:: 12/2020

Der Tourismus in Baden-Württemberg im Corona-Jahr 2020

Bilanz erste 9 Monate: Über 43 % weniger Gäste und 36 % weniger Übernachtungen als im Vorjahr

Die letzten 10 Jahre können für den Tourismus in Baden-Württemberg insgesamt als »fette Jahre« bezeichnet werden: Seit 2010 stiegen die Gäste- und Übernachtungszahlen in den Beherbergungsbetrieben des Landes kontinuierlich an. Im Zeitraum 2010 bis 2019 erhöhte sich die Zahl der Gäste um insgesamt 39,3 %, die der Übernachtungen um 31,4 %. Diese Erfolgsserie fand mit der weltweiten Corona-Pandemie ein jähes Ende. Seit März 2020 sind die Gäste- und Übernachtungszahlen stark eingebrochen. Selbst für die Sommermonate, in denen Reisen möglich waren und viele Menschen einem Urlaub in Deutschland den Vorzug gaben, ist die Bilanz in Baden-Württemberg negativ. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Anfang November 2020 erneut verhängten Beherbergungsverbote, deren Aufhebung derzeit nicht absehbar ist,1 steht die Tourismuswirtschaft Baden-Württembergs vor einer außerordentlichen Herausforderung. Der vorliegende Beitrag fasst die wichtigsten Entwicklungen und Eckdaten des Landestourismus für den Zeitraum Januar bis September 2020 zusammen.

Übernachtungen gegenüber dem Vorjahr fast 16 Millionen im Minus

Von Januar bis September 2020 verbuchten die Beherbergungsbetriebe im Südwesten rund 10,1 Millionen (Mill.) Gästeankünfte – das sind 7,7 Mill. oder 43,1 % weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Übernachtungen ging um rund 15,9 Mill. oder 36 % auf 28,3 Mill. zurück. Während die Monate Januar und Februar mit Zunahmen bei den Gäste- und Übernachtungszahlen noch »normal« und nach dem Muster der Vorjahre verliefen, brachen ab März 2020 die Ergebnisse ein (siehe i-Punkt). Dabei war der April 2020 sowohl mit Blick auf die Gästezahlen (– 94 %) als auch auf die Übernachtungszahlen (– 88,3 %) der bislang schwärzeste Monat seit Beginn der Zeitreihen. Auch nachdem die Beherbergungsbetriebe im Mai 2020 schrittweise und mit Auflagen wieder öffnen durften, war selbst in den normalerweise stärksten Monaten Juli und August das Minus bei den Gäste- und Übernachtungszahlen weiterhin erheblich. Am niedrigsten fielen die Verluste im Rückblick bisher in den Monaten August und September 2020 aus mit einem Rückgang der Gästezahlen um 22,4 % bzw. 23,9 % und der Übernachtungszahlen um 16,3 % bzw. 12,8 % (Schaubild 1).

Gäste aus Deutschland: Rückgang von 30,5 % bei den Übernachtungen

Bereits in der Vergangenheit hatte der überwiegende Teil der Touristen in Baden-Württemberg seinen Wohnsitz in Deutschland – im Jahr 2019 waren es 76,7 %. Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich der Anteil der Gäste aus Deutschland weiter erhöht. In den ersten 9 Monaten 2020 hatte mit einem Anteil von 82,4 % die große Mehrheit der Gäste (rund 8,4 Mill.) ihren Wohnsitz im Inland und buchte 24 Mill. Übernachtungen. Für den Zeitraum Januar bis September ergab sich für die Inlandsgäste bei den Ankünften gegenüber dem Vorjahr ein Minus von 38,5 % und bei den Übernachtungen ein Minus von 30,5 %.

Geschäft mit Gästen aus dem Ausland deutlich schwächer

Bei den ausländischen Gästen fallen die Ergebnisse coronabedingt weiterhin deutlich schwächer aus: Von Januar bis September ging die Zahl der Ankünfte aus dem Ausland gegenüber dem Vorjahr um 57,8 % oder rund 2,4 Mill. zurück. Die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste lag gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 55,6 % im Minus und betrug rund 4,3 Mill.

Alle Landkreise im Minus – aber breites Spektrum

Die regionale Analyse zeigt für die ersten 9 Monate 2020 im Vergleich zum Vorjahr folgendes Bild: Die geringsten Einbußen bei den Übernachtungen verzeichneten bisher die Landkreise Konstanz (– 18,2 %), Bodenseekreis (– 22,4 %) und Ravensburg (– 24,9 %). Dem gegenüber traf die »Corona-Keule« die Beherbergungsbetriebe in den Stadtkreisen Stuttgart (– 54,4 %) und Heilbronn (– 52,6 %) sowie im Landkreis Esslingen (– 51,8 %) am härtesten (Schaubild 2).

Corona-Gewinner und -verlierer unter den Städten und Gemeinden

Auf kommunaler Ebene finden sich einerseits Städte und Gemeinden, die im Zeitraum Januar bis September 2020 bei den Übernachtungen starke Verluste verkraften mussten (Gemeinde Großerlach, Rems-Murr-Kreis: – 84,1 %, Gemeinde Sternenfels, Enzkreis: – 76,8 % und Stadt Weil der Stadt, Landkreis Böblingen: – 74,6 %) (Tabelle).

Andererseits konnte eine Reihe von Städten und Gemeinden trotz Corona ihr Übernachtungsergebnis aus den ersten 9 Monaten 2019 deutlich übertreffen: An der Spitze steht die Hegauer Gemeinde Steißlingen im Landkreis Konstanz mit einem Übernachtungsplus von 104,5 % – gefolgt von den Gemeinden Tamm im Landkreis Ludwigsburg (+ 56 %) und Ellenberg, einem Campingreiseziel im Ostalbkreis (+ 40,4 %). Bei der Interpretation der Gemeindewerte ist allerdings zu beachten, dass die relativen Veränderungsraten zum Teil auf der Grundlage geringer Absolutzahlen zustande kommen.

Wertet man die relativen Veränderungsraten für die ersten 9 Monate 2020 nach Gemeindegrößenklassen aus dann zeichnet sich außerdem ab, dass im Verlauf der Corona-Pandemie die Übernachtungsergebnisse größerer Städte und Gemeinden Baden-Württembergs im Vergleich zum Vorjahr bisher tendenziell stärker eingebrochen sind als die kleinerer Kommunen.

Süd-Nord-Gefälle bei den Ergebnissen der Reisegebiete

Keines der neun Reisegebiete des Landes schaffte es in den ersten 9 Monaten dieses Jahres, seine Übernachtungszahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu steigern oder diese auch nur zu halten. Die geringsten Einbußen bei den Übernachtungen verbuchten im Süden der Hegau (– 16,1 %), der Bodensee (– 21,1 %) und das Württembergische Allgäu-Oberschwaben (– 26,8 %). Die übrigen Reisegebiete lagen im betrachteten Zeitraum teils knapp unter, teils sogar noch deutlicher über dem Landeswert von – 36 %. Die mit Abstand schmerzhaftesten Rückgänge aber bilanzierten im Norden Baden-Württembergs die Region Stuttgart (– 49,9 %), das Nördliche Baden-Württemberg (– 43,3 %) und die Schwäbische Alb (– 40,1 %) (Schaubild 3).

Verschiebungen bei den Marktanteilen der Betriebsarten

Im Zeitraum Januar bis September 2020 folgte aufgrund der Pandemie auch die Verteilung der Übernachtungen auf die verschiedenen Betriebsarten neuen Regeln: Während im Vergleich zum Vorjahr vor allem die Hotels, die Jugendherbergen und Hütten und die Erholungs- und Ferienheime Einbußen hinnehmen mussten, konnten Campingplätze, Ferienzentren, Ferienhäuser und Ferienwohnungen sowie Vorsorge- und Rehabilitationskliniken ihre Marktanteile ausbauen.

Fazit und Ausblick

Die Corona-Pandemie dürfte die Tourismuswirtschaft Baden-Württembergs auch weiterhin beeinträchtigen. Der Anfang November 2020 erneut verhängte landesweite Teil-Lockdown mit starken Einschränkungen für alle Beherbergungsbetriebe droht die in der Tourismuswirtschaft über die Sommermonate hinweg erzielten Erholungstendenzen in der Gesamtjahresbilanz teilweise wieder aufzuzehren. Die kommenden Monatsergebnisse der amtlichen Tourismusstatistik werden zeigen, wie die Reise in diesem Ausnahmejahr und darüber hinaus für die Branche weitergeht.

1 Redaktionsschluss 19.11.2020.