Pachtentgelt (Berechnungsgrundlage: ASE 2016).

Statistischer Focus auf Dynamik der Preisentwicklung

Das Thema Pacht erfährt zurzeit ein gesteigertes Interesse. In der LZ 2020 werden aus diesem Grund die Neupachtungen und Pachtpreisveränderungen in den letzten 2 Jahren allgemein erhoben. Somit wird nicht nur der durchschnittliche Pachtpreis für alle Pachtungen, sondern zusätzlich die Dynamik der Preisentwicklung am aktuellem Rand ermittelt. Damit stehen aus der LZ 2020 nicht nur nach 10-jähriger Pause wieder regionale Zahlen für Kreise, sondern voraussichtlich differenzierte Informationen zu den aktuellen Entwicklungen zur Verfügung. Derzeit können Pachtpreise auf Kreisebene nur aus der letzten allgemeinen Erhebung im Jahr 2010 ausgewiesen werden. Die neuen Daten im Zuge der LZ 2020 werden mit Spannung erwartet.

1 Bei der »sonstigen landwirtschaftlich genutzten Fläche« sind Pachtungen, für die Pachtentgelte nicht getrennt angegeben werden können, zum Beispiel von Acker- und Dauergrünland, einzubeziehen. Rebland, Rebfläche, Baumobst­flächen sowie Baumschul- und Gewächshausflächen zählen ebenfalls dazu.

2 Vgl. Albersmeier et al.: Zur Stabilität von Geschäftsbeziehungen auf dem Landpachtmarkt: eine Kausalanalyse zur Wechselbereitschaft von Verpächtern, in: Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaues e.V., Bd. 46, 2011, S. 85–96