:: 2/2021

Personalausbau in den Kindertageseinrichtungen – Wer betreut unsere Kinder?

Keine Betreuung ohne Personal

Die Anzahl an betreuten Kindern in Tageseinrichtungen (KiTa) wächst stetig. Laut Prognose wird sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Während die Nachfrage nach Betreuungsplätzen das Angebot übersteigt, ist die Anzahl der Personen im berufsfähigen Alter in Baden-Württemberg tendenziell rückläufig. Wer also betreut die wachsende Anzahl an KiTa-Kindern? Führt der enorme Personalzuwachs möglicherweise zu einem Qualitätsverlust bei der Betreuung?1

Ausbau der Kinderbetreuung

Der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder im Vorschulalter wird bereits seit einigen Jahren auf politischer und gesellschaftlicher Ebene forciert. Der im August 2013 in Kraft getretene Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab Vollendung des 1. Lebensjahres trieb die Entwicklung, insbesondere im Kleinkindbereich, erneut voran. Insgesamt ist die Anzahl der betreuten Kinder von 383 769 im März 2010 auf 454 377 im März 2020 gestiegen (+ 18 %).

Personalentwicklung der letzten 10 Jahre

Grundlegend für den Ausbau der Kleinkindbetreuung ist die Entwicklung des Personals. Ähnlich der Anzahl betreuter Kinder, hat auch die Anzahl der beschäftigten Personen in den Kindertageseinrichtungen Baden-Württembergs 2020 einen Höchststand erreicht. Am Stichtag 1. März 2020 waren insgesamt 112 551 Personen in Kindertageseinrichtungen beschäftigt. Davon waren 12 516 Personen im Bereich Hauswirtschaft/Technik, 2 847 im Bereich Verwaltung und Einrichtungsleitung sowie 97 188 als pädagogisches Personal tätig. Im Folgenden werden die Daten des pädagogischen Personals und somit des tatsächlichen Betreuungspersonals betrachtet. Bei der Anzahl des pädagogischen Personals ist eine Steigerung von 4 % im Vergleich zum Vorjahr und von 78 % seit dem Jahr 2010 erkennbar (Schaubild 1).

Alles andere als durchschnittlich

Im Vergleich zu den Erwerbstätigen in Baden-Württemberg 2019 insgesamt2 unterscheidet sich die Personalstruktur in Kindertageseinrichtungen im März 2020 in einigen Merkmalen deutlich. Neben einem sehr hohen Frauenanteil von 94 % des pädagogischen Personals (Erwerbstätige insgesamt: 46 %), wich auch die Teilzeitquote mit 87 % sehr stark vom Landesdurchschnitt ab (Erwerbstätige insgesamt: 50 %). Auch der Anteil an befristeten Arbeitsverhältnissen (ohne Berücksichtigung von Auszubildenden) war beim pädagogischen Personal mit 12 % überdurchschnittlich hoch (Erwerbstätige insgesamt: 9 %).

Die Tatsache, dass die Anzahl der Erwerbstätigen insgesamt in Baden-Württemberg seit 20113 um 12 % gestiegen ist, verdeutlicht den starken Zuwachs seit 2011 beim Personal in Kindertageseinrichtungen mit 72 % (Übersicht).

Qualifikationsniveau bei erhöhtem Personalbedarf

In Anbetracht der Feststellung, dass das Personalvolumen in Kindertageseinrichtungen in den letzten Jahren enorm gestiegen ist, stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung dazu führt, dass Abstriche bei der Betreuungsqualität gemacht werden mussten.

Ein Blick auf die Berufsausbildungsabschlüsse am 1. März 2020 im Vergleich zum Jahr 2010 zeigt, dass der Anteil der Erzieherinnen und Erzieher von 74 % auf 66 % gesunken ist. Demnach stellten sie jedoch weiterhin den Großteil des pädagogischen Personals.

Während bei dem Anteil an qualifizierten Fachkräften eine Abnahme zu beobachten ist, ist sowohl beim Anteil der Hochschulabschlüsse (2010: 3 %; 2020: 6 %) als auch bei dem der Auszubildenden und somit zukünftigen Fachkräften (2010: 6 %; 2020: 9 %) ein Anstieg erkennbar. Der Anteil an Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung am pädagogischen Personal ist hingegen bei rund 3 % in etwa konstant geblieben.

Die Entwicklungen zeigen, dass trotz des enormen Ausbaus des pädagogischen Personals, das Qualifikationsniveau der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Tendenz nicht gesunken ist (Schaubild 2).

Personalschlüssel verbessert sich langsam

Als weiteres Qualitätsmerkmal der Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen dient der Personalschlüssel4. Im Jahr 2019 kümmerte sich in Gruppen mit Kindern im Alter von unter 3 Jahren durchschnittlich eine vollzeittätige Person um 3,1 Kinder (2010: 1 zu 3,6). In den Gruppen der 2- bis unter 8-Jährigen lag der Schlüssel bei 1 zu 6,6 (2010: 1 zu 7,9) und in den Gruppen der unter 8-Jährigen bei 1 zu 3,9 (2010: 1 zu 5,3). Damit konnte der Personalschlüssel in allen dargestellten Gruppenarten in den letzten 10 Jahren verbessert werden. Es sind demnach auch beim Personalschlüssel keine Hinweise auf eine Verschlechterung der Betreuungsqualität erkennbar.

Allerdings konnte der Mindestpersonalschlüssel, wie er in der Kindertagesstättenverordnung (KiTaVO) des baden-württembergischen Kultusministeriums bereits 2010 definiert wurde, nach wie vor nicht erreicht werden. Bei den unter 3-Jährigen ist ein Schlüssel von 1 zu 1,3 bis 2,3 definiert, je nach Gruppenstärke und Betreuungsumfang. Bei den Altersgemischten Gruppen wird ein Personalschlüssel von 1 zu 1,4 bis 2,3 angestrebt (Schaubild 3).

Mehr Nachwuchskräfte als Wiedereinsteiger/-innen

Um herauszufinden, durch welche Personengruppen der enorme Personalzuwachs getragen wird, müssen die Personaldaten genauer betrachtet werden. Anhand der statistischen Daten lässt sich der Werdegang einzelner Personen nicht über mehrere Jahre darstellen, da keine Verlaufsdaten vorliegen. Betrachten lassen sich hingegen die Zu- und Abnahmen der Geburtsjahrgänge über die Erhebungsjahre hinweg.5

Bei dem pädagogischen Personal unter 30 Jahren wurde mit einem Plus von 3 365 Personen der größte Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Bei dieser Altersgruppe lässt sich größtenteils auf Nachwuchskräfte schließen. Bei der ebenfalls gestiegenen Anzahl der 30- bis 59-Jährigen um 1 395 Personen kann von Wieder- bzw. Quereinsteiger/-innen ausgegangen werden, während es sich bei der gesunkenen Anzahl an über 59-Jährigen um 905 Personen vor allem um (Früh-)Rentner/-innen handelt, die aus dem Berufsleben ausscheiden.

Die Ergebnisse legen nahe, dass das Personalwachstum in Kindertageseinrichtungen im Jahr 2020 überwiegend durch Berufseinsteigerinnen und -einsteiger getragen wurde, während Wieder- und Quereinsteiger/-innen einen vergleichsweise geringen Anteil ausmachten.

Ein Blick in die Zukunft

Bisher ist es gelungen, jährlich zusätzliches Personal zu gewinnen, ob das auch in Zukunft gelingen kann, hängt von vielen Faktoren ab.

Die Bevölkerungsvorausrechnung prognostiziert bis zum Jahr 2025 eine in etwa konstante Anzahl an Kindern im Alter von unter 6 Jahren.6 Dennoch ist mit einem fortschreitenden Ausbau der Kinderbetreuung, insbesondere für Kleinkinder, zu rechnen. Immerhin lag die Differenz zwischen der tatsächlichen Betreuungsquote (29,5 %) und dem geschätzten Betreuungsbedarf (42,7 %)7 im Jahr 2019 bei 13,2 Prozentpunkten. Demnach fehlten rund 43 000 Betreuungsplätze alleine für die unter 3-Jährigen.

Die Fachkräfte von morgen

Den größten Anteil des pädagogischen Personals in Kindertageseinrichtungen machen mit zwei Dritteln nach wie vor Erzieherinnen und Erzieher aus. Demnach kommt ein nicht unerheblicher Anteil der künftigen Fachkräfte aus der Erzieherausbildung, welche an den Fachschulen für Sozialpädagogik stattfindet. Im Schuljahr 2019/20 wurden diese Schulen von rund 11 300 Schülerinnen und Schülern besucht und damit von so vielen wie nie zuvor (+ 95 % im Vergleich zu 2009/10).8

Männliches Personal als potenzielle Ressource zur Deckung des Bedarfs

Eine weitere Personengruppe, die als mögliche Personalressource betrachtet werden kann, sind Männer. Denn nach wie vor ist der Anteil an Männern bei dem pädagogischen Personal in Kindertageseinrichtungen mit 6 % sehr gering. Doch das Berufsfeld wird für Männer tendenziell attraktiver. Während 2010 noch 1 609 Männer in den Kindertageseinrichtungen Baden-Württembergs beschäftigt waren, waren es im März 2020 bereits 5 747.

Ein Blick auf die Fachschulen für Sozialpädagogik verstärkt diese Annahme: Über 14 % der Schüler/-innen waren im Schuljahr 2019/20 männlich (2009/10: 9 %).

Regionale Unterschiede

Die Personalstruktur in den Kindertageseinrichtungen unterscheidet sich zwischen den Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs zum Teil deutlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine rein quantitative Darstellung handelt, die keine umfassenden Rückschlüsse auf die Qualität der regionalen Struktur zulässt.

Der Männeranteil beim pädagogischen Personal in Kindertageseinrichtungen ist in Stadtkreisen wie Freiburg im Breisgau (14,9 %) oder Karlsruhe (12,7 %) deutlich höher als in ländlicheren Kreisen wie Sigmaringen (1,9 %) oder Freudenstadt (2,1 %). Auch bei der Betrachtung des pädagogischen Personals mit Hochschulabschluss ist erkennbar, dass Stadtkreise wie Freiburg im Breisgau (17,5 %) oder Stuttgart (14,3 %) höhere Werte aufweisen als ländlichere Kreise wie Sigmaringen (1,8 %) und Tuttlingen (1,9 %) (Schaubild 4).

Einen hohen prozentualen Zuwachs an pädagogischem Personal im Vergleich zum Vorjahr haben insbesondere Kreise, bei denen bisher vergleichsweise wenig Ausbau der Kindertagesbetreuung stattgefunden hat und die entsprechend einen erhöhten Ausbaubedarf haben dürften, wie etwa Pforzheim (+ 10,4 %) oder der Main-Tauber-Kreis (+ 7,6 %). Während die Veränderungen bei Stadtkreisen wie Heidelberg (– 0,9 %) oder Stuttgart (+ 2,3 %) die ohnehin bereits die höchsten Betreuungsquoten im Land aufweisen eher gering ausfallen.

Resümee

Um dem erhöhten Betreuungsbedarf gerecht zu werden, wurden die Personalkapazitäten in Kindertageseinrichtungen in den letzten Jahren enorm erhöht, dennoch ist anhand der untersuchten Merkmale tendenziell keine Verschlechterung der Qualität erkennbar. Anstatt auf ungelehrte Aushilfskräfte wird offenbar verstärkt auf die Rekrutierung von Nachwuchskräften gesetzt.

Um künftig ausreichend Personal gewinnen zu können, muss die Beschäftigung in Kindertageseinrichtungen durch weniger Befristungen und einer weiterhin guten Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglichst attraktiv gestaltet werden. Gleichzeitig muss dem Qualitätsanspruch der Kinderbetreuung, trotz des erhöhten Personalbedarfs, Rechnung getragen werden.

1 Der Beitrag wurde erstmals in der Fachzeitschrift »KiTa aktuell« 01/2021 veröffentlicht.

2 Datenquelle: Mikrozensus 2019 (Jahresdurchschnitte); Daten zum Jahr 2020 lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vor.

3 2011 wurde als Bezugsjahr herangezogen, da verlässlichere Ergebnisse im Mikrozensus mit vorangegangenen Jahren nicht erzielbar sind.

4 Der Personalschlüssel basiert auf Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Es handelt sich um eine rein rechnerische Größe. Die tatsächlichen Betreuungssituationen können beispielsweise durch krankheitsbedingte Ausfälle des Personals abweichen. Daten zum Jahr 2020 lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht vor.

5 Praktikant/-innen und Personen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) werden herausgerechnet, da sie in der Regel nur für eine begrenzte Zeit beschäftigt werden.

6 Ergebnisse der Bevölkerungsvorausrechnung auf Basis 2017 (Hauptvariante).

7 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2019: Kindertagesbetreuung Kompakt. Ausbaustand und Bedarf 2019.

8 Demel , Jutta: »Entwicklung der Erzieherausbildung in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2020«.