:: 2/2021

Das Gastgewerbe in Baden-Württemberg im Coronajahr 2020

Wie werden sich die aktuellen Ereignisse auf die Zukunft der Branche im Land auswirken?

Das Gastgewerbe ist in Baden-Württemberg von nicht unerheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Immerhin zählten im Jahre 20181 rund 34 150 Rechtliche Einheiten2 mit insgesamt über 38 200 Niederlassungen zu dieser Branche, die knapp 335 000 Arbeitsplätze stellte und einen Umsatz von 12,7 Milliarden (Mrd.) Euro erwirtschaftete. Die konjunkturelle Lage entwickelte sich in den letzten Jahren durchaus positiv. Diese erfreuliche Entwicklung wurde allerdings durch die Corona-Pandemie jäh unterbrochen und führt seit März 2020 zu erheblichen Umsatzeinbrüchen und Beschäftigungsrückgängen im Gastgewerbe.

Im vorliegenden Beitrag wird eingangs die konjunkturelle Entwicklung des Gastgewerbes in den letzten Jahren und im von der Corona-Pandemie bestimmten Jahr 2020 dargestellt.3 Darüber hinaus beleuchtet der Beitrag die Strukturverhältnisse des heimischen Gastgewerbes im Jahr 2018, also zu einem Zeitpunkt vor der Corona-Pandemie, und liefert damit die Vergleichsbasis für spätere Analysen nach überstandener Pandemie.

Die vergangenen 5 Jahre beginnend 20154 gestalteten sich für das baden-württembergische Gastgewerbe durchaus erfolgreich. Jahr für Jahr verzeichnete die Branche im Vorjahresvergleich Umsatzsteigerungen in einer Spanne von nominal + 2 % bis + 5,2 %. Real, das heißt unter Berücksichtigung der Preisentwicklung, stiegen die Umsätze um 0,5 % bis 2,6 %. Lediglich 2016 war eine leichte Umsatzdelle von real – 0,2 % zu verzeichnen. Und auch 2020 schien die Umsatzentwicklung zunächst an das Niveau der Vorjahre anzuknüpfen. Doch dann machte die weltweit um sich greifende Corona-Pandemie im März 2020 auch vor dem heimischen Gastgewerbe nicht halt. Ab dem 17. des Monats waren Übernachtungen touristischer Gäste in Hotels und anderen Beherbergungsbetrieben untersagt, ab dem 22. März sämtliche Gaststätten außer Abhol- und Lieferservices ganz geschlossen (Schaubild 1).

Der Umsatz im Gastgewerbe brach im März 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast die Hälfte ein: real um – 46,2 %, nominal um – 44,8 %. Die vorläufige Talsohle der wirtschaftlichen Entwicklung im Gastgewerbe war im April 2020 erreicht (Umsatzrückgang real – 74,0 %, nominal – 73,5 %). Beginnend mit dem 18. Mai 2020 konnten Restaurants im Außenbereich wieder geöffnet werden. Weitere Lockerungen folgten Zug um Zug. Die Unternehmen stellten sich auf die sich bietenden Möglichkeiten ein, entwickelten Hygienekonzepte, und mit wieder steigenden Gästezahlen zeigten die monatlichen Umsätze deutliche Erholungstendenzen. Nach vorläufigen Ergebnissen lag der Umsatz im Gastgewerbe im September 2020 aber immer noch erheblich unter dem Wert des Vorjahresmonats (real – 17,5 % und nominal – 13,2 %). Die Umsatzentwicklung in Beherbergung und der Gastronomie verlief in den vergangenen Monaten weitgehend parallel, wenngleich die Einbußen in der Gastronomie etwas moderater als in der Beherbergung ausfielen.

Die Zahl der Tätigen Personen ging ebenfalls zurück, zunächst ein Minus von 4,2 % im März 2020. Der bislang größte Einbruch kam einen Monat später, im April 2020, als bei den Tätigen Personen ein Rückgang von 29,6 % zum Vorjahresniveau zu verbuchen war. Dabei traf die Krise die im Gastgewerbe stark vertretenen Teilzeitbeschäftigten mit einem Minus von 39,1 % härter als die Vollzeitbeschäftigten, deren Zahl »nur« um 11,3 % rückläufig war. Aber auch hier waren beginnend im Mai gewisse »Erholungstendenzen« erkennbar. Allerdings lag auch im September die Zahl der Tätigen Personen im Gastgewerbe noch um 15,5 % unter Vorjahresniveau: dem Minus von 6,3 % bei den Vollzeitbeschäftigten stand ein Minus von 20,2 % bei den Teilzeitbeschäftigten gegenüber (Schaubild 2).

Erneut dramatischer Anstieg der Corona-Fälle ab Oktober

Ab Ende August stieg die »sogenannte« 7-Tage-Corona-Inzidenz5 zunächst langsam, ab Oktober dann exponentiell an. Die von Bund und Ländern am 28. Oktober 2020 beschlossenen Maßnahmen zu deren Eindämmung wurden am 2. November in Kraft gesetzt.6 So müssen Restaurants, Kneipen und Bars seitdem geschlossen bleiben. Lieferungen oder die Mitnahme von Speisen für den Verzehr zuhause bleiben erlaubt, ebenso die Öffnung von Betriebskantinen unter Hygieneauflagen. Übernachtungsangebote sind nur noch für notwendige, nicht jedoch für touristische Zwecke gestattet. Die Regelungen mit dem Ziel der Kontaktbeschränkung wurden zwischenzeitlich verschärft und um weitere Maßnahmen mit Geltungsdauer bis zum 20. Januar 2021 ergänzt.7

Noch ist offen, wie sich die aktuellen Ereignisse mittel- und langfristig auf die Struktur des Gastgewerbes auswirken wird. Wird das Gastgewerbe nach überstandener Pandemie an die Erfolge der letzten Jahre anknüpfen können? Wird es massenhaft Insolvenzen geben? Die Antworten auf diese Fragen werden nicht nur an den Konjunkturdaten ablesbar sein, sondern auch in der Struktur des Beherbergungsgewerbes und der Gastronomie. Als Vergleichsbasis für spätere Analysen wird im Folgenden die Struktur des Gastgewerbes des Jahres 2018 dargestellt.

Strukturbild des Gastgewerbes 2018: kleine Einheiten dominieren

Zum Gastgewerbe (WZ 55/56) zählt zum einen die Gastronomie (WZ 56) mit rund 27 800 Rechtlichen Einheiten wie Restaurants, Gaststätten, Cafés und Imbissbuden, aber auch Bars, Diskotheken, Caterer und Kantinen. Zum anderen ist die Beherbergungsbranche (WZ 55) Teil des Gastgewerbes. Im Jahr 2018 haben gut 6 300 Rechtliche Einheiten wie zum Beispiel Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und Campingplätze Übernachtungsmöglichkeiten angeboten.

Das Gastgewerbe in Baden-Württemberg ist von kleineren Einheiten geprägt. Knapp 72 % der Rechtlichen Einheiten haben maximal neun Tätige Personen, in annähernd 28 % arbeiten nur eine oder zwei Personen. Die größeren Rechtlichen Einheiten mit zehn oder mehr Mitarbeitenden kommen ebenfalls auf einen Anteil von 28 %, erwirtschafteten allerdings im Jahr 2018 gut 72 % des Gesamtumsatzes im baden-württembergischen Gastgewerbe (Tabelle).

Im Durchschnitt arbeiten in einer Rechtlichen Einheit des Gastgewerbes zehn Tätige Personen. Zwischen den einzelnen Bereichen bestehen jedoch hinsichtlich deren Größe durchaus Unterschiede. So haben beispielsweise Kantinen und Caterer (WZ 56.2) im Durchschnitt 16 Tätige Personen. In Hotels, Gasthöfen und Pensionen (WZ 55.1) sind durchschnittlich 15 Personen und in Restaurants, Gaststätten, Cafés, Eissalons und Ähnliche (WZ 56.3) durchschnittlich sieben Personen je Rechtlicher Einheit beschäftigt.

Anteil der Frauen und der Teilzeitkräfte überdurchschnittlich hoch

Im baden-württembergischen Gastgewerbe waren 2018 rund 334 800 Personen tätig, darunter gut 84 500 Personen im Beherbergungsgewerbe und in der Gastronomie mit knapp 250 300 Personen annähernd die dreifache Zahl. Dabei sind über 58 % der Tätigen Personen im Gastgewerbe weiblich, wobei der Frauenanteil im Beherbergungsgewerbe mit rund 66 % um 10 Prozentpunkte höher ist als in der Gastronomie (knapp 56 %). Vergleichsweise hoch ist im Gastgewerbe die Teilzeitquote8 mit gut 58 % bei relativ geringen Unterschieden zwischen der Gastronomie (gut 59 %) und Hotels, Gasthöfen und anderen Rechtlichen Einheiten mit Schwerpunkt Übernachtungsmöglichkeiten (gut 55 %).

Gastgewerbe 2018: durchschnittlicher Umsatz von 371 000 Euro je Rechtlicher Einheit

Das Gastgewerbe (WZ 55/56) erwirtschaftete im Jahr 2018 einen Gesamtumsatz von rund 12,7 Mrd. Euro. Auf die Gastronomie (WZ 56) entfielen rund 8,5 Mrd. Euro, knapp 4,2 Mrd. Euro auf das Beherbergungsgewerbe (WZ 55). Im Durchschnitt erwirtschaftete jede Rechtliche Einheit im Gastgewerbe 2018 einen Umsatz von rund 371 000 Euro. Dabei zeigten sich innerhalb der Branche erhebliche Unterschiede: Spitzenreiter waren Hotels (ohne Hotels garni; WZ 55.101) mit durchschnittlich 1,5 Millionen (Mill.) Euro und nahezu gleichauf Restaurants mit Selbstbedienung (WZ 56.102) mit annähernd 1,4 Mill. Euro pro Rechtlicher Einheit. Diskotheken und Tanzlokale (WZ 56.302; durchschnittlich 581 000 Euro Umsatz je Rechtlicher Einheit) folgten mit weitem Abstand.

E-Commerce9: im Gastgewerbe noch viel »Luft nach oben«

Wie in anderen Branchen, werden auch im Gastgewerbe Bestellungen oder Buchungen über Websites immer beliebter. Im Geschäftsjahr 2018 resultierten allerdings insgesamt nur rund 6,5 % des Umsatzes im baden-württembergischen Gastgewerbe aus Bestellungen oder Buchungen über Internetseiten.10 Dabei ist im Beherbergungsgewerbe der Anteil des Umsatzes aus E-Commerce mit rund 17,5 % erheblich höher als in der Gastronomie, wo bislang lediglich 1,1 % des Umsatzes auf Buchungen und Bestellungen über Websites basieren.

Dies dürfte damit zusammenhängen, dass für die Buchung von Übernachtungsmöglichkeiten spezielle Buchungsportale mehr und mehr genutzt werden. Sie bieten Kunden und Interessenten bequeme und schnelle Möglichkeiten der Information bzw. der Buchung und Bestellung. Bei Restaurant- und Gaststättenbesuchen (Umsatzanteil aus E-Commerce bei 0,3 %, WZ 56.1) dürften Reservierungen, soweit sie überhaupt getätigt werden (müssen), noch überwiegend telefonisch erfolgen. Eine Ausnahme innerhalb der Gastronomie bildet der Bereich »Caterer und Erbringung sonstiger Verpflegungsdienstleistungen (WZ 56.2)«, wo im Geschäftsjahr 2018 insgesamt 5 % des Umsatzes auf Bestellungen aus dem Internet zurückgeführt werden konnten.

Vor dem Hintergrund, dass auch die reiferen Jahrgänge mehr und mehr das Internet für sich entdecken, seine Nutzung für immer größere Teile der Bevölkerung selbstverständlich wird, und dass gerade im Bereich des Gastgewerbes immer mehr Internetportale auf den Markt drängen, ist davon auszugehen, dass sich die Bedeutung des E-Commerce ausweiten wird. Möglicherweise helfen Erfahrungen während der Corona-Pandemie, Vorbehalte und Widerstände gegenüber moderner Kommunikationsmethoden zu überwinden und dem Gastgewerbe in puncto E-Commerce weiteren Zuspruch zu bringen.

Aufwendungen: gut vier Fünftel des Umsatzes im Gastgewerbe

Das baden-württembergische Gastgewerbe hatte im Jahr 2018 Aufwendungen von insgesamt rund 10,3 Mrd. Euro. Ein knappes Drittel dieser Aufwendungen entfiel auf den Bezug von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen. Hierzu rechnet auch der Einkauf von Lebensmitteln und Getränken. Weitere 37 % der Aufwendungen entfallen auf Personalkosten, das heißt Bruttoentgelte und Sozialabgaben. Für bezogene Leistungen und andere betriebliche Aufwendungen wie Kosten für Steuerberatung, Fuhrpark, Werbung, Telefon und Internet etc. wurden knapp 17 % der Aufwendungen bezahlt. Insgesamt knapp 11 % der Aufwendungen entfielen auf Mieten und Pachten, etwas weniger als 3 % auf betriebliche Steuern und Abgaben und 0,4 % auf Bezüge von Handelswaren, also Waren, die beispielsweise an einem hoteleigenen Kiosk verkauft werden, wie Zeitungen, Zigaretten, Süßigkeiten oder Souvenirs (Schaubild 3).

Der Anteil der Aufwendungen bezogen auf den Umsatz liegt im Gastgewerbe bei gut 81 %. Allein die Personalkosten beliefen sich auf 30 % des Umsatzes. (Beherbergungsgewerbe: rund 32 %, Gastronomie: 29 %).

Investitionen bei rund 44 Euro je 1 000 Euro Umsatz

Das Gastgewerbe in Baden-Württemberg tätigte im Jahr 2018 Investitionen in Höhe von 561 Mill. Euro. Damit lag die Investitionsintensität bei 44 Euro je 1 000 Euro Umsatz, mit dem Beherbergungsgewerbe (43 Euro je 1 000 Euro Umsatz) und der Gastronomie (45 Euro je 1 000 Euro Umsatz) nahezu gleichauf.

Ausblick

Man darf gespannt sein, ob die zur Pandemiebekämpfung getroffenen Maßnahmen greifen. Wie werden Bund und Länder bei einem erneuten Anstieg der Inzidenzen dann darauf reagieren?

Wird sich das Gastgewerbe nach den erhofften Lockerungen erholen? Oder wird die Zahl der Insolvenzen signifikant ansteigen? Und auf lange Sicht: wie wird sich das Gastgewerbe nach überstandener Pandemie aufstellen? Was zeichnet die Rechtlichen Einheiten aus, die vergleichsweise unbeschädigt den Albtraum überstanden haben? Gibt es möglicherweise sogar Gewinner? Das wird sich zeigen, wenn man das Strukturbild des Gastgewerbes 2018 den Verhältnissen der Jahre 2020 bzw. 2021 gegenüberstellen wird. Erste Anhaltspunkte werden die Konjunkturdaten der kommenden Monate und Jahre liefern.

1 Die derzeit aktuellsten Daten der Jahreserhebung im Gastgewerbe beziehen sich auf das Berichtsjahr 2018. Die Jahreserhebungen im Gastgewerbe starten jeweils im Herbst des auf das Berichtsjahr folgenden Jahres, also für das Berichtsjahr 2018 im Herbst 2019. Die Veröffentlichung der Ergebnisse der Jahreserhebung erfolgt in der Regel ca. 18 Monate nach Ende des Berichtsjahres.

2 Ab dem Berichtsjahr 2018 erfolgt die Ausweisung der Ergebnisse nach Rechtlichen Einheiten (siehe i-Punkt »Neue Begrifflichkeiten in den Unternehmensstrukturstatistiken«).

3 Datengrundlage: Berichtsmonat 10/2020.

4 Zur Harmonisierung mit anderen Statistiken werden die Konjunkturdaten zu Umsatz und Beschäftigung regelmäßig umbasiert, aktuell auf die Basis 2015 = 100. Das beeinflusst die Messdaten, nicht jedoch die Veränderungsraten.

5 Mittelwert der Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den letzten 7 Tagen.

6 Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung) in der ab 02.11.2020 gültigen Fassung.

7 Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung) in der ab 16.12.2020 gültigen Fassung.

8 Anteil der Teilzeitbeschäftigten an den Beschäftigten insgesamt.

9 E-Commerce sind rechtsverbindliche Verkäufe über Websites, Apps oder automatisierten Datenaustausch.

10 Ohne manuell erstellte E-Mails.