:: 7/2020

Höhere Scheidungshäufigkeit im badischen Landesteil

Ausgewählte Ergebnisse der Ehelösungsstatistik 2019 für Baden-Württemberg

»Bis dass der Tod uns scheidet«. Dieses Eheversprechen wurde in den vergangenen Jahrzehnten immer seltener gehalten. Die Scheidungshäufigkeit hat sich in Baden-Württemberg seit den 1960er-Jahren mehr als verdoppelt; gut ein Drittel der Ehepartner wird wohl auch künftig den Gang zum Scheidungsrichter wählen.

Zwar ist die Zahl der Ehescheidungen im Jahr 2019 erstmals wieder leicht angestiegen. Dennoch sind – wie im folgenden Beitrag gezeigt werden soll – die Ehen im Südwesten im Vergleich zum Beginn dieses Jahrzehnts wieder etwas stabiler geworden. Gezeigt werden soll auch, dass die Scheidungshäufigkeit im badischen Landesteil etwas höher als im württembergischen ist. Weitere ausgewählte Ergebnisse der Ehelösungsstatistik für das Berichtsjahr 2019 runden den Beitrag ab.

Im Jahr 2019 wurden in Baden-Württemberg 18 956 Ehen geschieden; darunter waren auch Ehescheidungen von gleichgeschlechtlichen Partnerinnen bzw. Partner und zwar von acht weiblichen und von fünf männlichen Paaren.1 Damit ist die Zahl der Ehescheidungen zum ersten Mal seit 8 Jahren gegenüber dem Vorjahr wieder angestiegen (+ 3 %). Im Vergleich zum Jahr 2004, in dem es so viele Ehescheidungen wie noch nie seit Bestehen des Landes gab, hat sich deren Zahl allerdings um ein Viertel verringert. Ähnlich entwickelte sich in den vergangenen Jahren die Zahl der von einer Scheidung betroffenen Kinder; im Jahr 2019 ließen sich die Eltern von 15 210 minderjährigen Kindern scheiden, im Jahr 2004 waren es noch 21 965 (Schaubild 1).

Scheidungen im 8. Ehejahr am häufigsten

Am häufigsten war im Jahr 2019 eine Scheidung im 8. Ehejahr (929).2 Am zweithäufigsten wurden Ehen im »verflixten« 7. Ehejahr geschieden (917), gefolgt vom 6. (906) und 9. Ehejahr (886, Schaubild 2). Aber auch Ehescheidungen nach einer verhältnismäßig langen Zeit des Zusammenlebens waren keine Einzelfälle. So hatten Paare bei jeder sechsten der im vergangenen Jahr geschiedenen Ehe das Jubiläum der Silberhochzeit bereits hinter sich. Bei 422 Ehepaaren erfolgte die Scheidung im Jahr des 25-jährigen Ehejubiläums, bei immerhin acht Paaren im Jahr der »goldenen Hochzeit«.

Mittlere Ehedauer der geschiedenen Ehen liegt bei knapp 16 Jahren und …

Die durchschnittliche Ehedauer aller im Jahr 2019 geschiedenen Ehen lag ähnlich wie in den Vorjahren bei annähernd 16 Jahren, im Jahr 1970 waren es dagegen noch lediglich 10 Jahre. Dieser in den vergangenen Jahrzehnten relativ stetige Anstieg der Ehedauer ist zum einen darauf zurückzuführen, dass langjährige Ehen heute tatsächlich häufiger als früher geschieden werden. Zum anderen ist er das Ergebnis der geburtenstarken Jahrgänge zu Beginn der 1960er-Jahre (»Babyboomer«). Denn die jetzt noch bestehenden Ehen dieser Generation sind damit bereits von längerer Dauer. Werden sie geschieden, gehen sie – da die Besetzungsstärken deutlich größer als bei den jüngeren Jahrgängen waren – folglich mit einem verhältnismäßig großen Gewicht in die Berechnung der durchschnittlichen Ehedauer ein.3 Und schließlich hat auch die Reform des Ehe- und Familienrechts zum 1. Juli 1977 dazu beigetragen, dass sich die durchschnittliche Ehedauer erhöht hat, weil sich durch diese Reform die Prozessdauer der Scheidungsverfahren deutlich verlängert hat.4

… die durch den Tod des Ehepartners gelösten Ehen bei 39 Jahren

Nach wie vor werden die meisten Ehen durch den Tod eines Ehepartners getrennt. Ihre Zahl bewegte sich in den letzten Jahren in einer Größenordnung von 40 000 bis 45 000 Verwitwungen pro Jahr. Damit beruhten rund 70 % aller Ehelösungen in den letzten Jahren auf Verwitwung der Frau oder des Mannes.

Die Dauer dieser Ehen, die nicht durch Scheidung, sondern durch den Tod des Ehepartners gelöst wurden, lag zuletzt im Schnitt bei 39 Jahren (Schaubild 3). Diesem errechneten Ergebnis liegen folgende Überlegungen zugrunde: Ledige, verwitwete oder geschiedene Männer heirateten in Baden-Württemberg im Jahr 2018 im Durchschnitt mit knapp 38 Jahren. Deren durchschnittliches Sterbealter lag zuletzt bei annähernd 77 Jahren. Männer, die sich nicht scheiden ließen, waren also im Durchschnitt rund 39 Jahre verheiratet. Da Frauen im Schnitt bereits mit knapp 35 Jahren heiraten und ihr durchschnittliches Sterbealter derzeit mit gut 82 Jahren höher als das der Männer ist, ergibt sich sowohl für die Männer als auch die Frauen eine Ehedauer von 39 Jahren. Das spätere Heiratsalter sowie die geringere Lebenserwartung der Männer sind also die »limitierenden« Faktoren für die Ehedauer.

Die durchschnittliche Dauer der Ehen, die nicht durch Scheidung, sondern durch den Tod des Ehepartners gelöst wurden, blieb damit im Vergleich zu 1970 fast unverändert. Die Paare haben zuletzt zwar deutlich später als noch vor 5 Jahrzehnten geheiratet; seither ist aber auch das durchschnittliche Sterbealter der Frauen und Männer in einem ähnlichen Umfang angestiegen.

Scheidungshäufigkeit hat sich seit den 1960er-Jahren mehr als verdoppelt, aber …

In den letzten Jahrzehnten stieg mit jedem jüngeren Heiratsjahrgang die Scheidungshäufigkeit an. Vom Heiratsjahrgang 1960 wurden etwa 15 % der seinerzeit geschlossenen Ehen geschieden. Für den Heiratsjahrgang 1970 traf dieses Schicksal auf jedes vierte Ehepaar zu, für den Jahrgang 1980 bereits auf jede dritte Ehe. Bei Paaren, die 1995 den Bund der Ehe eingingen, könnte die Scheidungshäufigkeit sogar bei 39 % liegen (Schaubild 4).5

Diese Scheidungsquote gilt für die im Jahr 1995 geschlossenen Ehen zu Beginn dieser Ehen. Interessant ist sicherlich auch, welches Scheidungsrisiko Ehen nach einer bestimmten Ehedauer noch haben. Beispielsweise liegt dieses Risiko für Ehen, die 1995 geschlossen wurden, im Jahr 2020 und damit im 26. Ehejahr »nur« noch bei 6 % (Schaubild 5).

… zuletzt waren die Ehen wieder etwas stabiler

Für jüngere Heiratsjahrgänge zeichnet sich ab, dass die Ehen zuletzt wieder etwas stabiler geworden sind. So wurden beispielsweise von den im Jahr 2005 geschlossenen Ehen bislang »nur« rund 23 % geschieden – für die Heiratsjahrgänge 1995 und 2000 lag der entsprechende Anteil nach den ersten 14 Ehejahren dagegen bei 25 % bzw. 26 %.

Dieser Trend hin zu etwas geringeren Scheidungshäufigkeiten zeigt sich auch dann, wenn nicht einzelne Heiratsjahrgänge sondern verschiedene Berichtsjahre miteinander verglichen werden. So ist die Scheidungshäufigkeit im Jahr 2019 gegenüber 20126 praktisch in allen Ehejahren zurückgegangen; besonders stark ausgeprägt war der Rückgang vom 3. bis etwa 13. Ehejahr (Schaubild 6).

Was sind die Ursachen dafür, dass die Scheidungshäufigkeit in den letzten Jahren tendenziell zurückgegangen ist, nachdem diese in den letzten Jahrzehnten stetig anstieg? Entscheidend hierfür dürfte sein, dass sich die Einstellung zum Heiraten weiter verändert hat. »Eine Ehe ist heute kein gesellschaftlicher Zwang mehr« und »Ehen sind heute freiwilliger gewählt und werden bewusster geschlossen als noch vor ein oder zwei Generationen«, so die Einschätzung von Lisa Fischbach, Psychologin aus Hamburg.7 Denkbar ist deshalb, dass Ehen, die vielleicht bereits zu Beginn »unter keinem guten Stern« gestanden hätten, möglicherweise erst gar nicht mehr geschlossen werden und damit auch nicht geschieden werden können. Dafür, dass in den letzten Jahren tatsächlich »bewusster« geheiratet wurde, spricht auch, dass die Scheidungshäufigkeit vor allem bei denjenigen Ehen gesunken ist, die noch nicht lange bestehen.

Hinzu kommt ein weiterer möglicher Grund für die zurückgegangene Scheidungshäufigkeit: Wenn Paare heute heiraten, dann sind sie im Schnitt deutlich älter als früher. Heute sind die Männer in Baden-Württemberg bei der ersten Eheschließung im Schnitt knapp 34 Jahre und die Frauen etwas mehr als 31 Jahre alt. Damit ist das Durchschnittsalter, in dem ledige Männer und Frauen vor den Standesbeamten treten, allein seit 1995 um annähernd 4 Jahre angestiegen – und mit höherem Heiratsalter nimmt das Scheidungsrisiko tendenziell ab.8

Schließlich dürfte die gesunkene Scheidungshäufigkeit auch auf die jahrelangen hervorragenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die sich in einer geringen Arbeitslosigkeit und einem Höchststand bei der Erwerbstätigkeit widerspiegeln, zurückzuführen sein. Hierfür spricht das Untersuchungsergebnis von Fabio Franzese und Ingmar Rapp, wonach Arbeitslosigkeit das Trennungsrisiko von Ehen erhöht.9

Scheidungshäufigkeit im badischen Landesteil etwas höher …

Innerhalb des Landes zeigen sich Unterschiede im Scheidungsverhalten, die aber relativ gering ausfallen. Die wenigsten Ehen wurden zuletzt in den Regionen Donau-Iller, Heilbronn-Franken und Ostwürttemberg geschieden: Im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 201910 kamen in diesen württembergischen Regionen jeweils 72 bzw. 73 Ehescheidungen auf 10 000 Ehen (Schaubild 7). Am höchsten war die sogenannte spezifische Scheidungsziffer (vergleiche i-Punkt) in den badischen Regionen Hochrhein-Bodensee und Rhein-Neckar mit jährlich jeweils 82 Ehescheidungen bezogen auf 10 000 Ehen.

… und was sind die Gründe?

Darüber, weshalb die Scheidungshäufigkeit im württembergischen Landesteil etwas geringer als in Baden ist, können lediglich Vermutungen angestellt werden. Ein möglicher Erklärungsansatz ist, dass gemeinsame Kinder die Scheidungshäufigkeit mindern,11 in württembergischen Regionen sind Haushalte mit Kindern etwas häufiger als in den meisten badischen.12 Ein weiterer Grund könnte sein, dass Ehen mit Wohneigentum – wie ebenfalls aus der Familiensoziologie bekannt – seltener geschieden werden; in den württembergischen Regionen ist die Eigentümerquote tendenziell höher als in Baden. Schließlich könnte auch die unterschiedliche Erwerbsbeteiligung mitentscheidend sein: Ehen, in denen beide Partner erwerbstätig sind, werden häufiger geschieden als Ehen, in denen die Frau nicht berufstätig ist.13

Alles in allem sind damit die regionalen Unterschiede – wie bereits vermerkt – relativ schwach ausgeprägt. Dies könnte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass die Bevölkerung sehr mobil ist und sich dadurch auch die Lebensstile angeglichen haben. Hinzu kommt, dass nicht immer der Gerichtsbezirk für eine Scheidung zuständig ist, in dem die Ehegatten ihre letzte gemeinsame Wohnung hatten, sondern insbesondere derjenige, in dem einer der Ehegatten mit seinen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen neuen Wohnsitz hat.14

Festzuhalten bleibt auch, dass in Baden-Württemberg die Scheidungshäufigkeit in den letzten Jahren – mit Ausnahme von 2019 gegenüber 2018 – zurückgegangen ist. Ob sie auch in Zukunft weiter sinken wird oder aber doch wieder (etwas) ansteigt, muss dagegen offenbleiben. Spekuliert wird allerdings, ob die Corona-Pandemie in Deutschland – wie bereits in China15 – zu einem temporären Anstieg der Ehescheidungen führen könnte.16

1 Seit dem 1. Oktober 2017 können auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten. Bis September 2017 eingegangene Lebenspartnerschaften können auf Antrag in Ehen umgewandelt werden.

2 Die Ehedauer ergibt sich statistisch aus der Differenz zwischen dem Jahr der Eheschließung und dem Jahr, in dem das Scheidungsurteil rechtskräftig wird. Da die Scheidung in den meisten Fällen erst nach einer 1-jährigen Trennungszeit ausgesprochen wird, sind Ehen faktisch bereits im 7. bzw. nach dem 6. Ehejahr am häufigsten zerbrochen.

3 Grünheid, Evelyn: Ehescheidungen in Deutschland: Entwicklungen und Hintergründe, in: BiB Working Paper 1/2013, S. 11 ff., Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.).

4 Braun, Werner: Ehescheidungen 1984, in: Wirtschaft und Statistik, 3/1986, S. 188.

5 Diese Ergebnisse bilden eher eine Untergrenze der jeweils ermittelten Scheidungshäufigkeit ab, da aus Gründen der zeitlichen Vergleichbarkeit nur die Ehescheidungen in den ersten 30 Ehejahren berücksichtigt wurden; deren Anteil an allen geschiedenen Ehen lag beispielsweise im Berichtsjahr 2019 bei 93 %.

6 Das Jahr 2012 wurde zum Vergleich gewählt, da dies das erste Berichtsjahr nach dem Zensus 2011 war und somit die Vergleichbarkeit über einen möglichst langen Zeitraum gewährleistet war.

7 Von Leszczynski, Ulrike: Gute Nachrichten zum Weltglückstag: Die Ehe auf Augenhöhe setzt sich durch, in: Südkurier vom 19.03.2019, https://www.suedkurier.de/ueberregional/panorama/Gute-Nachrichten-zum-Weltglueckstag-Die-Ehe-auf-Augenhoehe-setzt-sich-durch;art409965,10088069 (Abruf: 05.06.2020).

8 Grünheid, Evelyn: Ehescheidungen in Deutschland: Entwicklungen und Hintergründe, in: BiB Working Paper 1/2013, S. 7, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (Hrsg.).

9 Franzese, Fabio/Rapp, Ingmar: Der Einfluss von Arbeitslosigkeit auf das Trennungsrisiko von Ehen, in: Zeitschrift für Familienforschung, 2013, Heft 3, S. 331 ff.

10 Da die Zahl der Scheidungen vor allem in den kleineren Regionen im Zeitablauf zum Teil nicht unerheblich schwankt, wurde ein Durchschnitt aus 4 Jahren gebildet.

11 Peuckert, Rüdiger: Familien im sozialen Wandel, 7. Auflage, 2008, S. 176.

12 Ausnahme: Auch der Nordschwarzwald zählt zu den Regionen mit dem höchsten Anteil an Privathaushalten mit Kindern; die Scheidungshäufigkeit lag geringfügig unter dem Landesdurchschnitt.

13 Peuckert, Rüdiger: Familien im sozialen Wandel, 7. Auflage, 2008, S. 175 ff.

14 Welches Gericht für eine Scheidung örtlich zuständig ist, ist in § 122 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt.

15 Scheidungswelle in China – »Je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, desto mehr hassen sie sich«, in: stern.de vom 12.04.2020, https://www.stern.de/familie/beziehung/scheidungswelle-in-china----je-mehr-zeit-sie-zusammen-verbrachten--desto-mehr-hassen-sie-sich--9214772.html (Abruf: 05.06.2020).

16 Coronavirus: Folgt der Baby-Boom oder der Scheidungs-Schock?, in: mannheim24.de vom 23.04.2020, https://www.mannheim24.de/region/coronavirus-folgen-baby-boom-scheidungen-quarantaene-corona-krise-partner-zuhause-stress-zeit-13635254.html (Abruf: 05.06.2020).