:: 10/2020

Entwicklung der Erzieherausbildung in Baden-Württemberg

Zeigten die Reformmaßnahmen die gewünschte Wirkung?

Das Thema Frühkindliche Bildung steht nach wie vor im Fokus. Der Bedarf an pädagogischem Personal in den Kindertageseinrichtungen des Landes ist weiterhin hoch. Aufgrund gestiegener Anforderungen ist eine entsprechende Qualifizierung des Personals notwendig. Dabei stellen ausgebildete oder angehende Erzieherinnen und Erzieher sowie Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger den größten Anteil an pädagogischem Personal in den Kindertageseinrichtungen des Landes.

Im Folgenden wird die aktuelle Struktur der Erzieherausbildung in Baden-Württemberg aus Sicht der amtlichen Schulstatistik betrachtet sowie deren Entwicklung innerhalb des letzten Jahrzehnts.1 Hatten die Reformmaßnahmen sowie der Orientierungsplan die gewünschten Auswirkungen auf die Entwicklung der angehenden Erzieherinnen und Erzieher?

Höchststand an angehenden Erzieherinnen und Erziehern

Zwei Drittel des in den Kindertageseinrichtungen Baden-Württembergs beschäftigten pädagogischen Personals hat eine Erzieherausbildung absolviert.2 Diese Ausbildung findet an den Fachschulen für Sozialpädagogik – Berufskolleg statt. Voraussetzungen sind der mittlere Bildungsabschluss und der erfolgreiche Abschluss des 1-jährigen Berufskollegs für Sozialpädagogik.

Im Schuljahr 2019/20 wurden 11 286 Schülerinnen und Schüler landesweit an den 87 Fachschulen für Sozialpädagogik – Berufskolleg ausgebildet, das sind 565 mehr als im vorangegangenen Schuljahr und damit so viel wie nie zuvor (Schaubild). Innerhalb der letzten 10 Schuljahre ist die Schülerzahl kontinuierlich angestiegen und hat sich in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt. Im Schuljahr 2009/10 wurden noch 5 785 Schülerinnen und Schüler an den Fachschulen für Sozialpädagogik unterrichtet.

Die Hälfte besucht eine Privatschule

Wie die Kindertageseinrichtungen selbst werden auch die Schulen zur Ausbildung in erzieherischen Berufen häufig in freier Trägerschaft geführt. Rund die Hälfte der 11 286 Schülerinnen und Schüler in der Erzieherausbildung wurde an den 49 privaten Fachschulen für Sozialpädagogik unterrichtet (Tabelle). Viele dieser privaten Schulen sind – wie auch viele Kindertageseinrichtungen – konfessionell gebunden.

Erziehung bleibt eine weibliche Domäne – Männer holen etwas auf

Das pädagogische Personal in Kindertages­einrichtungen besteht weit überwiegend aus Frauen. Auch die Schülerschaft an den Fachschulen für Sozialpädagogik ist überwiegend weiblich. Die Bemühungen, mehr Männer für den Erzieherberuf zu gewinnen, scheinen jedoch zum Teil gefruchtet zu haben. Im Schuljahr 2019/20 waren 14,3 % der angehenden Erzieherinnen und Erzieher männlich. Der Anteil junger Männer an diesen Einrichtungen ist in den letzten 10 Jahren deutlich angestiegen. 10 Jahre zuvor war erst nahezu jeder zehnte Auszubildende männlich.

Ausländische Auszubildende sind eher selten

Im Zuge der Umsetzung des Orientierungsplans3 ist die Sprachförderung eine vordringliche Aufgabe der Erziehungskräfte geworden. Vor allem in städtischen Einrichtungen sind Kinder unterschiedlichster Nationalitäten in den Kindertageseinrichtungen in einer Gruppe. Geringe oder noch nicht vorhandene Deutschkenntnisse der Kinder erschweren hier häufig die Integration. Für ausländische Jugendliche scheint der Erzieherberuf allerdings eher weniger attraktiv zu sein. Im Schuljahr 2019/20 hatten fast 13 % der Auszubildenden an den Fachschulen für Sozialpädagogik eine ausländische Staatsangehörigkeit. In den letzten 10 Jahren ist der Ausländeranteil bei den an­gehenden Erzieherinnen und Erziehern jedoch kontinuierlich angestiegen. Im Schuljahr 2009/10 lag dieser noch bei 5,6 %.

Ein Drittel der Anfänger mit Hochschulzugangsberechtigung

Im Schuljahr 2019/20 begannen landesweit 5 204 Schülerinnen und Schüler die Erzieher­ausbildung an einem Berufskolleg für Sozialpädagogik. Damit stieg die Anfängerzahl gegenüber dem Vorjahr um 239 auf einen neuen Höchstwert an. Rund 69 % der neuen Schülerinnen und Schüler an Fachschulen für Sozialpädagogik verfügen über einen Realschulabschluss oder die Fachschulreife, nahezu ein Drittel konnte bereits zu Beginn der Ausbildung die Fachhochschulreife oder Hochschulreife vorweisen. Dies bedeutet einen deutlichen Anstieg der Hochschulzugangsberechtigungen unter den Anfängerinnen und Anfängern. Im Schuljahr 2009/10 lag ihr Anteil noch bei rund 12 %. Der Erzieherberuf scheint auch für Jugendliche mit Hochschulzugangsberechtigung deutlich attraktiver geworden zu sein.

Neben dem mittleren Abschluss ist der Abschluss des 1-jährigen Berufskollegs für Sozialpädagogik, welches das Vorpraktikum ersetzt, Voraussetzung für die Erzieherausbildung. Im Schuljahr 2019/20 besuchten 3 320 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die 82 1-jährigen Berufskollegs für Sozialpädagogik, davon wurde knapp die Hälfte an einer privaten Einrichtung unterrichtet. Der Frauenanteil lag bei rund 83 %. Der Ausländeranteil war mit 9 % etwas geringer als an den Fachschulen für Sozialpädagogik.

Gut ein Fünftel erwarb zusätzlich die Fachhochschulreife

Im Jahr 2019 konnten 4 000 Absolventinnen und Absolventen ihre schulische Ausbildung erfolgreich abschließen. Im Abschlussjahr 2009 waren es mit 2 569 angehenden Erzieherinnen und Erziehern etwas mehr als die Hälfte. In den letzten 10 Jahren haben insgesamt 33 762 Absolventinnen und Absolventen ihre Erzieher­ausbildung erfolgreich beendet. Durch den Besuch von Zusatzunterricht hat im Jahr 2019 gut ein Fünftel (875) der angehenden Erzieherinnen und Erzieher zusätzlich die Fachhochschulreife erworben. Diese Möglichkeit nehmen immer weniger Absolventinnen und Absolventen wahr, im Jahr 2009 war es noch ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen.

Ausbildung auch in Teilzeitform möglich

Neben der Vollzeitausbildung wird an der Fachschule für Sozialpädagogik die klassische Erzieherausbildung auch in Teilzeitform angeboten. Im Schuljahr 2019/20 nahmen 346 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Angebot wahr und ließen sich in 3-jährigem Teilzeitunterricht zum Erzieher bzw. zur Erzieherin ausbilden. Auch der Teilzeitbildungsgang konnte weiter ausgebaut werden. 10 Schuljahre zuvor waren es 192 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die berufsbegleitend oder während der Familienphase eine Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher angestrebt haben.

Praxisintegrierte Ausbildung kommt gut an

Um den steigenden Bedarf an Fachpersonal im pädagogischen Bereich zu begegnen, wurde ab dem Schuljahr 2012/13 die praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher angeboten. Die schulischen Inhalte sind beim neuen Ausbildungsmodell dieselben wie bei der bisherigen Ausbildung. Sie wird ebenfalls an den Fachschulen für Sozialpädagogik – Berufskolleg durchgeführt. Voraussetzung für die Aufnahme in die praxisintegrierte Ausbildung ist ein Ausbildungsvertrag mit einer Kindertageseinrichtung.

Dieses Ausbildungsmodell scheint für viele angehende Erzieherinnen und Erzieher überaus attraktiv zu sein. Zum Schuljahr 2019/20 hatten mit 5 401 Schülerinnen und Schülern an 68 Einrichtungen knapp 48 % der angehenden Erzieherinnen und Erzieher dieses Ausbildungsmodell gewählt, das neben einer engeren Verknüpfung von schulischen und praktischen Ausbildungsphasen auch eine Vergütung über alle 3 Jahre vorsieht. Seit der Einführung dieses Ausbildungsmodells im Schuljahr 2012/13 mit 579 Schülerinnen und Schülern an 27 Einrichtungen ist die Schülerzahl kontinuierlich angewachsen. Ab dem Schuljahr 2020/21 wird landesweit an sechs Standorten die praxisintegrierte Erzieherausbildung in einer Langform angeboten, bei der dieselben Inhalte über 4 Jahre verteilt vermittelt werden.

Schülerzahl in der Kinderpflege stagniert …

Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger können als Zweitkraft im Sinne des Kindergartengesetzes in Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden oder wirken in Haushalten bei der Erziehung, Bildung, Pflege und Betreuung von Kindern mit. Die 3-jährige Ausbildung gliedert sich in 2 Jahre Unterricht an der Berufsfachschule, dem ein 1-jähriges Berufspraktikum in einer Kindertageseinrichtung oder in einer Familie folgt. Zugangsvoraussetzung ist grundsätzlich der Hauptschulabschluss oder der Nachweis eines gleichwertigen Bildungsstands.

An den 38 Berufsfachschulen für Kinderpflege wurden zum Schuljahr 2019/20 zusammen 1 536 Schülerinnen und Schüler ausgebildet. Im vorangegangenen Schuljahr waren es 69 weniger. Innerhalb 1 Jahrzehnts hat sich die Schülerzahl in der Kinderpflegeausbildung nur unwesentlich verändert (Schaubild). Im Schuljahr 2009/10 waren es 1 453 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Um mehr Auszubildende für diesen Beruf gewinnen zu können, soll ab dem Schuljahr 2020/21 die Kinderpflegeausbildung ebenfalls in praxisintegrierter Form angeboten werden.

… Schülerstruktur hat sich hingegen geändert

Während sich an den Berufsfachschulen für Kinderpflege die Schülerzahl nicht wesentlich verändert hat, gibt es in der Zusammensetzung der Schülerschaft deutliche Verschiebungen. Mit gut 11 % sind im Schuljahr 2019/20 an den Berufsfachschulen für Kinderpflege landesweit nur wenige männliche Auszubildende anzutreffen. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat sich der Männeranteil jedoch mehr als verdoppelt. Der Ausländeranteil an diesen Einrichtungen lag mit knapp 23 % deutlich höher als an den Fachschulen für Sozialpädagogik und hat in diesem Bildungsgang ebenfalls deutlich zugenommen. Eine Dekade zuvor hatten lediglich nahezu 14 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine ausländische Staatsangehörigkeit.

Deutlich mehr private Einrichtungen bei der Kinderpflegeausbildung

Schulen zur Ausbildung in erzieherischen Berufen werden häufig in freier Trägerschaft geführt. Bei den angehenden Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger ist der Anteil an »Privatschülern« deutlich angewachsen: knapp 43 % besuchten im Schuljahr 2019/20 eine private Einrichtung. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat der Schüleranteil der Schulen in freier Trägerschaft deutlich zugenommen: Im Schuljahr 2009/10 besuchten nur knapp 19 % der Schülerinnen und Schüler dieses Bildungsgangs eine private Schule.

Fort- und Weiterbildung durch Zusatzqualifikationen möglich

Um dem steigenden Bedarf an qualifiziertem pädagogischem Personal gerecht zu werden, werden an den »Berufsfachschulen zum Erwerb von Zusatzqualifikationen« Bildungsgänge im Fachbereich Erziehung angeboten. In 2-jährigem Teilzeitunterricht können Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die bereits im erzieherischen Bereich tätig sind, aber noch keine entsprechende Ausbildung haben, unter den Schwerpunkten »Vorbereitung Erziehung« oder »Vorbereitung Kinderpflege« wählen und sich so berufsbegleitend auf die entsprechende Schulfremdenprüfung vorbereiten.

Im Schuljahr 2019/20 besuchten 485 Schülerinnen und Schüler die 15 Berufsfachschulen mit Zusatzqualifikation Schwerpunkt Erzieherausbildung – Schulfremdenprüfung. Bei der Einrichtung des Bildungsganges im Schuljahr 2009/10 waren es mit 244 Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich weniger. Die Schülerschaft der Zusatzqualifikation bestand mit 95 % weit überwiegend aus Frauen. Die »Berufsfachschulen zum Erwerb von Zusatzqualifikationen: Erziehung – Schulfremdenprüfung« haben 325 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beendet, davon haben 182 die Abschlussprüfung bestanden.

An den fünf Berufsfachschulen mit Schwerpunkt Kinderpflege – Schulfremdenprüfung haben 135 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Unterricht teilgenommen, der Frauenanteil lag hier bei 96 %. Die Zusatzqualifikation Kinderpflege startete im Schuljahr 2009/10 mit 53 Schülerinnen und Schüler. Im Abgangsjahr 2019 haben 45 der 56 Abgängerinnen und Abgänger diese Zusatzqualifikation erfolgreich absolviert.

Eine Weiterbildung in der Erziehung machen ausschließlich Frauen

Der Bildungsgang mit Schwerpunkt »Erziehung – Weiterbildung« soll Erzieherinnen und Erzieher berufsbegleitend eine Qualifizierung für besondere Aufgaben vermitteln, wie zum Beispiel für die Arbeit mit Kindern unter 3 Jahren oder im Elementarbereich. Lediglich 39 Erzieherinnen besuchten im Schuljahr 2019/20 eine Weiterbildung in einem dieser Schwerpunkte. Ein Jahrzehnt zuvor waren es mit 816 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wesentlich mehr. Dieses Weiterbildungsangebot wird ausschließlich von Frauen besucht. Im Abgangsjahr 2019 haben 46 der 50 Abgängerinnen ihre Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen.