:: 12/2019

Verdienste und Arbeitszeit in Baden-Württemberg im 1. Halbjahr 2019

Weiterhin steigende Bruttoverdienste bei gleichzeitig schwacher Reallohnentwicklung

Die Betrachtung der Verdienstentwicklung der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich in Baden-Württemberg im 1. und 2. Quartal 2019 zeigt ein gemischtes Bild. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten über diese Branchen hinweg betrug 4 202 Euro im 1. und 4 247 Euro im 2. Quartal und lag damit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3,12 % (1/2018) bzw. 2,26 % (2/2018) höher. Zudem wurde im 2. Quartal beim durchschnittlichen Bruttostundenverdienst Vollzeittätiger erstmals die 25-Euro-Marke überschritten. Während Bruttomonats- sowie Bruttostundenverdienst somit im Zeitverlauf weiter ansteigen, bedeutet hingegen ein Plus von lediglich 0,2 % bei den Reallöhnen für das 2. Quartal 2019 gegenüber dem Vorjahresquartal die geringste Reallohnsteigerung seit mehr als 5 Jahren.

Grundsätzlich sind je nach Branche, Arbeitszeitmodell, Geschlecht und beruflicher Qualifikation deutliche Verdienstunterschiede feststellbar. Höher Qualifizierte verdienen im Durchschnitt mehr als gering Qualifizierte, Männer mehr als Frauen und im Produzierenden Gewerbe fallen die Verdienste durchschnittlich höher aus als in der Dienstleistungsbranche. Außerdem zeigen sich deutliche Differenzen bei den Verdiensten von Voll- und Teilzeitbeschäftigten, von denen letztere im 2. Quartal 2019 erneut etwa ein Fünftel weniger Bruttostundenlohn einfuhren als ihre vollzeittätigen Pendants. Im folgenden Beitrag wird anhand der Ergebnisse der Vierteljährlichen Verdiensterhebung neben den Verdienstunterschieden nach Branche, Geschlecht und Arbeitszeitmodell auch die Entwicklung der Verdienste in Baden-Württemberg dargestellt.

Der Bruttomonatsverdienst einer vollzeitbe­schäftigten Person im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich betrug in Baden-Württemberg im 2. Quartal 2019 ohne Sonderzahlungen im Durchschnitt 4 247 Euro bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden (nachfolgend Bruttomonats- und -stundenverdienst immer ohne Sonderzahlungen soweit nicht anders erwähnt).1 Dies entspricht einem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 25,03 Euro. Nachdem im Schnitt der Bruttostundenlohn von Vollzeitkräften im 4. Quartal 2015 erstmalig die 23 Euro überstieg (23,06 Euro/Stunde) und im 2. Quartal 2017 die 24 Euro erreichte, wurde damit im 2. Quartal 2019 nun zum ersten Mal die Marke von 25 Euro brutto pro Stunde »geknackt«.

Frauen holen beim Entgelt etwas auf

Dabei bestand nach wie vor ein erheblicher Verdienstunterschied zwischen in Vollzeit arbeitenden Frauen und Männern, welcher sich im Vergleich zum Vorjahresquartal 2018 jedoch erneut verringerte. So kam ein männlicher Arbeitnehmer im Berichtszeitraum durchschnittlich auf 26,57 Euro brutto pro Stunde, wohingegen eine weibliche Beschäftigte für 1 Stunde Arbeit 21,18 Euro und damit im Vergleich zu einem männlichen Kollegen 20,3 % weniger Vergütung erhielt. Im Vorjahresquartal betrug der Verdienstunterschied dagegen noch 21,5 %.2

Einen positiven Effekt auf die langsame Verdienstannäherung dürfte unter anderem die Veränderungsrate des Nominallohns (Bruttomonatsverdienst mit Sonderzahlungen für alle Beschäftigtengruppen) im 2. Quartal 2019 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben, die bei den Beschäftigten im Dienstleistungsgewerbe mit + 3,3 % um einiges höher ausfiel als im Produzierenden Gewerbe mit einem Plus von 0,3 %. Bei den Vollzeittätigen im Produzierenden Gewerbe bewegte sich der Anteil der männlichen Arbeitnehmer im 2. Quartal 2019 mit 82,3 % allerdings um ein Vielfaches über dem Frauenanteil von 17,7 %. Folglich fiel die Steigerung des Nominallohns für das 2. Quartal 2019 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum bei den Arbeitnehmerinnen mit + 3,2 % merklich höher aus als dies bei den Männern mit + 1,4 % der Fall war (Tabelle 1).

Was die Geschlechterverteilung auf die verschiedenen Branchen betrifft, stellen Frauen zum Beispiel in der Sparte Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen aktuell lediglich 10,9 % der Vollzeitbeschäftigten, während der Männer- und Frauenanteil in Dienstleistungsbereichen wie dem Einzelhandel (46,8 % Frauen) oder Gastgewerbe (45,4 % Frauen) deutlich ausgeglichener ist und sich bei Teilzeittätigen das Geschlechterverhältnis in vielen Bereichen der Dienstleistungsbranche, wie beispielsweise dem Gesundheits- und Sozialwesen (10,8 % Männer) oder Einzelhandel (10,1 % Männer) sogar umgekehrt darstellt.3 Auch absolut betrachtet waren mit über 1,6 Mill. Beschäftigten 2018 etwa vier Mal so viele Frauen im Dienstleistungssektor tätig als im Produzierenden Gewerbe (400 639 Frauen). Da Frauen also deutlich häufiger einen Dienst­leistungsberuf ausüben, können sie insgesamt gesehen momentan auch stärker von der positiven Nominallohnentwicklung in dieser Branche profitieren als die Männer.

Der dennoch weiterhin hohe Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern, hat verschiedene Gründe. So entscheiden sich Frauen trotz durchschnittlich besserer schulischer Leistungen, deutlich seltener als Männer für einen Beruf oder ein Studium im »MINT«-Bereich4 und sind folglich später auch weniger häufig in damit verwandten Branchen vertreten. Diese werden jedoch im Verhältnis oftmals besser vergütet. Abgesehen davon haben Frauen aufgrund von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Elternzeit und Ähnlichem insgesamt häufigere und längere berufliche Auszeiten bzw. einen geringeren Arbeitszeitumfang, was wiederum den beruflichen Aufstieg erschwert oder verlangsamt, sodass die mit einer höheren Position verbundenen besseren Verdienstmöglichkeiten seltener oder erst später im Berufsleben erreicht werden.

Tätigkeit in der Branche Information und Kommunikation zahlt sich aus

Neben dem Insgesamt-Ergebnis geben die Daten aus der Vierteljährlichen Verdiensterhebung auch Einblick in die Verdienstunterschiede in den verschiedenen Branchen.

Wie auch in den vorangegangenen Quartalen war hier die Informations- und Kommunikationsbranche weiterhin Spitzenreiter bei den Einkommen und kann im 2. Quartal 2019 mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 5 569 Euro (32,72 Euro/Stunde) bei Vollzeitbeschäftigten aufwarten, während das Gastgewerbe mit 2 576 Euro brutto monatlich (14,71 Euro/Stunde), trotz einer Verdienststeigerung um 6 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, erneut das Schlusslicht bildete. Damit besteht zwischen der am best- und schlechtbezahltesten Branche eine Verdienstdifferenz von 53,7 % zu Ungunsten des Gastgewerbes (Schaubild 1).

Eine Gegenüberstellung des Dienstleistungsbereichs mit dem Produzierenden Gewerbe zeigte zudem, dass Beschäftigte im Dienstleistungssektor im 2. Quartal 2019 ohne Sonderzahlungen im Schnitt 4 062 Euro brutto für sich verbuchten, während im Produzierenden Gewerbe der Bruttomonatslohn mit 4 458 Euro erneut deutlich höher lag (Schaubild 2).

Keine Angleichung des Stundenlohns für Teilzeitkräfte

Im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhalten Teilzeitbeschäftigte beiden Geschlechts im Produzierenden Gewerbe und Dienstleistungsbereich Branchen übergreifend generell einen niedrigeren Stundenlohn. So verdienten sie im 1. Quartal 2019 mit 19,81 Euro bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 24,4 Stunden 20,3 % weniger pro Stunde als ihre in Vollzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen (24,85 Euro). Doch auch bei den Teilzeitkräften sorgte eine erneute Verdienststeigerung dafür, dass im 2. Quartal 2019 mit 20,11 Euro erstmals die Marke von 20 Euro brutto pro Arbeitsstunde überwunden wurde. Sowohl Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte können sich folglich seit mehr als einem Jahrzehnt über stetig steigende Bruttostundenverdienste freuen, wobei trotz insgesamt ansteigendem Verdienstniveau eine Angleichung der Bruttovergütung pro Arbeitsstunde von Teil- und Vollzeitarbeitenden nicht stattfand. Verdienten Teilzeitkräfte 2007 noch 20,3 % weniger als Vollzeittätige, stieg diese Differenz bis zum Jahr 2012 auf 21,9 % und verringerte sich bis 2018 wieder auf 20,7 %. Bei leichten Schwankungen blieb der Unterschied zwischen dem Stundenlohn Voll- und Teilzeittätiger seit 2007 also in etwa gleich (Schaubild 3).

Neben dem Umstand, dass mehr Frauen als Männer in Teilzeit arbeiten – 2018 waren 84,8 % der etwas über 1 Mill. Teilzeitbeschäftigten in Baden-Württemberg Frauen – und diese aufgrund von Ausfallzeiten wegen Mutterschutz und Elternzeit tendenziell langsamer beruflich aufsteigen, erklärt auch die unterschiedliche Verteilung der Teilzeitbeschäftigten auf die verschiedenen Wirtschaftsbereiche die Unterschiede in der Bezahlung. Denn war im 2. Quartal 2019 fast ein Drittel (30,2 %) der Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche in Teilzeit angestellt, trifft dies im durchschnittlich besser vergüteten Produzierenden Gewerbe auf nur knapp jeden zehnten Arbeitnehmer/jede zehnte Arbeitnehmerin (9,6 %) zu. Im Vergleich zum eher sehr niedrig vergüteten Gastgewerbe, das mit 34,9 % auch den geringsten Anteil an Vollzeitbeschäftigten und mit 37,6 % die meisten geringfügig Beschäftigten vorzuweisen hat (Teilzeit 27,5 %), gibt es in der Automobilbranche, die eine der höchsten Vergütungen aufweist, mit 93,8 % fast ausschließlich Vollzeitkräfte und nur sehr wenige Personen in Teilzeit (5,6 %) oder geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (0,7 %) (Tabelle 2).

Reallohnanstieg schwächt sich ab

Bei einer insgesamt anhaltend positiven Verdienstentwicklung fiel der reale, also preisbereinigte Lohnanstieg mit einem Plus von 0,2 % verglichen mit dem 2. Quartal 2018 äußerst gering aus. Die nominalen Verdienste (nicht preisbereinigt) stiegen dabei um 2 %, während die Verbraucherpreise zur selben Zeit um 1,8 % zulegten. Zwar impliziert dies eine erneut größere Steigerung der Nominallöhne (Bruttomonatsverdienste mit Sonderzahlungen) gegenüber den Verbraucherpreisen und folglich eine grundsätzlich anhaltend positive Bilanz bei den Reallöhnen, dennoch handelt es sich hierbei um die geringste Zunahme seit 2013, als die Nominallohnentwicklung dem Anstieg der Verbraucherpreise hinterherhinkte und der Reallohn dadurch verglichen mit dem Vorjahr sogar um 0,5 % abnahm. Auch wenn der aktuelle Reallohn sich weiter im Plus befindet und bei der Entwicklung des Reallohnindex nicht von einem allgemeinen Trend gesprochen werden kann, da dieser auch quartalsweisen Schwankungen unterworfen ist, lässt sich bei der Betrachtung des zeitlichen Verlaufs zumindest für die jeweils 2. Quartale der letzten Jahre seit 2014 (+ 2,3 %) eine stetige Abnahme des Reallohnanstiegs erkennen (Schaubild 4 und Tabelle 3, i-Punkt »Nominal- und Reallohnindex«).

Schwache Entwicklung im Produzierenden Gewerbe – Was bringt die Zukunft?

Für die aktuell geringe Steigerungsrate ist hauptsächlich die schwache Entwicklung des Nominallohns im Produzierenden Gewerbe verantwortlich, die mit + 0,3 % im 2. Quartal 2019 kaum den Wert des Vorjahresquartals übersteigt, während im Dienstleistungsbereich mit einem Plus von 3,3 % eine deutliche Steigerung des Nominallohns gegenüber dem Vorjahreszeitraum erzielt wurde (Tabelle 1).

Angesichts der angespannten internationalen wirtschaftlichen Handelsbeziehungen aufgrund der Strafzollpolitik der USA, der Null- bzw. Negativzinspolitik der EZB, der andauernden Brexit-Verhandlungen mit weiterhin ungewissem Ausgang5 oder der sich insgesamt in einer schwierigen Situation befindlichen Automobilbranche als Schlüsselindustrie in Deutschland und Baden-Württemberg, häufen sich in letzter Zeit die weniger optimistischen Konjunkturprognosen.6 So spricht auch der Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie von einer unverkennbaren Konjunkturabkühlung mit rückläufigen Auftrags- und Umsatzzahlen.7 Wie stark dies künftig die baden-württembergische Wirtschaft, die Verdienstentwicklung, Inflationsrate und damit letztlich auch Verbraucherpreise und Reallohnindex beeinflusst, werden auch die Ergebnisse der kommenden vierteljährlichen Verdiensterhebungen und anderer amtlicher Wirtschaftsstatistiken zeigen.

1 Die Sonderzahlungen entsprechen den »sonstigen Bezügen« gemäß den Lohnsteuerrichtlinien. Dies sind unregelmäßige, nicht jeden Monat geleistete Zahlungen wie Urlaubs-, Weihnachtsgeld, Leistungsprämien, Abfindungen, Gewinnbeteiligungen, Prämien für Verbesserungsvorschläge, Vergütungen für Erfindungen oder der steuerliche Wert (geldwerter Vorteil) von Aktienoptionen.

2 Zu berücksichtigen ist, dass es sich um den unbereinigten Gender Pay Gap handelt, also eine Bereinigung um branchen-, berufs- oder qualifikationsspezifische Gehaltsunterschiede hierbei nicht erfolgt ist.

3 Siehe NI1-vj 2/19 (1): Verdienste und Arbeitszeiten der Arbeitnehmer/-innen im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Baden-Württemberg im 2. Quartal 2019, Statistische Berichte Baden-Württemberg.

4 »MINT« ist die Abkürzung für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

5 Vergleiche auch Pressemitteilung des Landesverbandes der Baden-Württembergischen Industrie e.V. vom 15.10.2019: Baden-württembergische Wirtschaft warnt vor unkalkulierbaren Risiken eines »No-Deal-Brexits«.

6 Wollmershäuser, Timo (2019): ifo Konjunkturprognose Herbst 2019 – Deutscher Wirtschaft droht Rezession, in: ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 17, 63–72.

7 Landesverband der Baden-Württembergischen Industrie e.V. 2019: LVI-Standpunkte 01/2019, dazu auch Pressemitteilung 252/2019 des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg vom 01.10.2019: Südwestindustrie im August 2019: Auftragsrückgang von 9,8 % zum Vorjahresmonat – Produktionsrückgang von 1,1 % – Umsatzminus von real 0,4 %.