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Wohin ziehen Ältere in Baden-Württemberg?

Zum Wanderungsgeschehen der »Generation 60 plus« im Südwesten

Seit 1952, dem Gründungsjahr Baden-Württembergs, hat sich die Einwohnerzahl im Südwesten um rund zwei Drittel auf derzeit etwas mehr als 11,1 Millionen (Mill.) erhöht. Besonders stark angestiegen ist die Zahl der älteren Menschen. So gab es Ende 1952 lediglich 937 000 Einwohnerinnen und Einwohner im Alter von 60 und mehr Jahren, zuletzt waren es 2,93 Mill. – ein Plus von über 200 %. Ursächlich für diesen überdurchschnittlichen Anstieg älterer Menschen waren vor allem hohe Geburtenraten bis Anfang der 1970er-Jahre, eine stetig gestiegene Lebenserwartung der Bevölkerung sowie eine beachtliche Zuwanderung in den vergangenen Jahrzehnten.

Zugewandert sind ganz überwiegend jüngere Menschen und Personen im mittleren Alter. Wohl auch deshalb stand das Wanderungsgeschehen der Senioren bisher kaum im Fokus. Dennoch lohnt sich eine Betrachtung des Migrationsverhaltens der »Generation 60 plus«, zumal die Zahl älterer Menschen auch künftig weiter zunehmen wird. Interessant ist dabei nicht nur, wie sich die Mobilität der Älteren im Zeitablauf entwickelt hat, sondern auch, welche Gegenden des Landes für diese Altersgruppe besonders attraktiv sind. Bevor diesen Fragen nachgegangen wird, soll aber noch kurz das Wanderungsgeschehen der Gesamtbevölkerung skizziert werden.

Blick zurück: Enorme Zuwanderung nach Baden-Württemberg

Die Zuwanderung in den vergangenen Jahrzehnten war entscheidend für das starke Bevölkerungswachstum Baden-Württembergs. Seit der Gründung des Landes Baden-Württemberg sind nach den Ergebnissen der amtlichen Wanderungsstatistik rund 19,6 Mill. Menschen aus anderen Bundesländern oder aus dem Ausland in den Südwesten gezogen; im gleichen Zeitraum haben ca. 15,9 Mill. Personen das Land verlassen, sodass per saldo etwa 3,7 Mill. Menschen zugezogen sind.1

Allein im Jahr 2018 gab es in Baden-Württemberg insgesamt rund 1,2 Mill Umzüge über die Gemeindegrenzen.2 500 000 davon betrafen Wohnortwechsel innerhalb des Landes. Hinzu kamen etwa 125 000 Zuzüge aus dem übrigen Bundesgebiet und 250 000 aus dem Ausland. Etwa 130 000 Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger zogen aus dem Südwesten in ein anderes Bundesland, 194 000 verzogen in das Ausland. Der Wanderungssaldo lag somit bei + 51 000 Personen.

Die Zahl aller Wohnortwechsel hatte sich damit 2018 gegenüber dem Jahr 2000 um ein Viertel erhöht. Besonders stark sind dabei die Zuzüge aus dem Ausland angestiegen; gegenüber dem übrigen Bundesgebiet war deren Zahl dagegen rückläufig.

Gestiegen ist auch die sogenannte Mobilitätsziffer, die die Wohnortwechsel auf 1 000 der Bevölkerung bezieht und damit Hinweise auf die Umzugshäufigkeit gibt. Diese Kennziffer lag im Jahr 2018 bei 109, im Jahr 2000 betrug sie noch 91. Das heißt, etwa jeder neunte Baden-Württemberger bzw. jede neunte Baden-Württembergerin ist 2018 um- bzw. zugezogen, im Jahr 2000 war es »nur« jeder elfte bzw. jede elfte.3

Wanderungen insgesamt: »Trend in die Stadt« schwächt sich ab

Und wie verlief das Wanderungsgeschehen innerhalb des Landes? Etwa seit der Jahrtausendwende war eine merkliche Veränderung im regionalen Wanderungsgeschehen zu beobachten: Die (Groß-)Städte und insbesondere die verdichteten Gebiete im Land haben für Zuziehende im Vergleich zu den 1990er-Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen, während die Dynamik in den eher ländlich strukturierten Kreisen tendenziell geringer geworden ist.

In den letzten Jahren zeichnet sich allerdings eine erneute Trendumkehr ab: Die Attraktivität der ländlich geprägten Teilräume ist für Zuziehende wieder gestiegen, während diejenige der Großstädte gesunken ist. Ursächlich hierfür dürfte vor allem die in den Zentren zunehmende Wohnungsknappheit und die damit verbundenen hohen Wohnungskosten sein.4

Wer zählt zu den älteren Menschen?

In den vergangenen Jahren gab es jeweils über 1 Mill. Umzüge in Baden-Württemberg. Wie viele davon entfielen auf Ältere und wer wird überhaupt zu dieser Altersgruppe gerechnet? Eine einheitliche Definition hierfür gibt es nicht. Oftmals werden deshalb Menschen zu den Älteren ab demjenigen Alter gezählt, in dem der Eintritt in den Ruhestand erfolgt. Derzeit wird die Altersgrenze für die Regelaltersrente schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben.5 Dennoch sollen für die folgenden Auswertungen bereits die mindestens 60-Jährigen zu den Älteren gezählt werden, da viele schon vor der regulären Altersgrenze mobil sind, »auch aufgrund von Arbeitseinschränkungen und frühzeitigen Ruheständen.«6 Dies entspricht auch der Standarddefinition der Vereinten Nationen.7 Paul Baltes, der zu den führenden Gerontologen zählte, bezeichnete das 60. Lebensjahr außerdem als Beginn des »Dritten Alters«.8

Deutsche Seniorinnen und Senioren ziehen per saldo häufig nach Österreich

Im Jahr 2018 gab es rund 73 100 Umzüge von 60-Jährigen und Älteren. Etwa die Hälfte dieser Umzüge betraf Wohnortwechsel innerhalb Baden-Württembergs (37 100), die andere Hälfte verteilt sich wiederum relativ gleichmäßig auf Umzüge in das übrige bzw. aus dem übrigen Bundesgebiet einerseits (17 500) und in das bzw. aus dem Ausland andererseits (18 500).9

Bevorzugter ausländischer Zielstaat von deutschen Staatsangehörigen im Alter von 60 und mehr Jahren war im Jahr 2018 die Schweiz, gefolgt von Frankreich, Spanien und Österreich. Werden gleichzeitig die Zuzüge betrachtet, so war der Wanderungssaldo gegenüber der Schweiz dennoch positiv, gegenüber Österreich gab es die höchste Abwanderung.

Ausländerinnen und Ausländer der Generation 60+, die bisher im Südwesten lebten, zogen am häufigsten nach Polen und Rumänien sowie in die Türkei (zurück) (Schaubild 1). Der Wanderungsverlust war gegenüber der Türkei am höchsten, gefolgt von Kroatien und Serbien.

Umzugshäufigkeit von Älteren ist relativ gering

Der Anteil aller Umzüge der Generation 60+ an den Zu- und Fortzügen der Gesamtbevölkerung lag 2018 wie auch in den Jahren zuvor bei lediglich etwa 6 % (Schaubild 2). Damit kann festgehalten werden, dass Menschen im höheren Alter ihren Wohnort relativ selten wechseln. Denn obwohl jeder vierte Baden-Württemberger 60 Jahre oder älter ist, entfiel nur etwa jeder 16. Umzug auf diese Altersgruppe.

Noch deutlicher wird die relativ geringe Wanderungshäufigkeit älterer Menschen anhand von Schaubild 3. Dargestellt sind sogenannte altersspezifische Mobilitätsziffern, bei denen die Wanderungsfälle nach Altersjahren jeweils auf die entsprechende Bevölkerung bezogen wurden. Besonders »wanderungsaktiv« sind Erwachsene im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. 70- bis 80-jährige Personen weisen dagegen die geringste Umzugshäufigkeit auf. Im noch höheren Alter steigt sie dann wieder an.

Anhand von Schaubild 3 wird auch deutlich, dass die Mobilität der Älteren im Jahr 2018 gegenüber dem Jahr 2000 nur in der Altersgruppe der 60- bis 70-jährigen leicht angestiegen ist. In den höheren Altersgruppen ist sie dagegen zurückgegangen. Diese Entwicklung ist möglicherweise auch auf einen seither verbesserten Gesundheitszustand der Bevölkerung zurückzuführen: Denn einerseits sind die »jungen Alten« häufiger als früher für einen Umzug bereit und andererseits ist die Umzugshäufigkeit der Älteren, bei denen zunehmende gesundheitliche Probleme einen Umzug notwendig machen könnten, gesunken.

Wanderungsmotive älterer Menschen

Weshalb ziehen ältere Menschen überhaupt (noch) um?10 Im Gegensatz zu jungen Erwachsenen, die ganz überwiegend wegen der Aufnahme eines Studiums oder einer Arbeit ihren Wohnort wechseln, weisen Wanderungen älterer Menschen sehr verschiedene Migrationsmuster auf. Die Wanderungsmotive hängen insbesondere vom Lebensalter, vom Gesundheitszustand der Seniorinnen und Senioren und von deren Schichtzugehörigkeit ab. Wanderungen, die im Hinblick auf das Wohnumfeld vorgenommen werden, betreffen häufig Personen mit höherer Bildung. Umzüge in attraktive Gegenden mit einem hohen Erholungswert und guter Infrastruktur für Ältere setzen im allgemeinen höhere Einkommens- und Vermögenssituationen voraus.11

Bei der älteren Bevölkerung können drei typische Umzugsarten unterschieden werden, die jeweils charakteristisch für ein bestimmtes Alter sind:12

Der erste Typ beinhaltet Umzüge von »jungen Alten«, die meist unmittelbar nach dem Übergang in den Ruhestand stattfinden. Umgezogen wird in Regionen, von denen man sich eine höhere Lebensqualität verspricht, also insbesondere eine gesündere Umgebung und bessere Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung. Außerdem können der Wunsch zur Rückkehr in die frühere Heimat und das Bedürfnis, in der Nähe der Familie zu sein, auch in dieser Phase ein ausschlaggebendes Motiv für einen Umzug sein.13

Der zweite Typ steht für Umzüge, die tendenziell in einem etwas höheren Alter stattfinden. Anlass hierfür sind oftmals nachlassende Gesundheit und zunehmender Hilfebedarf. Vom Umzug erhofft man sich bessere Unterstützung durch Familienmitglieder oder durch andere soziale Netzwerke.

Als dritten Typ von Umzügen im Alter kann dann gesprochen werden, wenn ältere Menschen nicht mehr in der Lage sind, einen eigenen Haushalt zu führen. Diese Umzüge sind damit mehr oder weniger unfreiwillig und führen meist in Gemeinschaftsunterkünfte oder andere betreute Wohnformen.

Wie wird die regional unterschiedliche Mobilität gemessen?

Vor diesem theoretischen Hintergrund soll im Folgenden das regionale Wanderungsgeschehen der Älteren in Baden-Württemberg näher betrachtet werden. Konkret soll der Frage nachgegangen werden, von wo Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger weg- bzw. wohin sie hinziehen. Dabei sollen allerdings die Wanderungen über die Landesgrenze unberücksichtigt bleiben, da sie die Aussagekraft zur Frage, welche Teilräume des Landes für Seniorinnen und Senioren besonders und welche weniger attraktiv sind, verringern würde. Denn das Wanderungsgeschehen älterer Menschen wird nicht zuletzt davon bestimmt, dass viele ausländische Staatsangehörige nach der Beendigung ihres Berufslebens wieder in ihre frühere Heimat zurückkehren. Ausländerinnen und Ausländer leben aber überdurchschnittlich oft in den Arbeitsplatzzentren und damit in den größeren Städten. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ist deshalb regional sehr unterschiedlich; er schwankt zwischen knapp 10 % im Main-Tauber-Kreis und rund 27 % in Pforzheim.

Als Indikator zur Ermittlung der Mobilitäts- und damit Attraktivitätsunterschiede zwischen den 44 Stadt- und Landkreisen für Ältere wurde die sogenannte Nettowanderungsrate gewählt. Bei dieser Kenngröße wird der Saldo zwischen Zu- und Fortzügen der 60-Jährigen und Älteren innerhalb des Landes auf die entsprechende Bevölkerung bezogen.

Zusätzlich wurde die Nettowanderungsrate auch für einzelne Altersgruppen berechnet, die den drei oben genannten »Wanderungsmotivtypen« zugeordnet wurden. Dem »Wanderungstyp 1« wurden hierzu Umzüge der 60- bis unter 70-Jährigen, dem »Wanderungstyp 2« diejenigen der 70- bis unter 80-Jährigen und dem »Wanderungstyp 3« Zu- bzw. Fortzüge der 80-Jährigen und Älteren zugeordnet. Selbstverständlich können dennoch die unterschiedlichen Umzugsgründe in allen Altersgruppen eine Rolle spielen. Um Zufallsschwankungen möglichst zu eliminieren, wurden die Berechnungen für zwei 4-jährige Zeiträume, nämlich für 2015 bis 2018 und – für einen Zeitvergleich – auch für 2000 bis 2003 durchgeführt.

Ältere ziehen seltener aufs Land

Wie hat sich das Binnenwanderungsgeschehen bei den Älteren in den 44 Stadt- und Landkreisen seit Beginn dieses Jahrhunderts entwickelt? In den Jahren 2000 bis 2003 war es so, dass – fast schon erwartungsgemäß – der Stadtkreis Baden-Baden den mit Abstand höchsten Wanderungsüberschuss erzielte. Es folgten der Neckar-Odenwald- und der Bodenseekreis sowie die Landkreise Breisgau-Hochschwarzwand und Heilbronn. Starke Wanderungsverluste wiesen die Stadtkreise Stuttgart, Heidelberg, Heilbronn und Mannheim auf. Von Baden-Baden abgesehen, war somit ein relativ deutliches »Land-Stadt-Gefälle« erkennbar.

Auch in den Jahren 2015 bis 2018 erzielten wiederum eher ländlich geprägte Landkreise wie Freudenstadt und Biberach hohe Zugewinne in der Altersgruppe der 60-Jährigen und Älteren. Das höchste Plus erzielte allerdings der Stadtkreis Pforzheim (Schaubild 4). Auf hierfür mögliche Gründe wird noch eingegangen.

Die höchsten Wanderungsverluste wies von 2015 bis 2018 wiederum der Stadtkreis Stuttgart auf. In diesem Zeitraum zogen per saldo 1 845 Einwohner im Alter von 60 und mehr Jahren aus der Landeshauptstadt weg. Schaubild 5 zeigt, dass die Landeshauptstadt – er-wartungsgemäß – vor allem an die angrenzenden Landkreise Einwohner verloren hat.14 Gegenüber immerhin sechs Kreisen erzielte sie – wenn auch geringe – Wanderungsgewinne, darunter gegenüber den Stadtkreisen Karlsruhe und Heidelberg.

Insgesamt zeigt sich im Zeitablauf, dass Ältere zwar weiterhin per saldo aus den meisten Großstädten in die eher ländlichen bzw. angrenzenden Gebiete umziehen, dass sich dieser Trend aber gegenüber dem Beginn dieses Jahrhunderts abgeschwächt hat. Dennoch kann – von den Stadtkreisen Pforzheim und auch Ulm abgesehen – weiterhin von einer »Suburbanisierung des Alters«15 gesprochen werden.

Diese Entwicklung hin zu einer abnehmenden Abwanderung aus den Zentren ist sicherlich deswegen etwas erstaunlich, da dort die Wohnungskosten in den letzten Jahren überdurchschnittlich angestiegen sind. Dass es trotzdem nicht zu einer verstärkten Abwanderung gekommen ist, wird damit begründet, dass sich die Bedingungen für das »Altwerden in der Stadt« verbessert hätten. Genannt werden unter anderem Maßnahmen zur Verringerung der Umweltbelastungen, zur Aufwertung der Grünflächen sowie zur Förderung der Barrierefreiheit. Hinzu kämen Verbesserungen der Einkaufs-, Versorgungs- und der kulturellen Infrastrukturen.16

»Junge Alte«: Landschaftlich attraktive Gebiete werden präferiert

Welche Auffälligkeiten sind beim Wanderungsgeschehen der Älteren differenziert nach einzelnen Altersgruppen zu erkennen? Bei der Wanderung der »jungen Alten« im Alter von 60 bis unter 70 Jahren, also dem »Wanderungstyp 1«, steht der Umzug in Gegenden, von denen man sich eine höhere Lebensqualität verspricht, das heißt insbesondere eine gesündere Umgebung und bessere Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, im Vordergrund. Wird die Zahl der Übernachtungen bezogen auf die einheimische Bevölkerung als Gradmesser für die (touristische) Attraktivität einer Gegend herangezogen, so zeigt sich hier eine relativ große Übereinstimmung: Die höchste positive Nettowanderungsrate in der Altersgruppe der 60- bis unter 70-Jährigen verzeichneten die Landkreise Freudenstadt, Calw, Breisgau-Hochschwarzwald und der Bodenseekreis (Schaubild 6). Diese Kreise belegen auch vordere Plätze bei der Übernachtungsdichte.

70- bis unter 80-Jährige: Hohe Wanderungsgewinne Baden-Badens

Baden-Baden wies zwar auch in den Jahren 2015 bis 2018 einen positiven Wanderungssaldo auf; dieser ist aber gegenüber dem des Zeitraums 2000 bis 2003 erheblich gesunken. Wanderungsgewinne gab es zuletzt nur noch in der Altersgruppe der 70- bis unter 80-Jährigen. Hier erzielte Baden-Baden – wie bereits im Zeitraum 2000 bis 2003 – den höchsten positiven Saldo der 44 Stadt- und Landkreise. Dieser »Wanderungstyp 2« ist ja oftmals durch nachlassende Gesundheit und zunehmenden Hilfebedarf der Älteren gekennzeichnet. Die Gesundheitsversorgung vor Ort spielt deshalb für diese Altersgruppe eine wesentliche Rolle.17 Dagegen scheint die Attraktivität Baden-Badens für Hochbetagte gegenüber dem Beginn dieses Jahrhunderts gesunken zu sein.18

80-Jährige und Ältere: Stärkster Zuzug nach Pforzheim

Pforzheim wies im Zeitraum 2015 bis 2018 die höchste Nettowanderungsrate der Generation 60 plus auf. Diese Spitzenposition überrascht, da die »Schmuck- und Goldstadt« neben Baden-Baden der einzige der neun Stadtkreise des Landes war, die überhaupt einen positiven Wanderungssaldo hatten. Es zeigt sich, dass dieses Ergebnis zum größten Teil auf die beachtliche Zuwanderung von 80-Jährigen und Älteren (»Wanderungstyp 3«) zurückzuführen ist. Entscheidend hierfür dürfte das große Angebot an Pflegeheimplätzen sein: Pforzheim hat landesweit – bezogen auf die Zahl der 65-Jährigen und Älteren – die höchste Zahl an verfügbaren Plätzen in Pflegeheimen für vollstationäre Pflege.19

Schließlich zeigt Schaubild 6, dass es einerseits Kreise gibt, die für alle älteren Altersgruppen attraktiv bzw. für alle älteren eher unattraktiv sind, und andererseits Kreise, die diesbezüglich recht unterschiedlich abschneiden, so zum Beispiel der Landkreis Calw. Dieser ist für die »jungen Alten« sehr attraktiv, dagegen ziehen sowohl bei den 70- bis unter 80-Jährigen als auch bei den 80-Jährigen und Älteren per saldo Einwohnerinnen und Einwohner weg. Auffällig ist auch das Wanderungsmuster des Ostalbkreises und der Stadt Ulm: Bei beiden sind die Wanderungssalden in den drei Altersgruppen jeweils nahezu ausgeglichen.

Fazit und …

Festzuhalten bleibt damit, dass ältere Menschen in Baden-Württemberg relativ selten umziehen. Die meisten bleiben auch nach der Beendigung der Berufstätigkeit an jenem Ort, an dem sie bereits die meiste Zeit ihres Erwachsenenlebens verbracht haben.20 Die Umzugshäufigkeit der Generation 60 plus lag zuletzt nur bei etwa einem Neuntel derjenigen der jungen Erwachsenen im Alter von unter 30 Jahren.

Verglichen mit früheren Jahren hat sich die Umzugshäufigkeit der älteren Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger uneinheitlich entwickelt: Während diejenige im Alter von 60 bis 70 Jahren gegenüber den Jahren 2000 bis 2003 leicht angestiegen ist, ist die der über 70-Jährigen zurückgegangen. Geändert hat sich auch das regionale Wanderungsgeschehen: Per saldo ziehen die Menschen im Alter zwar immer noch häufiger von der Stadt auf das Land als umgekehrt; die Wanderungsverluste an das Umland sind aber geringer geworden.

… Ausblick: Die »Altenwanderung« wird künftig an Bedeutung gewinnen

Künftig wird die Bedeutung der Altenwanderung wegen des demografischem Wandels aller Voraussicht nach zunehmen und zwar auch dann, wenn sich das Wanderungsverhalten der Älteren nicht ändern sollte. Der Anteil der 60-Jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung könnte nämlich in Baden-Württemberg von derzeit 26 % auf 34 % bis zum Jahr 2050 ansteigen.21

Darüber hinaus könnte aber auch die Umzugshäufigkeit Älterer ansteigen. Begründet wird diese Einschätzung damit, dass sich wegen der wohl weiter zunehmenden Lebenserwartung der »Nutzen eines Umzugs erhöht«.22 Herwig Birg sieht es ähnlich: Er rechnet vor allem bei den »jungen Alten« mit einer steigenden Mobilität, weil diese eine vergleichsweise gute gesundheitliche Konstitution besäßen und zunehmend materiell unabhängig seien.2324

1 Der tatsächliche Wanderungsgewinn dürfte aber geringer gewesen sein, da die Einwohnerzahlen aufgrund der Volkszählungen 1956, 1961, 1970 und 1987 sowie aufgrund des Zensus 2011 um insgesamt etwa 700 000 Personen nach unten korrigiert wurden. Ursächlich hierfür dürften ganz überwiegend bei Wegzügen unterlassene Abmeldungen (»Karteileichen«) gewesen sein, die erst durch die Volkszählungen bzw. durch den Zensus 2011 aufgedeckt wurden.

2 Umzüge innerhalb von rechtlich selbstständigen Gemeinden werden von der amtlichen Wanderungsstatistik nicht erfasst. Ergebnisse für das Gesamtjahr 2019 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

3 Üblicherweise werden bei diesem Indikator auch die Zuzüge von außerhalb des Landes berücksichtigt. Damit wird aber die Umzugshäufigkeit – in diesem Fall die der baden-württembergischen Bevölkerung – überzeichnet. Alternativ könnte deshalb auch eine »modifizierte Mobilitätsziffer« berechnet werden, die diese Außenzuzüge – und konsequenterweise auch diese Zugezogenen bei der Bezugsgröße »Bevölkerung« – unberücksichtigt lässt. Für 2018 lag die dann so berechnete modifizierte Mobilitätsziffer »nur« noch bei 76 statt bei 109, im Jahr 2000 bei 66 statt bei 91.

4 Brachat-Schwarz, Werner: »Geburtenhoch und geringere Zuwanderung«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2020«, S. 16.

5 Für die Geburtsjahrgänge ab 1964 liegt dann im Jahr 2031 die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren; vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Rentenlexikon – Regelaltersrente https://www.bmas.de/DE/Themen/Rente/Rentenlexikon/A/altersgrenze.html (Abruf: 14.02.2020).

6 Gruber, Elisabeth: Im Ruhestand aufs Land? – Ruhestandsmigration und deren Bedeutung für ländliche Räume in Österreich, 2017, S. 14.

7 Aktiv Altern – Rahmenbedingungen und Vorschläge für politisches Handeln, Weltgesundheitsorganisation (Hrsg.), 2002, S. 4. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/67215/WHO_NMH_NPH_02.8_ger.pdf;jsessionid=D5EAE14FEEB45C17CB7E1790DFB35FA7?sequence=2 (Abruf: 06.02.2020).

8 Baltes, Paul: Das hohe Alter – Mehr Bürde oder Würde, https://www.fu-berlin.de/presse/publikationen/fundiert/archiv/2004_01/04_01_baltes/index.html (Abruf: 04.02.2020)

9 Der Autor dankt Herrn Ingolf Girrbach für die umfangreichen Auswertungen der Wanderungsstatistik.

10 Die amtliche Wanderungsstatistik erfasst zwar einige demografische Merkmale der Wandernden wie beispielsweise das Alter und das Geschlecht, nicht aber deren Wanderungsmotive. Diese können nur indirekt anhand der Altersgliederung der Umziehenden vermutet werden.

11 Birg, Herwig/Flöthmann, E.-Jürgen: Migration älterer Menschen in Nordrhein-Westfalen und ihr Einfluss auf die demographische Alterung der Bevölkerung, in: Materialien des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) der Universität Bielefeld, 1995, S. 5 ff.

12 Engfer, Uwe: Ruhestandsmigration und Reurbanisierung – Trends in Deutschland 1995–2012, in: Raumforschung und Raumordnung, online publiziert am 02.11.2017 https://content.sciendo.com/view/journals/rara/76/1/article-p35.xml?lang=de&tab_body=pdf (Abruf: 30.01.2020)

13 Gruber, Elisabeth: Im Ruhestand aufs Land? – Ruhestandsmigration und deren Bedeutung für ländliche Räume in Österreich, 2017, S. 16.

14 Die Wanderungsverluste gegenüber den einzelnen Kreisen waren, relativ betrachtet, eher moderat. Mit 411 Personen war das Minus gegenüber dem Landkreis Ludwigsburg noch am höchsten. Dahinter verbergen sich dennoch durchaus beachtliche Wanderungsbewegungen: 1 049 Personen sind aus Stuttgart in den Landkreis Ludwigsburg weggezogen, 638 Personen zogen aus dem Nachbarkreis in die Landeshauptstadt zu.

15 Friedrich, Klaus: Altern in räumlicher Umwelt. Sozialräumliche Interaktionsmuster älterer Menschen in Deutschland und in den USA. Darmstadt, 1995, S. 91, zitiert aus: Altenwanderung und seniorengerechte Infrastruktur, Endbericht Teil A, Analyse der Altenwanderung, Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein (Auftraggeber), 2007, S. 43. https://www.dsn-online.de/fileadmin/user_upload/references-pdf/ASAP-Studie_Teil_A_Endfassung_mit_Anhang.pdf (Abruf: 03.02.2020)

16 Engfer, Uwe: Ruhestandsmigration und Reurbanisierung – Trend in Deutschland 1995–2012, in: Raumforschung und Raumordnung, online publiziert am 02.11.2017, S. 47 https://content.sciendo.com/view/journals/rara/76/1/article-p35.xml?lang=de&tab_body=pdf (Abruf: 30.01.2020)

17 Fredersdorf, Frederic, u. a.: Altersmigration und Gesundheitstourismus als Treiber regionalen Strukturwandels (ALGeTrei), Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten, Schriftenreihe, Band 4, 2017, insbesondere S. 19.

18 Auch wenn für diese Kreisberechnungen ein Zeitraum von jeweils 4 Jahren zugrunde gelegt wurde, sind Zufallseinflüsse aufgrund der zum Teil recht kleinen Fallzahlen nicht auszuschließen.

19 Ergebnis der Pflegestatistik Baden-Württemberg für das Jahr 2017.

20 Gruber, Elisabeth: Im Ruhestand aufs Land? – Ruhestandsmigration und deren Bedeutung für ländliche Räume in Österreich, 2017, S. 5.

21 Ergebnis der Bevölkerungsvorausrechnung auf Basis 31.12.2017 (Hauptvariante).

22 Fassmann, Heinz: Ruhestandswanderung und stationäres Altern, in: Baykara-Krumme, Helen, u. a.: Viele Welten des Alterns – Ältere Migranten im alternden Deutschland, 2012, S. 374 f.

23 Birg, Herwig/Flöthmann, E.-Jürgen: Migration älterer Menschen in Nordrhein-Westfalen und ihr Einfluss auf die demographische Alterung der Bevölkerung, in: Materialien des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) der Uni Bielefeld, 1995, S. 7.

24 Hinweis: Das Wanderungsgeschehen der Älteren in Baden-Württemberg wurde vom Statistischen Landesamt bereits in früheren Beiträgen dargestellt: Gröner, Gerhard: Die Altenwanderung Baden-Württembergs, in: Baden-Württemberg in Wort und Zahl, 42 (1994), Heft 1-12, S. 207–211; Schwarck, Cornelia: »Wohin zieht es ältere Menschen in Baden-Württemberg?«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2008«, S. 14–18.