:: 4/2020

Wie viele Musliminnen und Muslime leben in Baden-Württemberg?

Ansatz und Ergebnisse einer Schätzung zur muslimischen Bevölkerung im Südwesten

Religionszugehörigkeit und Religiosität sind gesellschaftliche Themen, die in der öffentlichen Debatte schon immer einen großen Raum eingenommen haben. Gleichzeitig handelt es sich dabei jedoch auch um Themen, über die viel spekuliert wird. Ursächlich hierfür ist zum einen, dass hierzu zu wenige belastbare Daten vorliegen, weil die meisten Religionsgemeinschaften die Zahl der Gläubigen nicht erfassen. Zum anderen liegt dies sicherlich auch daran, dass Glaube und Religiosität sehr private Themen sind, zu denen sich nicht jeder äußern möchte.1

In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Frage an das Statistische Landesamt gerichtet, wie viele Musliminnen und Muslime in Baden-Württemberg leben. Anhand der verfügbaren Datenquellen ist diese aber nicht unmittelbar zu beantworten, da hierzu einerseits nicht auf Ergebnisse muslimischer Verbände zurückgegriffen werden kann2 und es andererseits auch keine entsprechenden Angaben in amtlichen Statistiken gibt.3 Um diese Informationslücke zu schließen, hat das Statistische Landesamt eine Schätzung zur Zahl der Musliminnen und Muslime in Baden-Württemberg durchgeführt. Im folgenden Beitrag werden der gewählte Ansatz und die damit erzielten Ergebnisse vorgestellt.

Ein Blick zurück: Musliminnen und Muslime in Baden-Württemberg …

Musliminnen und Muslime in größerer Zahl leben in Baden-Württemberg erst seit den Anwerbeabkommen Deutschlands der 1960er-Jahre mit der Türkei, Tunesien und Marokko.4 Wie viele der Einwohner damals im Südwesten aber einen muslimischen Glauben hatten, ist nicht bekannt. Erstmals erfasst wurde deren Zahl durch die 1987 durchgeführte Volkszählung. Demnach waren damals rund 273 000 Personen5 in Baden-Württemberg Mitglied der islamischen Religionsgemeinschaft.6

Danach dauerte es rund 15 Jahre, bis aktuellere Ergebnisse für Baden-Württemberg veröffentlich wurden. Ein für den Ministerrat des Landes Baden-Württemberg im Jahr 2005 erstellter Bericht kam zu dem Ergebnis, dass sich die Zahl der Musliminnen und Muslime seit der Volkszählung am 25.05.1987 bis zum 31.12.2003 auf 609 000 Menschen mehr als verdoppelt hatte. Diese Zahl entsprach etwa 5,7 % der damaligen Gesamtbevölkerung; annähernd ein Drittel der Musliminnen und Muslime hatte einen deutschen Pass. Die mit Abstand stärkste ausländische Gruppe bildeten türkische Staatsangehörige mit knapp 313 000 Personen.7

Im Jahr 2011 wurde die nächste, dieses Mal registerbasierte Volkszählung durchgeführt. Der Zensus 2011 konnte allerdings keine aktuelleren Ergebnisse zur Zahl der Musliminnen und Muslime zur Verfügung stellen. Zwar wurde neben der Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft auch das Bekenntnis zu einer Religion bzw. Glaubensrichtung erhoben. Aufgrund der hohen Antwortausfälle bei dieser freiwilligen Frage wurden jedoch keine belastbaren Ergebnisse zur Zahl der Musliminnen und Muslime ermittelt.8 Allerdings lieferte der Zensus 2011 detaillierte Angaben zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund und zwar differenziert nach ausgewählten Staatsangehörigkeiten.9 Diese konnten – wie zu zeigen sein wird – als eine wichtige Datenquelle für eine Schätzung der Zahl der Muslime in Baden-Württemberg herangezogen werden.

… und über Baden-Württemberg hinaus

Für Deutschland, für andere Bundesländer oder für einzelne Großstädte wurden bisher insbesondere folgende Schätzungen zur Zahl der Musliminnen und Muslime durchgeführt:

  • Vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für Deutschland und zwar für die Jahre 200810 und 201511;
  • ebenfalls vom BAMF für Nordrhein-Westfalen12;
  • vom Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa für das Land Hessen13;
  • vom Statistischen Amt Stuttgart für die baden-württembergischen Landeshauptstadt14 und
  • von der Stadt Frankfurt am Main für die Mainmetropole.15

Zwar wurden bei diesen Arbeiten – nicht zuletzt aufgrund der Datenverfügbarkeit – im Detail unterschiedliche Ansätze gewählt, gemeinsam war aber allen genannten Schätzungen, dass folgende Daten verwendet wurden:

  • Angaben zur Zahl der Personen mit einem Migrationshintergrund aus relevanten muslimisch geprägten Herkunftsstaaten; hierzu zählen zum einen ausländische Staatsangehörige und zum anderen aber auch Deutsche mit einem entsprechenden Migrationshintergrund;
  • Angaben zu den Anteilen der Musliminnen und Muslime unter den Angehörigen dieser Herkunftsgruppen.

Welche Daten sind für eine Schätzung verfügbar?

Zunächst war zu bestimmen, welche Staatsangehörigkeiten bei der Ermittlung der Zahl der Musliminnen und Muslime überhaupt als »relevante muslimisch geprägte Herkunftsstaaten« zu berücksichtigen sind. Hierzu konnte auf eine Zusammenstellung des BAMF aus dem Jahr 2009 zurückgegriffen werden. Als relevante muslimisch geprägte Herkunftsländer wurden in dieser Studie diejenigen Staaten bezeichnet, »aus denen zum einen eine größere Zahl an Personen nach Deutschland eingewandert und die zum anderen durch einen nennenswerten muslimischen Bevölkerungsanteil charakterisiert sind.«16, 17

Anschließend stellte sich die Frage nach der Datenverfügbarkeit bezüglich dieser Personengruppen in Baden-Württemberg und zwar zum einen zur Zahl der ausländischen Personen und zum anderen zur Zahl der Deutschen mit einem entsprechenden Migrationshintergrund. Die Datenverfügbarkeit bezüglich der ausländischen Bevölkerung war unproblematisch. Die erforderlichen Ergebnisse liegen jährlich aus dem Ausländerzentralregister und zwar differenziert nach einzelnen Staatsangehörigkeiten vor.18

Schwieriger war dagegen die Abbildung der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach einzelnen Staatsangehörigkeiten.19 Hierzu sind zwar einerseits Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Deutschland sowie andererseits aus dem Zensus 2011 für Baden-Württemberg verfügbar, letztere allerdings nur für ausgewählte Staatsangehörigkeiten. Dabei handelt es sich aber jeweils nicht um Ergebnisse von Vollerhebungen, sondern um Stichprobenergebnisse bzw. um aus Stichproben hochgerechnete Werte. Diese sind grundsätzlich mit Stichprobenfehlern behaftet, weshalb die Angaben zum Teil deutlich voneinander abweichen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Person gleichzeitig mehrere relevante Migrationshintergründe aufweisen kann.20

Um diesen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, wurden zwei Alternativrechnungen durchgeführt, die sich durch die verwendeten Datenquellen zur deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach Staatsangehörigkeiten unterscheiden:

  • Zum einen wurden – wie bereits angedeutet – Ergebnisse einer vom BAMF durchgeführten bundesweiten repräsentativen Befragung für die Ermittlung der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach Staatsangehörigkeiten herangezogen. Konkret wurde für Baden-Württemberg unterstellt, dass sich die Zahl der deutschen Staatsangehörigen mit einem Migrationshintergrund nach Staatsangehörigkeiten jeweils zur entsprechenden Zahl der Ausländer so verhält wie in der damaligen Befragung.21 Da diese Annahmensetzung für praktisch alle relevanten Staatsangehörigkeiten möglich war, wurde diese Variante als Hauptvariante bezeichnet.
  • Zum anderen wurde hierzu auch auf Ergebnisse des Zensus 2011 zurückgegriffen. Da diese aber – wie bereits angemerkt – nicht für alle Staatsangehörigkeiten vorlagen, wurde in einer zweiten Variante für die Deutschen mit einem Migrationshintergrund, für deren Staatsangehörigkeiten keine Angaben aus dem Zensus 2011 verfügbar waren, die Ergebnisse des BAMF übernommen. Diese Variante wurde als Nebenvariante bezeichnet.

Aufgrund dieser Datenlage bot sich für eine Schätzung der in Baden-Württemberg lebenden Musliminnen und Muslime ein dreistufiges Vorgehen an (Übersicht):

  • Schritt: Ermittlung der Zahl der Musliminnen und Muslime für das Jahr 2011;
  • Schritt: Ermittlung der Veränderung der Zahl der Musliminnen und Muslime im Zeitraum 2011 bis 2018;
  • Schritt: Addition der beiden Ergebnisse zur Zahl der Musliminnen und Muslime am 31.12.2018

1. Schritt: Ermittlung der Zahl der Musliminnen und Muslime für 2011

Zur Abbildung der relevanten ausländischen Staatsangehörigkeiten wurde – wie bereits erwähnt – sowohl bei der Hauptvariante als auch bei der Nebenvariante auf Ergebnisse des AZR zum 31.12.2011 zurückgegriffen. Die Zahl der deutschen Staatsangehörigen mit einem Migrationshintergrund nach Staatsangehörigkeiten wurde in der Hauptvariante ausschließlich über eine Hochrechnung der BAMF-Stichprobe ermittelt, bei derjenigen der Nebenvariante wurden auch Ergebnisse des Zensus 2011 einbezogen.

Die für diese Personengruppen erforderlichen Anteile der Musliminnen und Muslime wurden ebenfalls der BAMF-Studie aus dem Jahr 2009 entnommen.22 Diese Anteile lagen differenziert nach Ausländern einerseits und Deutschen mit Migrationshintergrund andererseits vor und zwar jeweils nach 23 Herkunftsstaaten- bzw. Herkunftsregionen.23 Es wurde unterstellt, dass diese Anteile auch für Baden-Württemberg gelten.

Durch Multiplikation dieser Anteile mit den Ergebnissen des AZR zur ausländischen Bevölkerung sowie der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund entsprechend der Hochrechnung der BAMF-Stichprobe wurden für das Jahr 2011 629 000 Musliminnen und Muslime errechnet (Ergebnis der Hauptvariante). Nach der Nebenvariante, bei der also auch auf Zensusergebnisse zurückgegriffen wurde, lag die Zahl der Personen mit einem muslimischen Glauben bei 573 000 (Schaubild 1). Bei beiden Varianten hatten jeweils etwa zwei Drittel der Musliminnen und Muslime einen türkischen Migrationshintergrund.

2. Schritt: Ermittlung der Veränderung der Zahl der Musliminnen und Muslime 2018 gegenüber 2011

Die so ermittelten Ergebnisse für das Jahr 2011 bildeten die Ausgangsbasis für die Schätzung der Zahl der Musliminnen und Muslime im Jahr 2018. Um die seitherige Entwicklung abzuschätzen, war zunächst die Entwicklung der ausländischen Bevölkerung sowie diejenige der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund möglichst exakt zu bestimmen. Hierzu waren folgende Fragen zu beantworten:

  • Wie hat sich die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer zwischen 2011 und Ende 2018 in Baden-Württemberg differenziert nach den relevanten Staatsangehörigkeiten verändert? Zur Beantwortung dieser Frage wurde wiederum auf die Ergebnisse des AZR zurückgegriffen. Danach hat sich die Zahl der Ausländerinnen und Ausländer in diesem Zeitraum um 228 000 erhöht – mit Abstand am stärksten diejenige der syrischen Staatsangehörigen (+ 75 000). Dagegen war die Zahl der Türkinnen und Türken, die im Jahr 2011 zwei Drittel der Musliminnen und Muslime in Baden-Württemberg stellten seither sogar zurückgegangen (− 24 000).
  • Anschließend wurden diese Veränderungen mit den jeweiligen Anteilen der Musliminnen und Muslime multipliziert. Um diese Veränderungen bei der ausländischen Bevölkerung, die in erster Linie auf das Wanderungsgeschehen der Jahre 2012 bis 2018 zurückzuführen waren, möglichst gut abzubilden, wurde auf neuere Ergebnisse des BAMF zu den Anteilen der Musliminnen und Muslime und zwar für das Jahr 2015 zurückgegriffen24 (Tabelle).
  • Wie hat sich die Zahl der Deutschen mit Migrationshintergrund zwischen 2011 und Ende 2018, wiederum differenziert nach Staatsangehörigkeiten, verändert? Hierfür waren drei Sachverhalte einzubeziehen:
  • Die – unter a) bereits ermittelte – Veränderung der Zahl der Ausländerinnen und Ausländerzwischen 2011 und Ende 2018 war durch Wanderungen, Geburten und Sterbefälle, aber auch durch Einbürgerungen bedingt. Letztere waren damit bei der Ermittlung der deutschen Bevölkerung mit Migrationshintergrund zu berücksichtigen. Im Zeitraum 2012 bis 2018 wurden 67 000 Personen mit den relevanten Staatsangehörigkeiten im Südwesten eingebürgert, darunter annähernd 25 000 mit einer türkischen Staatsangehörigkeit.
  • Kinder von ausländischen Eltern erhalten nach § 4 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes unter anderem dann die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit 8 Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Diese Kinder haben damit einen Migrationshintergrund und waren deshalb bei der Ermittlung der muslimischen Bevölkerung ebenfalls zu beachten. Entsprechende Angaben zu den im Zeitraum 2012 bis 2018 geborenen Kinder konnten mittels einer Sonderauswertung aus der Geburtenstatistik nach der Staatsangehörigkeit der Frauen bereitgestellt werden. Insgesamt waren dies im Betrachtungszeitraum immerhin rund 47 000 zu berücksichtigende Kinder.
  • Schließlich waren für die Ermittlung der Muslime auch Deutsche mit Migrationshintergrund, die im Zeitraum 2012 bis 2018 verstorben sind, einzubeziehen. Da eine entsprechende Differenzierung der Sterbefälle nach der Staatsangehörigkeit nicht verfügbar war, mussten zusätzliche Annahmen getroffen werden.25 Rechnerisch waren dies insgesamt etwa 20 000 Sterbefälle.

Diese drei Komponenten bildeten die relevante Gesamtveränderung bei den Deutschen mit Migrationshintergrund ab, das heißt die Einbürgerungen und die Geburten wurden addiert, die Sterbefälle subtrahiert. Anschließend wurden diese Ergebnisse wiederum mit den jeweiligen Anteilen der Musliminnen und Muslime multipliziert; hierzu wurde auf die Ergebnisse der BAMF-Studie des Jahres 2009 und nicht auf diejenigen von 2016 zurückgegriffen, da davon auszugehen ist, dass die betroffenen Personengruppen im Schnitt eher älter sind bzw. schon länger in Baden-Württemberg leben und deshalb bei ihrer Konfessionszugehörigkeit nicht die aktuellen Verhältnisse zugrunde gelegt werden sollten.

3. Schritt:

In einem letzten Schritt wurden die Ergebnisse zur Zahl der Muslime und Musliminnen im Jahr 2011 und die seitherigen Veränderungen zur Zahl der Muslime und Musliminnen 2018 addiert.

Rund 800 000 Muslime und Musliminnen in Baden-Württemberg

Entsprechend den Annahmen der Hauptvariante lebten Ende 2018 knapp 819 000 Musliminnen und Muslime in Baden-Württemberg (Schaubild 1). Der Anteil an der Gesamtbevölkerung lag damit bei 7,4 %. 432 000 oder 53 % aller Musliminnen und Muslime im Südwesten sind türkische Staatsangehörige bzw. Deutsche mit einem türkischen Migrationshintergrund (Schaubild 2). An zweiter Stelle folgen Personen aus dem übrigen Südosteuropa (148 000), wobei der Großteil auf Staatsangehörige aus dem ehemaligen Jugoslawien entfällt; am dritthäufigsten stammen Musliminnen und Muslime aus Syrien (70 000).

Verglichen mit 2011 hat sich damit die Zahl der Musliminnen und Muslime um rund 190 000 oder um 30 % erhöht. Erwartungsgemäß ist vor allem die Zahl der Syrerinnen und Syrer mit einem muslimischen Glauben enorm angestiegen (+ 67 000). Demgegenüber erhöhte sich die Zahl der türkischen bzw. türkischstämmigen Musliminnen und Muslime, die ja gut die Hälfte der Musliminnen und Muslime in Baden-Württemberg stellen, lediglich um 12 000 (+ 3 %). Dies erklärt, weshalb der Anstieg der gesamten Zahl an Musliminnen und Muslimen nicht (noch) höher ausgefallen ist.

Nach der Nebenvariante lag die Zahl der Musliminnen und Muslime Ende 2018 mit 762 000 Musliminnen und Muslimen um 56 000 niedriger als bei der Hauptvariante. Dieses Ergebnis ist ganz überwiegend auf geringere Werte bei Personen mit einer türkischen oder einer ehemals jugoslawischen Staatsangehörigkeit zurückzuführen.

Fazit

Rund 800 000 Musliminnen und Muslime leben in Baden-Württemberg. Damit ist der Islam, wie es bereits der damalige Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble im Jahr 2006 formuliert hatte, zweifelsohne ein Teil unseres Landes.26 Auch, wenn es sich bei diesem Ergebnis und den anderen vorgelegten Resultaten um Schätzungen handelt, ist dennoch davon auszugehen, dass diese aussagekräftige Angaben zur Zahl der hier lebenden Menschen mit muslimischem Glauben liefern.

Die vorgelegten Auswertungsergebnisse haben damit eine Datenlücke geschlossen; sie sollten deshalb zur Versachlichung der öffentlichen Debatte beitragen können. Denn knapp 70 % der Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger überschätzen den Anteil der Musliminnen und Muslime an der Bevölkerung in Deutschland, der bei ca. 5 % liegt. Von immerhin knapp 28 % der Bevölkerung wird dieser Anteil sogar auf 21 % oder mehr geschätzt.27

Bei den erzielten Ergebnissen kann es sich aber auch deshalb »nur« um Schätzungen handeln, weil nicht eindeutig ist, wer überhaupt Muslimin oder Muslim ist bzw. überhaupt als Muslimin oder Muslim gezählt wird. Sicherlich wäre es zu einfach gewesen, die nationale Herkunft mit Religionszugehörigkeit gleichzusetzen, wie es beispielsweise in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage im Jahr 2007 gemacht wurde.28 Insofern erscheint der Ansatz des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das die Religionszugehörigkeit mittels einer Befragung ermittelte und der auch für die hier vorgelegte Schätzung zur Zahl der Musliminnen und Muslime herangezogen wurde, die sicherste Methode zu sein.29 Allerdings weist auch diese Schwächen auf. So ist die Zuordnung zu einer Konfession mittels Selbsteinschätzung gerade bei Schutzsuchenden nicht immer unproblematisch: Die Religionszugehörigkeit stellt nach der Genfer Flüchtlingskonvention eines von mehreren asylerheblichen Merkmalen dar. Da aber der Ausgang eines Asylverfahrens maßgeblich davon beeinflusst wird, ob eine Person einer in ihrem Herkunftsland verfolgten religiösen Minderheit angehört, ist nicht auszuschließen, dass manche Asylsuchende die Frage nach der Religionszugehörigkeit fehlerhaft beantworten.30

Alles in allem bleibt festzuhalten, dass es nicht den Islam gibt. Vielmehr herrscht eine große muslimische Vielfalt, was sich bereits in den verschiedenen Glaubensformen, aber auch in der Religiosität der Musliminnen und Muslime widerspiegelt (i-Punkt). Damit ist es bei Musliminnen und Muslimen so, wie in anderen Religionen auch.

1 Wilkens, Ingrid et al.: »Wie hast du´s mit der Religion?« – Eine Umfrage zu Religiosität, religionsbezogener Toleranz und der Rolle der Religion in Hessen, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration (2017) (Hrsg.), S. 9.

2 Frisoli, Pasquale/Mäding, Attina: Muslime in Stuttgart 2017 – Neue Schätzung zur Zahl der in Stuttgart lebenden Muslime, in: Statistik und Informationsmanagement, 7/2019, S. 228.

3 So stellt die sogenannte Bevölkerungsfortschreibung zur Ermittlung der Einwohnerzahlen keine Angaben zur Konfession zur Verfügung. Auch der Zensus 2011 konnte keine validen Ergebnisse zur Zahl der Musliminnen und Muslime liefern, da deren Zugehörigkeit zum Islam nur auf freiwilliger Basis abgefragt wurde. Schließlich wird die Religionszugehörigkeit auch nicht im jährlich stattfindenden Mikrozensus erhoben.

4 Pazarkaya, Utka: »Muslime in Baden-Württemberg: Vielfalt statt Einheit«, in: Meier-Braun, Karl-Heinz/Weber, Reinhold (2005) (Hrsg.): Kulturelle Vielfalt – Baden-Württemberg als Einwanderungsland, Schriften zur politischen Landeskunde Baden-Württemberg, Band 32, S. 164.

5 Alle Werte im Text und in den Schaubildern sind auf 1 000 Personen gerundet.

6 Frank, Eberhard: Die Religionszugehörigkeit der Bevölkerung am 25. Mai 1987 – Ergebnisse der Volkszählung, in: Statistik von Baden-Württemberg: Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählung 1987, Band 401, Heft 2, S. 211 ff.

7 Muslime in Baden-Württemberg – Bericht für den Ministerrat vom 15.03.2005, herausgegeben vom Staatsministerium Baden-Württemberg, S. 6.

8 Michel, Nicole/Eckelt, Jan-Peter: »Zensus 2011: Was uns der Zensus über die Religion in Baden-Württemberg verrät«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2014«, S. 12.

9 Eckelt, Jan-Peter: »Zensus 2011: Was uns der Zensus über die kulturelle Vielfalt in Baden‑Württemberg verrät«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2014«, S. 11 ff.

10 Haug, Sonja et al.: Muslimisches Leben in Deutschland, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009) (Hrsg.).

11 Stichs, Anja: Wie viele Muslime leben in Deutschland? – Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) (Hrsg.).

12 Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2010) (Hrsg.): Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen.

13 Fuhr-Becker, Gabriela: Wie viele Muslime leben in Hessen? – Ergebnisse einer Schätzung, veröffentlicht in: Staat und Wirtschaft in Hessen, Heft 10/11/2013, S. 359 ff.

14 Frisoli, Pasquale/Mäding, Attina: Muslime in Stuttgart 2017 – Neue Schätzung zur Zahl der in Stuttgart lebenden Muslime, in: Statistik und Informationsmanagement, 7/2019, S. 228 ff.

15 Schröpfer, Waltraud: Muslime in Frankfurt am Main – Ergebnisse einer Schätzung, in: Frankfurter Statistische Berichte, 4/2007, S. 202 ff.

16 Stichs, Anja: Wie viele Muslime leben in Deutschland? – Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) (Hrsg.), S. 10.

17 Diese Staaten sind in der Tabelle bzw. in den Fußnoten 5 bis 10 dieser Tabelle aufgeführt.

18 Das Ausländerzentralregister (AZR) ist eine bundesweite personenbezogene Datei, die zentral vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geführt wird. Sie enthält Informationen über alle Ausländerinnen und Ausländer, die sich nicht nur vorübergehend (weniger als 3 Monate) in Deutschland aufhalten; vgl. Statistisches Bundesamt https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Migration-Integration/Glossar/auslaenderzentralregister.html (Abruf: 23.12.2019).

19 Außerhalb der Betrachtung blieben dagegen Deutsche ohne Migrationshintergrund, die zum Islam konvertiert sind. Deren Zahl dürfte relativ gering sein und beläuft sich nach Schätzungen auf bundesweit zwischen 13 000 und 100 000 Personen; vgl. Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2010) (Hrsg.): Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen, S. 23.

20 Haug, Sonja et al.: Muslimisches Leben in Deutschland, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009) (Hrsg.), S. 75.

21 Beispiel: In der Stichprobe des BAMF wurden 1 095 Deutsche mit einem türkischen Migrationshintergrund sowie 1 306 Personen mit einer türkischen Staatsangehörigkeit befragt; das Zahlenverhältnis betrug damit bundesweit 0,84 :1. Es wurde deshalb unterstellt, dass die Zahl der Deutschen in Baden-Württemberg mit einem türkischen Migrationshintergrund im Jahr 2011 ebenfalls bei 84 % der türkischen Staatsangehörigen lag.

22 Diese Anteile unterscheiden sich aufgrund selektiver Zuwanderung zum Teil deutlich von denjenigen in ihren Heimatländern. Beispielsweise beträgt der Anteil der Musliminnen und Muslime im Irak 97 %, von den in Deutschland lebenden Irakerinnen und Irakern sind es aber nur 60 %; vgl. Fuhr-Becker, Gabriela: Wie viele Muslime leben in Hessen? in: Staat und Wirtschaft, Heft 10/11/2013, S. 360.

23 Haug, Sonja et al.: Muslimisches Leben in Deutschland, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009) (Hrsg.), S. 81; vgl. aber Fußnoten 7 und 9 der Tabelle.

24 Ergebnisse einer Sonderauswertung zum Anteil der Musliminnen und Muslime unter Erstantragstellerinnen und -antragstellern auf Asyl; vgl. Stichs, Anja: Wie viele Muslime leben in Deutschland? – Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) (Hrsg.), S. 25 ff.

25 Ende 2011 gab es rund 9,359 Mill. Deutsche in Baden-Württemberg; darunter waren ca. 273 000 Musliminnen und Muslime; 2012 bis 2018 sind etwa 703 000 Deutsche verstorben; es wurde die Annahme getroffen, dass der Anteil der verstorbenen deutschen Musliminnen und Muslime nach Staatsangehörigkeiten dem jeweiligen Bevölkerungsanteil entsprach.

26 Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: Muslime in Deutschland – Lebenswelten und Jugendkulturen, Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung, Heft 3/4 – 2012, S. 3.

27 Canan, Coskun et al.: Baden-Württemberg postmigrantisch – Einstellungen der Bevölkerung Baden-Württembergs zu Musliminnen und Muslimen in Deutschland, Länderstudie Baden-Württemberg, Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (Hrsg.), 2018, S. 14.

28 Stand der rechtlichen Gleichstellung des Islam in Deutschland, Antwort der Bundesregierung vom 18.04.17 auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 16/5033, S. 6, zitiert aus Spielhaus, Riem: Muslime in der Statistik – Wer ist Muslim und wenn ja wie viele? Gutachten im Auftrag des Mediendienst Integration, 2013, S. 6.

29 Frisoli, Pasquale/Mäding, Attina: Muslime in Stuttgart 2017 – Neue Schätzung zur Zahl der in Stuttgart lebenden Muslime, in: Statistik und Informationsmanagement, 7/2019, S. 229.

30 Stichs, Anja: Wie viele Muslime leben in Deutschland? – Eine Hochrechnung über die Anzahl der Muslime in Deutschland zum Stand 31. Dezember 2015, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016) (Hrsg.), S. 18.