:: 10/2020

Im Blickpunkt: Die Stadt Kehl

In der Serie »Im Blickpunkt« steht dieses Mal die Stadt Kehl im Ortenaukreis. Aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) lassen sich für Kehl wie für jede andere Gemeinde des Landes interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Besonders herausgehoben werden an dieser Stelle die Bevölkerungsentwicklung, die Wohn- und die Beschäftigtensituation.

Kehl ist eine Stadt im Westen Baden-Württembergs am Rhein gegenüber von Straßburg, und etwa gleich weit von Karlsruhe im Norden und Freiburg im Breisgau im Süden entfernt. Sie ist nach der Kreisstadt Offenburg und hinter Lahr/Schwarzwald die drittgrößte Stadt des Ortenaukreises und bildet ein Mittelzentrum im Bereich des Oberzentrums Offenburg. Zum Mittelbereich Kehl gehören neben der Stadt Kehl die Stadt Rheinau und die Gemeinde Willstätt. Seit 1. Januar 1971 ist Kehl Große Kreisstadt. Kehl liegt in der Oberrheinischen Tiefebene, rund 3 Kilometer (km) südlich der Mündung der Kinzig in den Rhein. Die Stadt hatte schon seit jeher Bedeutung als Hafenstadt. Sie liegt im früheren Überschwemmungsgebiet von Rhein, Kinzig und Schutter. Im Rahmen der Kommunalreform der 1970er-Jahre wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Auenheim, Bodersweier, Goldscheuer, Hohnhurst, Kork, Leutesheim, Neumühl, Odelshofen, Querbach und Zierolshofen eingemeindet. Der Name »Kehl« ist keltischen Ursprungs. Er leitet sich vom Wort »Kehle«, was eine Umformung des Wortes »Kenel« (Kanal) ist, ab. Als Kehle bezeichnete man die Nebenarme und Altwasser des Rheins.

Die Stadt wird von der Bundesstraße B 28 und der Landesstraße L 75 durchzogen. Über die B 28 ist die Anschlussstelle Appenweier für die Bundesautobahn A 5 zu erreichen. Der Bahnhof Kehl stellt einen zentralen Verkehrsknotenpunkt dar. Er liegt auf der Magistrale für Europa, einer Hochgeschwindigkeitsstrecke, welche von Paris über Straßburg, Stuttgart, München und Wien nach Budapest führt. Der Bahnhof ist für die Ortenau-S-Bahn, die Richtung Straßburg und in umgekehrter Fahrtrichtung nach Offenburg bzw. Hausach fährt, und den Metro-Rhin der französischen SNCF Haltepunkt. Anschlüsse an den Schnellverkehr von ICE und TGV sowie den Fernverkehr insgesamt gibt es in den nahe liegenden Städten Offenburg und Straßburg. Kehl gehört zum Tarifverbund Ortenau. Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bedienen neben der zuvor erwähnten Ortenau-S-Bahn und dem Metro-Rhin mehrere Buslinien der SWEG und des DB-Tochterunternehmens Südwestbus. Seit 2017 wurde die Verlängerung der Linie D der Straßenbahn Straßburg über die neue Rheinbrücke eröffnet und verbindet seither Kehl mit der französischen Nachbarstadt.

Kehl wurde erstmals 1038 urkundlich erwähnt. 1333 begann der Bau einer ersten Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg und ab 1388 bestand eine permanente Straßenverbindung zwischen beiden Orten. Von jeher war Kehl ein Bestandteil der Verteidigung Straßburgs. 1497 gelangte die Hälfte des Besitzes von Kehl an die Markgrafen von Baden. 1678 nahm Ludwig XIV. das im Dreißigjährigen Krieg zur Schanze ausgebaute Kehl ein. 1681 ließ er auf diesem Gelände von Vauban die Festung Kehl bauen, um Straßburg abzusichern. Durch den Friedensvertrag von Rijswijk 1697 wurde die Festung dem Deutschen Reich zugesprochen. Kaiser Leopold I. übergab sie 1698 dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden-Baden, auch Türkenlouis genannt. Die Festung Kehl blieb seitdem mit kurzen Unterbrechungen in badischem Besitz. Im Osten der Festung Kehl hatten die Bewohner des alten Dorfes Kehl ein neues Dorf Kehl gegründet, das bis 1910 als Gemeinde eigenständig war. Mit der Vereinigung der Markgrafschaften von Baden-Durlach und Baden-Baden 1771 begann Kehls Aufstieg zum Handelszentrum. 1774 erfolgte die Erhebung zur Stadt. Die 1792 ausbrechenden Koalitionskriege zwischen den europäischen Großmächten beendeten den wirtschaftlichen Aufschwung. Für 2 Jahrzehnte war die Stadt wieder umkämpfter Brückenkopf mit wechselnden Herrschaften. Durch den Pariser Frieden von 1814 fiel sie an Baden zurück. Die Festung musste laut Friedensvertrag geschleift werden. Stadt und Dorf Kehl gehörten danach zum Amtsbezirk Kehl, dessen Verwaltungssitz damals in Kork war. Durch den Bau der Eisenbahnbrücke über den Rhein 1861 war es zum ersten Mal möglich, direkt mit der Eisenbahn von Paris nach Wien zu reisen. Der hierfür notwendige Lokwechsel wurde in Kehl durchgeführt. Während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/1871 wurde die Stadt Ziel französischer Angriffe und zerstört. 1881 wurde der Sitz des Amtes Kehl von Kork nach Kehl verlegt. Nach dem Ersten Weltkrieg erfolgte von 1919 bis 1930 die Besetzung Kehls durch französisches Militär, die das kulturelle und gesellschaftliche Leben der Bevölkerung behinderte und Kehl in eine wirtschaftliche Notlage brachte. 1924 ging der Amtsbezirk Kehl im Landkreis Kehl auf, zu dem 1936 nach Aufhebung des Landkreises Oberkirch noch einige Gemeinden hinzukamen. Einen erneuten Rückschlag erlitt die Entwicklung Kehls durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen. Zwei Evakuierungen 1939 bis 1940 und 1944 bis 1953 zerstreuten die Bevölkerung Kehls von Baden bis zum Bodensee. 1945 folgte die Besetzung Kehls durch französisches Militär. Das Washingtoner Abkommen von 1949 verhinderte die geplante Annexion durch Frankreich und sicherte den Kehlern die etappenweise Rückgabe der Stadt und des Hafens bis 1953. Nach der endgültigen Freigabe begann der Wiederaufbau der durch Krieg und Besetzung stark mitgenommenen Stadt. Bei der Kreisreform am 1. Januar 1973 wurde der Landkreis Kehl aufgelöst, sein Gebiet ging überwiegend auf den neu gebildeten Ortenaukreis über.

Kehl hat eine Gemarkungsfläche von 7 507 Hektar (ha). Davon werden 52 % landwirtschaftlich genutzt. Damit liegt diese Flächennutzungsart deutlich über dem Landesdurchschnitt. Die Waldfläche beträgt gut 14 % und liegt unter dem Niveau des Landes (38 %). Mehr als 23 % der Fläche sind besiedelt oder dienen als Verkehrsfläche, hier wird das Landesmittel auch deutlich überschritten.

Am 31. Dezember 2018 lebten 36 089 Personen in Kehl. Mit 481 Personen je Quadratkilometer (km2) liegt die Besiedelungsdichte zwischen den ländlich und den urban geprägten Teilen Baden-Württembergs und liegt über dem Landesdurchschnitt (310). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2008 und 2018 sehr positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um 4,3 % zugenommen. Sie lag damit über der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürger von Kehl betrug 43,5 Jahre und entsprach damit dem Landesdurchschnitt. 21 % der Einwohner von Kehl hatten 2018 einen ausländischen Pass. Der Ausländeranteil in Kehl lag damit deutlich über dem Landesdurchschnitt von 15,5 %.

Die Entwicklung des Wohnungsbestandes in Kehl ist positiv. Im Zeitraum zwischen 2008 und 2018 nahm der Wohnungsbestand um 3,8 % zu und lag damit aber noch unter dem Landesniveau. Die Werte für baureifes Land lagen in dem Zeitraum zwischen 2015 und 2017 mit 157 Euro je Quadratmeter (EUR/m2) um 31 EUR/m2 niedriger als die im Landesdurchschnitt ermittelten Werte. Dies könnte für junge Familien ein Anreiz sein, hier eine Immobilie zu erwerben. Gut 63 % der Wohngebäude sind Einfamilienhäuser, hier wird das Landesmittel überschritten. Mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 48 m2 je Einwohner liegt auch dieser Wert in Kehl über dem Landesdurchschnitt.

Architektonisch fallen im Stadtbild von Kehl zahlreiche historische Bauwerke auf: Als ältestes Gebäude der Innenstadt gilt das sogenannte Weinbrennerhaus aus dem Jahr 1816; auf dem Sockel einer ehemaligen Befestigungsanlage der Eisenbahnbrücke wurde 1914 die Villa Schmidt erbaut, sie gilt als hervorragendes Beispiel eines aufwändig gestalteten Bürgerhauses; das Rathaus wurde 1910 in einem ab 1815 als Kaserne und Wohnhaus benutzten Gebäude eingerichtet und 1921 erweitert, es zählt zu den schönsten Beispielen für die Verquickung der Stilepochen Klassizismus und Neoklassizismus in Baden; die evangelische Pfarrkirche Kehls im alten Dorf Kehl wurde 1822 bis 1824 von Hans Voß errichtet; auf dem Marktplatz entstand 1874 die heutige evangelische Friedenskirche; der neoromanische Bau der katholischen Kirche St. Nepomuk rundet die Liste der historischen Bauwerke ab.

Die Chance auf eine Beschäftigung in Kehl hat in den vergangenen 10 Jahren zugenommen. So hatten hier 2018 rund 17 289 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Arbeitsplatz. Dies sind 15,2 % mehr als 2008. Langfristig betrachtet lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2018 um mehr als 3 880 höher als 1999. 33 % aller Arbeitsplätze in Kehl liegen heute noch in dem Wirtschaftsbereich des Produzierenden Gewerbes und nehmen damit aber keine dominierende Position wie in vielen anderen Kommunen des Landes ein. Der Schwerpunkt der Beschäftigung in Kehl liegt im Bereich der sonstigen Dienstleistungen mit gut 38 %.

Der Schuldenstand je Einwohner in Kehl belief sich auf 939 Euro im Jahr 2018 und lag damit unter dem Landesdurchschnitt von 1 022 Euro je Einwohner. Die Steuerkraftmesszahl je Einwohner und die Steuerkraftsumme je Einwohner lagen im Jahr 2018 unter dem Landesniveau.

Kulturell bietet die Stadt Kehl ihren Bürgern und Besuchern eine große Vielfalt. Der Kehler Messdi ist mit inzwischen über 50 000 Besuchern jährlich die größte Veranstaltung Kehls. Der Messdi ist ein Volksfest, dessen Angebot aus einer Mischung aus Kultur, Musik und Kulinarischem besteht. Das viertägige Volksfest findet seit über 40 Jahren statt. Theaterdarbietungen werden vor allem in der Stadthalle angeboten. Außerdem gibt es in Kehl eine Mundart-Theatergruppe, das »Alemannische Theater Kehl«. Das Hanauer Museum zeigt die Ur- und Frühgeschichte im Raum Kehl. Im Handwerksmuseum Kork findet man zahlreiche Exponate fast ausgestorbener Berufe, aber auch Ausstellungen zur Dorfgeschichte, zur Fischerei am Oberrhein, zum Münsterbau im Mittelalter, zur Zeitmessung sowie Ausstellungen mit alten Spielzeugen und über den Fachwerkbau. Im Teilort Goldscheuer befindet sich in der alten Schule ein Heimatmuseum. Das Deutsche Epilepsiemuseum in Kehl-Kork rundet das museale Angebot ab. Immer am zweiten Adventswochenende findet in der Kehler Innenstadt ein Weihnachtsmarkt statt. Vor der Friedenskirche laden rund fünfzig festlich geschmückte Marktstände rund um den großen Weihnachtsbaum zum gemütlichen Adventsbummel auf den Marktplatz ein. Das mögen die Hauptgründe dafür sein, dass es 2018 zu 6 944 Übernachtungen von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner in Kehl kam.