:: 12/2019

Erzieherische Hilfen für Kinder, junge Menschen und Familien in Baden-Württemberg 2018

Lebensverhältnisse der Personen in erzieherischen Hilfen im regionalen Vergleich

Am 31. Dezember 2017 lebten rund 3,1 Mill. junge Menschen unter 27 Jahren in Baden-Württemberg. Das entsprach einem Bevölkerungsanteil von rund 28 %. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Personen in dieser Altersgruppe weitestgehend konstant geblieben (+ 0,4 % gegenüber 2009). Dennoch ist bei den Inanspruchnahmen der Hilfen zur Erziehung (HzE) für Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und Familien ein steigender Trend erkennbar (+ 19 % gegenüber 2009).1 Ausschlaggebend für die wachsende Bedeutung erzieherischer Hilfen ist die verstärkte politische Relevanz der Kinder- und Jugendhilfe. Als zentrales Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe bieten die HzE ein breites Spektrum an Unterstützungsleistungen mit unterschiedlicher Intensität. Zwischen den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs zeigen sich zum Teil erhebliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine rein quantitative Darstellung handelt, die keine Rückschlüsse auf die Qualität der regionalen Struktur der Kinder- und Jugendhilfe zulässt.

Ein vielfältiges Leistungsspektrum

Die Hilfen zur Erziehung umfassen stationäre, ambulante und teilstationäre Hilfen sowie Erziehungsberatungen (i-Punkt). Dabei machten im Erhebungsjahr 2018 Erziehungsberatungen mit 49 % den größten Anteil der Hilfen aus. Auf die ambulanten und sonstigen Hilfen entfielen 30 % und auf stationäre Hilfen 20 %.

In 37 der 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs war 2018 die häufigste Art der HzE die Erziehungsberatung. In den Landkreisen Göppingen, Heilbronn, Pforzheim, Calw, Freudenstadt und Tuttlingen wurden am häufigsten ambulante und sonstige Hilfen und im Landkreis Rottweil stationäre Hilfen gewährt.

3,9 % der unter 27-Jährigen in erzieherischer Hilfe

Im Erhebungsjahr 2018 wurden in Baden-Württemberg insgesamt 120 180 Hilfen zur Erziehung gewährt. In den letzten 10 Jahren ist diese Zahl kontinuierlich gestiegen. Gegenüber 2009 wurden über 19 000 HzE mehr gezählt, das entspricht einem Anstieg von 19 %. Erreicht wurden mit den Hilfen im Jahr 2018 fast 119 000 Minderjährige und rund 19 000 junge Erwachsene unter 27 Jahren.2

Bezieht man die Anzahl der HzE auf die Bevölkerung3, waren 390 von 10 000 der unter 27-Jährigen in erzieherischer Hilfe. Das entspricht 3,9 % der Bevölkerung in dieser Altersgruppe. Dieser Anteil unterscheidet sich regional stark. Die Spannweite der Hilfegewährung reicht von 155 je 10 000 Einwohner unter 27 Jahren im Landkreis Rottweil bis hin zu 651 je 10 000 im Stadtkreis Heilbronn (Schaubild 1).

Die Gründe für Hilfegewährungen zeigen soziale Problemlagen

Erzieherische Hilfen werden dann gewährt, wenn die Erziehung dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen nicht entspricht. Die Daten der amtlichen Statistik zeigen, was dies in der Praxis konkret bedeutet. Bei 21 % der Hilfegewährungen wurden Belastungen des jungen Menschen durch familiäre Konflikte als Hauptgrund angegeben. Eingeschränkte Erziehungskompetenzen der Eltern und Entwicklungsauffälligkeiten des jungen Menschen waren in jeweils 14 % der Fälle die Hauptgründe.

Während der am meisten genannte Hauptgrund zur Hilfegewährung bei den Erziehungsberatungen die Belastungen des jungen Menschen durch familiäre Konflikte war (35 %), ist es bei den ambulanten und sonstigen Hilfen die eingeschränkte Erziehungskompetenz (19 %) und bei den stationären Hilfen die Unversorgtheit des jungen Menschen (33 %) gewesen.

Wie die Gründe für die Hilfegewährung zeigen, befinden sich die jungen Menschen und Familien, die HzE in Anspruch nehmen, in akuten sozialen Problemlagen und sind auf Angebote des sozialen Hilfesystems angewiesen.

Viele der Familien befinden sich in prekären Lebenslagen

Dass erzieherische Hilfen auch wichtige Maßnahmen gegen soziale Benachteiligung sind, zeigt sich nicht zuletzt am hohen Anteil der Personen die erzieherische Hilfen erhalten und sich gleichzeitig in prekären Lebenslagen befinden. Die amtliche Statistik liefert hierzu unter anderem Daten über monetäre Transferleistungen4. Junge Menschen und Familien, die HzE in Anspruch nehmen, erhalten überproportional häufig solche Sozialhilfeleistungen. Im Jahr 2018 wurde fast jede dritte erzieherische Hilfe (31 %) jungen Mensch oder Familien gewährt, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Dabei reicht der Anteil dieser Gruppe von 15 % bei Erziehungsberatungen über 46 % bei ambulanten und sonstigen Hilfen bis hin zu 50 % bei den stationären Hilfen. Zum Vergleich: Die Mindestsicherungsquote5 in der Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs war im Jahr 2018 mit 5,3 % deutlich geringer.

In den Stadt- und Landkreisen reicht die Spanne des Anteils der Personen die Transferleistungen beziehen in HzE von 15 % im Landkreis Rastatt bis hin zu 50 % im Stadtkreis Pforzheim (Schaubild 2).

Alleinerziehende erhalten besonders häufig Transferleistungen

Eine große Empfängergruppe monetärer Transferleistungen in erzieherischen Hilfen stellen die Alleinerziehenden dar. Der Anteil der Alleinerziehenden mit Transferleistungen an allen Alleinerziehenden in HzE lag 2018 bei 45 % und damit 14 Prozentpunkte höher als bei den Personen in HzE insgesamt. Besonders hoch war der Anteil der Alleinerziehenden in HzE mit Transferleistungen in den Stadtkreisen Mannheim (57 %), Stuttgart (58 %) und Pforzheim (62 %).

Insgesamt lebten 39 % der jungen Menschen in der Herkunftsfamilie mit nur einem Elternteil. Während der Anteil bei den Erziehungsberatungen mit 36 % geringer war, betrug er bei den stationären Hilfen 40 % und bei den ambulanten und sonstigen Hilfen sogar 43 %. In der Gesamtbevölkerung Baden-Württembergs waren 2018 insgesamt 20 % der Familien mit Kindern alleinerziehend.6

42 % der jungen Menschen haben Elternteile ausländischer Herkunft

Die jungen Menschen und Familien, die erzieherische Hilfen in Anspruch nehmen, stammen häufig aus Familien mit Migrationshintergrund. Auch wenn es sich hierbei nicht per se um einen Indikator für prekäre Lebenslagen handelt, so zeigt sich im Kontext der HzE doch, dass bei 42 % der erzieherischen Hilfen mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Bei 21 % wurde zudem angegeben, dass zu Hause überwiegend nicht Deutsch gesprochen wird. Dieser Anteil unterscheidet sich zwischen den unterschiedlichen Hilfearten deutlich: Im Bereich der Erziehungsberatungen lag der Anteil bei 13 %, bei den ambulanten und sonstigen Hilfen bei 25 % und bei den stationären Hilfen bei 34 %.

Im Kreisvergleich reichte die Spanne des Anteils der HzE für Menschen mit Migrationshintergrund, die in der Herkunftsfamilie nicht Deutsch sprechen, von 11 % im Landkreis Rottweil bis hin zu 34 % im Stadtkreis Stuttgart.

Im Erhebungsjahr 2018 wurde zudem erstmals zuverlässig die Anzahl der unbegleiteten Minderjährigen aus dem Ausland (UMA) in HzE erhoben.7 Mit rund 4 000 Fällen machte diese Personengruppe nur 3 % der Personen in HzE aus.

Ausblick

Die aktuelle Bevölkerungsvorausrechnung8 deutet auf eine sinkende Anzahl der unter 27-Jährigen bis zum Jahr 2025 hin. Es ist dennoch davon auszugehen, dass die Anzahl erzieherischer Hilfen weiter steigen wird. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Bedeutung der HzE nicht ausschließlich von der Anzahl der potenziellen Zielgruppe, sondern auch maßgeblich von der politischen Relevanz der Kinder- und Jugendhilfe abhängt. Als Unterstützungsleistung für junge Menschen und Familien nehmen erzieherische Hilfen eine zentrale Rolle im sozialen Hilfesystem ein. Die wachsende Bedeutung der HzE spiegelt sich auch bei den öffentlichen Ausgaben im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wieder. Im Jahr 2017 entfiel fast ein Viertel (1,4 Mrd. Euro) der öffentlichen Bruttoausgaben für die Kinder- und Jugendhilfe auf den Bereich der HzE.9 Mehr wurde nur in die Kindertagesbetreuung investiert.

1 Im Jahr beendete und am Jahresende andauernde Hilfen. Ohne Eingliederungshilfen für seelisch behinderte junge Menschen.

2 Die Differenz zwischen der Anzahl der Hilfen und der Anzahl der jungen Menschen geht daraus hervor, dass bei einer familienorientierten Hilfe mehrere junge Menschen erreicht werden können.

3 Bevölkerungsstand zum 31.12.2017.

4 Bezug von Arbeitslosengeld II (SGB II), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Sozialhilfe (SGB XII).

5 Die Mindestsicherungsquote wird jährlich vom Statistischen Bundesamt berechnet und umfasst die Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen nach dem SGB XII sowie Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Ergebnisse für das Jahr 2018 lagen zum Redaktionsschluss dieses Beitrags noch nicht vor. Eine altersdifferenzierte Auswertung zur besseren Vergleichbarkeit mit den Transferleistungen in HzE ist hier nicht möglich.

6 Datenquelle: Mikrozensus 2018.

7 Im Erhebungsbogen wird abgefragt, ob die Hilfe im Anschluss einer vorläufigen Schutzmaßnahme im Fall des § 42 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB VIII (unbegleitete Einreise ausländischer Kinder oder Jugendlicher nach Deutschland) eigeleitet wurde.

8 Regionalisierte Bevölkerungsvorausrechnung Basis 2017.

9 Einschließlich Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Menschen.