:: 10/2020

Frauenanteil in den Kreistagen und Gemeinderäten Baden-Württembergs

Wie erfolgreich waren Frauen bei den Kommunalwahlen 2019?

Die Kommunalwahlen 2019 brachten sowohl in den Kreistagen als auch in den Gemeinderäten einen leicht gestiegenen Anteil weiblicher Abgeordneter.1 Dennoch blieb der Frauenanteil in den Kommunalparlamenten weit entfernt von einer paritätischen Verteilung. Wie bereits bei vorangegangenen Wahlen, zeigt sich erneut, dass insgesamt weiterhin deutlich weniger Frauen als Männer auf den Wahllisten vertreten und ihre Kandidaturen zudem seltener von Erfolg gekrönt sind. Hierbei lässt sich allerdings ein erheblicher Unterschied zwischen den Parteien feststellen. Nachdem zu den Kommunalwahlen 2019 eine »Soll-Bestimmung« in das Kommunalwahlgesetz aufgenommen wurde, die vorsieht, dass die Wahllisten abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden sollen, wurden erstmals Zahlen zur Anwendung des sogenannten Reißverschlussprinzips erhoben. Die Auswertung dieser Zahlen zeigt ebenfalls ein sehr unterschiedliches Bild für die einzelnen Wahlvorschläge: Während manche Parteien äußerst bemüht sind, dafür zu sorgen, dass auf ihren Listen Männer und Frauen gleichermaßen vertreten sind, zeigt sich bei anderen, dass hier ein deutliches Ungleichgewicht zugunsten der männlichen Kandidaten vorliegt. Dabei hat gerade die Besetzung der Wahlvorschläge einen erheblichen Einfluss auf den letztendlichen Frauenanteil im zu wählenden Gremium.2

Kreistagswahlen

GRÜNE erreichen höchsten Frauenanteil unter den Gewählten

Bei den Kreistagswahlen 2019 gingen 510 der 2 253 Kreistagsmandate an Frauen. Mit 22,6 % waren somit weniger als ein Viertel der Abgeordneten weiblich. Gegenüber der Wahl 2014 stieg der Frauenanteil um 3,5 Prozentpunkte. Damals gingen 19,1 % der Sitze an Frauen (425 von 2 228). Folglich nahm gegenüber der vorangegangenen Wahl die Präsenz von Frauen in den Kreistagen des Landes sowohl absolut als auch relativ gesehen zu (Schaubild 1).

Betrachtet man die Wahlvorschläge der Parteien und Wählervereinigungen wird deutlich, dass hier mitunter große Differenzen beim Anteil gewählter Frauen bestehen. Während unter den Parteien die GRÜNEN mit 53,5 % den mit Abstand höchsten Frauenanteil unter den gewählten Kreistagsabgeordneten vorweisen konnten, fiel dieser Anteil bei AfD und FDP mit 10,4 % bzw. 10,9 % besonders niedrig aus. Auch die CDU kam mit 12,0 % auf einen deutlich unter dem Landesschnitt liegenden Wert, gefolgt von den Wählervereinigungen3 mit 15,8 %. Von den Mandaten der SPD gingen 28,0 % an Frauen, DIE LINKE kam auf einen Frauenanteil von 32,5 % unter ihren Mandatsträgerinnen und -trägern. Von den 28 Sitzen für gemeinsame Wahlvorschläge von Parteien und Wählervereinigungen entfielen sieben auf Frauen. Das entspricht einem Frauenanteil von 25,0 %.

Gegenüber den Kreistagswahlen 2014 hatte sich der Frauenanteil unter den Gewählten teilweise klar erhöht. Ein deutlicher Anstieg kann sowohl für DIE LINKE (+ 16,3 Prozentpunkte) als auch für die AfD (+ 4,8 Prozentpunkte) festgestellt werden. In beiden Fällen fiel der Frauenanteil bei den Kommunalwahlen 2019 fast doppelt so hoch aus, allerdings bei der AfD auf sehr niedrigem Niveau (siehe hierzu Tabelle 1). Die GRÜNEN steigerten ihren Frauenanteil gegenüber 2014 (43,3 %) um insgesamt 10,2 Prozentpunkte. Bei der SPD stieg der Frauenanteil um 2,6 Prozentpunkte (2014: 25,4 %). Der Anteil der FDP-Kreisrätinnen sank gegenüber 2014 (15,0 %) deutlich um 4,1 Prozentpunkte. Bei der CDU verringerte sich der Anteil gewählter Frauen minimal. Sowohl bei den gemeinsamen Wahlvorschlägen von Parteien und Wählervereinigungen (2014: 19,5 %) als auch bei den Wählervereinigungen (2014: 14,3 %) stieg der Anteil gewählter Frauen.

Um den Erfolg der Kandidierenden besser bewerten zu können, bietet es sich an, neben der reinen Anteile unter den Gewählten, auch den Anteil unter den Bewerbungen um ein Kreistagsmandat zu berücksichtigen. Im Verhältnis zueinander können diese beiden Werte Aufschluss darüber geben, wie erfolgreich Männer und Frauen bei der Erringung eines Mandats waren. Insgesamt bewarben sich im Jahr 2019 exakt 16 067 Personen um ein Kreistagsmandat (2014: 14 701). Davon kamen sowohl 2019 als auch 2014 gut 30 % der Bewerbungen von Frauen (2019: 4 937; 2014: 4 449). Im Vergleich zu ihren männlichen Mitbewerbern waren die Kandidaturen von Frauen allerdings in beiden Jahren deutlich seltener von Erfolg gekrönt. Dies ergibt sich aus dem Vergleich des Frauenanteils unter den Bewerbungen mit dem Frauenanteil unter den tatsächlich Gewählten. So kamen bei den Kreistagswahlen 2019 insgesamt 30,7 % der Kandidaturen von Frauen, an den Gewählten machte ihr Anteil aber nur 22,6 % aus. Damit waren die Kandidaturen von Frauen weniger erfolgreich als die von Männern. Gegenüber 2014 hat sich an diesem Verhältnis nur wenig geändert: 30,3 % Bewerberinnen gegenüber 19,1 % gewählte Frauen.

Frauenanteil schwankt je nach Partei erheblich

Am erfolgreichsten waren die Kandidaturen von Frauen bei den GRÜNEN. Insgesamt traten 2 418 Personen für die GRÜNEN an. Davon waren 1 069 Frauen, was einem Anteil von 44,2 % entspricht. Demgegenüber betrug ihr Anteil unter den Gewählten 53,5 %. Damit waren sie sogar erfolgreicher als ihre männlichen Mitbewerber. Gegenüber den Kreistagswahlen 2014 hatte der Frauenanteil unter den Gewählten um gut 10 Prozentpunkte zugenommen. Damals gingen 43,3 % der Mandate an Frauen. Da der Frauenanteil an den Bewerbungen im gleichen Zeitraum lediglich um 0,3 Prozentpunkte zugenommen hatte, wird deutlich, dass Frauen in besonderem Maße vom größeren Erfolg der Partei profitieren konnten: Insgesamt stieg die Anzahl an Sitzen, die die GRÜNEN bei den Kreistagswahlen 2019 erhielten um 108 Sitze (insgesamt: 385). Von diesen zusätzlichen Sitzen gingen 86 Mandate an Frauen und 22 an Männer.

Von den Bewerberinnen und Bewerbern der SPD waren bei den Kreistagswahlen 2019 insgesamt 35,5 % Frauen – der zweithöchste Anteil unter den betrachteten Parteien. Bei der vorangegangenen Wahl hatte der Frauenanteil 34,8 % betragen, was einer Steigerung von 0,7 Prozentpunkten entspricht. Auch der Frauenanteil unter den gewählten Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hatte leicht zugenommen. Waren 2014 noch 25,4 % der SPD-Abgeordneten weiblich, betrug ihr Anteil 2019 insgesamt 28,0 % (+ 2,6 Prozentpunkte). Bei der Betrachtung des Verhältnisses von Frauenanteil unter den Bewerbungen im Vergleich zu den Gewählten, wird allerdings deutlich, dass bei der SPD Frauen weniger erfolgreich waren als Männer (Schaubild 2).

Für die CDU traten insgesamt 2 830 Personen zu den Kreistagswahlen an. Davon waren 720 bzw. 25,4 % weiblich. Setzt man diesen Anteil ins Verhältnis zum Frauenanteil unter den gewählten CDU-Abgeordneten – dieser lag bei 12,0 % – zeigt sich, dass Frauen, die für die CDU kandidierten, deutlich weniger erfolgreich waren als ihre männlichen Parteikollegen. Die Veränderungen gegenüber der vorangegangenen Kreistagswahlen fielen zudem minimal aus. Der Frauenanteil unter den Kandidaturen nahm um 0,3 Prozentpunkte zu, ihr Anteil unter den Gewählten blieb dagegen fast unverändert (2014: 12,1 %). Insgesamt lässt sich für die CDU daher eine Stagnation bei der Entwicklung des Frauenanteils feststellen.

Eine ähnliche Entwicklung ist für den Frauenanteil unter den Kandidaturen bzw. Gewählten für die FDP erkennbar. 2019 betrug der Frauenanteil unter den Bewerbungen um ein Kreistagsmandat 23,2 %, während er 2014 bei 22,9 % lag. Gleichzeitig sank der Anteil weiblicher FDP-Abgeordneter in den Kreistagen des Landes von 15,0 % (2014) auf 10,9 % (2019). Hatten die Bewerbungen der FDP-Kandidatinnen bereits 2014 besonders geringe Chancen auf einen Wahlerfolg, sanken die Aussichten auf ein Kreistagsmandat bei den Wahlen 2019 nochmal deutlich. Bezogen auf ihren Anteil an den Bewerbungen konnten die FDP-Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Mitbewerbern letztendlich deutlich seltener ein Mandat erringen.

Der Frauenanteil unter den Bewerbungen für die AfD lag bei den Kreistagswahlen 2019 bei 18,4 % und hatte damit gegenüber dem Anteil weiblicher Kandidaturen um 0,5 Prozentpunkte abgenommen (2014: 18,9 %). Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil weiblicher Abgeordneter für die Partei von 5,6 % (2014) auf 10,4 % (2019). Trotz dieser deutlichen Steigerung stellen Frauen unter den Kreistagsvertreterinnen und -vertretern für die AfD eher eine Ausnahme dar. Zudem zeigt sich, dass ihre Kandidaturen seltener erfolgreich sind.

Bei der Partei DIE LINKE lag der Frauenanteil unter den Kandidaturen mit 28,9 % etwas niedriger als bei der SPD. Gegenüber den Kreistagswahlen 2014 waren die Bewerbungen von Frauen im Vergleich zum Anteil männlicher Bewerbungen etwas zurückgegangen (2014: 29,3 %). Dennoch wurde 2019 ein größerer Anteil weiblicher Abgeordneter für die Partei gewählt. Gingen 2014 lediglich sechs der 37 errungenen Sitze (16,2 %) für DIE LINKE an Frauen, verdoppelte sich ihr Anteil unter den Gewählten bei der Wahl 2019 auf 32,5 % (13 von 40 Sitze gingen an Frauen). Damit lag der Frauenanteil unter den Gewählten zudem 3,6 Prozentpunkte über ihrem Anteil unter den Bewerbungen, womit Frauen tendenziell etwas erfolgreicher waren als ihre männlichen Mitbewerber. Bei den Kreistagswahlen 2014 war die Situation noch eine gänzlich andere: 29,3 % Frauen unter den Bewerbungen, gegenüber 16,2 % unter den Gewählten.

Unter den Gemeinsamen Wahlvorschlägen von Wählervereinigungen und Parteien lag der Frauenanteil an den Bewerberinnen und Bewerbern um ein Kreistagsmandat bei 37,1 %. An den Gewählten machten Frauen letztendlich 25,0 % aus. Gegenüber 2014 hatte sich sowohl der Frauenanteil unter den Bewerbungen (2014: 32,6 %) als auch unter den Gewählten (2014: 19,5 %) deutlich erhöht. Allerdings waren die Kandidaturen von Frauen weiterhin weniger erfolgreich als die von Männern. Für die Wählervereinigungen zeigt sich ein ähnliches Bild. Bei den Kreistagswahlen 2019 kamen 28,8 % der Kandidaturen für Wählervereinigungen von Frauen (2014: 26,5 %). An den Mandaten machten sie letztendlich einen Anteil von 15,8 % aus (2014: 14,3 %).

Insgesamt wird deutlich, dass der höhere Frauenanteil in den Kreistagen des Landes insbesondere auf den höheren Stimmenanteil der GRÜNEN zurückzuführen ist. Dies resultiert daraus, dass die Partei besonders viele Frauen unter ihren Bewerberinnen und Bewerbern hat und darüber hinaus Frauen vom zunehmenden Erfolg der Partei besonders profitieren konnten.

Gemeinderatswahlen

Zahl der weiblichen Gemeinderatsmitglieder nimmt zu

Nach den Gemeinderatswahlen 2019 betrug der Anteil weiblicher Abgeordneter in den Gemeinderäten des Landes mit insgesamt 26,8 % erstmals über ein Viertel. Von den zu vergebenden 18 675 Sitzen, gingen insgesamt 5 006 an Frauen und 13 669 an Männer (2014: Männer: 14 263; Frauen: 4 490). In insgesamt 22 Gemeinden wurde keine einzige Frau in den Gemeinderat gewählt. Demgegenüber betrug der Frauenanteil in 19 Gemeinderäten 50 % oder mehr. Wurde der Gemeinderat nach Verhältniswahl gewählt, betrug der Frauenanteil im Schnitt 27,1 % (2014: 24,2 %) gegenüber 21,8 % bei Mehrheitswahl (2014: 18,1 %)4 (Schaubild 3).

Berücksichtigt man, dass Frauen mehr als die Hälfte der baden-württembergischen Bevölkerung umfassen, stellt ein Anteil von gut einem Viertel weiblicher Abgeordneter zwar eine Verbesserung gegenüber den vorangegangenen Gemeinderatswahlen dar (2014: 23,9 %), bleibt aber weit entfernt von einer paritätischen Verteilung. Wird neben dem Anteil an den Gewählten auch der Frauenanteil unter den Kandidaturen (31,9 %) betrachtet, zeigt sich, dass Frauen nicht nur weniger häufig kandidierten als Männer, sondern ihr politisches Engagement gleichzeitig seltener zum Erfolg führte (Tabelle 2).

Ähnlich wie bei den Kreistagswahlen, gilt auch bei Gemeinderatswahlen, dass sich der Wahlerfolg von Frauen zwischen den Parteien mitunter erheblich unterscheidet.5 Erneut wiesen die GRÜNEN sowohl unter den Bewerbungen als auch unter den Gewählten den mit Abstand höchsten Frauenanteil auf. Insgesamt kamen bei der Partei 47,0 % der Bewerbungen um einen Sitz in einem der Gemeinderäte des Landes von Frauen. Unter den Gewählten machten sie sogar einen Anteil von 49,0 % aus. Es kann daher festgestellt werden, dass bei den GRÜNEN die Kandidaturen von Frauen etwas erfolgreicher waren als von männlichen Mitbewerbern für die Partei. Bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2014 waren noch die männlichen Kandidaturen (minimal) häufiger erfolgreich. Zudem hat der Frauenanteil unter den Bewerbungen sowie den Abgeordneten für die GRÜNEN gegenüber den Gemeinderatswahlen 2014 leicht zugenommen (Frauenanteil Bewerbungen 2014: 46,5 %; Frauenanteil Gewählte 2014: 45,6 %).

Den zweithöchsten Anteil weiblicher Gemeinderäte erzielte mit 39,1 % DIE LINKE. Bei einem Frauenanteil von 35,6 % unter den Kandidaturen waren die Bewerberinnen für die Partei bei den Gemeinderatswahlen 2019 zudem erfolgreicher als die Männer, die für die Partei angetreten waren. Im Vergleich dazu waren die Frauen bei der Wahl 2014 mit einem Anteil von 28,0 % an den Gewählten gegenüber 34,1 % an den Kandidaturen noch deutlich weniger erfolgreich.

Die SPD erreichte bei den Gemeinderatswahlen den zweithöchsten Frauenanteil unter den Bewerbungen. Insgesamt 36,9 % der Kandidaturen für die Partei kamen von Frauen. Mit einem Frauenanteil von 36,0 % unter den gewählten SPD-Abgeordneten landeten die Sozialdemokraten auf dem dritten Platz. Außerdem waren die Kandidaturen der Sozialdemokratinnen etwas weniger erfolgreich als die ihrer männlichen Kollegen. Gegenüber den Gemeinderatswahlen 2014 hat sich dieser Abstand allerdings verringert. Damals stellten die Kandidatinnen einen Anteil von 35,7 %. Unter den Gewählten für die SPD kamen die Frauen 2014 auf 33,7 %.

CDU, FDP und AfD blieben beim Frauenanteil unter den Gewählten erneut deutlich zurück. Mit 20,2 % waren lediglich gut ein Fünftel der CDU-Abgeordneten weiblich. Bei der FDP gingen nur 19,1 % der gewonnenen Gemeinderatssitze an Frauen. Schlusslicht bildete wie bei den Kreistagswahlen erneut die AfD, von deren 117 Sitzen nur acht mit Frauen besetzt waren. Das entspricht einem Frauenanteil von gerade einmal 6,8 %. Im Vergleich zum Frauenanteil unter den Bewerbungen (21,7 %) waren die Kandidaturen von Frauen für die AfD zudem weniger erfolgsversprechend. Zumindest in diesem Punkt schnitten CDU und FDP etwas besser ab. Mit 25,9 % (CDU) bzw. 29,9 % (FDP) Frauen unter den Kandidaturen waren Frauen, die für eine der beiden Parteien angetreten waren zwar nicht so erfolgreich wie ihre männlichen Mitbewerber, dennoch waren ihre Chancen auf ein Mandat weiterhin deutlich höher als bei einer Kandidatur für die AfD (Schaubild 5).

Bei den gemeinsamen Wahlvorschlägen von Parteien und Wählervereinigungen wurde ein durchschnittlicher Frauenanteil unter den Gewählten von 25,5 % erreicht (2014: 21,7 %). Unter den Bewerberinnen und Bewerbern machten Frauen 29,7 % aus. Verglichen mit ihrem Anteil unter den Gewählten, waren sie weniger erfolgreich als ihre männlichen Mitbewerber. Ein ähnliches Bild zeigt sich für die Wählervereinigungen: Insgesamt erhielten die Wählervereinigungen 8 850 Sitze. Davon gingen 2 298 an Frauen, was einem Anteil von 26,0 % (2014: 23,1 %) entspricht. Auf den Wahlvorschlägen waren Frauen mit 30,8 % vertreten.

Reißverschluss in Baden-Württemberg

GRÜNE besetzen Wahlvorschläge weitgehend paritätisch

Für Baden-Württemberg liegen zu den Kommunalwahlen 2019 erstmals Daten zur Anwendung der Soll-Bestimmung zur paritätischen Besetzung von Wahllisten vor (siehe i-Punkt »Reißverschlussprinzip«). Neben der reinen Anzahl von Frauen unter den Kandidaturen bzw. den Gewählten, wurde zusätzlich erfasst, bis zu welchem Listenplatz das sogenannte Reißverschlussprinzip angewendet wurde und wie hoch der Frauenanteil auf den ersten sechs Plätzen war. Dieser Zusatz wurde aufgenommen, um genauer zu erfassen, wie hoch der Frauenanteil unter den vorderen Listenplätzen war, da diese oft als besonders aussichtsreich angesehen werden. Zudem kann auf diese Weise zusätzlich betrachtet werden, ob zwar nicht der Reißverschluss angewendet wurde, vielleicht aber dennoch verhältnismäßig viele Frauen auf den vorderen Plätzen vertreten waren.6 Allerdings kann der Effekt aussichtsreicher Listenplätze im betrachteten Fall weniger stark ausfallen, da die Wahlberechtigten bei Kommunalwahlen in Baden-Württemberg die Möglichkeit zum Kumulieren (Wähler/-innen geben einzelnen Kandidat/-innen mehrere Stimmen) und Panaschieren (Wähler/-innen verteilen ihre Stimmen auf mehrere Parteien) haben.7

Als Reißverschluss wurde ausschließlich die abwechselnde Besetzung der Listenplätze mit Männern und Frauen beginnend ab dem ersten Listenplatz angesehen. Wurden bei einem Wahlvorschlag beispielsweise die ersten beiden Plätze mit Frauen besetzt und im Anschluss daran die weiteren Plätze paritätisch verteilt, wurde der Reißverschluss als nicht erfüllt angesehen. Die Nicht-Anwendung des Reißverschlussprinzips bedeutet folglich nicht zwingend, dass keine Frauen auf den Listen vertreten waren. Daher ist es sinnvoll neben der paritätischen Besetzung der Wahlvorschläge zudem den Frauenanteil unter den vorderen Listenplätzen zu betrachten.

Kreistagswahlen 2019

Bei den Kreistagswahlen hielten insgesamt 22,6 % der mindestens sieben Personen umfassenden Wahlvorschläge der GRÜNEN den Reißverschluss vom ersten bis zum letzten Listenplatz ein. Die SPD erreichte hier einen Wert von 19,8 %. Bei den Wahlvorschlägen der LINKEN waren 2,4 % immer abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt, die FDP kam auf 2,3 % ihrer Listen und die CDU auf 1,2 %. Auf den Wahlvorschlägen der AfD wurde in keinem einzigen Fall der Reißverschluss durchgehend eingehalten. Den umgekehrten Fall des gar nicht vorhandenen Reißverschlusses wiesen 83,3 % der AfD-Wahlvorschläge auf. Auch CDU und FDP verzichteten bei der Besetzung ihrer Listen oft auf die abwechselnde Verteilung der Plätze auf Männer und Frauen (CDU: 66,7 %; FDP: 71,9 %). Demgegenüber hielten nur 18,1 % der Wahlvorschläge der GRÜNEN bzw. 20,6 % der SPD den Reißverschluss überhaupt nicht ein. DIE LINKE kam hier auf 31,7 % (Tabelle 3).

Aufgrund der Art der Erfassung stellt die Aussage über die Einhaltung des Reißverschlussverfahrens noch keine Analyse von Kandidatinnen auf aussichtsreichen Listenplätzen dar.

Auch bei der Besetzung der vorderen Listenplätze erweisen sich erneut die GRÜNEN als besonders »frauenfreundlich«. Beim Großteil der Wahlvorschläge der Partei (64,3 %) waren die ersten sechs Listenplätze hälftig mit Männern und Frauen besetzt (unabhängig von deren Reihenfolge). Zudem waren bei den GRÜNEN auf 18 Listen (9,0 %) vier Frauen unter den ersten sechs Listenplätzen und auf fünf Listen (2,5 %) sogar fünf Frauen. Darüber hinaus gab es keinen einzigen GRÜNEN-Wahlvorschlag, auf dessen vorderen sechs Plätzen keine Frau vertreten war. Hier wiesen wieder die FDP und insbesondere die AfD deutlich geringere Werte auf. Bei einem Drittel der Wahlvorschläge der AfD (33,3 %) waren auf den vorderen Listenplätzen keine Frauen zu finden. Die FDP kam hier auf gut ein Fünftel (22,8 %). Die Wahlvorschläge der CDU wiesen in 7,2 % der Fälle keine einzige Frau unter den ersten sechs Plätzen auf, bei der SPD traf dies auf 3,6 % ihrer Wahlvorschläge zu. Bei der Mehrheit der SPD-Wahlvorschläge (58,3 %) wurden die vorderen Plätze zu gleichen Teilen an Frauen und Männer vergeben. Für DIE LINKE traf dies in 39,0 % der Fälle zu. Eine hälftige Aufteilung der vorderen Listenplätze wurde bei der CDU in 14,9 % und bei der FDP in 12,3 % der Fälle realisiert. Die AfD bildete hier erneut das Schlusslicht mit 0 % bzw. keinem einzigen Wahlvorschlag, auf dem die ersten sechs Listenplätze zur Hälfte mit Männern und Frauen besetzt waren (Tabelle 4).

Gemeinderatswahlen 2019

Insgesamt hielten 23,3 % der Wahlvorschläge der GRÜNEN mit mindestens sieben Bewerberinnen und Bewerbern das Reißverschlussverfahren bis zum letzten Listenplatz ein. Bei der SPD erreichten 10,9 % der Wahlvorschläge einen vollständigen Reißverschluss und bei der LINKEN waren es 9,7 %. Demgegenüber wiesen nur 0,3 % der CDU- und 0,7 % der FDP-Wahlvorschläge eine vollständig paritätische Verteilung der Listenplätze zwischen Männern und Frauen auf. Im Fall der AfD-Wahlvorschläge, erreichte keine einzige Liste einen vollständigen Reißverschluss.8 Auch wenn man die Betrachtung dahingehend erweitert, auf welchen Listen wenigstens die ersten 50 % der Listenplätze paritätisch verteilt waren, erreichen CDU, FDP und AfD besonders geringe Werte. Auf lediglich 6,2 % der Wahlvorschläge der CDU wurde der Reißverschluss mindestens zu 50 % eingehalten. Bei der FDP lag dieser Anteil mit knapp 9 % nur minimal höher. Bei den AfD-Wahlvorschlägen gab es keine einzige Liste, die eine paritätische Verteilung zu wenigstens 50 % einhielt. Stattdessen wurde das Reißverschlussverfahren bei diesen drei Parteien in den meisten Fällen gar nicht angewendet (CDU: 60,1 %; FDP: 62,2 %; AfD: 84,0 %). Bei GRÜNE, SPD und LINKE bewegte sich der Anteil von Wahlvorschlägen, auf denen die paritätische Verteilung grundsätzlich nicht angewandt wurde, mit rund einem Fünftel auf deutlich niedrigerem Niveau (GRÜNE: 20,6 %; SPD: 20,8 %; LINKE: 19,4 %) (Tabelle 5).

Insgesamt waren auf 31,8 % der 3 181 Wahl­vorschläge mit mindestens sieben Bewerberinnen und Bewerbern die vorderen sechs Listenplätze zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt. Auf 29 Wahlvorschlägen9 bzw. 0,9 % waren auf den ersten sechs Plätzen ausschließlich Frauen vertreten. Eine Besetzung der aussichtsreichen Listenplätze nur mit Männern erfolgte dagegen in 9,2 % der Fälle (292 Wahlvorschläge) (Tabelle 6).

Die ersten sechs Listenplätze gingen insbesondere bei den GRÜNEN (67,7 %), der SPD (64,4 %) und der LINKEN (54,8 %) zu einem Großteil jeweils hälftig an Männer und Frauen. Bei der FDP waren auf 23,0 % der Wahlvorschläge die vorderen Listenplätze zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt. Dies traf nur auf 16,4 % der CDU-Wahlvorschläge zu. Demgegenüber fand sich bei 35,5 % der Wahlvorschläge der Christdemokraten nur eine Frau unter den ersten sechs. Auf 88,0 % der Wahlvorschläge der AfD befand sich unter den ersten sechs Kandidaturen lediglich eine (56,0 %) oder gar keine Frau (32,0 %). Zudem gab es keine einzige AfD-Liste, auf der die ersten sechs Plätze zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt waren.

Fazit

Insgesamt wird deutlich, dass die Verteilung der Listenplätze auf den Wahlvorschlägen der Parteien einen maßgeblichen Einfluss auf die Präsenz von Frauen in den Kommunalparlamenten des Landes hatte. Parteien, die bei der Aufstellung ihrer Wahlvorschläge Wert auf eine paritätische Verteilung der Listenplätze zwischen Männern und Frauen legen oder verhältnismäßig viele Frauen auf den aussichtsreichen Plätzen positionieren, weisen letztendlich auch einen deutlich höheren Frauenanteil unter den Gewählten auf. Auch wenn es sich hierbei um eine eher naheliegende Feststellung handelt, zeigt dies deutlich, wie groß der Einfluss der Nominierungspraxis der Parteien ist.

Die Daten zur Einhaltung des Reißverschlussverfahrens wurden 2019 erstmals erhoben. Daher kann kein Vergleich mit vorangegangenen Gemeinderats- bzw. Kreistagswahlen erfolgen. Grundsätzlich lassen die festgestellten Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien und deren unterschiedliche Handhabung des Themas sowie der Blick in andere Länder (siehe hierzu i-Punkt »Exkurs: Blick über den Tellerrand«) darauf schließen, dass die paritätische Verteilung von Listenplätzen einen positiven Effekt auf die Präsenz von Frauen in Parlamenten hat.

1 Die endgültigen Ergebnisse der Kommunalwahlen 2019 wurden im Statistischen Monatsheft Baden-Württemberg 3/2020 behandelt.

2 Im Folgenden wird der Wahlerfolg von Frauen bei den Gemeinderats- und Kommunalwahlen 2019 in Baden-Württemberg anhand der Daten zum Frauenanteil unter den Kandidierenden und Gewählten sowie der Anwendung der Soll-Bestimmung zur paritätischen Besetzung von Wahllisten betrachtet. Der Fokus liegt dabei auf den im Bundestag bzw. Landtag von Baden-Württemberg vertretenen Parteien. Die Angaben zum Frauenanteil sind jeweils laut endgültigem Wahlergebnis.

3 Da Wählervereinigungen ein breites Spektrum politischer Meinungen abbilden bestehen hier erhebliche Unterschiede was den Frauenanteil betrifft. So weisen beispielsweise Frauenlisten aufgrund ihrer rein weiblichen Wahlvorschläge typischerweise einen Frauenanteil von 100 % auf.

4 Verhältniswahl findet statt, wenn mehrere Wahlvorschläge eingereicht wurden. Wurde kein oder nur ein Wahlvorschlag eingereicht, findet Mehrheitswahl statt. Bei den Gemeinderatswahlen 2019 fand in 120 der insgesamt 1 101 Gemeinden des Landes Mehrheitswahl statt – siehe Karte (Schaubild 4).

5 Betrachtet werden die im Landtag von Baden-Württemberg bzw. im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Die gemeinsamen Wahlvorschläge von Parteien und Wählervereinigungen sowie der Wählervereinigungen werden insgesamt betrachtet, es erfolgt keine weitere Aufschlüsselung.

6 Für die Analyse werden lediglich diejenigen Listen herangezogen, die mindestens sieben Bewerberinnen und Bewerber umfassten. Für Kreistagswahlen trifft dies auf 1 253, für Gemeinderatswahlen auf 3 181 Wahlvorschläge zu. Bei den Kreistagswahlen werden die Wahlvorschläge in den Wahlkreisen betrachtet. Bei den Gemeinderatswahlen werden für Gemeinden mit unechter Teilortswahl die Wahlvorschläge in den Wohnbezirken verwendet. Die Analyse bezieht sich auf die im Landtag von Baden-Württemberg und/oder im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. Eine Analyse der gemeinsamen Wahlvorschläge von Parteien und Wählervereinigungen sowie von Wählervereinigungen erfolgt nicht. Bezogen auf die betrachteten Parteien, werden bei Kreistagswahlen 931 und bei Gemeinderatswahlen 1 505 Wahlvorschläge in die Analyse einbezogen.

7 Tiefenbach, Paul (2012): Themenpapier 20 – Besser wählen: Kumulieren und Panaschieren, S. 8 ff, https://www.mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/Themen20_Wahlrecht_Kumulieren_Panaschieren.pdf (Abruf: 20.08.2020).

8 Da sowohl DIE LINKE als auch die AfD in deutlich weniger Fällen angetreten sind als die anderen betrachteten Parteien, beziehen sich die Aussagen hier auf nur wenige Wahlvorschläge.

9 Wählervereinigungen: 25; GRÜNE: 2; CDU: 1; SPD: 1.