:: 7/2020

Handwerkszählung 2017

Blick auf einen vielschichtigen Wirtschaftsbereich

Der Begriff des »Handwerks« ist geläufig. Er steht für eine der tragenden Säulen des deutschen Mittelstands. Nahezu jeder durfte oder musste schon die Hilfe eines Handwerkers in Anspruch nehmen und seinen Kenntnissen vertrauen. Sei es beim Bau eines Hauses, der Reparatur des fahrbaren Untersatzes, dem Einkauf beim Bäcker und Fleischer um die Ecke, wenn mal wieder eine neue Brille fällig wurde oder wenn der Blick in den Spiegel den Gedanken an den nächsten Friseurbesuch nahelegte.

Als Handwerk werden zunächst zahlreiche gewerbliche Tätigkeiten bezeichnet, die Produkte meist auf Bestellung fertigen oder Dienstleistungen auf Nachfrage erbringen. Der Begriff bezeichnet aber auch den gesamten Berufsstand. Gleichwohl ist das Handwerk kein homogener, sondern ein vielschichtiger Wirtschaftsbereich: vielschichtig hinsichtlich der Produktpalette aber auch vielschichtig hinsichtlich struktureller Erscheinungsformen. Die Varianten reichen vom Industriezulieferbetrieb bis zum Handwerker im konsumnahen Umfeld, vom mittelständischen Unternehmen mit hunderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis zum Kleinstbetrieb. Gemein ist den Unternehmen infolge ihrer Größe und des Leistungsspektrums der weitgehend lokale/regionale Bezug hinsichtlich des Absatz-, als auch des Arbeitsmarktes. Der handwerklichen Tätigkeit steht die industrielle Massenproduktion gegenüber.

Das handwerkliche Gewerbe wird in Deutschland verbindlich durch die Handwerksordnung1 geregelt und definiert sich über die in der Handwerksordnung ausgewiesenen Bereiche (Positivliste). Nach deren Änderung 2004 waren die Handwerksbetriebe in 41 zulassungspflichtigen (Anlage A der Handwerksordnung), 53 zulassungsfreien (Anlage B1) und 57 handwerksähnlichen Gewerben (Anlage B2) tätig. Im vergangenen Jahr nahm die Diskussion um eine erneute Änderung der Handwerksordnung Fahrt auf. Sie mündete in der Wiedereinführung der Meisterpflicht zum 1. Januar 2020 in zwölf ausgewählten Handwerksbereichen (Tabelle 1) mit Schwerpunkt im Ausbaugewerbe und mit dem Ziel der qualitativen Verbesserung der Arbeitsergebnisse und Stärkung der Ausbildungsleistung.2

Handwerkszählung ermöglicht Aussagen zur strukturellen Entwicklung des Handwerks

Die Handwerkszählung liefert Informationen über selbstständige Handwerksunternehmen des zulassungspflichtigen und des zulassungsfreien Handwerks, nicht jedoch des handwerksähnlichen Gewerbes.3 Seit dem Berichtsjahr 2008 werden die Handwerksunternehmen zur Handwerkszählung nicht mehr direkt befragt. Vielmehr werden die Ergebnisse aus dem Unternehmensregister (URS) gewonnen, das Informationen aus mehreren administrativen Dateien bündelt. So sind in den Lieferdateien der Steuerverwaltung an das URS alle steuerpflichtigen Unternehmen aufgeführt, die im jeweiligen Berichtsjahr Umsatzsteuervoranmeldungen in Deutschland abgegeben haben. Die Dateien der Bundesagentur für Arbeit liefern Angaben zu den sozialversicherungspflichtig und zu den geringfügig entlohnten Beschäftigten. Die Anzahl der tätigen Inhaber wird zugeschätzt. Die jährlichen Informationen zur Handwerkseigenschaft der Unternehmen und deren Zuordnung zu den Hauptgewerbezweigen des zulassungspflichtigen bzw. des zulassungsfreien Handwerks werden von den Handwerkskammern bereitgestellt.

In die Handwerkszählungen werden weiterhin nur selbstständige Handwerksunternehmen einbezogen. Angaben zu Nebenbetrieben (zum Beispiel die Fleischereiabteilung eines Kaufhauses) oder zu innerbetrieblichen Abteilungen wie beispielsweise eine Schlosserei in einem Energieversorgungsunternehmen werden nicht ausgewertet.

Das Handwerk in Baden-Württemberg im Geschäftsjahr 2017: Rund 74 200 Unternehmen

Im Geschäftsjahr 2017 arbeiteten in den rund 74 200 baden-württembergischen Handwerksunternehmen insgesamt knapp 750 000 Personen; darunter sind auch diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die beispielsweise im Verkauf oder in der Verwaltung und damit nicht direkt im handwerklichen Bereich tätig sind. Arbeitskräfte, die von anderen Unternehmen gegen Entgelt zur Arbeitsleistung überlassen wurden (Leiharbeiter), zählen dagegen nicht zu den im Handwerksunternehmen tätigen Personen. Die so abgegrenzten knapp 750 000 Personen erwirtschafteten zusammen einen Umsatz4 von über 95 Milliarden (Mrd.) Euro, im Durchschnitt rund 127 000 Euro je tätige Person.

Die gemessen an der Zahl der Unternehmen, der Beschäftigten sowie des Umsatzes größte Gewerbegruppe war im Geschäftsjahr 2017 das Ausbaugewerbe. Rund 30 100 Unternehmen (das sind gut 40 % aller Handwerksunternehmen im Land) gehörten zum Ausbaugewerbe. Die insgesamt knapp 211 600 Beschäftigten des Ausbaugewerbes erwirtschafteten 2017 einen Umsatz von 24,1 Mrd. Euro. Zweitgrößte Gewerbegruppe waren die Handwerke für den gewerblichen Bedarf. Hinsichtlich der Zahl der Unternehmen (rund 11 500) blieb diese Gewerbegruppe zwar deutlich hinter dem Ausbaugewerbe zurück, in Bezug auf die Beschäftigtenzahl (rund 200 000) und den Jahresumsatz (22,1 Mrd. Euro) lag sie aber nahezu gleichauf und verweist das Kraftfahrzeuggewerbe (20,9 Mrd. Euro) und das Bauhauptgewerbe (16,6 Mrd. Euro) auf die weiteren Plätze. Die vier genannten Gewerbegruppen stehen zusammen für knapp 88 % der Umsätze des baden-württembergischen Handwerks im Geschäftsjahr 2017 (Tabelle 2).

Zulassungspflichtiges und zulassungsfreies Handwerk

Die weitaus überwiegende Zahl der Handwerksunternehmen im Land (81 %) ist in die Handwerksrolle eingetragen und zählt damit zum zulassungspflichtigen Handwerk. Dessen rund 60 300 Unternehmen erwirtschafteten 2017 mit über 617 700 tätigen Personen einen Jahresumsatz von rund 86,9 Mrd. Euro. Die Umsatzproduktivität (Umsatz je tätige Person) lag bei gut 140 600 Euro. Im zulassungsfreien Handwerk waren 2017 rund 14 000 Unternehmen mit knapp 131 000 tätigen Personen registriert. Das zulassungsfreie Handwerk erzielte einen Jahresumsatz von nahezu 8,6 Mrd. Euro. Der Umsatz je tätiger Person lag hier mit gut 65 400 Euro erheblich niedriger als beim zulassungspflichtigen Handwerk.

Auch hinsichtlich der Beschäftigtenstruktur zeigen sich deutliche Unterschiede: Im zulassungspflichtigen Handwerk sind 78 % der tätigen Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, nur 11,5 % sind geringfügig entlohnte Beschäftigte. Beim zulassungsfreien Handwerk ist hingegen mehr als jede vierte Person ein geringfügig entlohnter Beschäftigter. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im zulassungsfreien Handwerk beziffert sich nur auf rund 62 %.

Die Stellung des baden-württembergischen Handwerks in Deutschland

Über 13 % der deutschen Handwerksunternehmen haben ihren Sitz in Baden-Württemberg. Sie beschäftigen gut 14 % aller bundesweit tätigen Personen in dieser Branche. Nur Nordrhein-Westfalen (knapp 20 % der Unternehmen; 21 % der tätigen Personen) und Bayern (jeweils 18 %) rangieren noch vor Baden-Württemberg. Auf Platz 4 dieser Rangliste folgt Niedersachsen (8 % bzw. nahezu 10 %). Diese vier Bundesländer stellen zusammen nicht nur für 59 % der bundesdeutschen Handwerksunternehmen und 63 % der dort insgesamt Beschäftigten, sie stehen auch für mehr als zwei Drittel des Umsatzes im Handwerk zwischen Nord- und Bodensee. Dabei wies das Handwerk im Süden 2017 die höchste Produktivität auf: in Baden-Württemberg rund 127 000 Euro je tätiger Person, in Bayern 121 000 Euro je tätiger Person. Der Bundesdurchschnitt lag bei 110 000 Euro je tätiger Person (Tabelle 3).

Rund vier Zehntel der Handwerksunternehmen in den genannten vier Ländern rechnen zum Ausbau-,5 knapp ein weiteres Zehntel zum Kraftfahrzeug-Gewerbe. Über 15 % der Betriebe erbringen ihre Leistungen für den privaten Bedarf; größtenteils handelt es sich hierbei um Friseure. Das Bauhauptgewerbe hat einen regionalen Schwerpunkt in Niedersachsen (über 15 %), die Handwerke für den gewerblichen Bedarf (insbesondere Feinmechaniker, Metallbauer) sind in Baden-Württemberg und Bayern (jeweils rund 15 %) häufiger vertreten. Zum Lebensmittelgewerbe und zum Gesundheitsgewerbe (zum Beispiel Optiker, Zahntechniker) rechnen in den vier Ländern jeweils nur rund 4 % der Handwerksunternehmen (Schaubild).

Fazit

Ab dem Berichtsjahr 2008 liegen nun bundesweit jährlich belastbare Strukturzahlen zum zulassungspflichtigen und zulassungsfreien Handwerk auf der Basis von Verwaltungsdaten vor. Die Entlastung der meist kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe geht allerdings auf Kosten der statistischen Informationsbreite über das Handwerk. So wurden in der letzten noch als Direktbefragung durchgeführten Handwerkszählung 1995 beispielsweise die Umsätze nach Handwerks-, Handels- und sonstigen Umsätzen differenziert. Abgefragt wurden weiterhin Ausgaben für Löhne und Gehälter sowie gesetzliche Sozialleistungen.

Die Qualität der im Unternehmensregister abgelegten Angaben wird maßgeblich von der Datenlage bei den Verwaltungen bestimmt. Sowohl der Einheitenbestand als auch die Ausprägungen der Merkmale richten sich an den Verwaltungserfordernissen aus und entsprechen daher nicht zwangsläufig auch den Anforderungen der amtlichen Statistik. Nicht zuletzt wegen der großzügigen Fristsetzung bei der Umsatzsteuerfestsetzung liegen die Ergebnisse der Handwerkszählung erst 22 Monate nach Ende des Berichtsjahres vor.

Die Auswertung der Verwaltungsdaten für die Handwerkszählung aus dem Unternehmensregister umfasst die Zahl der Unternehmen, die tätigen Personen und den Umsatz insgesamt. Darstellbar ist die Situation im Handwerk nach Gewerbegruppen bzw. Gewerbezweigen sowie regional differenziert nach Handwerkskammerbezirken und nach Stadt- und Landkreisen. Es ist beabsichtigt, in einem der nächsten Monatshefte neben Ergebnissen nach Umsatz- und Beschäftigtengrößenklassen insbesondere die regionale Differenzierung breiter darzustellen.

1 Handwerksordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBl. I S. 3074; 2006 I S. 2095), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Februar 2020 (BGBl. I S. 142) geändert worden ist.

2 Die Meisterpflicht gilt nur für solche Gewerbe, bei deren Ausübung nach Auffassung des Gesetzgebers Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter entstehen können. Die Meisterprüfung kann aber freiwillig abgelegt werden, sofern für den betreffenden Beruf eine Ausbildungsordnung besteht. Mit dem Meisterbrief wird die Befähigung zur Lehrlingsausbildung erworben.

3 Zum handwerksähnlichen Gewerbe rechnen beispielsweise: Eisenflechter, Betonbohrer und -schneider, Fahrzeugverwerter, Rohr- und Kanalreiniger, Kabelverleger im Hochbau (ohne Anschlussarbeiten), Einbau von Baufertigteilen (z. B. Fenster, Türen, Zargen, Regale), Bürsten- und Pinselmacher, Bügelanstalten für Herren-Oberbekleidung, Änderungsschneider, Speiseeishersteller (mit Vertrieb von Speiseeis mit üblichem Zubehör), Schnellreiniger, Kosmetiker, Maskenbildner.

4 Die steuerbaren Umsätze der einzelnen Handwerksunternehmen umfassen neben dem Handwerksumsatz auch Umsätze aus nichthandwerklicher Tätigkeit.

5 Zum Ausbaugewerbe rechnen insbesondere: Elektrotechniker, Installateur und Heizungsbauer, Maler und Lackierer, Tischler, etc.