:: 7/2020

Wie unterscheiden sich Gemeinden in ihrem Flächenverbrauch?

Vergleichende Indikatoren zur Siedlungsentwicklung für die Gemeinden Baden-Württembergs

Es ist ein erklärtes politisches Ziel der Bundesregierung, den Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche deutlich zu reduzieren. Flächen sind eine begrenzt zur Verfügung stehende Ressource, die stark umkämpft ist: Wir benötigen sie für neue Wohnsiedlungen und Straßen, für Unternehmen und Industrie, aber auch für die Landwirtschaft, für eine nachhaltige Umwelt und Erholung sowie als Ausgleichsflächen für neue ausgewiesene Siedlungs- und Verkehrsflächen. Um den Rückgang der Erholungs- und Naturflächen einzudämmen, lautet die Zielvorgabe der Bundesregierung im Rahmen der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie1, bis 2030 weniger als 30 Hektar (ha) Fläche pro Tag an Siedlungen und Straßen zu »verlieren«. Bis 2050 soll die Nettonull erreicht werden – bis dahin sollen also keine neuen Flächen mehr verbraucht werden, sondern der Bedarf aus dem bisherigen Bestand generiert werden.2

Der Beitrag, den einzelne Gemeinden dabei am Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche haben, verteilt sich auf viele kleine für sich genommen unspektakuläre Schritte und ist somit auf den ersten Blick oft nicht unmittelbar erkennbar – in der Summe dann aber sehr wohl. Abgesehen von einigen Ausnahmen wie zum Beispiel den Bundesverkehrswegen entscheiden die Gemeinden aufgrund der kommunalen Planungshoheit im Rahmen der Bauleitplanung, wo und in welchem Umfang gebaut und damit Fläche in Anspruch genommen wird. Den Gemeinden kommt damit eine wesentliche Bedeutung bei der Umsetzung der angestrebten Ziele zu. Im Gegensatz zu den genauen Zielwerten auf Bundesebene, gibt es aber bis heute keine konkreten Zahlenvorgaben für die einzelnen Gemeinden. Damit fällt es schwer, Stand und Entwicklung einer Gemeinde zu beurteilen. Das Statistische Landesamt stellt seit Kurzem im Internet »Indikatoren zur Siedlungsentwicklung« bereit, die Entscheidungsträgern in den Gemeinden ebenso wie interessierten Bürgern eine Hilfestellung und Vergleichsmöglichkeit bieten.3

Die »Indikatoren zur Siedlungsentwicklung für Gemeinden« wurden bereits in der Vergangenheit vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg berechnet und veröffentlicht.4 Grundlage für die Berechnung der Indikatoren ist unter anderem das Liegenschaftskataster. Da dieses 2016 bundesweit auf einen neuen Merkmalskatalog umgestellt worden ist, mussten in Teilbereichen Anpassungen der ursprünglichen Begriffe und Definitionen vorgenommen werden. Die Revision der Indikatoren wurde auch zum Anlass für weitere Änderungen genommen; so wurde die Vergleichsperiode von 8 auf 10 Jahre verlängert. Die Aktualisierung der Werte erfolgt zudem zukünftig statt bisher nur alle 4 Jahre jetzt im jährlichen Turnus.5

Indikatoren

Insgesamt werden vier Indikatoren angeboten, welche Auskunft über den allgemeinen Flächeneinsatz in den Gemeinden sowie dessen Effizienz, Qualität und Management geben (siehe Übersicht).

Flächeneinsatz

Der Flächeneinsatz stellt den gesamten Umfang der durch Kommunen organisierten Flächeninanspruchnahme für Siedlungszwecke dar. Er wird als Siedlungsfläche je Einwohner gemessen. Damit die Ergebnisse zwischen den Gemeinden verglichen werden können, wird der Flächeneinsatz ins Verhältnis zur Wohnbevölkerung gesetzt. Für die Veränderung des Flächeneinsatzes wurde die prozentuale Differenz der Siedlungsfläche je Einwohner zwischen 2008 und 2018 verwendet. Diese Veränderungen des Flächeneinsatzes können nur dann richtig beurteilt werden, wenn man zugleich die Einwohnerentwicklung berücksichtigt.

Die Kategorie Siedlungsfläche (definiert als Siedlungs- und Verkehrsfläche ohne den Teil Verkehrsfläche) spiegelt zwar nicht das Gesamtmaß der Flächeninanspruchnahme wider. Sie erlaubt aber eine vergleichsweise präzise Einschätzung des jeweiligen Siedlungsgeschehens, da »fremd verursachte« Flächennutzungen, insbesondere durch klassifizierte Straßen, Bahnanlagen und Flugplätze innerhalb der Verkehrsfläche, weitgehend ausgespart werden.

Effizienz der Flächennutzung

Die Wohnflächendichte gibt an, wie viel Wohnfläche je Hektar Wohnbaufläche verfügbar ist. Dies ist ein wichtiger Indikator für die Bebauungsdichte. Locker bebaute Wohngebiete benötigen viel Fläche für wenig Personen und könnten beispielsweise nachverdichtet werden. Um die Veränderung der Wohnflächendichte in den vergangenen Jahren zu beschreiben, wurde die Wohnflächendichte des Jahres 2008 als Ausgangswert indiziert, sodass eine Verdichtung (Werte über 100) bzw. Entzerrung der Bebauung (Werte unter 100) auf einem Blick erkannt werden kann.

Qualität der Flächennutzung

Ein hoher Anteil von Erholungsflächen (Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche und Friedhof) an der Siedlungsfläche relativiert in gewissem Umfang einen vorhandenen hohen Flächenanteil. Erholungsflächen stellen im Allgemeinen einen deutlich geringeren Eingriff in Natur und Umwelt dar als überwiegend baulich geprägte Flächen (Wohnbaufläche, Industrie- und Gewerbefläche). Deshalb wurde der Anteil der Erholungsflächen an der Siedlungsfläche als erster Indikator für die Qualität der Flächennutzung definiert. Um die Veränderung des Qualitätsindikators zu verdeutlichen, wurde der Anteil der Erholungsflächen im Jahr 2008 indexiert, sodass eine Zunahme (Werte über 100) oder Abnahme (Werte unter 100) der Erholungsflächen erkennbar wird.

Flächenmanagement

Beim Thema Flächenmanagement richtet sich der Blick auf die durch Planung kurz- bis mittelfristig beeinflussbaren Veränderungen. Einen solchen Einblick in die Siedlungsentwicklung erhält man, wenn man das Baugeschehen (fertig gestellte Wohn- und Nutzfläche bzw. nur fertig gestellte Wohnfläche aus der Baufertigstellungsstatistik) mit dem Zuwachs an Baugebietsfläche (baulich geprägte Fläche bzw. nur der Wohnbaufläche) in Relation setzt. Niedrige Werte sind Anzeichen für neu ausgewiesene, aber noch nicht bebaute Flächen. Hohe Werte ergeben sich vor allem dann, wenn bereits vereinnahmte Flächen nachträglich bebaut oder Maßnahmen im Bestand durchgeführt werden. Und schließlich könnten einzelne Flächen auch einer anderen Nutzung zugeführt worden sein. Die Veränderung dieses Indikators zeigt sich in der prozentuellen Zu- oder Abnahme des Wertes.

Wie ordne ich die Angaben meiner Gemeinde ein?

Nachdem es für die Gemeinden keine konkreten Zielvorgaben zur Reduktion des Flächenverbrauchs gibt, ist es schwierig den Stand und die Entwicklungen einer Gemeinde anhand der Indikatoren objektiv zu beurteilen. Aus diesem Grund wurden den Werten der Gemeinden zusätzlich die Mittelwerte der jeweiligen Vergleichsgruppe gegenübergestellt. Insgesamt wurden 16 Vergleichsgruppen definiert. Jede Vergleichsgruppe ist dabei eine Kombination aus Raumkategorie und Gemeindegrößenklasse. In der Tabelle sind die Durchschnittswerte der Indikatoren für diese Vergleichsgruppen dargestellt.

Die Indikatoren werden auf der Homepage des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg für jede Gemeinde zusammen mit den Werten der jeweiligen Vergleichsgruppe dargestellt. Abbildung 1 zeigt als Beispiel eine Gemeinde mit 12 417 Einwohnern in einem Verdichtungsraum.

Um einen prägnanten Überblick über die Daten der einzelnen Kommune in den vier Themenfeldern zu ermöglichen, werden die Indikatoren zusätzlich in einer einheitlichen Grafik zusammengefasst. Jedem der vier Themenfelder entspricht ein Viertel des Kreises. Analog zu einer Zielscheibe liegen vorteilhafte Werte näher beim Zentrum, während nachteilige Werte am äußeren Rand abgebildet sind. Durch die grafische Darstellung wird damit deutlich, ob der Wert einer Gemeinde über oder unter dem Durchschnitt innerhalb der Vergleichskategorie liegt und wie weit sich der Wert einer Gemeinde – ob positiv oder negativ – vom Durchschnitt der Vergleichskategorie entfernt.

Die durchgezogene blaue Linie steht für die Verhältnisse in der Gemeinde, die dunkel hinterlegte Fläche zeigt die Werte der Vergleichskategorie. Liegt beispielsweise beim Indikator »Siedlungsfläche je Einwohner« die blaue Linie außerhalb der dunkel schraffierten Fläche, ist der Flächeneinsatz je Einwohner höher als in der Vergleichsgruppe. Das könnte beispielsweise an ungenutzten Entwicklungspotenzialen im Innenbereich liegen. Die gestrichelten Linien (grün und rot) definieren den Bereich, in dem 95 % der Indikatorwerte einer Vergleichsgruppe liegen (Abbildung 2).

Zu jedem Themenfeld werden Handlungsempfehlungen (Button »Diagrammbeschreibung«) bereitgestellt, die zeigen, wie jeweils Verbesserungen erzielt werden können.

Keine abschließende Beurteilung

Beim vorliegenden Indikatorenset wurden nur Sachverhalte berücksichtigt, für welche die Gemeinden auch verantwortlich sind. Obwohl versucht wurde, objektive Kriterien zu definieren, kann anhand der Indikatoren auch in Relation zu den Vergleichsgruppen letztendlich keine abschließende Beurteilung vorgenommen werden. Immer wieder werden die örtlichen Gegebenheiten und Besonderheiten zu berücksichtigen sein. Ein interkommunales Gewerbegebiet oder eine Kläranlage sind sinnvolle Einrichtungen, von denen mehrere Gemeinden profitieren – und dennoch verbrauchen sie nur in einer Gemeinde Siedlungs- und Verkehrsfläche. Beim Themenfeld Flächeneinsatz wird dies bei den betroffenen Gemeinden zu Verzerrungen in die eine oder andere Richtung führen. Eine ländliche Gemeinde mit Streusiedlungen und vielen Einzelgehöften wird anders zu beurteilen sein wie eine Gemeinde mit kompaktem Siedlungskörper aus der gleichen Vergleichsgruppe. Letztendlich ist das Indikatorenset ein Baustein, der neben anderen zu einer objektiven Beurteilung beitragen möchte.

1 Bundesregierung (2018): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie.

2 Anfangs galt zunächst das Ziel, den Flächenverbrauch bis 2020 bundesweit auf 30 Hektar/Tag zu beschränken.

3 Die Indikatoren finden sich auf der Homepage des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg (www.statistik-bw.de) im Themenbereich »Bevölkerung und Gebiet«.

4 Die Indikatoren sind in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) entstanden und entwickelt worden.

5 An den grundsätzlichen Ergebnissen und Aussagen der Indikatoren ändert sich durch diese Änderungen aber nichts.