:: 2/2020

Forschung und Entwicklung - Teil 1

Baden-Württemberg im nationalen Vergleich

Produkt-, Prozess- und Dienstleistungsinnovationen tragen zum wirtschaftlichen Erfolg einer Volkswirtschaft bei. Empirische Studien zur Wirkung von Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen – eine bedeutende Inputgröße im Innovationsprozess – zeigen meist einen positiven Einfluss auf die Produktivitätsentwicklung und auf gesamtwirtschaftliche Zielgrößen wie das Bruttoinlandsprodukt. Die Frage nach der Höhe der Forschungs- und Entwicklungsressourcen in Baden-Württemberg ist deshalb auch eine Frage nach dem Entwicklungspotenzial und der Wettbewerbsfähigkeit im Südwesten.

Mit diesem Beitrag beginnt eine Veröffentlichungsreihe von Analysen zum Thema »Forschung und Entwicklung (FuE)«, in der die FuE-Ressourcen und deren Veränderung im Zeitraum 2007 bis 2017 im sektoralen, nationalen und internationalen Vergleich betrachtet werden. Im Startbeitrag steht die Entwicklung der FuE-Ressourcen in Baden-Württemberg und Deutschland im Fokus.

Wie hoch sind die FuE-Ressourcen in Baden-Württemberg?

Im Jahr 2017 wurden in Baden-Württemberg insgesamt1 27,9 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert (i-Punkt: »Forschung und Entwicklung«). Gegenüber dem Jahr 20152 entspricht dies einem beachtlichen nominalen Zuwachs von rund 5,2 Mrd. Euro bzw. einer Steigerung der FuE-Ausgaben um 23 %. Innerhalb von 10 Jahren betrug der nominale Zuwachs 12,2 Mrd. Euro und damit der relative Zuwachs 78 %. In Baden-Württemberg lagen die FuE-Investitionen 2017 damit auf einem neuen Rekordniveau. Diese Mittel wurden für Sachaufwendungen, Investitionen und personelle FuE-Ressourcen eingesetzt. Das Forschungspersonal, gemessen in Vollzeitäquivalenten (VZÄ), erreichte ebenfalls ein Rekordniveau von 171 100 VZÄ. Dieses wurde gegenüber 2015 um rund 20 000 VZÄ aufgestockt; der Anstieg betrug damit 13 % (Tabelle 1).

Im Jahr 2017 waren die FuE-Ausgaben und der FuE-Personalbestand damit erneut in keinem Bundesland so hoch wie in Baden-Württemberg und über ein Viertel der deutschlandweiten FuE-Aktivitäten fanden in Baden-Württemberg statt (2017: 28 %, 2007: 26 %).3 Insgesamt wurden im Jahr 2017 in Deutschland knapp 99,6 Mrd. Euro für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Fast die Hälfte (gut 47 %) der gesamten FuE-Investitionen in Deutschland entfielen somit auf Baden-Württemberg und Bayern (Schaubild 1).

Wo findet Forschung und Entwicklung statt?

Die FuE-Aktivitäten werden sowohl von privatwirtschaftlichen Einrichtungen, das sind im wesentlichen Unternehmen (Wirtschaftssektor4), als auch von öffentlichen Stellen durchgeführt und finanziert. Der öffentliche Bereich setzt sich aus den Hochschulen (Hochschulsektor) sowie öffentlichen und überwiegend öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschulen (Staatssektor) zusammen.

In Deutschland wird der Hauptanteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung von den Unternehmen getätigt. Im Jahr 2017 waren dies 69,1 %. In Baden-Württemberg ist dieser Anteil des Wirtschaftssektors noch wesentlich höher, er betrug 83,6 % und ist damit im Vergleich zum Jahr 2007 um 2,2 Prozentpunkte gestiegen. Im langfristigen Vergleich zeigt sich in Baden-Württemberg eine Strukturveränderung. Im Wirtschaftssektor nehmen die Investitionen in Forschung und Entwicklung stetig zu. Die Ausgaben im Staatssektor sind dagegen in den vergangenen 10 Jahren um 1,7 Prozentpunkte auf nun 7,2 % und die des Hochschulsektors um 0,6 Prozentpunkte auf 9,2 % gesunken.

In Baden-Württemberg (84 %), Bayern (76 %) sowie Hessen und Rheinland-Pfalz (75 % bzw. 73 %) investierte der Wirtschaftssektor mit weitem Abstand am meisten in Forschung und Entwicklung. Der Anteil der Wirtschaft an den gesamten FuE-Ausgaben lag in diesen Bundesländern damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Aber auch in Niedersachsen war der Anteil des Wirtschaftssektors mit 71 % noch knapp über dem Bundesdurchschnitt und in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Thüringen betrug dieser noch über 50 %. In den verbleibenden Ländern dominierte mit dem Staats- und Hochschulsektor der öffentliche Bereich bei den FuE-Aktivitäten (Schaubild 2). In den ostdeutschen Bundesländern fiel der Anteil der in der Wirtschaft durchgeführten FuE-Aktivitäten insgesamt niedriger aus als in den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern ist die Wirtschaftsstruktur durch kleine und mittelständig Unternehmen geprägt, die weniger forschungsaktiv sind.

In den Unternehmen (Wirtschaftssektor) in Baden-Württemberg wurden 2017 rund 23,3 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung investiert. Gegenüber dem Jahr 2015 entspricht dies einem Zuwachs von rund 4,8 Mrd. Euro bzw. einer Steigerung der FuE-Ausgaben um beachtliche 26 %. Das FuE-Personal, gemessen in VZÄ, wurde im betrachteten Zeitraum um knapp 17 900 auf nun gut 131 900 ebenfalls stark aufgebaut (Veränderung gegenüber 2015: 16 %). Die insgesamt enorme Steigerung der FuE-Ressourcen im Jahr 2017 im Vergleich zum Jahr 2015 wurde somit im Wesentlichen von der Wirtschaft getragen. In keinem anderen Bundesland waren die FuE-Kapazitäten der Wirtschaft größer als im Südwesten. Der Anteil der FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland insgesamt belief sich auf stattliche 34 % (2007 und 2015: jeweils 30 %). Bayern folgt mit einem Anteil von 21 % auf Rang 2 (14,2 Mrd. Euro und 94 000 VZÄ). Auf diese beiden Bundesländer entfallen somit mehr als die Hälfte der gesamtdeutschen FuE-Ressourcen der Wirtschaft.5

In den über 100 außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Staatssektors in Baden-Württemberg wurden im Jahr 2017 rund 2 Mrd. Euro (2015: 1,9 Mrd. Euro) für Forschung und Entwicklung ausgegeben. In diesen Einrichtungen, zu denen unter anderem die Institute der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft zählen, waren 16 300 VZÄ (2015: 15 900 VZÄ) mit Forschungsaufgaben betraut. Mit einem Anteil von 15 % an den gesamten FuE-Ausgaben im Staatssektor in Deutschland insgesamt wurden die FuE-Kapazität des Südwestens nur von Nordrhein-Westfalen übertroffen (Anteil: knapp 16 %). Einen zweistelligen Anteil wiesen im Jahr 2017 darüber hinaus noch die Länder Bayern und Berlin auf (knapp 14 % bzw. 12 %).

Im Hochschulsektor Baden-Württembergs, der vier von insgesamt elf Eliteuniversitäten in Deutschland stellt, waren 2017 knapp 22 900 Personen, gemessen in VZÄ (2007 bzw. 2015: 16 000 bzw. 21 100 VZÄ), mit FuE-Tätigkeiten befasst. Die Ausgaben der Hochschulen für Forschung und Entwicklung beliefen sich auf 2,6 Mrd. Euro (2007 bzw. 2015: 1,5 bzw. 2,3 Mrd. Euro). Gemessen an den FuE-Ausgaben liegt Baden-Württemberg mit einem Anteil von knapp 15 % an den gesamten Ausgaben des Hochschulsektors in Deutschland inzwischen auf Platz 3 hinter Nordrhein-Westfalen und Bayern. Die Anteile Nordrhein-Westfalens und Bayerns betrugen 2017 22 % bzw. 15 %. Gemessen am FuE-Personal liegt Baden-Württemberg weiterhin mit einem Anteil von knapp 16 % auf dem zweiten Platz hinter Nordrhein-Westfalen (21 %).

FuE-Intensität in Baden-Württemberg auf neuem Rekordniveau

Mit den Kenngrößen FuE-Ausgaben und FuE-Personal liegen zwei aussagekräftige Inputindikatoren zu den FuE-Ressourcen einer Volkswirtschaft vor. Die absolute Höhe oder der Anteil der FuE-Ausgaben bezogen auf die Gesamtausgaben ist für einen Vergleich von Ländern und Regionen unterschiedlicher Größe oder Wirtschaftskraft jedoch nur bedingt geeignet. Aus diesem Grund werden allgemein für einen nationalen und internationalen Vergleich die nominalen FuE-Ausgaben zum nominalen Bruttoinlandsprodukt der Region in Bezug gesetzt (FuE-Intensität) und so eine international anerkannte Kennzahl ermittelt.

Die FuE-Intensität erhöhte sich durch die enorme Steigerung der FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg gegenüber dem Jahr 2015 um beachtliche 0,7 Prozentpunkte und kletterte damit im Jahr 2017 auf ein neues Rekordniveau von 5,6 %. Die Kennzahl liegt damit deutlich über der Marke von 3 %, die sich die Europäische Union zuerst im Rahmen der Lissabon-Strategie zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung für 2010 zum Ziel gesetzt und inzwischen bis zum Jahr 2020 fortgeschrieben hat.6 Im Jahr 2007 betrug die FuE-Intensität der privaten Wirtschaft und im staatlichen Bereich in Baden-Württemberg bereits knapp 4,2 %. Innerhalb von 10 Jahren hat sich der Wert dieser Kennzahl damit um rund 1,5 Prozentpunkte erhöht (Schaubild 3).

Baden-Württemberg wies 2017 wie auch 2007 unter allen Bundesländern die mit weitem Abstand höchste Forschungsintensität auf. Im Bundesländerranking liegt Baden-Württemberg inzwischen bei dieser Kennzahl mit einem Abstand von 2,2 Prozentpunkten vor dem Zweitplatzierten Berlin (3,4 %). Im Ranking 2017 der Bundesländer folgen Niedersachsen (3,1 %) und Bayern (3,1 %). Bundesweit betrug die Forschungsintensität 3,0 %.

Das EU-Ziel, 3 % des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung zu investieren, haben damit in Deutschland vier Bundesländer erreicht. Alle anderen Bundesländer lagen 2017 bei dieser Kennzahl unter dem Zielwert und dem Bundesdurchschnitt von 3 %. In Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt wurde jeweils nur 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts und somit am wenigsten für Forschung und Entwicklung ausgegeben (Schaubild 4).

FuE-Intensität: Beitrag der Sektoren

Im Jahr 2017 betrug die FuE-Intensität im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg 4,7 %. Dies ist mit weitem Abstand (2,4 Prozentpunkte) der höchste Wert im Bundesländervergleich. Damit investiert allein der Wirtschaftssektor bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt mehr in Forschung und Entwicklung als jedes andere Bundesland in allen Sektoren zusammen.7

Im Jahr 2007 betrugen die Forschungs- und Entwicklungsausgaben bezogen auf das BIP im öffentlichen Bereich (Staats- und Hochschulsektor) in Sachsen 1,2 %. Dies entsprach dem höchsten Wert aller Flächenländer.8 Dieser Wert stieg bis 2017 auf 1,6 % an. Inzwischen übertreffen alle ostdeutschen Bundesländer und die Stadtstaaten Berlin (2,0 %) und Bremen (1,9 %) eine FuE-Intensität von 1,0 %. In Baden-Württemberg konnte der öffentliche Bereich diese Zielmarke bisher nicht erreichen (Tabelle 2).

Worin liegt die Bedeutung staatlicher Investitionen in FuE?

FuE-Aktivitäten sind im Allgemeinen mit hohen Kosten verbunden und risikoreich. Da die Rentabilität besonders bei langen Entwicklungszeiten ungewiss ist, konzentrieren sich Unternehmen vorzugsweise auf FuE-Projekte, die kurz- oder mittelfristig zu Markteinführungen und den angestrebten Markterfolgen führen. Anreiz, dieses Risiko einzugehen, bietet auch der Patentschutz, der eine zeitlich begrenzte alleinige Nutzung eines neuen Produktes oder Verfahrens absichert.

Forschung und Entwicklung umfasst jedoch das gesamte Spektrum von Grundlagenforschung, angewandter Forschung und experimenteller Entwicklung. Die Grundlagenforschung, die im Wesentlichen im öffentlichen Bereich erfolgt, ist auf einen langfristigen Zeitraum ausgerichtet und orientiert sich dabei nicht an einer besonderen Anwendung oder Verwendung. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist ein solches Engagement in diesem Forschungsbereich wenig zielorientiert und sehr risikoreich. Die Grundlagenforschung dient jedoch der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und ist die Keimzelle für Schlüsseltechnologien der nächsten Generationen. Die FuE-Aktivitäten der beiden öffentlichen Sektoren bilden somit das Fundament unseres Forschungssystems. Vor diesem Hintergrund ist der Staat aktiv und greift fördernd ein.

Fazit

Die Investitionen der Wirtschaft und des öffentlichen Bereiches in Forschung und Entwicklung erreichten im Jahr 2017 in Baden-Württemberg einen neuen Rekordwert. Neben der Führungsrolle im Wirtschaftssektor nimmt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich bei den absoluten FuE-Ausgaben auch in den öffentlichen Sektoren einen Platz im Vorderfeld ein.

Bei der FuE-Intensität – einer international anerkannten Kennzahl – liegt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich mit weitem Abstand an der Spitze. Allein der Wirtschaftssektor investiert bezogen auf das BIP mehr in Forschung und Entwicklung als jedes andere Bundesland in allen Sektoren zusammen. Im öffentlichen Bereich befindet sich die FuE-Intensität von Baden-Württemberg im Bundesländervergleich allerdings nur im Mittelfeld, obwohl die beiden öffentlichen Sektoren mit der Grundlagenforschung und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses das Fundament des Forschungssystems bilden und die Industrie auch auf die langfristigen Forschungsergebnisse der öffentlichen Forschung angewiesen ist.

Im zweiten Teil dieser Veröffentlichungsreihe wird der dominante Wirtschaftssektor mit seinem hohen Zuwachs bei den FuE-Ressourcen im Fokus stehen.

1 Das heißt in den Forschungsstätten der Wirtschaft, an den Hochschulen und in den öffentlich geförderten FuE-Einrichtungen außerhalb der Hochschulen (Staatssektor).

2 Die Daten des Staats- und Hochschulsektors werden jährlich vom Statistischen Bundesamt und von den Statistischen Ämtern der Länder und die des Wirtschaftssektors im 2-jährigen Turnus von der Wissenschaftsstatistik GmbH im Stifterverband auf Bundesländerebene erhoben. Die FuE-Ressourcen insgesamt liegen damit auf Bundesländerebene nur im 2-jährigen Turnus vor. Aus diesem Grund werden für die kurzfristige Analyse die aktuell vorliegenden Daten des Jahres 2017 mit den Daten des Jahres 2015 verglichen.

3 Bezogen auf die aufteilbaren FuE-Ausgaben der Bundeländer.

4 Unternehmen einschließlich der Institutionen für Gemeinschaftsforschung (IfG). Im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg werden die FuE-Aktivitäten zu 99 % von Unternehmen geleistet, daher wird der Begriff Unternehmen hier synonym zu Wirtschaftssektor verwendet.

5 Siehe auch Tabellenwerk unter: https://www.statistik-bw.de/GesamtwBranchen/ForschEntwicklung/ (Abruf: 03.01.2020).

6 Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den derzeit in Deutschland aktuellen Wert von 3,0 % bis 2025 auf 3,5 % zu steigern. https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/forschungsstandort-deutschland-staerken-1613624 (Abruf: 03.01.2020).

7 Der Wirtschaftssektor wird im zweiten Beitrag dieser Reihe näher betrachtet.

8 Aufgrund der häufigen Ansiedlung von Einrichtungen des staatlichen Bereichs in Ballungsräumen sind die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg bei dieser Kennzahl mit den Flächenländern nur eingeschränkt vergleichbar.