:: 12/2020

Vor Corona: Investitionstätigkeit der Südwestindustrie im Jahr 2019 leicht rückläufig

Die Investitionen der baden-württembergischen Industriebetriebe sanken im Jahr 2019 leicht und markierten somit das Ende der seit dem Jahr 2015 andauernden Expansionsphase. Insbesondere die Investitionen in Grundstücke und Gebäude verzeichneten nach dem starken Wachstum des Vorjahres einen deutlichen Rückgang. Die Indikatoren Investitionsintensität und Investitionsquote befanden sich weiter auf einem hohen Niveau. In der Breite verlor die Investitionstätigkeit der Südwestindustrie im Vergleich mit dem Jahr 2018 deutlich an Wirkung. Mehr als die Hälfte der Branchen senkten ihre investiven Ausgaben. Ebenso verzeichnete die investitionsstärkste Industriebranche Baden-Württembergs, die »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen«, wie bereits im Vorjahr einen leichten Rückgang. In der Regionalbetrachtung steigerte die Südwestindustrie in sechs der zwölf Regionen des Landes ihr Investitionsvolumen. Insbesondere in der dominierenden Region Stuttgart nahm die Investitionstätigkeit im Vorjahresvergleich deutlich zu. Die Mietinvestitionen verbuchten einen leichten Anstieg im Vorjahresvergleich und erreichten erneut ein neues Rekordniveau.1

Rezessive Tendenzen in der Industriekonjunktur im Jahresverlauf

Das Jahr 2019 war im Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung gekennzeichnet von einer Schwächephase der Industrie (i-Punkt), die das Ende des seit dem Jahr 2013 andauernden Expansionszyklus2 einläutete. Die Industrieproduktion der Südwestindustrie verlor gegen Ende des Jahres 2018 an Tempo und folgte den deutlich absinkenden Auftragseingängen im Jahr 2019 ins Minus. Entsprechend verzeichneten die zentralen Konjunkturindikatoren des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg einen Rückgang. So sanken preis- und arbeitstäglich bereinigt im Jahr 2019 im Vorjahresvergleich die Auftragseingänge um – 6,8 % (2018: + 1,9 %), die Produktion um – 2,6 % (2018: + 1,6 %) und der Umsatz um – 1,6 % (2018: + 1,9 %).3 Ein interner Einflussfaktor war dabei die deutliche Überauslastung der Produktionskapazitäten im Jahr 2018, die die Unternehmen im Jahresverlauf 2019 abbauten. Im Hinblick auf außenwirtschaftliche Unsicherheiten waren insbesondere die Handelskonflikte der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) mit der Volksrepublik China (PRC) und der Europäischen Union (EU) sowie die Unwägbarkeiten im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU von Bedeutung. Diese wirtschaftspolitischen Unsicherheiten trübten die weltweite Investitionsbereitschaft, was sich am Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, der durch einen überproportional hohen Produktionsanteil von für den Export bestimmten Investitionsgütern geprägt ist, besonders niederschlug. Der signifikante Technologiewandel auf dem globalen Automobilmarkt wirkte sich ebenso negativ auf die Produktion der Südwestindustrie aus.4 Gleichwohl befand sich die Südwestindustrie auch im Jahr 2019 nach der langjährigen Expansionsphase in einer guten Ausgangsposition. So erzielten die baden-württembergischen Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2019 einen nominalen Umsatz5 von 369,1 Milliarden (Mrd.) Euro (– 0,3 % zum Vorjahr) und beschäftigten 1,3 Millionen (Mill.) Personen (+ 0,7 % zum Vorjahr), so viele wie seit Anfang der 1990er-Jahre nicht mehr.

Investitionen nach Rekordwert im Vorjahr rückläufig

Die im Jahresverlauf 2019 deutlich gestiegenen Unsicherheiten wirkten sich im Zuge der Mitte des Jahres 2018 einsetzenden konjunkturellen Schwächephase negativ auf die Investitionstätigkeit aus. So fand der seit 2015 andauernde Expansionszyklus im Hinblick auf die Investitionsvolumina im Jahr 2019 ein Ende. Die dem Konjunkturzyklus nachfolgende Investitionsentwicklung verzeichnete für die Südwestindustrie im Jahr 2019, wenn auch auf weiterhin hohem Niveau, einen leichten Rückgang der Investitionen im Vorjahresvergleich um 0,5 %. Damit lagen die nach dem Handelsgesetzbuch zu aktivierenden, neu erworbenen bzw. selbst erstellten neuen Sachanlagen um 77 Mill. Euro unter dem Vorjahresrekordwert und erreichten ein Volumen von 14,6 Mrd. Euro. Preisbereinigt6 sanken die Investitionen der baden-württembergischen Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe um 297 Mill. Euro (– 2,1 %) auf 13,8 Mrd. Euro. In der Betrachtung der Investitionstätigkeit der Südwestindustrie über einen längeren Zeitraum werden die verschiedenen Trendzyklen deutlich (Schaubild 1). Zwischen den Jahren 1995 und 2001 nahmen die Investitionen mit einer Jahresdurchschnittsrate von 5,9 % per annum (p. a.) zu und erreichten ein Niveau von 9,9 Mrd. Euro im Jahr 2001. Nach dem Platzen der New-Economy-Blase rutschte das Investitionsvolumen im Jahr 2002 (– 1 Mrd. Euro bzw. – 10 % zum Vorjahr) deutlich ab und bewegte sich anschließend seitwärts. Ausgehend von dem Tiefpunkt im Jahr 2005 (8 Mrd. Euro) stieg die Investitionstätigkeit der baden-württembergischen Industriebetriebe entsprechend der Expansionsphase bis zum Jahr 2008 mit einer Zuwachsrate von im Schnitt 12,1 % p. a. auf 11,3 Mrd. Euro. Der externe Schock verursacht durch die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise sorgte für einen starken Einbruch der Investitionen im Jahr 2009 (– 2,7 Mrd. Euro bzw. – 24,1 % zum Vorjahr). Ausgehend von diesem Tiefpunkt expandierte die Investitionstätigkeit der Industriebetriebe im Zeitraum der Jahre 2009 bis 2013 mit einer Wachstumsrate von 6,9 % p. a. wieder deutlich. Insbesondere die von starken Aufholungseffekten geprägten Jahre 2011 und 2012 konnten den im Jahr 2010 vorherrschenden Investitionsstau auflösen. Mit dem leichten Investitionsrückgang im Jahr 2014 sammelte die Südwestindustrie Kraft, um entsprechend der konjunkturellen Aufwärtsbewegung im Jahr 2015 mit einem Investitionsvolumen von 11,9 Mrd. Euro erstmals das Niveau des Vorkrisenjahres 2008 zu übertreffen und in den 3 Folgejahren jeweils neue Investitionshöchststände zu verzeichnen. Mit 7,5 % p. a. erzielten die Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg im Zeitraum der Jahre 2014 bis 2018 beachtliche Wachstumsraten. Jedoch beendeten die Schwächephase der Industrie und das sich verschlechternde gesamtwirtschaftliche Umfeld diese Expansionsphase im Jahr 2019.

Anpassungseffekt bei Investitionen in Grundstücke und Bauten

Die erfassten Investitionen setzen sich in der amtlichen Statistik aus aktivierten Bruttozugängen an Sachanlagen in Grundstücke und Bauten (Immobilieninvestitionen) und Investitionen in Maschinen, maschinelle Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung (Ausrüstungsinvestitionen) zusammen (Schaubild 1). Anhand der Anlagearten ist es möglich, grundsätzliche Tendenzen bezüglich des Investitionsanlasses abzuleiten. So bilden Immobilieninvestitionen annäherungsweise investive Ausgaben, die der Erweiterung von Produktionsmöglichkeiten dienen, ab. Nach einer starken Expansion im Vorjahr normalisierten sich die Investitionen in Grundstücke und Bauten im Jahr 2019 mit einem deutlichen Rückgang um 271 Mill. Euro (– 12,1 %) und erreichten ein Volumen von 2 Mrd. Euro. Auch preisbereinigt sanken die Immobilieninvestitionen signifikant um 309 Mill. Euro (– 15,3 %) auf 1,7 Mrd. Euro. Damit normalisierte sich der Strukturanteil an den Gesamtinvestitionen wieder etwas von 15,3 % im Vorjahr auf 13,5 % (bzw. real von 14,4 % auf 12,4 %). Die Ausrüstungsinvestitionen stiegen im Jahr 2019 leicht um 194 Mill. Euro (1,6 %) auf 12,6 Mrd. Euro und erreichten damit zum fünften Mal in Folge jeweils einen neuen Höchststand. In der preisbereinigten Betrachtung stagnierte die Entwicklung der Ausrüstungsinvestitionen allerdings mit einem Zuwachs von 0,1 % zum Vorjahr auf einem Niveau von 12,1 Mrd. Euro. Der Anteil der Ausrüstungsinvestitionen an den Gesamtinvestitionen erhöhte sich im Jahr 2019 auf 86,5 % (real: 87,6 %).

Die Entwicklung der Investitionen in Grundstücke und Gebäude verläuft in der Regel zyklisch. So wechseln sich die in der Tendenz expansiven Phasen der Jahre 1998 bis 2000, 2006 bis 2008, 2011 bis 2014 und 2018 mit längeren Perioden der Stagnation und des Rückgangs ab, allerdings mit einem klaren Wachstumstrend. Der deutliche Rückgang im Jahr 2019 kann zum einen mit der schwächelnden Industriekonjunktur und zum anderen mit einem normalisierten Investitionsverhalten, nach einem im Vorjahr ungewöhnlich starken Wachstum, erklärt werden. Diese Entwicklung lässt insbesondere im Hinblick auf die Interpretation der Investitionen in Grundstücke und Gebäude als Erweiterungsinvestition auf eine größere Unsicherheit und einen längeren Planungshorizont vonseiten der Betriebe schließen. Großprojekte zur Produktionserweiterung sind in erheblichem Umfang risikobehaftet, da die Verantwortlichen zum einen die zukünftige konjunkturelle und strukturelle Entwicklung ihrer Branche und der Wirtschaft einschätzen und zum anderen erhebliche Kapitalmittel aufbringen müssen, um die Erweiterung der Produktionskapazitäten im klassischen Sinn oder Änderungen und Ausweitungen der Produktpalette zu finanzieren. Entsprechend sanken die Immobilieninvestitionen nach den Konjunktureinbrüchen in den Jahren 2002 und 2009 nicht in gleichem Maße wie die Ausrüstungsinvestitionen, die sich deutlich konjunkturreagibler verhielten. Unternehmensumfragen zufolge standen 2019 vor allem Erweiterungs- und Ersatzinvestitionen im Fokus der Investitionstätigkeit, obgleich Rationalisierungsmaßnahmen im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren wieder etwas an Bedeutung gewannen.7

Investitionsintensität und Investitionsquote auf hohem Niveau

Um die Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes besser beurteilen zu können, ist es sinnvoll, die Investitionsausgaben mit anderen Wirtschaftskennzahlen in Verbindung zu setzen. So bildet die Investitionsintensität die Investitionen je Beschäftigten8 ab und beschreibt damit einen Indikator für die Entwicklung des Kapitaleinsatzes in der Produktion. Im Jahr 2019 lag die Investitionsintensität vor dem Hintergrund eines moderaten Personalaufbaus in der Südwestindustrie mit 10 982 Euro Investitionskapital je Industriebeschäftigten knapp unter dem Höchststand des Vorjahres, aber immer noch auf einem hohen Niveau (Schaubild 2). Im Zeitablauf verläuft der Indikator Investitionsintensität in ähnlichen Zyklen wie die Investitionstätigkeit mit den jahresgleichen Hochpunkten in den Jahren 2001 (7 782 Euro je Beschäftigten), 2008 (9 225 Euro je Beschäftigten) und 2018 (11 113 Euro je Beschäftigten), der Stagnationsphase zwischen den Jahren 2002 und 2005 (im Schnitt 7 171 Euro je Beschäftigten) und dem Einbruch im Jahr 2009 (7 400 Euro je Beschäftigten bzw. – 19,8 % zum Vorjahr) im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Insbesondere die lange Expansionsphase seit dem Jahr 2010 sorgte für eine deutliche Zunahme der Investitionsintensität und in Folge dessen auch für eine Kapitalintensivierung der Produktionsprozesse. Unter Berücksichtigung des ebenfalls während des Aufschwungs deutlich gestiegenen Beschäftigtenstandes, ist diese Entwicklung beachtlich, da die Investitionstätigkeit entsprechend deutlich höhere Wachstumsraten aufwies. Zwischen den Jahren 2010 und 2019 wuchs die Beschäftigung der Südwestindustrie im Schnitt um 1,6 % p. a., während das Investitionsvolumen um 6 % p. a. zunahm. Bei Betrachtung der preisbereinigten Investitionsausgaben ergab sich im gleichen Zeitraum eine leicht niedrigere Wachstumsrate von 4,8 % p. a. und demnach auch eine geringere Investitionsintensität für das Jahr 2019 von 10 371 Euro Investitionskapital je Beschäftigten.

Die Investitionsquote beschreibt in der amtlichen Industriestatistik das Verhältnis der in der Investitionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe erfassten Investitionen zum nominalen Umsatz der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes. Die Beobachtung des Indikators über einen längeren Zeithorizont gibt Hinweise auf Veränderungen im Investitionsverhalten der Industriebetriebe. So spricht eine steigende Investitionsquote dafür, dass die Industriebetriebe verstärkt am heimischen Standort investieren.9 Im Jahr 2019 betrug die Investitionsquote der Betriebe der Südwestindustrie 4 % und lag damit auf Vorjahresniveau (Schaubild 2). In Betrachtung des Verlaufs der Investitionsquote sank der Indikator von einem Niveau von etwa 4 % gegen Ende der 1990er-Jahre auf den Tiefpunkt von 3,1 % im Jahr 2005. In den Folgejahren 2006 bis 2008 erhöhte sich die Investitionsquote deutlich auf 3,8 %. Der externe Schock ausgelöst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 unterbrach diese Expansionsphase und sorgte für ein erneutes Absinken. Im aktuellen Konjunkturzyklus beginnend mit dem Jahr 2010 (3,2 %) verzeichnete die Investitionsquote trotz eines Rückgangs im Jahr 2014 und einer Stagnationsphase im Jahr 2015 einen deutlichen Anstieg. Bemerkenswert ist dies vor allem im Hinblick auf die ebenfalls stark gestiegenen Industrieumsätze. Das deutet in der Folge auf eine gestiegene Invesitionsbereitschaft der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes in den heimischen Produktionsprozess hin, da die Wachstumsraten der Investitionsausgaben das Umsatzwachstum übertrafen.10

Investitionen der Branche »Herstellung von Kraftwagen- und Kraftwagenteilen« rückläufig – Investitionstätigkeit verliert deutlich an Breite

Die Situation des Industriestandorts Baden-Württemberg ist traditionell eng mit der Entwicklung seiner Schlüsselindustrien verknüpft. Insbesondere die umsatzstärkste Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« beeinflusst das Ergebnis der Investitionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe wesentlich (Tabelle). Wie schon im Vorjahr sank die Investitionstätigkeit der Branche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« leicht um 20 Mill. Euro (– 0,4 %) auf ein Volumen von 5,5 Mrd. Euro im Jahr 2019. Dies entsprach einem Anteil an den Gesamtinvestitionen von 37,7 % (2018: 37,6 %). Trotz 2 aufeinanderfolgender Jahre rückläufiger Investitionsvolumina befand sich die Investitionstätigkeit der Branche allerdings weiterhin auf einem hohen Niveau. Insbesondere in den Jahren 2015 bis 2017 expandierte die Branche deutlich über dem Landestrend und trug maßgeblich zum Aufschwung im Verarbeitenden Gewerbe bei. Rückläufige Investitionen im Jahr 2019 verzeichnete ebenso die gemessen am Beschäftigungsstand größte und bezogen auf die Investitionstätigkeit zweitgrößte Branche der Südwestindustrie, der »Maschinenbau«. So verbuchte die Branche nach dem Vorjahresrekordwert einen Rückgang des Investitionsvolumens im Jahr 2019 um 121 Mill. Euro (– 4,6 %) auf ein Niveau von 2,5 Mrd. Euro. Der Anteil des »Maschinenbaus« an den Gesamtinvestitionen sank im Jahr 2019 auf 17,2 % (2018: 18 %). Zusammengenommen investierten die zwei dominierenden Branchen jedoch weiterhin über die Hälfte (54,9 %) des Gesamtvolumens der Südwestindustrie (2018: 55,6 %). Insgesamt verlor die Investitionstätigkeit der baden-württembergischen Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes im Jahr 2019 in der Breite deutlich an Wirkung. So verzeichnete mehr als die Hälfte der Branchen im Jahr 2019 einen Rückgang der Investitionen im Vorjahresvergleich, während im Jahr 2018 noch etwa drei Viertel der Branchen einen Zuwachs der Investitionstätigkeit verbuchen konnten.

Region Stuttgart mit deutlichem Zuwachs

Die Industriestruktur Baden-Württembergs ist im Hinblick auf die regionale Verteilung von Schwerpunktregionen geprägt (Schaubild 3). Die Region Stuttgart mit einer hohen Konzentration an Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes bildet das baden-württembergische Industriezentrum. Vor allem die dort ansässige Automobilindustrie beeinflusst das industriewirtschaftliche Ergebnis des Landes wesentlich. Im Jahr 2019 verbuchte die Region Stuttgart einen deutlichen Anstieg der Industrieinvestitionen um 294 Mill. Euro (6 %) zum Vorjahr auf ein Volumen von 5,2 Mrd. Euro und zum fünften Mal in Folge ein neues Rekordniveau. Damit entfielen etwas mehr als ein Drittel der gesamten Industrieinvestitionen auf diese Region (35,8 %). Insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 verzeichnete die Region Stuttgart zweistellige Wachstumsraten über dem Landesdurchschnitt und baute dadurch ihren Anteil an den gesamten baden-württembergischen Industrieinvestitionen aus. Die Region Heilbronn-Franken bildet insbesondere mit dem Landkreis Heilbronn einen weiteren Industrieschwerpunkt in Baden-Württemberg. Im Jahr 2019 sank hier das Investitionsvolumen um 315 Mill. Euro (– 17,7 %) auf 1,5 Mrd. Euro. Nach dem Rekordjahr 2017 mit einem Zuwachs von 470 Mill. Euro (33,5 %) auf ein Niveau von 1,9 Mrd. Euro verbuchte die Region 2 Jahre in Folge rückläufige Investitionsvolumina und näherte sich wieder dem Niveau des Jahres 2016 an. Folglich ist nach der von 2010 bis 2017 andauernden Expansionsphase eine gewisse Normalisierung eingetreten.

Allgemein sank das Investitionsvolumen im Jahr 2019 in sechs der zwölf Regionen Baden-Württembergs. Damit zeigte sich die Investitionstätigkeit der Südwestindustrie auf Ebene der Regionen nach dem Rekordjahr 2018 in der Tendenz rückläufig, wenngleich die Investitionsvolumina weiterhin auf einem hohen Niveau lagen. Im Vergleich zum Hochpunkt im Jahr 2008 weiteten elf der zwölf (bzw. in der preisbereinigten Betrachtung acht der zwölf) Regionen ihre Industrieinvestitionen in der zurückliegenden Expansionsphase aus. Insbesondere die Regionen Stuttgart (3,5 % p. a., bzw. real 2,5 % p. a.), Ostwürttemberg (3,4 % p. a., bzw. real 2,3 % p. a.) und Südlicher Oberrhein (3,2 % p. a., bzw. real 2 % p. a.) legten im Jahresdurchschnitt der Jahre 2008 bis 2019 über dem Landesschnitt (2,4 % p. a., bzw. real 1,3 % p. a.) zu.

Anstieg der Mietinvestitionen am aktuellen Rand

Als Ergänzung zu den vorangehend in diesem Beitrag beschriebenen aktivierten Bruttoanlageinvestitionen, erhebt die amtliche Statistik ebenfalls neu gemietete und gepachtete neue Sachanlagen, sogenannte Mietinvestitionen (i-Punkt), um die Investitionstätigkeit der Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes umfassender darzustellen. Das Leasing von Sachanlagegütern ermöglicht es Betrieben, flexibler auf sich ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Entsprechend zeigen sich Mietinvestitionen deutlich reagibler bei konjunkturellen Veränderungen. Die Betriebe der Südwestindustrie investierten im Jahr 2019 ein Rekordvolumen von 2,4 Mrd. Euro in neu gemietete und gepachtete neue Sachanlagen. Nach dem starken Anstieg im Jahr 2018 (29,6 % zum Vorjahr) legten die Mietinvestitionen im Jahr 2019 im Vorjahresvergleich erneut zu (2 %) und erhöhten den Anteil der Mietinvestitionen an den Gesamtinvestitionen auf 14 %. Damit näherte sich der Anteil der Mietinvestitionen an den Gesamtinvestitionen wieder dem hohen Niveau zu Beginn des neuen Jahrtausends an, das im Mittel der Jahre 2000 bis 2007 bei 14,1 % lag. In der Trendbetrachtung stiegen die Mietinvestitionen vor allem am aktuellen Rand deutlich an. So erhöhte sich das Investitionsvolumen der Mietinvestitionen seit dem Jahr 2013 (1,3 Mrd. Euro) um beachtliche 88,8 % bzw. mit einer jahresdurchschnittlichen Wachstumsrate von 11,2 % (Schaubild 4).

Auswirkungen des Corona-Virus werfen dunkle Schatten auf die Investitionsaussichten für 2020

Die Ausbreitung des Corona-Virus und die damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen stürzten die Südwestindustrie Anfang des Jahres 2020 in eine tiefe Rezession. Nach den massiven Einbrüchen der zentralen Konjunkturindikatoren des Verarbeitenden Gewerbes in Baden-Württemberg im April und Mai 2020 verbuchte die Südwestindustrie in den Folgemonaten erste Aufholeffekte, gleichwohl sanken nach vorläufigen Angaben preis- und arbeitstäglich bereinigt zwischen Januar und August 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum die Auftragseingänge um 12 %, die Produktion um 14,7 % und die Umsätze um 14,1 %. Es ist damit zu rechnen, dass die derzeitigen enormen Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung die Unternehmen zur Verschiebung oder Aufgabe von geplanten Investitionsprojekten veranlasst. Ebenso dürfte die stark verschlechterte Erlös- und Gewinnsituation die Innenfinanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen belasten. Des Weiteren ist anzunehmen, dass sich die in Folge des negativen gesamtwirtschaftlichen Klimas gestiegenen Effektivzinssätze und die sinkende Bereitschaft der Banken, Unternehmenskredite zu vergeben, auf die Außenfinanzierungmöglichkeiten der Unternehmen niederschlagen. Vor diesem Hintergrund wird für das Jahr 2020 ein deutlicher Rückgang der Investitionstätigkeit in der Südwestindustrie erwartet, wofür auch die eingebrochene Nachfrage bei Investitionsgüterproduzenten spricht.11

1 Dieser Beitrag analysiert die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe und die Industriestruktur der Südwestindustrie bis einschließlich Berichtsjahr 2019. Die sich in Folge der umfassenden weltweiten Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus mit Beginn des Jahres 2020 grundlegend veränderte Lage hatte auf das Ergebnis im Jahr 2019 noch keinen Einfluss.

2 Im Zeitraum vom 2. Quartal 2013 bis zum 1. Quartal 2019 stieg das BIP auf Bundesebene im Vergleich zum Vorjahresquartal 24 Quartale in Folge. Datenbank des Statistischen Bundesamtes, VGR des Bundes, Bruttoinlandsprodukt Originalwerte preisbereinigt, Kettenindex (Basisjahr 2015 = 100), Code: 81000-0002, https://www-genesis.destatis.de/genesis/online (Abruf: 07.10.2020).

3 Die preis- und kalenderbereinigten Veränderungsraten beziehen sich auf die Konjunkturindizes im Verarbeitenden Gewerbe (Basisjahr 2015 = 100) für Baden-Württemberg, deren Datengrundlage die »Monatliche Produktionserhebung im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden« und der »Monatsbericht für Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie im Bergbau und in der Gewinnung von Steinen und Erden« bilden. Zugrunde gelegt ist der Berichtskreis 50+, das heißt Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten. Im Folgenden bezieht sich der Artikel auf den Berichtskreis 20+.

4 Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2019: Industrie in der Rezession – Wachstumskräfte schwinden, in: Ifo Schnelldienst, Heft 19/2019, 72. Jahrgang, S. 27.

5 Aufgrund methodisch bedingter geringer Unterschiede in den Berichtskreisabgrenzungen des Berichtskreises 20+ sind marginale Abweichungen zwischen den Ergebnissen der Investitionserhebung und dem Jahresergebnis für Betriebe (Zusammenführung des Monats- und des Jahresberichts für Betriebe) bei den Merkmalen Anzahl der Betriebe, Beschäftigte und Umsatz möglich.

6 Die realen Werte sind geschätzt unter Heranziehung des Index der Erzeugerpreise gewerblicher Produkte (Inlandsabsatz) – Erzeugnisse der Investitionsgüterproduzenten – und des Preisindex für gewerbliche Betriebsgebäude in Baden-Württemberg (Basisjahr jeweils 2015 = 100).

7 Weichselberger, Annette: Deutsche Industrie: Spürbarer Investitionsanstieg für 2019 geplant, in: ifo Schnelldienst, Heft 17/2019, 72. Jahrgang, S. 60–61.

8 Beschäftigtenstand Ende September.

9 Für weitergehende Informationen siehe auch: Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität Tübingen (IAW) (2015): Leidet der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg an einer Investitionsschwäche?

10 Im Zeitraum 2010 bis 2019 stiegen die Investitionen um 68,8 % (bzw. 6 % p. a.), während die Umsätze der Industriebetriebe um 35,7 % (bzw. 3,5 % p. a.) wuchsen.

11 Ifo Konjunkturprognose Sommer 2020: Deutsche Wirtschaft – es geht wieder aufwärts, in: Ifo Schnelldienst, Sonderausgabe Juli 2020, 73. Jahrgang, S. 33–34.