:: 5/2019

Siedlungs- und Verkehrsfläche der baden-württembergischen Kreise

»Nichts ist so beständig wie der Wandel.«, wussten schon die alten Griechen (Heraklit). Und was damals galt, gilt auch heute noch in vielen Bereichen. So auch bei der (Ober-)Fläche Baden-Württembergs. Ein Teil des Wandels ist natürlicher Art, aber ebenso gestaltet der Mensch seine Umwelt. Die vom Menschen gemachten Änderungen auf der Bodenfläche zeigen sich (auch) in der Flächenstatistik. Am deutlichsten zeigt sich die menschliche Einflussnahme bei der Siedlungs- und Verkehrsfläche. Daher soll in diesem Beitrag insbesondere auf die Veränderungen der Siedlungs- und Verkehrsfläche eingegangen werden. Dabei wird sowohl ein Blick auf die aktuellsten Ergebnisse der Flächenerhebung zum Stand 31.12.2017 als auch auf die Entwicklung der vergangenen Jahre geworfen.

Auch wenn die Siedlungs- und Verkehrsfläche häufig im Zentrum der Diskussion um die Flächennutzung steht, so stellt sie doch nur den drittgrößten Flächenanteil des Landes dar. Der größte Teil der Landesfläche wird für Landwirtschaft (45,2 %) sowie Wald (37,8 %) genutzt. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche macht lediglich 14,6 % der Fläche des Südwestens aus.1

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche näher betrachtet

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche ist definiert als Summe aus Siedlung (ohne Bergbaubetrieb, Tagebau, Grube und Steinbruch) plus Verkehr. Der zugehörige Anteil der Siedlung macht dabei 9,2 % der gesamten Landesfläche aus. Die maßgeblichen Unternutzungsarten der Siedlung sind Wohnbaufläche (4,3 %), Industrie und Gewerbefläche (2,0 %), sowie Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche (1,1 %). Beim Verkehr, der 5,5 % der Landesfläche einnimmt, überwiegen die Flächen für Straßenverkehr (2,7 %) und Weg (2,3 %).

Seit Ende 2000 hat die Siedlungs- und Verkehrsfläche insgesamt um 10,2 % zugenommen, das entspricht rund 48 200 Hektar (ha). Die Waldfläche nahm moderat um 0,5 % oder etwa 6 800 ha zu. Dagegen hat die Fläche für Landwirtschaft um 3,4 % oder rund 56 400 ha abgenommen.

Jedoch verlief die Entwicklung hier nicht über alle Untergruppen homogen. So hat innerhalb der Siedlungs- und Verkehrsfläche die Siedlung deutlich stärker zum Zuwachs beigetragen. Sie wuchs um rund 39 600 ha, bzw. 13,7 %, die Verkehrsfläche dagegen »nur« um rund 8 600 ha, bzw. 4,6 %. Innerhalb der Siedlung fällt insbesondere die Fläche gemischter Nutzung auf. Während Wohnbaufläche, Industrie- und Gewerbefläche sowie Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche sämtlich über 20 % wuchsen, nahm sie um 23,4 % ab. 2 Beim Verkehr ist die Zunahme wiederum ganz überwiegend auf Wachstum im Straßenverkehr, bei Wegen und Plätzen zurückzuführen, wohingegen die Flächen für Bahnverkehr und Flugverkehr nicht unbeträchtlich abnahmen (Tabelle 1).

Das Thema Flächenverbrauch gewinnt an Bedeutung

Im gleichen Zeitraum (seit 2000) ist der »Flächenverbrauch«, also die Umwandlung von Flächen, insbesondere der Landwirtschaft, in Siedlungs- und Verkehrsfläche, in den Fokus gerückt. Hintergrund sind vor allem die negativen Konsequenzen, die mit einer Zunahme der versiegelten Fläche assoziiert werden. Dabei wird häufig der Flächenverbrauch bzw. die Siedlungs- und Verkehrsfläche mit der versiegelten Fläche gleichgesetzt. Dies gilt allerdings nur eingeschränkt. Nicht die gesamte Siedlungs- und Verkehrsfläche ist tatsächlich versiegelt. Nach Schätzungen3 des Statistischen Landesamtes sind ca. 6,7 % der gesamten Bodenfläche Baden-Württembergs versiegelt, also etwas weniger als die Hälfte der Siedlungs- und Verkehrsfläche.

Mögliche negative Auswirkungen von versiegelten Flächen sind etwa ein erhöhtes Hochwasserrisiko, (lokale) Aufheizungen, sowie allgemein der Verlust der Bodenfunktionalität.

Bei versiegelten Flächen kann Regenwasser nicht versickern, daher müssen auftretende Niederschläge vermehrt über die Kanalisation abgeführt werden. Bei starken Niederschlägen können die auftretenden Wassermassen möglicherweise nicht abfließen. Es kommt dann zu örtlichen Überschwemmungen. Ebenso können versiegelte Böden kein Wasser verdunsten – eine Abkühlung der Luft ist somit nicht möglich. Auch Pflanzen können auf versiegelten Flächen nicht wachsen und fehlen als zusätzliche Verdunstungsquellen und Schattenspender. Somit treten lokale Aufheizungen mitunter stärker auf. Eine Versiegelung führt neben der Verhinderung von Versickerungen auch zum Luftabschluss, wodurch insgesamt die vorhandene Bodenfauna zerstört wird. Die Böden sind dann weniger fruchtbar und bleiben dies selbst nach der Rücknahme der Versiegelung relativ lange, da der Neuaufbau der Bodenfauna nur über längere Zeiträume stattfindet. 4

Unter anderem vor diesem Hintergrund wurde daher bereits im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie 2002 das Ziel formuliert, den Flächenverbrauch bundesweit von ursprünglich 120 ha/Tag in den Jahren 1996/2000, bis 2020 auf 30 ha/Tag zu reduzieren. 5 Dieses Ziel bleibt auch in der 2016 novellierten Nachhaltigkeitsstrategie der deutschen Bundesregierung bestehen. 6 Für das Land Baden-Württemberg leitet sich daraus das anzustrebende Ziel ab, im Jahr 2020 maximal 3 ha/Tag zu verbrauchen (Schaubild). 7

Täglicher Flächenverbrauch für 2017 nur bedingt aussagekräftig

Wie aus der Zeitreihe ersichtlich ist, stellt der tägliche Flächenverbrauch im Jahr 2017 einen deutlichen Ausreißer dar. Zuvor verlief der Trend eher in Richtung einer Abnahme des Flächenverbrauchs. Mit 7,9 ha/Tag liegt dieser nun bei mehr als dem doppelten Wert des vorhergehenden Jahres (3,5 ha/Tag).

Ursächlich für diesen deutlichen Anstieg sind allerdings nicht ausschließlich tatsächliche Flächeninanspruchnahmen im Jahr 2017. Etwa seit 2013 wurde in den Vermessungsverwaltungen eine Umstellung in der Führung des Liegenschaftskatasters vollzogen, vom bisherigen System ALB (Automatisiertes LiegenschaftsBuch) auf ALKIS (Amtliches LiegenschaftsKataster-InformationsSystem). 8 Dies hatte zweierlei Auswirkungen auf die Flächenerhebung. Einerseits wurde die Systematik der Flächennutzung mit der Umstellung von ALB auf ALKIS geändert, andererseits hat die Umstellung sehr hohe Aufwände in den Vermessungsverwaltungen verursacht. Dadurch wurden Änderungen im Kataster, zum Beispiel durch Ausweisung neuer Baugebiete oder durch Flurbereinigungsverfahren, teilweise nicht in den Jahren eingepflegt in denen sie stattgefunden haben. Stattdessen wurden im Jahr 2017 mit dem Abschluss der Umstellung zahlreiche Änderungen auch aus den Vorjahren ins Kataster übernommen, so zum Beispiel rund 50 Flurbereinigungsverfahren aus den Vorjahren. Diese tauchen nun als Flächenverbrauch des Jahres 2017 in der Statistik auf. Der hohe tägliche Flächenverbrauch basiert also auch auf nachträglich eingepflegtem Flächenverbrauch der vergangenen Jahre. Ungefähr 2 ha/Tag können alleine den nachgetragenen Flurbereinigungsverfahren zugeordnet werden (siehe i-Punkt).

Ein Beispiel hierfür ist, in der Gemeinde Leutkirch (Landkreis Ravensburg), das Flurbereinigungsverfahren rund um den Bau der A 96. Ebenso gab es in der Gemeinde Markgröningen (Landkreis Ludwigsburg) Flurbereinigungsverfahren rund um die DB-Neubaustrecke, welche zu einer Zunahme der Siedlungs- und Verkehrsfläche von 87 ha führten, dies entspricht gut 0,2 ha/Tag.

Hinzu kommen einige Einzelfälle mit hohem Flächenverbrauch im Berichtsjahr, die zusätzlich einen gewissen Anteil des starken Anstiegs erklären können. So sind etwa in der zuvor bereits genannten Gemeinde Leutkirch durch das CenterParcs-Projekt im Urlauer Forst alleine rund 155 ha Siedlungs- und Verkehrsfläche hinzugekommen. Dadurch erhöhte sich der landesweite Flächenverbrauch um knapp einen halben Hektar pro Tag.

Insgesamt ist daher noch nicht feststellbar, ob der starke Zuwachs im Jahr 2017 Grund zur Annahme für eine Trendumkehr ist, oder es sich lediglich um einen methodisch bedingten Ausreißer und relativ selten vorkommende Einzelfälle handelt. Eine Tendenz der weiteren Entwicklung ist frühestens mit den Daten zum Stand 31.12.2018 abschätzbar. 9

Siedlungs- und Verkehrsfläche im Kreisvergleich

Aber nicht nur im Zeitverlauf, sondern auch regional, unterscheidet sich die Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche mitunter deutlich. Im Folgenden werden daher die Kreise Baden-Württembergs hinsichtlich der Entwicklung der Siedlungs- und Verkehrsfläche verglichen.

Am auffälligsten ist sicherlich der Unterschied zwischen den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs. Zunächst verfügen alle Stadtkreise über eine deutlich geringere Gesamtfläche als die Landkreise – der Landkreis Tübingen, als flächenkleinster Landkreis, ist immerhin noch etwa 2,5-mal größer als Stuttgart, der flächengrößte Stadtkreis, und der Ortenaukreis als flächengrößter Landkreis ist sogar fast 19-mal größer als der flächenkleinste Stadtkreis, nämlich Pforzheim.

Auch bei der Siedlungs- und Verkehrsfläche gibt es klare Unterschiede, so liegen alle Stadtkreise – mit Ausnahme von Baden-Baden – bei einem Anteil von über 30 % an der gesamten Bodenfläche. Wohingegen kein einziger Landkreis mehr als 25 % Anteil an Siedlungs- und Verkehrsfläche hat. Auch in der Nutzung der Siedlungs- und Verkehrsfläche unterscheiden sich Stadt- und Landkreise. Von der so genutzten Fläche werden innerhalb der Stadtkreise knapp 10 Prozentpunkte mehr für Siedlung verwendet, wohingegen die Landkreise knapp 10 Prozentpunkte mehr Fläche für Verkehr aufweisen.

Ebenso werden Unterschiede bei der Nutzung der übrigbleibenden Fläche deutlich. Während in den Stadtkreisen etwas mehr Fläche für Wald genutzt wird (im Schnitt 32 % für Wald und 27,7 % für Landwirtschaft), verhält es sich in den Landkreisen umgekehrt. Diese nutzen im Schnitt 45,1 % ihrer Fläche für Landwirtschaft und 38,3 % für Wald.

Entwicklungen der Kreise

Diese heutige Verteilung der Flächennutzung ist das Ergebnis von Entwicklungen der ver­gangenen Jahre. An dieser Stelle soll daher ein Blick darauf geworfen werden, wie sich die Flächennutzung in den Kreisen seit dem Jahr 2000 verändert hat. Insbesondere ist von Interesse, wie sich die erhöhte Aufmerksamkeit des Themas »Flächensparen« im politischen Diskurs auf den Flächenverbrauch auswirkt. An dieser Stelle betrachten wir den täglichen Flächenverbrauch im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2008 gegenüber dem der Jahre 2008 bis 2016 je Kreis als Indikator für die Entwicklung des Flächenverbrauchs. Aufgrund der bereits zuvor beschriebenen, methodischen Abweichung wird das Jahr 2017 in diesem Vergleich nicht berücksichtigt.

Auffallend ist, dass in der überwiegenden Zahl der Kreise im Zeitraum 2008 bis 2016, verglichen zum vorherigen Betrachtungszeitraum 2000 bis 2008, eine Abnahme des täglichen Flächenverbrauchs stattgefunden hat. Ausnahmen bilden der Stadtkreis Ulm (Zunahme um 0,02 ha/Tag) und der Landkreis Freudenstadt (Zunahme um 0,04 ha/Tag). In den Stadtkreisen Baden-Baden und Pforzheim sowie in den Landkreisen Ostalbkreis und Biberach blieb der Flächenverbrauch identisch. Den stärksten Rückgang verzeichnete der Landkreis Heilbronn mit 0,33 ha/Tag, dieser hatte in der Vorperiode (2000 bis 2008) mit 0,58 ha/Tag allerdings auch den höchsten täglichen Flächenverbrauch. Diese Daten deuten darauf hin, dass die politischen Ziele des »Flächensparens« tatsächlich in nahezu allen Kreisen zu einem Rückgang des Flächenverbrauchs beigetragen haben könnten.

Dabei gab es in den Landkreisen einen stärkeren Rückgang des täglichen Flächenverbrauchs als in den Stadtkreisen. Von 2000 bis 2008 auf 2008 bis 2016 ging der tägliche Flächenverbrauch je Landkreis um 0,1 ha/Tag zurück. In den Stadtkreisen betrug dieser Wert im gleichen Zeitraum »nur« 0,04 ha/Tag. Dabei gilt es allerdings zu berücksichtigen, dass die Landkreise sowohl von 2000 bis 2008 als auch von 2008 bis 2016 über einen deutlich höheren täglichen Flächenverbrauch verfügten. Wurden dort zwischen 2000 und 2008 im Schnitt 0,26 ha/Tag und Kreis, und dementsprechend zwischen 2008 und 2016 0,16 ha/Tag und Kreis, verbraucht, so waren dies in den Stadtkreisen lediglich 0,07 ha/Tag und Kreis bzw. 0,03 ha/Tag und Kreis. Insofern ist, bezogen auf das Ausgangsniveau, in den Stadtkreisen ein stärkerer anteiliger Rückgang zu verzeichnen (Tabelle 2).

Die Quintessenz

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche Baden-Württembergs wächst auch aktuell stetig, vor allem durch den »Verbrauch« von Flächen für Landwirtschaft. Dabei hat sich langfristig das Tempo dieses Wachstums deutlich abgeschwächt. Das Jahr 2017 stellt insofern einen Ausreißer dar, da der Flächenverbrauch im Vergleich zum Trend der Vorjahre deutlich angestiegen ist. Dieser Anstieg hat allerdings viel mit methodischen Besonderheiten zu tun.

Im Vergleich der Stadt- und Landkreise kann festgehalten werden, dass die Stadtkreise klar höhere Anteile der Siedlungs- und Verkehrsfläche haben. Sie nutzen diese Fläche stärker für Siedlung, wohingegen die Landkreise ihre Siedlungs- und Verkehrsfläche stärker für Verkehr nutzen. Der Rückgang des täglichen Flächenverbrauchs spiegelt sich nahezu in allen Stadt- und Landkreisen wider, wobei die Landkreise absolut die größere Abnahme verzeichnen und die Stadtkreise die prozentual größeren Abnahmen aufweisen.

1 Die restlichen 2,4 % der Landesfläche werden für Gewässer, Bergbaubetrieb, Tagebau, Grube, Steinbruch und sonstige Vegetation genutzt.

2 Häufig wurden neu ausgewiesene Baugebiete, bei denen die endgültige Nutzung (Wohnen, Gewerbe, …) noch nicht geklärt war, zunächst als Fläche gemischter Nutzung ausgewiesen. Mit der Entscheidung für eine Bebauungsart wurden diese Flächen in die entsprechende Nutzungsart umgeschrieben. Die Vermessungsverwaltungen nehmen von dieser Praxis in den vergangenen Jahren Abstand, daher die Reduktion dieser Nutzungsart.

3 Die Versiegelung der Böden wird nicht statistisch erhoben und kann daher nur schätzungsweise bestimmt werden.

4 Umweltbundesamt (2013): Bodenversiegelung. Einsehbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/boden/bodenversiegelung#textpart-1 (Abruf: 25.02.2019).

5 Umweltbundesamt (2018): Flächensparen – Böden und Landschaften erhalten. Einsehbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten#textpart-1 (Abruf: 05.02.2019).

6 Bundesregierung (2016): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Neuauflage 2016.

7 Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (2019): Flächeninanspruchnahme. Einsehbar unter: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/boden/flaecheninanspruchnahme (Abruf: 05.02.2019).

8 Vgl. hierzu Wöllper , Frank: »Flächenerhebung mit neuer Datengrundlage – Nachwirkungen der »ALKIS-Umstellung««, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2016«, S. 28 ff.

9 Diese werden voraussichtlich im Herbst 2019 veröffentlicht.