:: 3/2020

Forschung und Entwicklung – Teil 2

FuE im Wirtschaftssektor Baden-Württembergs – nationaler Vergleich

Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten werden sowohl von privatwirtschaftlichen Einrichtungen (Wirtschaftssektor), als auch von öffentlichen Stellen1 durchgeführt und finanziert. In Baden-Württemberg und auch in Deutschland wird der Hauptanteil der Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) vom Wirtschaftssektor getätigt, und zwar waren dies 2017 im Südwesten 84 % und in Deutschland 69 %. Hierzu zählen die FuE-Aktivitäten in Unternehmen und Institutionen für Gemeinschaftsforschung (IfG2). In Baden-Württemberg werden die FuE-Aktivitäten dabei mit gut 99 % fast ausschließlich von den Unternehmen geleistet.3 Im zweiten Teil dieser Veröffentlichungsreihe stehen die Unternehmen in Baden-Württemberg mit ihren deutschlandweit enormen FuE-Ressourcen im Fokus der Analyse.

Baden-Württemberg mit höchster FuE-Intensität

Im Jahr 2017 betrug der Anteil der FuE-Ausgaben bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg 4,7 % (FuE-Intensität4). Dies ist mit weitem Abstand der höchste Wert, der bei dieser Kennzahl im Wirtschaftssektor in Deutschland je erreicht wurde. Seit 2007 hat sich damit die FuE-Intensität in Baden-Württemberg um enorme 1,3 Prozentpunkte erhöht (Schaubild 1). Kein anderes Bundesland konnte bei dieser Kennzahl einen ähnlich großen Zuwachs verbuchen. Die größte Veränderung erfolgte dabei im Zeitraum 20155 bis 2017, und zwar um 0,7 Prozentpunkte. Mit diesem beeindrucken­den Anstieg der FuE-Intensität liegt der Südwesten im Ranking der Bundesländer im Wirtschaftssektor mit sehr weitem Abstand auf dem ersten Platz. Eine FuE-Intensität über 2 % wiesen im Wirtschaftssektor im Jahr 2017 nur noch die Bundesländer Bayern, Niedersachsen und Hessen auf. Im Bundesländervergleich wird damit im Wirtschaftssektor in Deutschland bei dieser Kennzahl ein deutliches West-Ost-Gefälle erkennbar. In Deutschland insgesamt betrug die FuE-Intensität im Wirtschaftssektor 2,1 %. Die geringste FuE-Intensität im Wirtschaftssektor errechnet sich 2017 für die »neuen« Bundesländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Hier wurden im Wirtschaftssektor lediglich 0,6 % bzw. 0,4 % des Bruttoinlandsproduktes in FuE investiert. Das im Wirtschaftssektor forschungsintensivste »neue« Bundesland ist weiterhin Sachsen mit einer FuE-Intensität von 1,2 %. Hier ging die Kennzahl im Zeitraum 2007 bis 2017 jedoch leicht zurück. Die FuE-Ausgaben haben sich in Sachsen im Zeitverlauf zwar weiter erhöht, der größere Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt führte jedoch zu einem Rückgang bei dieser Kennzahl.

Forschungs- und Entwicklungsausgaben im Bundesländervergleich

In keinem anderen Bundesland waren die absoluten FuE-Kapazitäten der Wirtschaft größer als hierzulande. Die baden-württembergischen Unternehmen investierten 2017 rund 23,3 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung. Gegenüber dem Jahr 2015 entspricht dies einem Zuwachs von rund 4,8 Mrd. Euro bzw. einer Steigerung der FuE-Ausgaben6 um beachtliche 26 %. Innerhalb von 10 Jahren betrug der nominale Zuwachs im Südwesten damit 10,6 Mrd. Euro bzw. 83 %. Dies war im Zeitabschnitt 2007 bis 2017 im Bundesländervergleich der mit Abstand stärkste absolute Zuwachs bei den FuE-Ausgaben. Um 4,6 Mrd. Euro bzw. 2,8 Mrd. Euro stockten die im Ranking folgenden Bundesländer Bayern und Niedersachsen ihre FuE-Ausgaben auf.

Der Anteil der FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland insgesamt belief sich 2017 auf stattliche 34 %. Mit einem Anteil von 21 % folgt Bayern auf Rang 2. Auf diese beiden süddeutschen Bundesländer entfallen damit mehr als die Hälfte der bundesweiten FuE-Ausgaben der Wirtschaft. Mit einem zweistelligen Anteil bei den deutschlandweiten FuE-Ausgaben ist nur noch Nordrhein-Westfalen vertreten. Niedersachsen und Hessen liegt mit rund 9 % leicht unter dieser Schwelle. Thüringen, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Sachsen-Anhalt weisen bei den FuE-Aktivitäten nur einen geringen Anteil von teilweise merklich unter 1 % auf (Tabelle).

Forschungs- und Entwicklungspersonal im Bundesländervergleich

Die FuE-Personalkapazitäten in Baden-Württemberg erreichten mit rund 131 900 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) im Jahr 2017 einen neuen Höchststand. Gegenüber 2015 wurde das FuE-Personal um weitere 17 900 VZÄ bzw. 16 % damit erneut deutlich ausgeweitet (2015: 12 %). Dies war im Zeitabschnitt 2015 bis 2017 im Bundesländervergleich der stärkste absolute Zuwachs beim FuE-Personal. Um 3 200 bzw. 3 000 VZÄ stockten die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen ihr FuE-Personal auf und in Hamburg, Hessen und in Sachsen lag die Zunahme noch bei über 1 000 VZÄ. Hingegen ging die Zahl der Beschäftigten in FuE in Rheinland-Pfalz und Berlin sogar leicht zurück (300 bzw. 80 VZÄ). Insgesamt wurde im Wirtschaftssektor in Deutschland 2017 das FuE-Personal damit gegenüber 2015 um 31 800 auf insgesamt 404 800 VZÄ aufgestockt. Über die Hälfte des Zuwachses von 2015 auf 2017 entfiel damit auf Baden-Württemberg.

Im Zeitraum 2007 bis 20177 stieg die Gesamtzahl der Forscher/-innen, Entwickler/-innen und deren Assistentinnen und Assistenten sowie Hilfskräfte in allen Bundesländern. Die personellen FuE-Ressourcen der baden-württembergischen Unternehmen nahmen in diesem Zeitraum beachtlich, und zwar um etwa 44 200 Personen zu (50 %, Schaubild 2). Ein deutlicher Aufbau beim FuE-Personal fand ansonsten nur noch in Bayern und Nordrhein-Westfalen (22 300 bzw. 13 200 VZÄ) statt. In den Unternehmen erhöhte sich bundesweit in diesem Betrachtungszeitraum das FuE-Personal um gut 114 700 VZÄ (36 %). Auf baden-württembergische Unternehmen entfielen somit rund 39 % der deutschlandweit im Wirtschaftssektor aufgebauten personellen FuE-Ressourcen. Dieser enorme Aufbau des FuE-Personals zeigt den festen Willen der baden-württembergischen Wirtschaft, im Innovationswettlauf weiter eine führende Rolle einzunehmen.

Im Südwesten ist über die Hälfte des FuE-Personals in Großunternehmen beschäftigt

In Deutschland bestimmen überwiegend die besonders forschungsaktiven Großunternehmen die gesamtwirtschaftlichen FuE-Aktivitäten. So ist im Wirtschaftssektor Baden-Württembergs 2017 über die Hälfte des FuE-Personals (54 %) in Großunternehmen mit mehr als 10 000 Beschäftigten tätig. In Deutschland lag dieser Anteil bei 39 %. Kleinere und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten (KMU)8 sind weniger forschungsaktiv als Großunternehmen. FuE-Aktivitäten sind mit hohen Kosten verbunden und daher besonders für KMU sehr risikoreich. Zusätzlich wird die Rendite der FuE-Investitionen durch die zunehmende technologische Komplexität und die immer kürzer werdenden Produktzyklen gemindert. KMU haben außerdem im Wettbewerb um hochqualifiziertes FuE-Personal und bei der Finanzierung von FuE-Aktivitäten eine schlechtere Ausgangslage als Großunternehmen. KMU stellen zwar am gesamtwirtschaftlichen FuE-Volumen einen vergleichsweise geringen Anteil, gleichwohl gelten sie als zentrale Akteure bei der Anwendung neuer Technologien und der Verbreitung von Innovationen.9

Der Anteil des FuE-Personals in KMU ist im Südwesten gering

In Baden-Württemberg waren 2017 etwa 13 300 Personen in KMU mit Forschung und Entwicklung beschäftigt. Der Anteil des FuE-Personals in KMU im Wirtschaftssektor im Südwesten betrug damit nur 10 %. In keinem anderen Bundesland war 2017 dieser Anteil geringer als in Baden-Württemberg. Bundesweit waren die KMU im Jahr 2017 mit 16 % in den FuE-Prozess eingebunden. Bei einer gesamtdeutschen Betrachtung sind indes deutliche Unterschiede zwischen den alten und neuen Bundesländern festzustellen. In den neuen Bundesländern sind nur sehr wenige forschende Großunternehmen angesiedelt, sodass die FuE-Aktivitäten der kleinen und mittleren Unternehmen in den neuen Bundesländern eine viel höhere Bedeutung aufweisen als in den alten Bundesländern. Der Anteil des FuE-Personals in KMU in den neuen Bundesländern ist deshalb auch deutlich höher als in den alten Bundesländern. In Sachsen-Anhalt waren sogar 66 % des FuE-Personals in KMU tätig (Schaubild 3).

Baden-Württemberg stellt innerhalb Deutschlands die höchsten FuE-Ressourcen in KMU

Betrachtet man die FuE-Personalausstattung in den KMU deutschlandweit, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. In keinem anderen Bundesland waren die FuE-Ressourcen der KMU größer als hierzulande. Bezogen auf das FuE-Personal erreichte die FuE-Personalkapazität mit 13 300 VZÄ in Baden-Württemberg 2017 einen neuen Höchststand (2007: 9 200 VZÄ). Gegenüber 2015 wurde das FuE-Personal um weitere 1 200 VZÄ oder 16 % deutlich ausgeweitet. Dies war im Zeitabschnitt 2015 bis 2017 im Bundesländervergleich zusammen mit Bayern, hier wurde das FuE-Personal in KMU ebenfalls um 1 200 VZÄ aufgestockt, der stärkste absolute Zuwachs. Deutschlandweit war 2017 das FuE-Personal in KMU gegenüber 2015 um rund 7 400 auf 70 300 VZÄ gestiegen. Damit entfiel 2017 fast ein Fünftel (19 %) der deutschlandweiten FuE-Ressourcen in KMU auf baden-württembergische Unternehmen bzw. gut die Hälfte des gesamten FuE-Personals in KMU in Deutschland auf Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen (Schaubild 4).

Forschung ist männlich

Der Anteil der Frauen am gesamten FuE-Personal lag 2017 wie in den Vorjahren bundesweit nur bei knapp 19 %. In Baden-Württemberg ist dieser Anteil noch geringer, und zwar um 3,5 Prozentpunkte. Eine nahezu Gleichverteilung beim Anteil der Forscherinnen und Forscher ist sowohl deutschlandweit als auch in Baden-Württemberg nur in der Pharmazeutischen Industrie festzustellen.

Ein sehr geringer Frauenanteil bei den Forschungsaktivitäten ist in Baden-Württemberg im Kraftfahrzeugbau auszumachen – deutschlandweit und in Baden-Württemberg liegt hier der Anteil der Forscherinnen bei nur 11 % bzw. knapp 12 %. Die geringe Präsenz von Frauen, insbesondere im Kraftfahrzeugbau, wird durch verschiedene Faktoren verursacht. Unter anderem dürfte sich hier auswirken, dass die Forschungsbereiche in diesem Wirtschaftszweig (WZ) stark natur- und ingenieurwissenschaftlich ausgerichtet sind. Die hierfür erforderlichen MINT-Studiengänge werden vorzugsweise von Männern gewählt.

FuE-intensive Industriezweige

Forschung und Entwicklung werden in der Industrie unterschiedlich intensiv betrieben. Wirtschaftszweige mit besonders hohen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten werden als FuE-intensive Industriezweige (i-Punkt »Forschungsintensive Branchen«) bezeichnet. Hierzu zählen Wirtschaftsbereiche, bei denen der Anteil der FuE-Aufwendungen am Umsatz bei mehr als 3 % liegt. Diese haben in Baden-Württemberg eine hohe Bedeutung. Etwa ein Viertel der Bruttowertschöpfung wird in Baden-Württemberg von den FuE-intensiven Industriebranchen wie beispielsweise dem Kraftfahrzeugbau, der Elektrotechnik und dem Maschinenbau erbracht. Entsprechend der strukturellen Gegebenheiten in Baden-Württemberg sind es deshalb auch die FuE-intensiven Industriezweige, die das Forschungsgeschehen der Wirtschaft im Lande prägen. Mit einem Anteil von 82 % an den gesamten unternehmerischen FuE-Aufwendungen im Land haben die baden-württembergischen FuE-intensiven Branchen das zweithöchste Gewicht in der deutschen Wirtschaft nach Niedersachsen (84 %). Berechnet man diese Größe für das FuE-Personal, so weist Baden-Württemberg mit 75 % das höchste Gewicht am gesamten unternehmerischen FuE-Personal in der deutschen Wirtschaft auf. Überdurchschnittlich in die FuE-intensiven Industriezweige investieren bei den FuE-Ausgaben und dem FuE-Personal neben Niedersachsen und Baden-Württemberg außerdem die Flächenländer Bayern und Rheinland-Pfalz. In Deutschland wurden 2017 von den Unternehmen in den forschungsintensiven Industriezweigen 77 % der internen FuE-Aufwendungen getätigt bzw. 69 % des FuE-Personals eingesetzt. 33 % aller in diesem Sektor deutschlandweit eingesetzten FuE-Beschäftigten entfielen hiervon auf Unternehmen in Baden-Württemberg.

Forschungsintensive Dienstleistungen

Zu den forschungsintensiven Dienstleistungen zählen Wirtschaftsbereiche, bei denen der Anteil der FuE-Aufwendungen am Umsatz ebenfalls bei mehr als 3 % liegt, beispielsweise die Branche Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie. Die FuE-Ressourcen gemessen am FuE-Personal der forschungsintensiven Dienstleistungsunternehmen lagen hierzulande 2017 bei knapp 21 400 VZÄ (2015: 17 900 VZÄ). Der Anteil des FuE-Personals dieser Branche am gesamten FuE-Personal im Land lag damit bei 16 %. Bundesweit waren hier 2017 knapp 74 400 VZÄ beschäftigt (2015: 66 700 VZÄ). Damit entfielen 2017 rund 29 % aller in diesem Sektor deutschlandweit eingesetzten FuE-Beschäftigten auf Unternehmen in Baden-Württemberg. Dies ist der höchste Wert unter den Bundesländern und 2 Prozentpunkte mehr als noch 2015. Der Südwesten und Bayern (20 %) stellen damit rund die Hälfte des FuE-Personals in den forschungsintensiven Dienstleistungsunternehmen in Deutschland.

Branchenausrichtung in Baden-Württemberg …

Die Dominanz des Wirtschaftssektors bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung in Baden-Württemberg und Deutschland ist insbesondere auf den Kraftfahrzeugbau zurückzuführen. Von baden-württembergischen Unternehmen wurden 2017 in dieser Branche rund 12,7 Mrd. Euro (2015: 9,1 Mrd. Euro) für Forschung und Entwicklung aufgewendet, ein Zuwachs gegenüber 2015 von 3,6 Mrd. Euro bzw. beachtlichen 39 %. Die außerordentliche Erweiterung der FuE-Ressourcen im Zeitraum 2015 bis 2017 wurde damit zu einem großen Teil von dieser baden-württembergischen Schüsselbranche getragen. Damit entfielen 2017 gut 54 % der im Wirtschaftssektor in Baden-Württemberg investierten FuE-Aufwendungen allein auf diese Branche und 49 % der deutschlandweiten FuE-Aufwendungen der Kfz-Branche wurden von Unternehmen aus Baden-Württemberg getätigt. Hier zeigt sich die enorme FuE-Kapazität der weltweit agierenden Kfz-Hersteller und Zulieferfirmen im Land, die vor großen Herausforderungen stehen. Die angestrebte Transformation vom Verbrennungsmotor hin zur Elektromobilität, das autonome Fahren und neue innovative Dienstleistungen wie Sharing-Modelle erfordern einen immensen Einsatz von FuE-Ressourcen.

Zwei weitere bedeutende Branchen des industriellen Forschungsstandorts im Südwesten sind die Elektrotechnik und der Maschinenbau. In diesen Branchen fielen im Jahr 2017 FuE-Aufwendungen in Höhe von gut 2,7 Mrd. Euro bzw. knapp 2,2 Mrd. Euro an (2015: 2,5 bzw. 1,9 Mrd. Euro). Damit waren knapp 20 10010 bzw. gut 15 800 Personen (2015: knapp 21 400 VZÄ bzw. gut 14 200 VZÄ) mit FuE-Aufgaben betraut. Deutschlandweit entfielen 26 % bzw. 31 % der gesamten getätigten FuE-Aufwendungen der Elektrotechnik bzw. des Maschinenbaus auf baden-württembergische Unternehmen. Auch in den Dienstleistungssparten Information und Kommunikation werden hierzulande beachtliche FuE-Ressourcen investiert. Die FuE-Aufwendungen dieser Branchen lagen 2017 in Baden-Württemberg bei 1,7 Mrd. Euro und der Anteil dieser FuE-Aufwendungen an den gesamten FuE-Aufwendungen in Baden-Württemberg betrug 7,2 %. Inzwischen entfallen damit 49 % aller deutschlandweit getätigten FuE-Aufwendungen der Informations- und Kommunikationsdienstleister auf Unternehmen aus Baden-Württemberg (Schaubild 5).

… und in den übrigen Bundesländern

Die übrigen Bundesländer weisen entsprechend ihrer Wirtschaftsstruktur bei den FuE-Aktivitäten sehr unterschiedliche Schwerpunkte auf. In Bayern sind die Forschungsschwerpunkte ähnlich wie in Baden-Württemberg ausgerichtet.

Neben dem Kraftfahrzeugbau mit 36 % hat hier auch die Elektrotechnik mit 21 % einen bedeutenden Anteil an den FuE-Aktivitäten und der Maschinenbau stellt einen Anteil von 14 %. Insgesamt sind in Bayern damit die FuE-Aktivitäten gleichmäßiger als in Baden-Württemberg auf die Branchen verteilt. Noch deutlicher im Branchenmix ausgeglichen ist Nordrhein-Westfalen. Hier wurden 22 % der internen FuE-Aufwendungen in der Branche Elektrotechnik, 16 % in der Chemischen Industrie und 16 % im Kraftfahrzeugbau investiert. Der FuE-Schwerpunkt in Hessen lag 2017 dagegen mit 31 % im Kraftfahrzeugbau, 19 % in der Pharmazeutischen Industrie und mit 10 % in der Elektrotechnik. Neben Baden-Württemberg sind auch in Niedersachsen die FuE-Aktivitäten besonders stark auf den Kraftfahrzeugbau ausgerichtet. Mit einem Anteil von 63 % sogar noch deutlicher als in Baden-Württemberg. In Rheinland-Pfalz überwiegen mit einem Anteil von über 42 % die FuE-Aktivitäten in der Branche Chemische Industrie. In den neuen Bundesländern bildet neben der Elektrotechnik die Branche »Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen« einen Schwerpunkt bei den FuE-Investitionen (Schaubild 6).

IKT-Sektor11

Der Informations- und Kommunikationstechnologiesektor (IKT-Sektor) setzt sich aus sehr unterschiedlichen Branchen zusammen. Im IKT-Sektor werden Wirtschaftszweige des produzierenden Gewerbes (IKT-Warenproduktion), des Handels mit IKT-Gütern (IKT-Handel12) und solche Wirtschaftszweige zusammengefasst, die in ihrer Haupttätigkeit Serviceleistungen im Bereich der Informationstechnik und Telekommunikation anbieten (IKT-Dienstleistungen12).

2017 wurden in allen Bundesländern FuE-Aktivitäten im IKT-Sektor nachgewiesen. Der Anteil der FuE-Aufwendungen der einzelnen Länder an den FuE-Aufwendungen in Deutschland in diesem Sektor insgesamt unterscheidet sich allerdings erheblich. Im IKT-Sektor wurden 2017 im Wirtschaftssektor im Südwesten FuE-Aufwendungen von 2,5 Mrd. Euro bzw. knapp 11 % der gesamten FuE-Aufwendungen in Baden-Württemberg getätigt. Hierzulande werden damit 38 % der deutschlandweiten FuE-Investitionen des IKT-Sektors getätigt (Schaubild 7). Neben Baden-Württemberg wies 2017 nur noch Bayern einen FuE-Anteil im zweistelligen Bereich aus und zusammen mit den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Hessen, Berlin sowie Hamburg decken diese sieben Bundesländer 90 % der deutschlandweiten FuE-Aufwendungen im IKT-Sektor ab. Bezieht man die Daten des FuE-Personals in die Analyse ein, so ergibt sich ein ähnliches Bild. Im IKT-Sektor waren 2017 im Südwesten 14 900 VZÄ mit FuE-Aufgaben betraut bzw. 11 % des gesamten FuE-Personals in Baden-Württemberg. Hierzulande werden im IKT-Sektors damit gut 31 % des deutschlandweiten FuE-Personals eingesetzt. Neben Baden-Württemberg wies 2017 nur Bayern (24 %) und Nordrhein-Westfalen (10 %) einen FuE-Anteil im zweistelligen Bereich auf.

Aufgrund von unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen in den Bundesländern sind die FuE-Aufwendungen auch uneinheitlich auf die beiden hier betrachteten Teilbereiche des IKT-Sektors verteilt. Die FuE-Aufwendungen in Baden-Württemberg wurden zu 32 % (2015: 42 %)13 im Bereich IKT-Warenproduktion und zu 68 % (2015: 58 %) im Bereich IKT-Dienstleistungen getätigt. Deutschlandweit ist der Anteil der beiden Bereiche quasi ausgeglichen. In Bayern und Nordrhein-Westfalen liegt der Schwerpunkt der FuE-Aktivitäten mit 69 % bzw. 65 % im IKT-Teilbereich Warenproduktion, In Sachsen liegt der Schwerpunkt der FuE-Aktivitäten mit einem Anteil von 66 % im IKT-Dienstleistungsbereich.

Rückgang beim FuE-Personal im IKT-Sektor

Im IKT-Sektor war 2017 in Deutschland und Baden-Württemberg ein Rückgang der FuE-Ressourcen gegenüber 2015 festzustellen, der sich besonders deutlich beim FuE-Personal zeigt. Das FuE-Personal ging im Betrachtungszeitraum in Deutschland von 53 900 auf 47 200 VZÄ und im Südwesten von 18 000 auf 14 900 VZÄ zurück (– 13 % bzw. – 17 %). Betrachtet man die Daten in den beiden für die FuE-Aktivitäten relevanten Teilbereichen IKT-Warenproduktion und IKT-Dienstleistungen im Einzelnen, so zeigt sich hier eine unterschiedliche Entwicklung. Das FuE-Personal wurde in Baden-Württemberg im Bereich IKT-Warenproduktion um 4 700 VZÄ auf nun 4 800 VZÄ deutlich reduziert und im Bereich IKT-Dienstleistungen um 1 600 auf 10 000 VZÄ weiter aufgestockt. Etwa äquivalent, jedoch mit doppeltem Umfang, verlief die Entwicklung in Deutschland. Dieses Bild der Ab- und Zunahme in den beiden Teilbereichen des IKT-Sektors zeigte sich so auch in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen. In Hessen ging das FuE-Personal hingegen in beiden Teilbereichen zurück und in Sachsen und Hamburg wurde das FuE-Personal im Zeitraum 2015 bis 2017 in beiden Teilbereichen aufgestockt.14 Investitionen in Forschung und Entwicklung sind eine wichtige Ausgangsbasis für die Generierung von Innovationen. Zusätzliche FuE-Investitionen, besonders im Teilbereich IKT-Dienstleistungen, können die Wettbewerbsfähigkeit in neuen Themenfeldern wie beispielsweise der Digitalisierung ausbauen und damit den Rückgang im Bereich IKT-Warenproduktion ausgleichen.

Fazit

Die Investitionen der baden-württembergischen Unternehmen in Forschung und Entwicklung erreichten im Jahr 2017 einen neuen Rekordwert. Damit bestätigte sich für Baden-Württemberg die Führungsrolle bei den Forschungs- und Entwicklungsaktivtäten im Bundesländervergleich. Der Anteil der FuE-Ausgaben in Baden-Württemberg an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Deutschland belief sich 2017 im Wirtschaftssektor auf stattliche 34 %. In Baden-Württemberg bestimmen überwiegend die besonders forschungsaktiven Großunternehmen die gesamtwirtschaftlichen FuE-Aktivitäten. Im deutschlandweiten Vergleich stellt Baden-Württemberg jedoch auch bei KMU die höchsten FuE-Ressourcen bereit.

Die Dominanz des Wirtschaftssektors bei den Investitionen in Forschung und Entwicklung ist in Baden-Württemberg insbesondere auf den Kraftfahrzeugbau zurückzuführen. Von baden-württembergischen Unternehmen wurden 2017 in dieser Branche rund 12,7 Mrd. Euro (2015: 9,1 Mrd. Euro) für Forschung und Entwicklung aufgewendet, ein Zuwachs gegenüber 2015 von 3,6 Mrd. Euro bzw. beachtlichen 39 %. Die außerordentliche Erweiterung der FuE-Ressourcen im Zeitraum 2015 bis 2017 wurde damit zu einem großen Teil von dieser baden-württembergischen Schüsselbranche getragen. Dies zeigt die anhaltende Strategie dieser Unternehmen, im Innovationswettlauf auch zukünftig eine führende Rolle einzunehmen.

Im dritten Teil dieser Veröffentlichungsreihe werden die FuE-Ressourcen der Kreise in Baden-Württemberg im Fokus stehen.

1 Staats- und Hochschulsektor.

2 IfG sind private Organisationen ohne Erwerbszweck, die in erster Linie für Unternehmen tätig sind. Beispiele für IfG sind die Industrie- und Handelskammern sowie die Forschungsinstitute, die der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen »Otto von Guericke« e.V. (AiF) zuzuordnen sind. Das zentrale Anliegen der AiF besteht in der Förderung angewandter Forschung und Entwicklung zu Gunsten kleiner und mittlerer Unternehmen.

3 Nachfolgend wird die Bezeichnung Wirtschaftssektor und Wirtschaft synonym zu der Bezeichnung Unternehmen verwendet.

4 Zur Berechnung der FuE-Intensität werden die nominalen FuE-Ausgaben einer Region in Bezug zum nominalen Bruttoinlandsprodukt dieser Region gesetzt.

5 Zur Ermittlung der FuE-Aktivitäten im Wirtschaftssektor werden die FuE-Aufwendungen und das FuE-Personal im 2-jährigen Turnus von der Wissenschaftsstatistik GmbH des Stifterverbands im Wirtschaftssektor auf Bundesländerebene erhoben.

6 Nachfolgend werden die Begriffe FuE-Ausgaben bzw. FuE-Investitionen synonym für interne FuE-Aufwendungen im Wirtschaftssektor verwendet. Dies sind Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die im Inland im Wirtschaftssektor anfallen, ungeachtet der Finanzierungsquellen.

7 Bei der Analyse der FuE-Ressourcen ist zu berücksichtigen, dass im zeitlichen Verlauf die Bewertung der Kennzahl »FuE-Personal« im Gegensatz zu der Kennzahl »FuE-Ausgaben« nicht von Preiseffekten beeinträchtigt wird. Die Kennzahl FuE-Personal bildet daher die reale Entwicklung der FuE-Aktivitäten im Zeitverlauf besser ab als die Kennzahl FuE-Ausgaben.

8 KMU-Definition entsprechend der Europäischen Kommission.

9 Vgl. beispielsweise Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI, 2008), S. 23 und EFI (2016), S. 34 ff »Der Beitrag von KMU zu Forschung und Innovation in Deutschland«.

10 Im Wirtschaftszweig Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (WZ 26) war im Zeitraum 2015 bis 2017 ein Rückgang des FuE-Personals von 2 000 VZÄ und im Wirtschaftszweig Herstellung von elektrischen Ausrüstungen (WZ 27) ein Zuwachs von rund 600 VZÄ zu verzeichnen, siehe auch nachfolgender Abschnitt IKT-Sektor.

11 Zur Abgrenzung der Wirtschaftszweige siehe Forschungs- und Entwicklungsmonitor Baden-Württemberg, in: Statistische Analysen, 01/2018, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg (Hrsg.), S. 78. https://www.statistik-bw.de/Service/Veroeff/Statistische_Analysen/803318001.pdf (Abruf: 10.02.2020).

12 Wirtschaftszweig 46.5: Hier werden in Deutschland keine FuE-Aktivitäten nachgewiesen.

13 Hier werden nur in den Wirtschaftszweigen 61, 62 und 63.1 FuE-Aktivitäten nachgewiesen. Im Jahr 2017 wurden die FuE-Investitionen der IKT-Dienstleistungen in Baden-Württemberg nahezu vollständig für Programmierungstätigkeiten aufgewendet (98 %).

14 Der Hintergrund zu diesem starken Rückgang wird nachfolgend erläutert.

15 In die Analyse wurden nur Bundesländer einbezogen, deren FuE-Ressourcen im IKT-Sektor 2017 in Deutschland über 3 % lagen.