:: 9/2020

Wie klimafreundlich ist Home-Office?

Mobile Arbeitsformen werden klassisch im Kontext der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Flexibilisierung von Arbeitszeiten oder der Herstellung einer Work-Life-Balance diskutiert. Zunehmend kommen aber auch umweltrelevante Aspekte, wie die Einsparung von Ressourcen durch weniger Büroflächen oder der Verminderung des Verkehrsaufkommens, hinzu. Da liegt die Frage nahe, ob das Arbeiten von Zuhause aus auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Videotelefonie liegt aktuell im Trend

Nach Ergebnissen des Mikrozensus arbeiteten 2019 nur knapp 10 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland mindestens einmal in 4 Wochen von zu Hause aus.1 Infolge der Corona-Pandemie dürfte sich die Zahl wesentlich erhöht haben, denn mit den Ausgangsbeschränkungen kam für viele Menschen auch der neue Arbeitsalltag: Arbeiten von Zuhause, stundenlang Video- und Telefonkonferenzen anstatt Präsenz-Besprechungen, kein »Schwätzchen« mit Kollegen in der Kaffeeküche. Insbesondere während der Ausgangsbeschränkungen boten die Videokonferenzen eine einfache Möglichkeit mit dem Team in persönlichem Kontakt zu bleiben. Aber auf Dauer werden die »virtuellen Meetings« im Vergleich zu physischen Treffen von den Beteiligten als anstrengender empfunden. Das Handelsblatt spricht bereits von einem neuen Phänomen, der Müdigkeit durch Videokonferenzen.2 Auch der Energieverbrauch und die damit verbundenen Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen der Videotelefonie darf nicht unterschätzt werden.3 Der CO2-Ausstoß der Videokonferenzsysteme hängt im Wesentlichen von der Auflösung und vom gewählten Endgerät ab. 1 Stunde Videokonferenz in niedriger Auflösung zum Beispiel auf dem Tablet oder Laptop verursacht ca. 35 Gramm (g) CO2. Bei dem Videostreaming in Full-HD-Auflösung auf einem Fernseher liegen die Emissionen bereits bei 130 g CO2 pro Stunde und damit um das Vierfache höher. Die Konferenzraumsysteme auf einem großen Bildschirm in 4K-Qualität verursachen schon 610 g CO2 pro Stunde.4 Zum Vergleich: ein Kilometer mit einem Mittelklassewagen stößt im Durchschnitt 175 g CO2 aus. Durch die Verbesserung der Energieeffizienz und die Versorgung der IT-Infrastruktur mit einem klimafreundlichen Strommix könnte die Umweltbilanz der Videotelefonie deutlich optimiert werden.

Fast ein Viertel der straßenbedingten CO2-Emissionen entfallen auf Pendlerverkehr

Mit der positiven Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt stieg auch die Zahl der Berufspendler in den letzten Jahren stetig an.5 Im Jahr 2017 pendelten täglich 5,9 Mill. Erwerbstätige in Baden-Württemberg zur Arbeit. Dabei legten die Pendler im Durchschnitt 17 Kilometer (km) bis zur Arbeitsstelle zurück. Mit 70 % war das Auto für Berufspendler in Baden-Württemberg das mit Abstand meistgenutzte Verkehrsmittel.6 Bei durchschnittlich 205 Arbeitstagen errechnet sich eine jährliche Pendlerstrecke von 29 Milliarden (Mrd.) km. Bei einem angenommenen durchschnittlichen CO2-Ausstoß eines Mittelklassewagens von 175 g/km lässt sich der jährliche CO2-Ausstoß des gesamten Pendlerverkehrs auf 5 Millionen Tonnen (Mill. t) CO2 schätzen. Das entspricht einem Anteil von 36 % der gesamten CO2-Emissionen des motorisierten Individualverkehrs und 23 % des gesamten CO2-Ausstoßes im Straßenverkehr in Baden-Württemberg im Jahr 2018.

Gut ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen (31,6 %) werden in Baden-Württemberg mittlerweile im Straßenverkehr emittiert. Der Großteil der verkehrsbedingten CO2-Emissionen, nämlich 59 %, entfiel im Jahr 2018 auf den motorisierten Individualverkehr7 (Schaubild 1). In den letzten 10 Jahren nahmen dessen CO2-Emissionen nur sehr langsam ab, was mit dem anhaltenden Wachstum der Fahrleistungen zusammenhängt. Die spezifischen Kohlendioxid-Emissionen (Menge an CO2 pro gefahrenen Kilometer) zeigen durch verschiedene emissionsmindernde Maßnahmen – wie beispielweise die Steigerung der Motoreffizienz – eine positive Entwicklung. Diese technischen Maßnahmen reichen jedoch nicht aus, um die jährlich steigenden Fahrleistungen und den dadurch bedingten absoluten Emissionsanstieg zu kompensieren. Im Zeitraum zwischen 2008 und 2018 konnten die CO2-Emissionen im PKW-Verkehr trotz technischen Fortschritten im Fahrzeugbau nur um 2,7 % verringert werden. Durch Förderung von Home-Office und damit die Verringerung des Berufsverkehrs könnte man schon bei einem Tag pro Woche Heimarbeit 2 % (0,4 Mill. t) der straßenverkehrsbedingten CO2-Emissonen pro Jahr einsparen. Bei dieser Berechnung wurden nur diejenige Berufsgruppen berücksichtigt, deren tägliche Präsenz am Arbeitsplatz nicht zwingend erforderlich ist. Dazu gehören Wirtschaftsbereiche wie zum Beispiel Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleistungen, Information und Kommunikation. 3 Tage pro Woche Home-Office würden fast 6 % (1,2 Mill. t) des gesamten CO2-Ausstoßes im Jahr 2018 im Straßenverkehr einsparen. Trotz dem nicht zu vernachlässigbaren CO2-Austoß der Videokonferenzen würde das Home-Office durch weniger Pendlerverkehr deutliche Klimavorteile mit sich bringen (Schaubild 2).

Videokonferenzen – klimaschonende Alternative zu Dienst- und Geschäftsreisen

Die modernen Videokonferenzsysteme bieten heutzutage verschiedene individuelle Kommunikationslösungen. Viele Dienst- und Geschäftsreisen könnten durch »Online-Meetings« ersetzt werden. Schaubild 3 zeigt den CO2-Austoß verschiedener Verkehrsmittel am Beispiel einer Dienstreise für die Strecke Stuttgart–Hamburg. Selbst die Durchführung einer Besprechung auf einer großen Videokonferenzanlage in hoher Auflösung (4K) ist mit Blick auf Ressourcen- und Emissionseinsparung im Vergleich zum Anreiseaufwand konkurrenzlos.

Fazit

Die Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie konnte man schon seit Mitte März 2020 beobachten. Es konnte deutlich weniger Individualverkehr auf den Straßen, dafür deutlich mehr Datenverkehr in Internet-Netzen festgestellt werden. Das heißt weniger Emissionen im Straßenverkehr, dafür höherer Stromverbrauch. Wie sieht nun die Klimabilanz des Home-Office aus?

Die Heimarbeit und damit die Verringerung der Pendlerströme ist eine wirksame Maßnahme, um die straßenverkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen nachhaltig zu reduzieren. Trotz gestiegenen Stromverbrauchs durch Videokonferenzen fällt die Klimabilanz des Home-Office positiv aus. Das Home-Office bringt nicht nur Vorteile für den Klimaschutz mit sich, sondern auch weitere positive Umwelteffekte wie Reduktion von Verkehrslärm und von Luftschadstoffemissionen.

1 Siehe »Strukturen des deutschen Arbeitsmarktes im Lichte der COVID-19-Pandemie«, https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Arbeitsmarktstrukturen-Covid19.html (Abruf: 17.08.2020).

2 Karabasz, Ina: Die Zoom-Müdigkeit, in: Handelsblatt vom 15.07.2020, Nr. 134, Seite 24–25.

3 Die hier dargestellten spezifischen CO2-Emissionen während der Videotelefonie umfassen neben dem Energieverbrauch der Endgeräte für die Videowiedergabe auch den indirekten Energieverbrauch für die Nutzung von Kommunikationsnetzen und Rechenzentren.

4 Hintemann, Ralph/Hinterholzer, Simon: Videostreaming: Energiebedarf und CO2-Emissionen, in: Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH. Berlin, 2020.

5 Bremer, Patrick: »Ergebnisse der Berufspendlerrechnung 2019«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 7/2019«, S. 17.

6 Bauer-Hailer, Ursula: »Berufspendler im Bundesländervergleich«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 2/2019«, S. 10.

7 PKW und Krafträder.