:: 4/2020

Im Blickpunkt: Die Stadt Waghäusel

In der Serie »Im Blickpunkt« steht dieses Mal die Stadt Waghäusel im Landkreis Karlsruhe. Aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) lassen sich für Waghäusel wie für jede andere Gemeinde des Landes interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Besonders herausgehoben werden an dieser Stelle die Bevölkerungsentwicklung, die Wohn- und die Beschäftigtensituation.

Die heutige Stadt Waghäusel wurde am 1. Januar 1975 durch Vereinigung der beiden großen Gemeinden Kirrlach und Wiesental und der kleineren Gemeinde Waghäusel gebildet. Ursprünglich sollte die neue Gemeinde den Namen Lusshardt erhalten. Die Erhebung zur Stadt erfolgte zum 1. Mai 1984. Waghäusel liegt in der Oberrheinischen Tiefebene, etwa in der Mitte zwischen den Städten Karlsruhe und Mannheim. In der Landes- und Regionalplanung zählt die Stadt Waghäusel zum Bereich des Mittelzentrums Bruchsal. Im Regionalplan des Regionalverbandes »Mittlerer Oberrhein« ist Waghäusel als eigener Nahbereich und Unterzentrum ausgewiesen. Am 1. September 2013 wurde Waghäusel zur Großen Kreisstadt ernannt.

Älteste Siedlungsspuren von Waghäusel datieren aus der Römerzeit. An der südöstlichen Gemarkungsgrenze Waghäusels befindet sich ein römisches Kleinkastell. Entstanden ist es um 80 n. Chr. Die Anlage wurde bereits um 120 n. Chr. aufgegeben. Aus diesem Kastell heraus entwickelte sich eine kleine zivile römische Siedlung, die das Kastell zumindest bis ins 3. Jahrhundert hinein überdauerte. Siedlungsspuren der Römer in Form einer kleinen »Villa rustica« wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts auf der Gemarkung von Kirrlach nachgewiesen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Einzelfunde aus der römischen Zeit. Erst für das 7. Jahrhundert n. Chr. kann man danach für Waghäusel auf handfeste Belege einer Besiedlung verweisen. 1836/1837 wurden mehrere merowingische Gräber entdeckt. 1903 wurden bei einer systematischen Nachuntersuchung 29 Reihengräber festgestellt, in denen teilweise schöne Grabbeigaben wie Riemenzungen, Schnallen, Schmuck aus Bernstein und Scheibenfibeln gefunden wurden. Aus dem Jahr 1234 stammt die erste schriftliche Nachricht von der Existenz des Dorfes »Kirloch«. Wiesental wird 1297 als »Wiesenten« zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt. Durch die Kirrlacher Urkunde wurden die Rechte des Stiftes St. German über die Kirrlacher Kirche festgelegt. Die Wiesentaler Urkunde dagegen steht im Zusammenhang mit der von Bischof Friedrich von Bolanden systematisch geförderten Anlage von Siedlungsplätzen im rechtsrheinischen Teil des Bistums Speyer. Bis ins 18. Jahrhundert hinein verhinderten Seuchen und vor allem viele Kriege, dass die Zahl von 80 Familien in Wiesental und 60 in Kirrlach als Obergrenze für eine ausreichende Versorgung mit dem Lebensnotwendigen auf der vorhandenen Wald- und Ackerfläche überschritten wurde. Im 17. Jahrhundert dezimierten vor allem die großen europäischen Kriege, die die Wiesentaler und Kirrlacher im Einzugsgebiet der Reichsfestung Philippsburg erdulden mussten, die Bevölkerung. So lebten am Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) in Kirrlach und Wiesental zusammen nur noch knapp über 20 Familien. Für den Ort Waghäusel begann mit Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn eine Blütezeit. Dieser ließ hier als Jagdschloss und Rückzugsort die Eremitage erbauen, deren erste Anlage zwischen 1724 und 1729 entstand. Sie wurde in den folgenden Jahrzehnten mehrere Male umgebaut und erweitert, unter anderem durch den berühmten Barockbaumeister Balthasar Neumann. Jedoch genügte das nicht, um aus Waghäusel eine bürgerliche Gemeinde wie Kirrlach und Wiesental zu machen. Waghäusel bildete politisch auch keine eigene Gemeinde, sondern gehörte zu Oberhausen und wurde ab 1847 im Status einer »abgesonderten Gemarkung« geführt. Erst im Jahre 1930 wurde Waghäusel mit gerade einmal 154 Einwohnern selbstständige Gemeinde. 1803 kam es zur endgültigen Auflösung der weltlichen Herrschaft des Hochstifts Speyer und das Gebiet des heutigen Waghäusels geriet unter badische Herrschaft. Ein Ventil für die stetig wachsende Bevölkerung war dann die von den 1850er- bis in die 1880er-Jahre andauernde Auswanderungswelle in die USA und nach Brasilien. Ein Auslöser dieser Wanderungsbewegung war auch die gescheiterte Revolution von 1848/1849. Am 20. und 21. Juni 1849 fanden bei Wiesental und Waghäusel entscheidende Gefechte zwischen badischen Revolutionstruppen und preußischen Soldaten statt. Für Wiesental, Kirrlach und Waghäusel war es ein Glücksfall, dass die »Badische Gesellschaft für Zuckerfabrikation« 1837 auf dem nach der Säkularisation ungenutzten Gelände der Eremitage eine Zuckerfabrik ansiedelte, bei der über mehrere Generationen hinweg Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung Arbeit fanden. Diese Zuckerfabrik bestand bis zum Jahre 1995. Wiesental wurde im Zweiten Weltkrieg zweimal durch Bombenangriffe heimgesucht. In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1942 fiel eine schwere Luftmine auf das untere Ende der Lußhardtstraße. Wohnhäuser und Scheunen stürzten zusammen, vier Menschen starben. Bei einem zweiten Luftangriff auf Wiesental am 21. Januar 1945 waren die Schäden wesentlich größer. 37 Menschen kamen ums Leben, die Kirche brannte aus, weit über 100 Gebäude wurden zum Teil stark beschädigt. Weniger einschneidend waren die Verluste unter der Zivilbevölkerung von Kirrlach. Auf Waghäusel fielen am 25. April 1944 Bomben. Die Zuckerfabrik und das Postamt wurden schwer getroffen, das Kloster trug leichtere Schäden davon.

Waghäusel liegt sehr verkehrsgünstig. Die 5 Kilometer (km) entfernte Anschlussstelle Kronau/Waghäusel der Bundesautobahn A 5 bindet die Stadt an das Fernstraßennetz Deutschlands an. Die Bundesstraße 36 (Mannheim – Lahr/Schwarzwald) führt direkt an der Stadt vorbei. In Waghäusel gibt es zwei Bahnhöfe, die beide an der Rheinbahn (Mannheim – Karlsruhe) liegen und von der Deutschen Bahn in der Regel im Halbstundentakt bedient werden. Der Bahnhof Waghäusel grenzt an den Südwesten des Stadtteils Waghäusel. Hier halten Regionalbahn- und Regionalexpress-Züge. Der Bahnhof Wiesental liegt im Südwesten des Stadtteils Wiesental und wird nur von Regionalbahnzügen bedient. In Waghäusel treffen zwei Verkehrsverbände aufeinander; die Stadt gehört sowohl zum Tarifgebiet des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) als auch zum Tarifgebiet des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (VRN). Die Stadt Waghäusel ist mit den umliegenden Städten und Gemeinden sehr gut über den ÖPNV verbunden. Nahezu zwanzig Bushaltestellen erschließen alle drei Stadtteile mit fünf Buslinien.

Waghäusel hat eine Gemarkungsfläche von 4 284 Hektar (ha). Davon werden gut 28 % landwirtschaftlich genutzt. Damit liegt diese Flächennutzungsart unter dem Landesdurchschnitt. Die Waldfläche beträgt knapp 48 % und liegt über dem Niveau des Landes (38 %). Gut 21 % der Fläche sind besiedelt oder dienen als Verkehrsfläche, hier wird das Landesmittel überschritten.

Am 31. Dezember 2018 lebten 20 935 Personen in Waghäusel. Mit 489 Personen je Quadratkilometer (km2) liegt die Besiedelungsdichte zwischen den großstädtisch und den ländlich geprägten Teilen Baden-Württembergs und deutlich über dem Landesdurchschnitt (310). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2008 und 2018 leicht positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 1,9 % zugenommen. Sie lag damit unter der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürger von Waghäusel betrug 43,8 Jahre und lag damit leicht über dem Landesdurchschnitt von 43,5 Jahren. 11,1 % der Einwohner von Waghäusel hatten 2018 einen ausländischen Pass. Der Ausländeranteil in Waghäusel lag damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt von gut 15 %.

Die Entwicklung des Wohnungsbestands in Waghäusel ist positiv. Im Zeitraum zwischen 2008 und 2018 nahm der Wohnungsbestand um 2,6 % zu und liegt damit unter dem sehr positiven Landesniveau. Die Werte für baureifes Land lagen im Zeitraum zwischen 2015 und 2017 mit 107 Euro je Quadratmeter (EUR/m2) um 81 EUR/m2 niedriger als die im Landesdurchschnitt ermittelten Werte. Annähernd 64 % der Wohngebäude sind Einfamilienhäuser. Mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 51 m2 je Einwohner liegt der Wert in Waghäusel deutlich über dem Landesdurchschnitt.

Architektonisch fallen im Stadtbild von Waghäusel zahlreiche historische Gebäude und Sehenswürdigkeiten auf: Die Eremitage, ein achteckiger Schlossbau mit vier Flügeln; das Freiheitsdenkmal bei der Eremitage; der gotische Holzschnitzaltar in der Kirche St. Kornelius und Cyprian in Kirrlach; die Hagkapelle in Wiesental; die Pfarrkirche St. Jodokus im Stadtteil Wiesental mit dem größten Weihrauchfass der Welt; das Husarendenkmal im Stadtteil Wiesental und der Marienbrunnen des Bildhauers Klaus Ringwald vor dem Rathaus zur Erinnerung an die Erhebung Waghäusels zur Stadt im Jahre 1984.

Die Chance auf eine Beschäftigung in Waghäusel hat in den vergangenen 10 Jahren zugenommen. So hatten hier 2018 rund 7 257 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Arbeitsplatz. Dies sind fast 28 % mehr als 2008. Langfristig betrachtet lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2018 um fast 1 660 höher als 1999. Annähernd 36 % aller Arbeitsplätze in Waghäusel liegen heute noch in dem Wirtschaftsbereich des Produzierenden Gewerbes und nehmen damit aber keine dominierende Position wie in vielen anderen Kommunen des Landes ein. Der Schwerpunkt der Beschäftigung in Waghäusel liegt im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe mit 41 %.

Der Schuldenstand je Einwohner in Waghäusel belief sich auf 1 062 Euro im Jahr 2018 und lag damit leicht über dem Landesdurchschnitt von 1 022 Euro je Einwohner. Die Steuerkraftmesszahl je Einwohner und die Steuerkraftsumme je Einwohner lagen im Jahr 2018 unter dem Landesniveau.

Kulturell hat Waghäusel seinen Einwohnern und Besuchern einiges zu bieten. Im Heimatmuseum des alten Rathauses im Stadtteil Wiesental kann man sich über die Heimatgeschichte informieren. Mehrere Theatergruppen wie das Amateurtheater »Parole e.V. Wiesental«, das Mundart-Theater »Wissädalä Duddärä«, »Die kleine Bühne« und die »Klimpermimen« spielen mehrfach im Jahr ihre Stücke vor der Bevölkerung. Seit 2002 gibt es ein Stadtfest auf dem Gelände der Eremitage. Unter dem Motto »Zucker Wag & Häusel« wird seit 2019 ein Sommerfestival auf dem Eremitage-Gelände mit Live-Acts, Garten- und Handwerksausstellung veranstaltet. Seit Jahrzehnten findet in Wiesental ein Faschingsumzug statt. Straßenfeste in Kirrlach und Wiesental erfreuen Besucher von nah und fern. Die Weihnachtsmärkte in Kirrlach und Wiesental beenden traditionell das Festjahr der Stadt. Das mögen die Hauptgründe dafür sein, dass es 2018 zu 867 Übernachtungen von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner in Waghäusel kam.