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Im Blickpunkt: Die Stadt Nürtingen

In der Serie »Im Blickpunkt« steht dieses Mal die Stadt Nürtingen im Landkreis Esslingen. Aus dem Landesinformationssystem Baden-Württemberg (LIS) lassen sich für Nürtingen wie für jede andere Gemeinde des Landes interessante Erkenntnisse zur Struktur und Entwicklung gewinnen. Besonders herausgehoben werden an dieser Stelle die Bevölkerungsentwicklung, die Wohn- und die Beschäftigtensituation.

Nürtingen ist eine Stadt, die etwa 30 Kilometer (km) südöstlich von Stuttgart liegt. Nürtingen ist nach Esslingen am Neckar und Filderstadt die drittgrößte Stadt des Landkreises Esslingen und ein Mittelzentrum innerhalb des Oberzentrums Stuttgart. Zum Mittelbereich Nürtingen gehören neben Nürtingen noch die Städte und Gemeinden Aichtal, Altdorf, Altenriet, Bempflingen, Beuren, Frickenhausen, Großbettlingen, Kohlberg, Neckartailfingen, Neckartenzlingen, Neuffen, Oberboihingen, Schlaitdorf, Unterensingen und Wolfschlugen. Seit 1. Februar 1962 ist Nürtingen Große Kreisstadt. Mit den Gemeinden Frickenhausen, Großbettlingen, Oberboihingen, Unterensingen und Wolfschlugen hat die Stadt Nürtingen eine Verwaltungsgemeinschaft vereinbart. Nürtingen liegt am Vorland der mittleren Schwäbischen Alb. Ab Anfang der 1970er-Jahre wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Hardt, Zizishausen, Neckarhausen, Raidwangen und Reudern eingemeindet.

Die Bundesautobahn A 8 Stuttgart–München verläuft rund 5 km nördlich der Stadt. Nürtingen ist über die Anschlussstellen Wendlingen und Kirchheim/Teck-West zu erreichen. Außerdem führen die Bundesstraßen B 297 sowie die B 313 durch die Stadt. Der Bahnhof Nürtingen liegt an der Neckar-Alb-Bahn Stuttgart–Tübingen. Mindestens stündlich verkehrt der Regionalexpress zwischen Tübingen und Stuttgart, eine Viertelstunde versetzt dazu die Regionalbahn zwischen Plochingen und Tübingen bzw. Herrenberg. Seit Dezember 2009 hält in Nürtingen ein InterCity-Zugpaar. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofes befindet sich der zentrale Omnibusbahnhof (ZOB), über den Nürtingen mit den Stadtteilen und den umliegenden Gemeinden verbunden ist. Alle Linien im Stadtgebiet Nürtingens verkehren zu einheitlichen Preisen innerhalb des Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS).

Aus zahlreichen archäologischen Funden geht hervor, dass die Gegend des heutigen Nürtingens bereits von den Kelten besiedelt war. Während der Römerzeit um 200 n. Chr. befand sich auf dem Gebiet unter anderem ein römischer Gutshof und eine römische Sigillata-Töpferei. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Nürtingen in einer Urkunde König Heinrichs III. vom 7. September 1046 als »Niuritingin«. Im September 1284 verkaufte Berthold von Neuffen seinen Besitz »in villa Niwirtingen« an das Kloster Salem. Um 1335 erhielt Nürtingen die Stadtrechte und wurde zur Stadt ausgebaut. Der hier geschlossene Nürtinger Vertrag teilte Württemberg 1442 für 50 Jahre in eine Stuttgarter und eine Uracher Grafschaft. Durch den Befehl »Cuius regio, eius religio« (Wessen Herrschaft, dessen Glaube) von Herzog Ulrich wurde Nürtingen 1534 evangelisch. 1526 begann die Errichtung des städtischen Spitals, das bald zum reichsten im Herzogtum Württemberg wird. 1634 wurde Nürtingen im Dreißigjährigen Krieg, durch die nach der Schlacht bei Nördlingen siegreichen Truppen des Kaisers, stark verwüstet. Der anschließenden Pest fiel die Hälfte der Einwohner zum Opfer. Einige Gemeinden im Umkreis verloren in dieser Zeit nahezu ihre gesamte Bevölkerung. 1750 wurde die Stadt durch einen verheerenden Brand weitestgehend zerstört. Der Landbaumeister Johann Adam Groß der Ältere baute die Stadt wieder auf. Dabei entstand im Wesentlichen das heutige Bild der Altstadt. Groß legte mitten durch das Stadtgebiet ein Achsenkreuz, führte eine Straße vom Rathaus zum Spital und stellte auch die Verbindung zum Kirchplatz her. Der alte Stadtkern ist in einigen Teilen bis heute erhalten geblieben. Das Nürtinger Schloss diente vom 15. bis zum 17. Jahrhundert den Witwen der Württemberger Fürsten als Alterssitz. Ab 1770 wurde es abgerissen. 1783 kam es zur Gründung der ersten württembergischen Realschule in der Stadt. Das Amt Nürtingen, seit 1758 Oberamt, wurde 1807, ein Jahr nach der Gründung des Königreichs Württemberg, im Zuge der neuen Verwaltungsgliederung Württembergs um das Oberamt Neuffen erweitert. 1859 bekam Nürtingen über die Bahnstrecke Plochingen–Tübingen Anschluss an das Streckennetz der Württembergischen Eisenbahn. Danach entwickelte sich Nürtingen gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Industriestadt. Durch das Gesetz über die Landeseinteilung wurde 1938 während der NS-Zeit in Württemberg aus dem Kreis Nürtingen, der 1934 aus dem Oberamt gebildet wurde, durch Zusammenschluss mit dem Kreis Kirchheim unter Teck der neue Landkreis Nürtingen gebildet. Bei der Kreisreform zum 1. Januar 1973 verlor Nürtingen seine Funktion als Kreisstadt, da der bisherige Landkreis Nürtingen aufgelöst und sein Gebiet bis auf die Gemeinde Grafenberg dem vergrößerten Landkreis Esslingen zugeordnet wurde.

Nürtingen hat eine Gemarkungsfläche von 4 688 Hektar (ha). Davon werden fast 40 % landwirtschaftlich genutzt. Damit liegt diese Flächennutzungsart unter dem Landesdurchschnitt. Die Waldfläche beträgt gut 30 % und liegt ebenso unter dem Niveau des Landes (38 %). Mehr als 27 % der Fläche sind besiedelt oder dienen als Verkehrsfläche, hier wird das Landesmittel deutlich überschritten.

Am 31. Dezember 2019 lebten 41 223 Personen in Nürtingen. Mit 879 Personen je Quadratkilometer (km2) entspricht die Besiedelungsdichte den großstädtisch geprägten Teilen Baden-Württembergs und übersteigt den Landesdurchschnitt (310). Die Bevölkerungsentwicklung war in den Jahren zwischen 2009 und 2019 positiv. In diesem Zeitraum hat die Bevölkerung um mehr als 2 % zugenommen. Sie lag damit unter der landesweiten Entwicklung. Das Durchschnittsalter der Bürger von Nürtingen betrug 43,9 Jahre und lag damit leicht über dem Landesdurchschnitt von 43,6 Jahren. Gut 18 % der Einwohner von Nürtingen hatten 2019 einen ausländischen Pass. Der Ausländeranteil in Nürtingen lag damit über dem Landesdurchschnitt von fast 16 %.

Die Entwicklung des Wohnungsbestandes in Nürtingen ist positiv. Im Zeitraum zwischen 2009 und 2019 nahm der Wohnungsbestand um 1,9 % zu und lag damit noch unter dem sehr positiven Landesniveau. Die Werte für baureifes Land lagen in dem Zeitraum zwischen 2016 und 2018 mit 120 Euro je Quadratmeter (m2) um 148 Euro/m2 höher als die im Landesdurchschnitt ermittelten Werte. Gut 64 % der Wohngebäude sind Einfamilienhäuser. Mit einer durchschnittlichen Wohnfläche von 44 m2 je Einwohner lag der Wert in Nürtingen unter dem Landesdurchschnitt.

Architektonisch fallen im Stadtbild von Nür­tingen zahlreiche historische Bauwerke auf: Das 1476/1477 erbaute, vom klassizistischen Umbau geprägte Rathaus dominiert die Marktstraße; bei der Rathauserweiterung wurde der mittelalterliche Bau durch einen modernen, lichtdurchfluteten Anbau gelungen erweitert, im Innern des Altbaus wurden dabei mächtige Holzkonstruktionen freigelegt, großzügige Glasflächen geben die Sicht nach außen frei. Die evangelische Stadtkirche St. Laurentius ist das Wahrzeichen der Stadt, die spätgotische dreischiffige Hallenkirche hat einen 48 Meter hohen Turm, das Langhaus wurde 1895 neu gewölbt; der Salemer Hof ist ein historisch bedeutsames Fachwerkgebäude, das von Zisterzienser-Mönchen gebaut wurde; die 1481 gegründete alte Lateinschule besuchten so bekannte Schüler wie Hölderlin und Schelling; der Blockturm wurde zwischen 1430 und 1435 aus Nürtinger Rätsandstein erbaut, er besteht aus einem Turm und einem Wehrgang, der Wehrgang verbindet auch die beiden Stadtmauern und ihre Wehrgänge, welche an den Blockturm anstoßen; das Hölderlinhaus in Nürtingen ist das Haus, in welchem Friedrich Hölderlin seine Kindheit und Jugend verbrachte und wohin er bis 1798 immer wieder zurückkehrte. An der Stadtbrücke befindet sich ein historisches Laufwasserkraftwerk; die katholische Kirche St. Johannes Evangelist von 1956 in der Vendelaustraße ist künstlerisch eindrucksvoll gestaltet durch Otto Herbert Hajek; die Villa Rustika, ein ehemaliger römischer Gutshof, liegt im Ortsteil Oberensingen, dieser Gutshof wurde um 100 n. Chr. angelegt und zählt zu den größten römischen Gutshöfen in Baden-Württemberg, die Hofmauern des eindrucksvollen Anwesens schlossen einst eine Fläche von 280 x 180 Metern ein.

Die Chance auf eine Beschäftigung in Nürtingen hat in den vergangenen 10 Jahren zugenommen. So hatten hier 2019 rund 18 590 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Arbeitsplatz. Dies sind gut 22 % mehr als 2009. Langfristig betrachtet lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 2019 um 4 614 höher als 1999. Gut 35 % aller Arbeitsplätze in Nürtingen liegen heute noch in dem Wirtschaftsbereich des Produzierenden Gewerbes und nehmen damit aber keine dominierende Position wie in vielen anderen Kommunen des Landes ein. Der Schwerpunkt der Beschäftigung in Nürtingen liegt im Bereich der sonstigen Dienstleistungen mit über 46 %.

Der Schuldenstand je Einwohner in Nürtingen belief sich auf 331 Euro im Jahr 2019 und lag damit deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 1 030 Euro je Einwohner. Auch die Steuerkraftmesszahl je Einwohner und die Steuerkraftsumme je Einwohner lagen im Jahr 2019 unter dem Landesniveau.

Kulturell hat Nürtingen seinen Einwohnern und Besuchern einiges zu bieten. In der Stadthalle K3N finden regelmäßig Theatervorstellungen von Tourneetheatern und Landesbühnen statt. Daneben bietet der Verein Theater im Schlosskeller auf seiner Kleinkunstbühne ein umfangreiches Programm an Schauspiel- und Kleinkunstaufführungen, sowie Vorträgen und Konzerten. In dem alten Schützenhaus von 1565, das zwischen Neckar- und Steinachufer liegt, ist das Stadtmuseum Nürtingen mit einer literarischen Abteilung zu Hölderlin untergebracht. Der Nürtinger Maientag ist seit über 400 Jahren das traditionelle Fest der Schulen mit Maiensingen, Festumzug, Spielen und Rummelplatz. Seit 1977 wird in der Nürtinger Fußgängerzone von örtlichen Vereinen und Gruppen in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung das Stadtfest gefeiert. Das Fest fand zunächst immer an einem Samstag im September statt. Seit einigen Jahren wurde es auf ein Wochenende im Juli vorverlegt und wird bis auf einzelne Ausnahmen alljährlich gefeiert. Seit 1997 findet unter Leitung der städtischen Kulturabteilung die Musiknacht Nürtingen statt und wird an einem Samstag Anfang Mai durchgeführt. Das Altstadtfest ist ein von den am Nürtinger Schlossberg angesiedelten Händlern und Gastwirten kommerziell veranstaltetes Fest. Seit 2008 wird jedes Jahr im Spätsommer das zweiwöchige Nürtinger Weindorf veranstaltet. Das mögen die Hauptgründe dafür sein, dass es 2019 zu 1 862 Übernachtungen von Gästen insgesamt je 1 000 Einwohner in Nürtingen kam.