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Corona-Pandemie: Hat die Südwestwirtschaft das Gröbste schon hinter sich?

Auch ein Dreivierteljahr nach dem Auftreten der ersten Infektionen befindet sich der Südwesten im Bann der Corona-Pandemie. Nach einem ruhigen Infektionsgeschehen über den Sommer, durchläuft Baden-Württemberg seit dem Herbst 2020 die zweite Infektionswelle. Glücklicherweise bewahrheiteten sich manche pessimistischen Wirtschaftsprognosen aus der Mitte des Jahres 2020 nicht, wenngleich das Minus der Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 eines der höchsten seit dem Zweiten Weltkrieg sein dürfte. Der Einbruch in der Corona-Krise fiel in etwa so stark aus wie in der Finanzkrise 2008/2009, die einsetzende Erholung war aber kräftiger. Neben dem Krisenvergleich geht der nun folgende Beitrag auf die Konjunkturlage im Südwesten auf Basis von Daten nach Ablauf der ersten 9 Monate der Corona-Pandemie ein, soweit diese bereits zum Redaktionsschluss in der zweiten Novemberhälfte verfügbar waren.

Corona-Infektionen: Zweite Welle fällt im Südwesten deutlich höher aus

Das Infektionsgeschehen verschärfte sich innerhalb des 4. Quartals 2020 deutlich. Rangierte die 7-Tage-Inzidenz Mitte August1 in Baden-Württemberg und Deutschland noch unter 20 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner, so gewann die Virusverbreitung im Laufe des Monats Oktober deutlich an Dynamik. Durch neue Einschränkungen im öffentlichen Leben, die ab Anfang November in Kraft traten, konnte die Dynamik gestoppt werden. Allerdings bewegten sich die Neuinfektionen weiterhin auf sehr hohem Niveau (Baden-Württemberg knapp 150, Deutschland leicht darüber).

Nicht nur im Niveau unterscheidet sich die zweite Welle von der Infektionsdynamik Anfang des Jahres 2020. So startete die exponentielle Entwicklung im März 2020 von deutlich niedrigeren Fallzahlen und der Anstieg bis zum Maximum verlief kürzer als aktuell. Ebenso dauerte es im Frühjahr 3 Wochen, bis das Maximum von 70 Fällen je 100 000 Einwohnern erreicht wurde.2 Ein niedriges Infektionsgeschehen stellte sich etwa 4 Wochen nach dem Hochpunkt wieder ein. Die vergleichsweise schnelle Eindämmung im Frühjahr ist ein Ergebnis der deutlich verminderten Mobilität und Verordnungen der baden-württembergischen Landesregierung, durch die das öffentliche Leben heruntergefahren wurde. Gleichzeitig zeigt die Infektionskurve von März bis Mai 2020 auch, dass das Abklingen mehr als ein Drittel länger dauerte als der Anstieg der Neuinfektionszahlen.

Ab Mitte August 2020 entwickelte sich das Infektionsgeschehen seitwärts und stieg allmählich von 10 auf 20 Infektionen, bevor ab Mitte Oktober die zweite Welle begann. Von diesem Zeitpunkt dauerte es noch über 5 Wochen, bis Mitte November mit 156 Infektionen je 100 000 Einwohner das bislang höchste kurzfristige Infektionsgeschehen gemessen wurde. Legt man die Erfahrungen der ersten Viruswelle zugrunde, so dürfte ein Abklingen der Infektionen auf unter 50 Infektionen nach der zweiten Welle im Dezember 2020 schwer zu erreichen sein, zumal die beschlossenen Einschränkungen bis Redaktionsschluss deutlich milder ausfielen als im Frühjahr.

Andere Staaten deutlich stärker betroffen

Gegenüber anderen Staaten fällt die Entwicklung in Deutschland sehr moderat aus. So verzeichneten Spanien, Frankreich und die Schweiz als Spitzenreiter stark steigende Infektionszahlen (Schaubild 1). Und auch in Ländern im Osten Europas wie beispielsweise Polen, die glimpflich durch die erste Welle kamen, nahm die kurzfristige Inzidenz im Herbst 2020 sehr hohe Werte an. In den USA blieb das Infektionsgeschehen über den Sommer auf stark erhöhtem Niveau. Mittlerweile befinden sich die USA in der dritten Welle, die deutlich höher ausfällt als die beiden Wellen zuvor.

Die bis zum 22. November 2020 registrierten Gesamtinfektionen betrugen im Südwesten knapp 134 000. Damit haben sich die Fälle seit dem 23. Oktober – innerhalb von 30 Tagen – verdoppelt. Trotz der abgeflachten Infektionsdynamik blieb die Virusverbreitung weiterhin auf hohem Niveau. Verändert hat sich auch die Altersverteilung. War im Frühjahr das Gros der Infektionen in den Altersgruppen zwischen 50 und 60, sowie mit etwas zeitlichem Verzug in der Kohorte über 80 Jahren verteilt, so kommt aktuell neben den bereits im Frühjahr betroffenen Gruppen noch die Gruppe der 20- bis 30-Jährigen hinzu.

Kurzfristige Indikatoren

Trotz der verglichen mit dem Frühjahr 2020 mehr als doppelt so hohen Fallzahlen schränken die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger ihre Mobilität im Herbst 2020 kaum ein. Eine ähnliche Entwicklung ist beim Stromverbrauch als hartem ökonomischen Indikator zu beobachten. Zwar ging der Verbrauch gegenüber seinen Höchstständen im Oktober und Anfang November zurück, lag aber noch deutlich über den Werten der Vorjahre. Analog zu den Mobilitätsdaten fand auch hier kein Einbruch wie im Frühjahr statt,3 wo der Stromverbrauch zeitweise 25 % unterhalb der Vorjahre rangierte. Auf das Quartal gerechnet hat sich die Situation ebenfalls verbessert. Lag der Verbrauch im 2. Quartal noch knapp 10 % unter den Vorjahren, verbesserte sich der Wert im 3. Quartal auf – 3,6 %. Im noch nicht vollständigen 4. Quartal (bis 17.11.2020) übertraf der Stromverbrauch die Vorjahre sogar um 4,3 %.

Eindämmung der Pandemie und Wirtschaftswachstum ist kein Widerspruch

Es zeigt sich, dass eine konsequente Eindämmung der Pandemie durch verordnetes Herunterfahren der Wirtschaft nicht im Widerspruch zum realisierten Wirtschaftswachstum steht. So erlitten Volkswirtschaften mit einer unkontrollierten Verbreitung des Virus – gemessen an den Corona-Toten je 100 000 Einwohner – einen deutlich stärkeren Wachstumseinbruch als Volkswirtschaften, in denen das Virus vergleichsweise gut unter Kontrolle blieb.4

Gleichzeitig versuchte die Politik mit großen Ausgabenpaketen den Wirtschaftseinbruch so klein wie möglich ausfallen zu lassen. Dennoch sind die Volkswirtschaften aufgrund der Corona-Pandemie ärmer geworden. Deutlich wird dies beim Vergleich von Prognosen vor und nach Auftreten der Pandemie. So prognostiziert die Bundesregierung für Deutschland im Herbst 2020 einen Einbruch von 5,5 % im Jahr 2020, gefolgt von einem Anstieg der Wirtschaftsleistung in Höhe von 4,4 % im Jahr 2021. Danach dürfte das Vorkrisenniveau frühestens zum Jahreswechsel 2021/2022 wieder erreicht sein. Die Wirtschaftsleistung für das Jahr 2021 fiel – verglichen mit der Herbstprognose 2019 – um 128 Milliarden (Mrd.) Euro5 geringer aus. Dies sind pro Kopf rund 1 500 Euro. Diese Lücke schließt sich im Jahr 2022. Pro Kopf beläuft sich der Verlust des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf 1 000 Euro oder insgesamt 85 Mrd. Euro. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die fiskalpolitischen Rettungsprogramme wenig Effekt hatten. Vielmehr wäre ohne diese Maßnahmen die Lücke höchstwahrscheinlich deutlich größer ausgefallen.

Erste BIP-Schnellrechnung für das 3. Quartal 2020

Im Jahr 2020 dürften im Südwesten zwei Rekorde gefallen sein. Zum einen der stärkste Vorquartalseinbruch der Wirtschaftsleistung seit Beginn der Quartalsrechnung 1996. Zum anderen der stärkste Anstieg des Bruttoinlandsprodukts. Der Einbruch lag im 2. Quartal 2020 bei 11,5 % zum Vorquartal. Im 3. Quartal dürfte einer ersten Schnellrechnung zufolge die Erholung 10,3 % zum Vorquartal betragen haben. Insgesamt befindet sich die Wirtschaftsleistung dennoch 4,4 % unter dem Niveau des Vorjahresquartals. Für Deutschland (Schaubild 2) fiel die Entwicklung ähnlich stark aus, auch wenn der Einbruch und die anschließende Erholung schwächer ausgeprägt war als im Südwesten (2. Quartal: −9,4 %, 3. Quartal: +8,0 % zum jeweiligen Vorquartal6).

Corona- und Finanzkrise im Vergleich

Bei einem zweistelligen Einbruch der Wirtschaftsleistung liegt es nahe, die aktuelle Situation mit der letzten großen Krise zu vergleichen – nämlich der Finanzkrise von 2008/2009 (Schaubild 3). Hierbei gilt es zunächst einen Hochpunkt bzw. ein Vorkrisenniveau zu identifizieren, das als Referenzpunkt für die zeitliche Entwicklung dient. In der Finanzkrise war dies das 1. Quartal 2008, in der Corona-Krise das 4. Quartal 2019.7 Hierbei wird deutlich, dass der aktuelle Einbruch deutlich schneller und stärker vonstattenging als in der Finanzkrise. Seinerzeit vollzog sich der Einbruch der Wirtschaftsleistung über 5 Quartale, während in der Corona-Krise ein ähnlich hoher Verlust innerhalb von nur 2 Quartalen auftrat. Auch die bis jetzt sichtbare Erholung verlief schneller. Während sich die Aufschwungsphase nach der Finanzkrise über mehrere Quartale hinzog, stieg die Wirtschaftsleistung in der Corona-Krise von ihrem Tiefpunkt wieder rasch an – wenngleich das Ausgangsniveau noch nicht erreicht wurde.

Des Weiteren befand sich die baden-württembergische Wirtschaft in unterschiedlichen Konjunkturphasen. Die Finanzkrise traf die Südwestwirtschaft in einem Boom. Die 6 Quartale vor der Corona-Krise waren dagegen von wirtschaftlicher Stagnation geprägt. Zudem unterscheidet sich die konjunkturelle Dynamik der Wirtschaftsbereiche. Das Verarbeitende Gewerbe fungiert in beiden Phasen als Haupttreiber. Den stabilisierenden Part nahmen in der Finanzkrise die Dienstleistungsbereiche ein, wo der Abschwung deutlich später einsetzte. In der Corona-Krise konnten die Dienstleistungsbereiche ihre Stabilisierungsfunktion nur eingeschränkt wahrnehmen. Denn dort wurde die wirtschaftliche Aktivität bewusst heruntergefahren mit dem Ziel, die Virusausbreitung einzudämmen. Ein Vergleich der beiden Krisen macht deutlich, dass diese unterschiedlichen Ursprungs sind. Während die Finanzkrise eine Störung innerhalb des Wirtschaftssystems darstellte und sich zuvor massive Fehlentwicklungen aufgebaut haben, kam die Störung bei der Corona-Krise von außerhalb des Systems. Die Krise wirkte als Brennglas, sodass Defizite, die allerdings schon vor der Krise bestanden, besonders sichtbar wurden. Gleichzeitig besteht die Hoffnung, dass mit einem effektiven Impfstoff die wirtschaftliche Erholung deutlich rascher verlaufen wird, als dies bei der Finanzkrise der Fall war.

Die Wirtschaftsbereiche im Einzelnen

Die zwei Schwergewichte des Verarbeitenden Gewerbes – Fahrzeug- und Maschinenbau – waren während des Frühjahrs 2020 von Lieferkettenproblemen belastet. So konnten im März Vorprodukte beispielsweise aus Italien aufgrund von Fabrikschließungen nicht geliefert werden, sodass auch die Produktion im Südwesten teilweise stillstand. Dies zeigt sich in den realen Umsatzzahlen (Schaubild 4). So brach der Umsatz im Fahrzeugbau zeitweise auf unter 25 % des Niveaus vom Januar 2020 ein. In den ersten 9 Monaten des Jahres 2020 lag der Umsatz immer noch 20,8 % gegenüber dem Vorjahr im Minus. Ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen war der Maschinenbau mit einem Jahresminus von 16,7 %. Es gibt allerdings auch Profiteure der Krise. Zu nennen sind hier der Bereich DV-Technik, Elektronik und Optik mit einer konstanten Umsatzentwicklung im Jahresverlauf und insbesondere die Pharmabranche. Dort legte der Umsatz vor allem im März 2020 stark zu und bewegte sich von Januar bis September 2020 um 5,5 % über dem Vorjahr. Trotz der sehr positiven Entwicklung in beiden genannten Bereichen reichte dies nicht aus, um die negative Dynamik anderer Bereiche auszugleichen. Aufs Jahr gesehen lag der Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe im Zeitraum Januar bis September 2020 um 13,4 % unter dem vergleichbaren Vorjahreswert.

Handelsbereiche: auch hier ist die Konjunktur gespalten

Der Umsatz im Handel mit Kraftfahrzeugen war stark von der Produktionsseite geprägt. Zu den produktionsbedingten Engpässen kamen die Schließungen der Autohäuser im März und April 2020 dazu, sodass in diesem Zeitraum der Umsatz einbrach, um sich danach wieder in V-Form zu erholen. Dennoch stand in den ersten 9 Monaten 2020 auf Jahressicht ein Minus von 9,7 % zum Vorjahr in den Büchern. Besser entwickelte sich der Umsatz im Groß- und Einzelhandel mit entsprechenden Zuwachsraten von 3,6 % und 1,6 %. Das Plus im Einzelhandel war allerdings zu einem großen Teil auf Online-Bestellungen zurückzuführen (Schaubild 5). Dort schoss der Umsatz im Zeitraum Januar bis September 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 17,8 % in die Höhe, der Umsatz im stationären Einzelhandel stagnierte dagegen (−0,4 %).

Von Schließung betroffene Bereiche haben niedrigen Wertschöpfungsanteil

Das Gastgewerbe war im besonderen Maße von der Schließung betroffen. So fiel der Umsatz im Beherbergungsbereich im April und Mai 2020 auf 20 % bzw. 15 % des Niveaus vom Januar 2020.8 Und auch die vermehrte Aufforderung, den diesjährigen Jahresurlaub im Inland zu verbringen konnte die ausbleibenden Auslandsgäste bei weitem nicht ausgleichen. Hinzu kam, dass ein regulärer Hotelbetrieb mit der Kapazität der Vorjahre nicht möglich war. Etwas besser entwickelte sich der Umsatz in der Gastronomie, wobei dies hier relativ zu sehen ist. Im September 2020 rangiert der Umsatz 81 % unter dem Januarwert, in der Beherbergung sind dies nur 74 %.

Die Umsatzeinbußen im Gastgewerbe sind historisch einmalig. Betrachtet man den Anteil dieses Bereichs an der Gesamtwirtschaft (Schaubild 6), so wird deutlich, dass dort zwar viele Erwerbstätige beschäftigt sind, die Wertschöpfung und das Arbeitnehmerentgelt dagegen unterproportional ausfallen. So arbeiten in Deutschland knapp doppelt so viele Erwerbstätige im Gastgewerbe wie im Fahrzeugbau. Gleichzeitig beträgt die Wertschöpfung nur ein Drittel und das Arbeitnehmerentgelt nur die Hälfte der Werte im Fahrzeugbau. In Baden-Württemberg fällt dieser Vergleich noch stärker aus. So sind etwa gleich viele Erwerbstätige im Gastgewerbe und im Fahrzeugbau beschäftigt. Die Wertschöpfung liegt allerdings nur bei einem Sechstel.9

IKT-Sektor robust, Leiharbeit im Sog des Verarbeitenden Gewerbes

Im Dienstleistungssektor entwickelte sich der nominale Umsatz im Bereich Information und Kommunikation im Jahr 2020 vergleichsweise dynamisch, wenngleich die Wachstumsraten gegenüber den Vorjahren deutlich nachließen. Immerhin rangierte der Umsatz im 1. Halbjahr 2020 1,3 % über dem Vorjahreszeitraum. Stark rückläufig waren die Erlöse bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, die auch die Leiharbeit umfassen. Diese lagen 12,7 % unter dem Vorjahr, wobei zu erwähnen ist, dass sich die Umsätze dort seit Ende 2017 seitwärts entwickelten.

Außenwirtschaft: Europa bremst, Erholung kommt von den Schwellenländern

Auch der Außenhandel wurde stark von der Corona-Pandemie beeinträchtigt, wenngleich die Zahlen des 3. Quartals 2020 Besserung anzeigten. Im 2. Quartal dominierten noch tiefrote Zahlen. Um knapp ein Viertel sanken die Gesamtexporte zum Vorjahr. Zerlegt man die Entwicklungen nach Ländergruppen, so nehmen die europäischen Handelspartner einen Anteil von fast zwei Drittel am gesamten Exportminus ein. Natürlich gab es bei anderen Ländergruppen, beispielsweise in Nordamerika10 noch stärkere Rückgänge (−35 %). Aufgrund ihres relativ geringen Anteils an den Gesamtausfuhren fällt das Minus allerdings nicht so stark ins Gewicht. Nach Asien gingen die Exporte um 10,3 % zurück. Trotz eines robusten chinesischen Exportmarktes wurde dies durch negative Entwicklungen anderer asiatischer Volkswirtschaften (beispielsweise Japan oder Südkorea) mehr als überkompensiert. Im 3. Quartal lagen die Gesamtausfuhren nur noch gut 8 % unter dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Insgesamt rangierten die Exporte in den ersten 9 Monaten mehr als 10 % unter dem Vorjahr.

Die Weltwirtschaft verzeichnet das erste Minus in der realen Wirtschaftsleistung seit der Finanzkrise 2009. Allerdings fällt die Rezession in der Corona-Krise globaler aus als 2009. Aktuell wird für 82 % aller Volkswirtschaften ein deutlich rückläufiges Bruttoinlandsprodukt erwartet. Rechnet man noch Staaten mit stagnierendem Wachstum hinzu (zwischen −1 % und 1 %), so steigt dieser Anteil auf über 90 %. Zum Vergleich: während der Finanzkrise setzten etwa 45 % aller Länder ihr bereits zuvor schon starkes Wachstum fort. Für 2021 wird nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Erholung breiter ausfallen als 2010. Diese ist ähnlich wie in der Finanzkrise von den Schwellenländern getragen, während die entwickelten Volkswirtschaften mehrere Jahre benötigen werden, um das Vorkrisenniveau zu erreichen.

Arbeitsmarkt dank Kurzarbeit robust

Die Corona-Krise dringt allmählich zum Arbeitsmarkt vor. Insbesondere gilt dies in den USA, wo sehr flexible Arbeitsmarktregeln Entlassungen in kurzer Zeit ermöglichen. Innerhalb weniger Wochen stieg daher die Erwerbslosenquote um über 10 Prozentpunkte.11 Zwar sank die Quote bis Oktober 2020 auf unter 7 %, lag damit aber immer noch über dem deutschen Wert von 4,5 %. Schaubild 7 zeigt neben der aktuellen Entwicklung auch das deutsche Beschäftigungswunder seit der Finanzkrise. So lagen die Erwerbslosenzahlen 2009 von Italien und Deutschland fast gleichauf bei unter 8 %, der französische Wert gut 2 Prozentpunkte darüber. Während die Erwerbslosigkeit in Deutschland Monat für Monat reduziert werden konnte, stieg sie in den anderen beiden europäischen Ländern deutlich bis 2016. Erst seit dem Abklingen der Eurokrise und damit höheren Wachstumsraten in den europäischen Peripheriestaaten sanken auch deren Erwerbslosenquoten, blieben allerdings deutlich über den bundesdeutschen Raten.

Für Baden-Württemberg wird keine monatliche Erwerbslosenquote ausgewiesen. Daher bietet sich ein Vergleich der von der Bundesagentur für Arbeit berechneten Arbeitslosenquoten für Deutschland und den Südwesten an. Hier verzeichnet man seit etwa Mitte 2019 steigende Quoten. So erhöhte sich der saisonbereinigte Wert im Südwesten von 3,1 % auf 4,5 % im Oktober 2020. In Deutschland stieg die Quote von 5,0 % auf 6,2 %.

Dass die Bilanz am Arbeitsmarkt trotz massiver Einschränkungen nicht schlechter ausfiel, liegt an einem arbeitsmarktpolitischen Instrument, welches sich insbesondere während der Finanzkrise bewährt hat: die Kurzarbeit. Im April 2020 wurden von den baden-württembergischen Betrieben in der Spitze für 1,4 Millionen (Mill.) Personen Kurzarbeit angezeigt. Im Oktober lag dieser Wert bei unter 15 000 Personen. Die realisierte Kurzarbeit umfasste in der Spitze im April und Mai knapp 1 Mill. Personen. Damit war rechnerisch jeder fünfte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zu dieser Zeit in Kurzarbeit. Im August 2020 fiel dieser Anteil mit knapp 9 % deutlich geringer aus.

Beschäftigung rückläufig

Beschäftigung und Arbeitslosigkeit entwickeln sich üblicherweise gegenläufig. So auch in der Corona-Krise. Von Januar bis September 2020 lag die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung leicht über dem Vorjahresniveau. Das Verarbeitende Gewerbe verzeichnete bereits seit der 2. Jahreshälfte 2018 eine deutlich nachlassende Dynamik und baute im Zeitraum Januar bis September 2020 über 1 % der Stellen zum Vorjahr ab. Mit über 2 % legte die Beschäftigung im Bausektor zu. Nahezu auf Vorjahresniveau bewegte sich die Beschäftigung in den Dienstleistungsbereichen. Hier wurde bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen Personal abgebaut. Dieser Bereich ist wegen der dazu gehörenden Leiharbeitsbranche eng mit dem Verarbeitenden Gewerbe verbunden. Die Schwächephase setzte dort bereits 1 Jahr vor der nachlassenden Beschäftigungsdynamik im Produzierenden Gewerbe ein.12

Deutlich sichtbar wird die Corona-Krise bei der Beschäftigungsentwicklung im Handel. Dort stagniert das Wachstum seit Beginn des Jahres 2020. Eine weiterhin positive Grundnachfrage nach Beschäftigten herrscht bei den öffentlichen Dienstleistern. Diese können allerdings nicht die negativen Impulse aus anderen Teilbereichen des Dienstleistungssektors kompensieren.

Nach dieser Zwischenbilanz stellt sich die Frage, ob die Südwestwirtschaft in der Corona-Pandemie damit das Gröbste schon hinter sich hat. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, welchen Wirtschaftszweig man betrachtet. So gibt es Krisengewinner wie den Online-Handel oder die Pharmabranche. Aber eben auch Bereiche wie das Gastgewerbe, die über den betrachteten Zeitraum hinaus unter den coronabedingten Einschränkungen leiden werden. Ganz entscheidend hängt die wirtschaftliche Entwicklung jedoch vom weiteren Infektionsgeschehen ab und wie schnell die Bevölkerung gegen das Virus geimpft werden kann.