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Investitionstätigkeit des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland und in Baden-Württemberg

Die Südwestindustrie hat einen wesentlichen Anteil an der Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland. Insbesondere im vergangenen Jahrzehnt nahmen die Investitionsvolumina der Industriebetriebe Baden-Württembergs deutlich zu und führten zu einem Anstieg des Strukturanteils der Investitionen der Südwestindustrie an den gesamten aktivierten Bruttozugängen an Sachanlagen auf Bundesebene. Dabei folgten unter anderem die Investitionen in Grundstücke und Bauten einem Aufwärtstrend, der auf eine Erweiterung der Produktionskapazitäten bei den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes hinweist. Ebenso expandierten die Strukturindikatoren Investitionsintensität und Investitionsquote am aktuellen Rand des Betrachtungszeitraums, wobei die Südwestindustrie dabei das Bundesniveau übertraf.

Konjunkturelle Dynamik lässt auf hohem Niveau nach

Die konjunkturelle Entwicklung ist ein Gradmesser für die vorherrschende gesamtwirtschaftliche Lage und beeinflusst dementsprechend das Investitionsklima und die daraus resultierende Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes (i-Punkt). Seit Mitte des Jahres 2018 kühlte sich die Konjunktur in Deutschland ab und auch die Wirtschaftsleistung stagnierte im weiteren Jahresverlauf. Ein langsameres Expansionstempo zeichnete sich allerdings bereits ab, da Unternehmen vermehrt über Produktionsbehinderungen aufgrund von Fachkräftemangel und Lieferengpässen sowie über schwächere Absatzmöglichkeiten berichteten. Verhaltene Auftragseingänge sowie eingetrübte Unternehmenserwartungen wiesen darauf hin, dass sich die Industriekonjunktur insgesamt spürbar abschwächte.1 Bei der Industrieproduktion setzte insbesondere im Winter 2018 ein Abwärtstrend ein.2 Für die Südwestindustrie zeichnet sich die konjunkturelle Entwicklung am Verlauf der zentralen Konjunkturindikatoren des Verarbeitenden Gewerbes ab, die im Vorjahresvergleich zwar ein Plus aufwiesen, aber deutlich hinter dem Wachstum des Jahres 2017 zurückblieben. Preis- und arbeitstäglich bereinigt stiegen die Auftragseingänge um 2 % (2017: 5,9 %), die Produktion um 1,6 % (2017: 4 %) und der Umsatz um 1,9 % (2017: 4,3 %).3 Weitere Einflussfaktoren auf das Verarbeitende Gewerbe waren stark ausgelastete Kapazitäten und im Hinblick auf außenwirtschaftliche Unsicherheiten insbesondere die Handelskonflikte der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) mit China und der Europäischen Union (EU) sowie der unsichere Ausgang der Verhandlungen über den möglichen Ausstieg Großbritanniens aus der EU.4 Nichtsdestotrotz war das Investitionsklima durch die zurückliegende Expansionsphase im Verarbeitenden Gewerbe zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidungen außerordentlich gut. Die Industriebetriebe in Deutschland erzielten im Jahr 2018 einen nominalen Rekordumsatz5 von 1 937 Milliarden (Mrd.) Euro (2,3 % zum Vorjahr) und auch der Beschäftigtenstand mit 6,4 Millionen (Mill.) tätigen Personen (2,5 % zum Vorjahr) war so hoch wie zuletzt im Jahr 1998. Die Südwestindustrie hatte einen großen Anteil an diesem starken Bundesergebnis. So stellten die Industriebetriebe Baden-Württembergs ebenfalls einen neuen nominalen Rekordumsatz in Höhe von 370 Mrd. Euro (2,7 % zum Vorjahr) auf und beschäftigten 1,3 Mill. Personen (2,9 % zum Vorjahr).

Günstiges Investitionsklima beeinflusst die Investitionstätigkeit positiv

Das durch die langjährige Expansionsphase beeinflusste günstige Investitionsklima führte im Jahr 2018 in Deutschland zu einem deutlichen Anstieg der nach dem Handelsgesetzbuch zu aktivierenden, neu erworbenen bzw. selbst erstellten neuen Sachanlagen. So übertraf die Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes den Höchststand des Vorjahres um 5,1 Mrd. Euro (8,2 %) und erreichte ein neues Rekordniveau von 67,4 Mrd. Euro (Tabelle 1). Die Industriebetriebe Baden-Württembergs realisierten im Jahr 2018 zwar ebenfalls das größte Investitionsvolumen im Betrachtungszeitraum6 in Höhe von 14,7 Mrd. Euro, im Hinblick auf die Veränderungsrate zum Vorjahr blieb die Südwestindustrie allerdings hinter dem Bundesdurchschnitt zurück (7,7 % bzw. 1,1 Mrd. Euro).

Im zeitlichen Ablauf ist die Entwicklung der Investitionstätigkeit des Verarbeitenden Gewerbes deutlich erkennbar (Schaubild 1). So investierten die Industriebetriebe Deutschlands in der im Trend expansiven Phase zwischen den Jahren 1995 und 2001 jahresdurchschnittlich 3,1 % per annum (p. a.) (Tabelle 2). Anschließend sank das Investitionsvolumen nach dem Platzen der New-Economy-Blase von 55,8 Mrd. Euro im Jahr 2001 auf 49,3 Mrd. Euro im Jahr 2002 (– 11,7 %) und erreichte im Jahr 2005 den niedrigsten Wert des Betrachtungszeitraums in Höhe von 45,5 Mrd. Euro. In den Folgejahren klarte die Stimmung der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes wieder deutlich auf, was sich in einer gesteigerten Investitionstätigkeit äußerte. So nahmen die Investitionsvolumina zwischen den Jahren 2005 und 2008 um 9,8 % p. a. zu. Der metaphorische »schwarze Schwan«7, der sich in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise manifestierte, setzte dieser Expansionsphase ein jähes Ende und sorgte für einen Einbruch der Investitionsvolumina von 59,6 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf 46,1 Mrd. Euro im Jahr 2009 (– 22,6 %). Bedingt durch die wirtschaftliche Unsicherheit, die nach der Insolvenz von Lehman Brothers Einzug hielt, stagnierte die Investitionstätigkeit im Jahr 2010 (46,5 Mrd. Euro) in etwa auf Vorjahresniveau, was auf ein Zurückhalten von Investitionsvorhaben seitens der Betriebe hindeutete. Dieser Investitionsstau löste sich im Jahr 2011 und sorgte für einen Anstieg der Investitionsvolumina zum Vorjahr auf 54,6 Mrd. Euro (17,5 %). Das Vorkrisenniveau des Jahres 2008 übertrafen die Industriebetriebe in Deutschland allerdings erst im Jahr 2016 (61,4 Mrd. Euro). Jahresdurchschnittlich betrachtet investierte die Industrie bundesweit zwischen den Jahren 2009 und 2018 4,3 % p. a. und im gesamten Betrachtungszeitraum nahm die Investitionstätigkeit um 1,6 % p. a. zu.

Dieser Aspekt zeigt den größten Unterschied hinsichtlich der Investitionstätigkeit des Verarbeitenden Gewerbes zwischen Deutschland und Baden-Württemberg auf. Sowohl in den einzelnen Expansionsphasen als auch im gesamten Betrachtungszeitraum lagen die jahresdurchschnittlichen Wachstumsraten der Südwestindustrie deutlich über den Bundeszahlen. Zwar stimmten die Verläufe der aktivierten Bruttozugänge an Sachanlagen insbesondere im Hinblick auf die in Tabelle 2 aufgeführten Expansionsphasen sowie die Investitionseinbrüche in den Jahren 2002 und 2009 in der Richtung tendenziell überein, jedoch wiesen die Investitionsvolumina der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg regelmäßig höhere prozentuale Zuwachsraten zum Vorjahr auf als im Bundesschnitt. Entsprechend investierten die Betriebe der Südwestindustrie im Betrachtungszeitraum verhältnismäßig mehr als auf Bundesebene. Das dürfte an der breit aufgestellten Industriestruktur und den außerordentlich guten Rahmenbedingungen in Baden-Württemberg liegen. Insbesondere der Maschinenbau und die Automobilindustrie profitierten im zurückliegenden Aufschwung und wiesen hohe Investitionsvolumina auf. Nicht umsonst zählt Baden-Württemberg zu den innovationsstärksten Regionen Deutschlands, was sich unter anderem in der Zahl der Patentanmeldungen zeigt. Diese Entwicklung trifft auch auf das mit Baden-Württemberg im Hinblick auf Wirtschaftsstruktur und Bedeutung für die gesamtdeutschen Investitionen am ehesten vergleichbare Bundesland Bayern zu, wohingegen die jahresdurchschnittlichen Wachstumsraten der Industriebetriebe Nordrhein-Westfalens in den dargestellten Zeiträumen unter dem Bundesschnitt blieben.

Anteil Baden-Württembergs an den gesamtdeutschen Investitionen nimmt im Zeitablauf zu

Da die Investitionsvolumina der Industriebetriebe Baden-Württembergs im Betrachtungszeitraum Wachstumsraten deutlich über dem Bundesschnitt verzeichneten, veränderte sich auch der Anteil Baden-Württembergs an den gesamtdeutschen Investitionen im Zeitablauf (Schaubild 1). Ausgehend von 15,2 % im Jahr 1995 baute die Südwestindustrie ihren Anteil auf 19,2 % im Jahr 2003 aus und erreichte im Jahr 2017 den bisherigen Höchstwert von 21,9 % (2018: 21,8 %). Eine ähnliche Entwicklung nahm Bayern, obgleich die Industriebetriebe des größten deutschen Flächenlandes bereits im Jahr 2001 einen Anteil von 20,4 % an den Investitionen in Deutschland einnahmen und diesen auf 22,2 % im Jahr 2018 ausbauten. Im Gegensatz dazu sank der Anteil an den gesamtdeutschen Investitionen bei den Betrieben es Verarbeitenden Gewerbes in Nordrhein-Westfalen von 21,7 % im Jahr 1995 auf 17,2 % im Jahr 2018. Zusammengenommen investierten die Industriebetriebe Baden-Württembergs, Bayerns und Nordrhein-Westfalens 41,2 Mrd. Euro und tätigten damit 61,2 % der Investitionen in Sachanlagen im Jahr 2018 in Deutschland. In der Betrachtung der Anteile an den gesamten Investitionen auf Bundesebene wird deutlich, dass die drei Flächenländer das Bundesergebnis in großem Ausmaß prägen. Schaubild 2 zeigt die Investitionen der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in den Bundesländern seit 2008. Die Industriezentren lagen demnach in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, aber auch die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen trugen signifikant zu den Investitionen in Deutschland bei. Nach dem Einbruch der Investitionstätigkeit im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009 investierten insbesondere die Industriebetriebe in Baden-Württemberg und Bayern stark in Sachanlagen und erreichten ein Niveau deutlich über dem Vorkrisenwert.

Immobilieninvestitionen expandieren am aktuellen Rand

Die erfassten Investitionen setzen sich in der amtlichen Statistik aus aktivierten Bruttozugängen an Sachanlagen in Grundstücke und Bauten (Immobilieninvestitionen) und Investitionen in Maschinen, maschinelle Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung (Ausrüstungsinvestitionen) zusammen. Anhand der Anlagearten ist es möglich, grundsätzliche Tendenzen bezüglich des Investitionsanlasses abzuleiten. Insbesondere Großprojekte zur Produktionserweiterung sind in erheblichem Umfang risikobehaftet, da die Betriebe zum einen die zukünftige konjunkturelle und strukturelle Entwicklung ihrer Branche und der Wirtschaft einschätzen und zum anderen erhebliche Kapitalmittel aufbringen müssen, um die Erweiterung der Produktionskapazitäten zu finanzieren. So bilden Immobilieninvestitionen annäherungsweise investive Ausgaben ab, die der Erweiterung von Produktionsmöglichkeiten dienen. Im Jahr 2018 investierten die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland 8,7 Mrd. Euro in Grundstücke und Bauten (Tabelle 1). Im Vorjahresvergleich errechnete sich ein Zuwachs von beachtlichen 20,1 % (1,5 Mrd. Euro), obgleich der Ausgangswert des Jahres 2017 durch einen deutlichen Rückgang zum Vorjahr (– 8,1 %) auf einem entsprechend niedrigeren Niveau lag (Schaubild 3). Auch preisbereinigt8 erzielte die Industrie eine deutliche Steigerung ihres Investitionsvolumens in Grundstücke und Bauten von 14,9 % (1 Mrd. Euro) auf 7,9 Mrd. Euro. Dies weist auf eine Erweiterung der Produktionskapazitäten vonseiten der Industriebetriebe hin. Auch Unternehmensumfragen zufolge war das Hauptziel der Investitionstätigkeit des Verarbeitenden Gewerbes im Jahr 2018 die Kapazitätserweiterung, gefolgt von Ersatzbeschaffungen und Rationalisierungsmaßnahmen.9 Der Strukturanteil der Investitionen in Grundstücke und Bauten an den gesamten Kaufinvestitionen in Deutschland erhöhte sich in Folge des Anstiegs von 11,6 % im Jahr 2017 auf 12,9 % im Jahr 2018. Der Anteil wäre sogar noch größer ausgefallen, wenn nicht auch die Ausrüstungsinvestitionen mit dem höchsten Zuwachs seit 2011 zum dritten Mal in Folge ein neues Rekordniveau von 58,7 Mrd. Euro (3,7 Mrd. Euro bzw. 6,7 % im Vorjahresvergleich) verzeichnet hätten. Auch preisbereinigt sorgte dieser Anstieg von real 2,9 Mrd. Euro (5,3 %) auf 57 Mrd. Euro dafür, dass die Investitionen in Maschinen, maschinelle Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung den vorherigen Höchstwert des Betrachtungszeitraums aus dem Jahr 2008 übertrafen. Trotzdem sank der Anteil der Ausrüstungsinvestitionen an den gesamten Kaufinvestitionen nominal von 88,4 % im Jahr 2017 auf 87,1 % im Jahr 2018.

Die Betriebe der Südwestindustrie weiteten ihre Investitionen in Grundstücke und Bauten im Vorjahresvergleich ebenfalls deutlich um 600 Mill. Euro bzw. 40,6 % auf 2,2 Mrd. Euro aus und trugen damit maßgeblich zu der starken Zuwachsrate in Deutschland bei. Auch bei den Ausrüstungsinvestitionen konnten die Industriebetriebe Baden-Württembergs ihre Investitionsvolumina steigern und erreichten mit einem Zuwachs zum Vorjahr von 400 Mill. Euro (3,4 %) zum vierten Mal in Folge einen neuen Rekordwert (12,4 Mrd. Euro). Durch das starke Wachstum der Immobilieninvestitionen erhöhte sich der Strukturanteil der Grundstücke und Bauten an den aktivierten Bruttozugängen an Sachanlagen auf 15,3 %, was den Wert auf Bundesebene deutlich übersteigt.

Investitionen in Grundstücke und Bauten wachsen überdurchschnittlich

Ausgehend von einem Niveau Mitte der 1990er-Jahre bis Anfang des neuen Jahrtausends (1995 bis 2001) von im Schnitt 6,7 Mrd. Euro, sanken die Immobilieninvestitionen in Deutschland auf durchschnittlich 5 Mrd. Euro in den Jahren 2003 bis 2005. In den 3 Folgejahren investierten die Industriebetriebe wieder deutlich mehr in Grundstücke und Bauten, was sich in zweistelligen Wachstumsraten zum Vorjahr ausdrückte. Ebenso überschritten die Investitionsvolumina in Immobilien im Jahr 2008 erstmals die 7 Mrd. Euro-Grenze (7,5 Mrd. Euro). Jedoch unterbrach die Finanz- und Wirtschaftskrise diese Expansionsphase und sorgte für einen Einbruch der Immobilieninvestitionen auf den niedrigsten Wert im Betrachtungszeitraum (4,8 Mrd. Euro im Jahr 2010). Ausgehend von diesem Tiefstand erhöhten die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland ihre Investitionsvolumina in Grundstücke und Bauten mit Ausnahme des Jahres 2017 in den letzten 10 Jahren kontinuierlich und übertrafen im Jahr 2014 erstmal wieder das Vorkrisenniveau. Insbesondere in den Jahren 2011, 2012 und 2018 erzielten die Industriebetriebe bundesweit zweistellige Zuwachsraten zum Vorjahr.

Die Investitionstätigkeit der Südwestindustrie im Hinblick auf Grundstücke und Bauten verhielt sich im Zeitablauf in der Tendenz ähnlich der gesamtdeutschen Entwicklung. So waren die Immobilieninvestitionen in Baden-Württemberg zu Beginn der 2000er-Jahre (2001 bis 2005) rückläufig und nahmen anschließend, unterbrochen insbesondere durch die Einbrüche im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 und 2010 sowie den Stagnationsphasen der Jahre 2013 und 2015 bis 2017, zu. Jedoch übertrafen die Vorjahreswachstumsraten der Industriebetriebe Baden-Württembergs die bundesweiten Ergebnisse speziell in Phasen der Expansion deutlich (Schaubild 3). Infolgedessen stiegen die Investitionsvolumina der Südwestindustrie in Grundstücke und Bauten vor allem im zurückliegenden Aufschwung seit dem Jahr 2010, aber auch schon in den Jahren 2006 und 2007, deutlich stärker als auf Bundesebene. Der Verlauf der Strukturanteile der Immobilieninvestitionen an den aktivierten Bruttozugängen an Sachanlagen in Deutschland und in der Südwestindustrie spiegelt diese Entwicklung in Teilen wieder (Schaubild 3). Anzumerken ist, dass der Strukturanteil Baden-Württembergs im Vergleich zur Entwicklung in Deutschland im Verlauf eine etwas höhere Volatilität aufweist. In der ersten Hälfte des Betrachtungszeitraums (1995 bis 2006) lag der Anteil der Investitionen in Grundstücke und Bauten auf Bundesebene fast ausschließlich über dem Anteil auf Landesebene, wohingegen der Strukturanteil der Immobilieninvestitionen in der zweiten Hälfte des Betrachtungszeitraums (2007 bis 2018) in Baden-Württemberg in der Tendenz das bundesweite Ergebnis übertraf. Auch in der Trendanalyse zeigt sich eine Zweiteilung, so zeichnete der Strukturanteil der Investitionen in Grundstücke und Bauten von Beginn des Betrachtungszeitraums in Deutschland bis zum Jahr 2003 und in der Südwestindustrie bis zum Jahr 2004 einen Abwärtstrend nach. Anschließend entwickelte sich der Strukturanteil der Immobilieninvestitionen der Industriebetriebe Baden-Württembergs insbesondere vor dem Hintergrund der enormen Steigerung der Investitionstätigkeit im Hinblick auf Grundstücke und Bauten im Jahr 2018 im Trend nach oben gerichtet, was sich, wenn auch in gemäßigter Form, auch auf Bundesebene durchschlug und damit auf eine Erweiterung der Produktionskapazitäten vonseiten der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes hindeutet.

Investitionsintensität Baden-Württembergs übersteigt das Bundesergebnis

Hinsichtlich der Beurteilung der Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes ist es sinnvoll die Investitionsausgaben mit anderen Wirtschaftskennzahlen in Verbindung zu setzen.10 So bildet die Investitionsintensität die Investitionen je Beschäftigten11 ab und beschreibt einen Indikator für die Entwicklung des Kapitaleinsatzes in der Produktion. Die Investitionsintensität stieg in Deutschland im Jahr 2018 auf 10 528 Euro Investitionskapital je Industriebeschäftigten und erreichte damit einen neuen Höchststand im Betrachtungszeitraum (Schaubild 4). Ausgehend von 6 865 Euro je Beschäftigten im Jahr 1995 erhöhte sich die Investitionsintensität bundesweit kontinuierlich bis zum Jahr 2001 (8 773 Euro je Beschäftigten) und stagnierte nach dem Platzen der New-Economy-Blase auf einem Niveau von im Schnitt 7 852 Euro Investitionskapital je Industriebeschäftigten zwischen den Jahren 2002 und 2005. In der anschließenden Expansionsphase zeigte die erhöhte Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland Wirkung und die Investitionsintensität stieg deutlich auf 9 962 Euro je Beschäftigten im Jahr 2008. Nach dem Einbruch im Jahr 2009 (8 089 Euro je Beschäftigen), ausgelöst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, stieg die Investitionsintensität im Jahr 2011 wieder deutlich an (13,7 % auf 9 295 Euro je Beschäftigten), stagnierte in der Folgezeit jedoch und übertraf erst im Jahr 2016 knapp das Vorkrisenniveau, bevor der Indikator im Jahr 2018 seinen aktuellen Höchststand erreichte.

In Betrachtung der Entwicklung der Investitionsintensität der Südwestindustrie zeigt Schaubild 4 deutlich, dass die Investitionsintensität auf Landesebene fast den gesamten Betrachtungszeitraum unter dem gesamtdeutschen Wert lag. Die Produktion der Industriebetriebe Baden-Württembergs war entsprechend deutlich weniger kapitalintensiv. Das dürfte unter anderem in der Industriestruktur des Südwestens begründet liegen, da insbesondere der Maschinenbau und die Herstellung von Metallerzeugnissen eine geringere Kapitalintensität aufwiesen und auch die Automobilindustrie erst mit der verstärkt einsetzenden Automatisierung wesentlich kapitalintensiver produzierte. In der zurückliegenden Expansionsphase näherte sich der Indikator dem Bundesergebnis an und überschritt dieses erstmals im Jahr 2016 (10 231 Euro je Beschäftigten). In den 2 Folgejahren stieg die Investitionsintensität noch weiter an und erreichte einen Rekordwert von 11 113 Euro Investitionskapital je Industriebeschäftigten im Jahr 2018, was auf eine deutliche Kapitalintensivierung im Verarbeitenden Gewerbe in Baden-Württemberg hinweist. Insbesondere vor dem Hintergrund des dynamischen Personalaufbaus in der Südwestindustrie ist dieses Ergebnis bemerkenswert, da die Investitionstätigkeit demnach signifikant höhere Wachstumsraten aufwies. Zwischen den Jahren 2010 und 2018 wuchs die Beschäftigung der Südwestindustrie im Schnitt um 1,7 % p. a., während das Investitionsvolumen um 6,8 % p. a. zunahm.

Investitionsquote im Aufwärtstrend

Der Indikator Investitionsquote setzt die Investitionsausgaben mit den Umsätzen ins Verhältnis und beschreibt damit annäherungsweise in welchem Umfang das erwirtschaftete Kapital in den Produktionsprozess zurückfließt. Im Jahr 2018 erhöhte sich die Investitionsquote der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland leicht auf 3,5 % (2017: 3,3 %). Im zeitlichen Ablauf wies der Indikator insbesondere zu Beginn des Betrachtungszeitraums einen deutlich höheren Wert aus (Schaubild 4). Ausgehend von 4,4 % im Jahr 1995 war die Investitionsquote bis zum Jahr 2006 (3,1 %) in der Tendenz rückläufig, was auf eine sich abschwächende Reinvestierung der Umsätze in die eigenen Produktionsprozesse hinweist. In den Jahren 2007 (3,3 %) und 2008 (3,6 %) stieg die Investitionsquote parallel der konjunkturellen Expansionsphase an, sank jedoch nach dem externen Schock der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2009 (3,4 %) und 2010 (3,0 %) auf den niedrigsten Stand im Betrachtungszeitraum. Ausgehend von diesem Tiefpunkt befand sich der Indikator mit Ausnahme der Jahre 2013 und 2017 in einer stetigen Aufwärtsbewegung.

Im Vergleich dazu zeichnet sich der Verlauf der Investitionsquote der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes Baden-Württembergs im Betrachtungszeitraum volatiler aber in der Tendenz ähnlich der Entwicklung in Deutschland.12 Insbesondere in den Jahren 1995 bis 2001 lag die Investitionsquote der Südwestindustrie unter dem bundesweiten Wert des Indikators. Entsprechend investierten die Industriebetriebe Baden-Württembergs einen geringeren Anteil des erwirtschafteten Kapitals in die eigenen Produktionsprozesse als im Bundesdurchschnitt. Diese Entwicklung revidierte sich beginnend mit dem Jahr 2006. So übertraf die Investitionsquote der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes Baden-Württembergs ab diesem Zeitpunkt den Bundeswert stetig. Speziell in den letzten 4 Jahren wies die Südwestindustrie ein kontinuierliches Wachstum der Investitionsquote auf und erreichte im Jahr 2018, erstmals seit dem Jahr 2001 wieder ein Niveau von 4 %, während der Indikator in Deutschland insbesondere durch den Rückgang im Jahr 2017 hinter dem Ergebnis Baden-Württembergs zurückblieb. Bemerkenswert ist dies vor allem im Hinblick auf die ebenfalls stark gestiegenen Industrieumsätze der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg. Dieser Aspekt weist auf eine gestiegene Bereitschaft der Betriebe der Südwestindustrie hin, in den heimischen Produktionsprozess zu investieren, da die Wachstumsraten der Investitionsausgaben das Umsatzwachstum übertrafen. So stiegen im Zeitraum der Jahre 2010 bis 2018 die Investitionen der Südwestindustrie mit einer Jahresdurchschnittsrate von 6,8 % p. a., während die Umsätze der Industriebetriebe Baden-Württembergs im Schnitt um 3,9 % p. a. wuchsen.

Unsicherheiten beeinflussen Investitionsentwicklung 2019

Die sich abschwächende konjunkturelle Dynamik, die sich unter anderem in der seit Mitte des Jahres 2018 anhaltenden Rückwärtsbewegung der deutschen Industrieproduktion abzeichnet, beeinflusst die Investitionsentwicklung der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes. Insbesondere ein Anstieg der Unsicherheit hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität, den Handel und vor allem die Investitionstätigkeit. Laut Unternehmensumfragen sind unter anderem der Fachkräftemangel, eine intensivere Verteilungspolitik und eine Abschwächung der Inlandsnachfrage bedeutsame Risiken für die betrieblichen Geschäftsabläufe.13 Auch für die Südwestindustrie trübt sich das Konjunkturklima merklich ein. So verliefen die zentralen Konjunkturindizes des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg im Jahresverlauf 2019 in der Tendenz negativ. Im Hinblick auf die Investitionsentwicklung der Industriebetriebe bedeutet dies eine Verschlechterung des Investitionsklimas und ein mögliches Ende der zu­rückliegenden Expansionsphase.

1 Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2019: Konjunktur deutlich abgekühlt – Politische Risiken hoch, in: Ifo Schnelldienst, Heft 7/2019, 72. Jahrgang, S. 22.

2 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Den Strukturwandel meistern, in: Jahresgutachten 2019/2020, S. 41–43.

3 Die preis- und kalenderbereinigten Veränderungsraten beziehen sich auf die Konjunkturindizes im Verarbeitenden Gewerbe (Basisjahr 2015 = 100) für Baden-Württemberg, deren Datengrundlage die »Monatliche Produktionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden« und der »Monatsbericht für Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden« bilden. Zugrunde gelegt ist der Berichtskreis 50+, das heißt Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten. Im Folgenden bezieht sich der Artikel auf den Berichtskreis 20+.

4 Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2019: Industrie in der Rezession – Wachstumskräfte schwinden, in: Ifo Schnelldienst, Heft 19/2019, 72. Jahrgang, S. 27.

5 Aufgrund methodisch bedingter geringer Unterschiede in den Berichtskreisabgrenzungen des Berichtskreises 20+ sind marginale Abweichungen zwischen den Ergebnissen der Investitionserhebung und dem Jahresergebnis für Betriebe (Zusammenführung des Monats- und des Jahresberichts für Betriebe) bei den Merkmalen Anzahl der Betriebe, Beschäftigte und Umsatz möglich.

6 Der Betrachtungszeitraum des Artikels umfasst die Jahre 1995 bis 2018.

7 Der Ausdruck »schwarzer Schwan« geht auf den Ökonomen Nassim Nicholas Taleb zurück und bezeichnet eine Situation, die sehr unwahrscheinlich aber theoretisch möglich ist. Sie befindet sich nicht im Erwartungshorizont der meisten Experten und hat gravierende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung.

8 Die realen Werte sind geschätzt unter Heranziehung des Preisindex für gewerbliche Betriebsgebäude (Basisjahr jeweils 2015 = 100) und des Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz) – Erzeugnisse der Investitionsgüterproduzenten.

9 Weichselberger, Annette (2019): Deutsche Industrie: Spürbarer Investitionsanstieg für 2019 geplant, in: ifo Schnelldienst, Heft 17/2019, 72. Jahrgang, S. 58–62.

10 Interpretationsspielraum der Indikatoren durch sich überlagernde Effekte und unterschiedliche Einflussgrößen begrenzt.

11 Beschäftigtenstand Ende September.

12 Für weitergehende Informationen siehe auch: Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität Tübingen (IAW) (2015): Leidet der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg an einer Investitionsschwäche?

13 Grömling, Michael und Matthes, Jürgen (2019): Unsicherheit der Unternehmen lähmt Konjunktur, in: Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Heft 12/2019, 99. Jahrgang, S. 855–862.