:: 2/2021

Vor Corona: Verdienststrukturen 2018 in Baden-Württemberg – Teil 1

Insgesamt geringer Anteil an Niedriglöhnen, aber weiterhin starke Lohnspreizung

Angesichts der Corona-Pandemie und den damit verbundenen ökonomischen Einschränkungen sind es vor allem auch Wirtschaftsindikatoren, welche Aufschluss über die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland geben und auf die Politik und Öffentlichkeit den Blick richten. Neben Umsätzen, Auftragseingängen und anderen Indikatoren sind hier insbesondere auch die Verdienstzahlen von besonderem Interesse, da diese nicht nur Hinweise auf die wirtschaftliche Entwicklung geben – Stichwort Kurzarbeit, Beschäftigtenzahl, bezahlte Wochenarbeitszeit usw. – sondern sich direkt im Geldbeutel des Einzelnen bemerkbar machen und unmittelbare Auswirkungen auf das Leben und den Alltag der Menschen haben.

Die aktuellsten Verdienstentwicklungen können die im Herbst 2020 fertiggestellten und geprüften Ergebnisse der Verdienststrukturerhebung 2018 (VSE) zwar nicht liefern, aktuelle Daten zur Verdienstentwicklung erhebt die vierteljährliche Verdienststatistik, die jedoch nur eine begrenzte Merkmalsbreite bietet. Mit den Beschäftigtenzahlen und Bruttomonats- und -stundenverdiensten nach Wirtschaftszweig, Geschlecht, Alter, beruflicher Tätigkeit und Position, (Aus-)Bildungsabschluss, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Arbeitszeitmodell, Tarifbindung und vielem mehr stellt die Verdienststrukturerhebung jedoch die momentan neuesten und umfangreichsten Informationen zu den Verdienststrukturen vor der Corona-Krise zur Verfügung, welche die amtliche Statistik zu bieten hat. Eine nähere Betrachtung lohnt sich also gleich in zweierlei Hinsicht. Einmal bietet die VSE 2018 für sich genommen interessante Erkenntnisse. So lässt sich zum Beispiel erst anhand der VSE-Daten der unbereinigte Gender Pay Gap berechnen. Zum anderen dienen die Ergebnisse als Referenzwerte für spätere Vergleiche der Verdienststrukturen vor, während und nach der Corona-Krise.

Der Fokus des Textes wird hierzu unter anderem auf die Struktur des Niedrig- und Mindestlohnbereichs gelegt. Denn gerade auch Beschäftigte mit niedrigen Einkommen und geringfügig Beschäftigte sind in der Regel weniger resilient gegenüber negativen ökonomischen Entwicklungen wie den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sowie den Maßnahmen und Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie, wie der zeitweisen Stilllegung ganzer Betriebe und dem massiven Anstieg von Kurzarbeit.1

Die Situation hat sich seit dem Lockdown im März 2020 in Deutschland und Baden-Württemberg zwar in einigen Bereichen wieder etwas entspannt, doch in vielen Branchen bestehen weiterhin erhebliche Einschränkungen. Angesichts deutschlandweit steigender Infektionszahlen zeichnete sich für die Wintermonate bereits eine Verschärfung bestehender Kontaktbeschränkungsmaßnahmen und ein erneuter Lockdown ab.2 Welche Auswirkungen dies auf die Verdienste haben wird, werden künftige Verdiensterhebungen und deren Vergleich mit den im Folgenden näher beleuchteten Vor-Corona-Daten von 2018 aufzeigen.

Frauen stellen über 80 % der Teilzeit-, aber nur knapp 30 % der Vollzeitkräfte

In die Ergebnisse der VSE-Daten gingen knapp 6 Millionen (Mill.) Arbeitnehmerdatensätze ein, von denen der weitaus größte Teil, nämlich 3,34 Mill. Beschäftigte, in Vollzeit arbeiteten. Ein knappes Viertel der erhobenen Beschäftigungsverhältnisse war in Teilzeit und etwas unter 1 Mill. Menschen geringfügig beschäftigt. 47,3 % (2,82 Mill.) der erhobenen Beschäftigten waren weiblich, bei den Vollzeittätigen machten Frauen mit 29,1 % (0,97 Mill.) jedoch einen deutlich kleineren Teil aus, während sie 81,1 % aller Teilzeitkräfte stellten. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst Vollzeitbeschäftigter betrug im April 2018 bei 38,9 bezahlten Stunden in der Woche (ohne Überstunden) 4 076 Euro. Der Stundenlohn lag im Schnitt bei 23,91 Euro brutto. Demgegenüber verdienten Teilzeittätige bei einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 23,3 Stunden/Woche mit 18,76 Euro/Stunde (1 943 Euro/Monat) brutto etwa ein Fünftel weniger als ihre vollzeittätigen Kolleginnen und Kollegen. Geringfügig entlohnte Beschäftigte konnten bei einer Arbeitszeit von 6,7 Stunden/Woche durchschnittlich mit einem Stundenverdienst von 11,42 Euro brutto und 322 Euro/Monat rechnen. Auch hier waren weibliche Beschäftigte mit 60,2 % (ca. 560 000) in der Mehrheit (Tabelle 1).

Die Branche mit den höchsten Bruttomonatslöhnen war der Informations- und Kommunikationssektor mit 5 474 Euro, wohingegen Vollzeitbeschäftigte im Gastgewerbe mit 2 458 Euro/Monat nicht einmal die Hälfte dessen für sich verbuchen konnten. Bezüglich der Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse fällt das Verarbeitende Gewerbe mit 1,16 Mill. oder gut einem Drittel aller Arbeitnehmenden in Vollzeit (34,8 %) und einem verhältnismäßig hohen Bruttomonatsverdienst von 4 471 Euro in Baden-Württemberg deutlich ins Gewicht (Schaubild 1).

Je größer das Unternehmen desto höher der Bruttoverdienst Vollzeittätiger

Bringt man die Unternehmensgröße ins Spiel, steigt der Bruttoverdienst Vollzeittätiger mit zunehmender Betriebsgröße an. Liegt er bei Kleinstunternehmen (ein bis neun Beschäftigte) im Schnitt bei 19,51 Euro/Stunde, erhalten Beschäftigte eines Großunternehmens mit über 1 000 Arbeitnehmenden bereits durchschnittlich 28,47 Euro/Stunde. Die größte Beschäftigtengruppe mit ca. 1 Mill. Arbeitnehmenden ist bei diesen Großunternehmen angestellt, doch auch die Kleinunternehmen mit zehn bis 49 Beschäftigten sind im Südwesten mit ca. 639 000 Beschäftigten bedeutsame Arbeitgeber. Hinsichtlich der Tarifbindung des Arbeitgebers zeigt sich, dass unter allen Arbeitnehmenden der Wirtschaftsabschnitte A–S3 die tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnisse, also jene mit einem Branchen- oder Firmentarifvertrag in der Minderheit sind. Denn während 2018 ca. 40,8 % aller Beschäftigten tarifgebunden waren, zählten rund 3,5 Mill. (59,3 %) der Beschäftigungsverhältnisse als nicht tarifgebunden.4 Das bedeutet eine weitere Erosion der Tarifbindung über die vergangenen Jahre hinweg. Auch schon 2014 waren die nicht tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnisse mit 56,9 % zu 43,1 % in der Mehrzahl. Diese Entwicklung scheint sich somit weiter fortzusetzen, ist aber wohl kaum im Sinne der Beschäftigten, wenn man bedenkt, dass der Lohn tarifgebundener Arbeitnehmer in Vollzeit 2018 sowohl beim Stunden- als auch beim Monatsbruttoverdienst um mehr als 12 % höher lag als bei Beschäftigten ohne Tarifbindung (Tabelle 2 und 3).

Fast 40 Euro Stundenlohn als Vollzeitkraft in leitender Stellung

Hinsichtlich arbeitsplatzbezogener Merkmale wie beruflicher Stellung, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit oder Befristungsverhältnis, lässt sich der Großteil der Vollzeitbeschäftigten (1,6 Mill. oder 47 %) in der Leistungsgruppe der Fachkräfte verorten und erhält im Durchschnitt 20,25 Euro/Stunde. Entsprechend der höheren Position und dem Anforderungsniveau erhalten vollzeittätige Arbeitnehmende in leitender Stellung mit 39,86 Euro/Stunde fast dreimal so viel Bruttostundenlohn als ungelernte Arbeitnehmende mit 14,61 Euro/Stunde. Je höher die berufliche Stellung desto höher also der Verdienst (Tabelle 3).

Bei näherer Betrachtung der jeweils ausgeübten Tätigkeit finden sich die Topverdiener in den übergeordneten Berufshauptgruppen technische Forschung und Entwicklung, Konstruktions- und Produktionssteuerung (32,48 Euro/Stunde), bei Berufen in der Informationstechnologie (31,22 Euro/Stunde) sowie Unternehmensführung und -organisation (30,52 Euro/Stunde). Tätigkeiten in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik (24,92 Euro/Stunde) als auch medizinische Gesundheitsberufe (24,08 Euro/Stunde) sind bezüglich Stundenverdienst gutes Mittelfeld. Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe, Lebensmittelherstellung und -verarbeitung sowie Reinigungsberufe bilden das Schlusslicht, was die stündliche Vergütung betrifft (Schaubild 2). Auf der nächsttiefergegliederten Ebene der Berufsgruppen weisen die Berufe in der Pferdewirtschaft (10,57 Euro/Stunde), Körperpflege (11,19 Euro/Stunde), Floristik (11,95 Euro/Stunde), Fischwirtschaft (13,01 Euro/Stunde) und beim Verkauf von Lebensmitteln (13,10 Euro/Stunde) die niedrigsten Durchschnittsstundenlöhne auf, während ebenfalls Berufe im Bereich Informatik (32,07 Euro/Stunde), Produkt- und Industriedesign (33,26 Euro/Stunde), technische Forschung und Entwicklung (36,40 Euro/Stunde) und als Geschäftsführung und Vorstand (53,50 Euro/Stunde) das obere Ende bei den stündlichen Einkommen bilden.

Deutliche Mehrheit der Arbeitnehmenden im Südwesten unbefristet beschäftigt

Auch ob ein Vertrag befristet oder unbefristet ist, wirkt sich deutlich auf die Verdiensthöhe aus. So sind sowohl Voll- als auch Teilzeitbeschäftigte in Baden-Württemberg mehrheitlich unbefristet angestellt und erhalten mehr Lohn als ihre befristeten Pendants. Für die 2,91 Mill. unbefristeten Vollzeitkräfte (87,2 %) macht dies immerhin einen Unterschied von im Schnitt 1 207 Euro pro Monat oder 28,5 % mehr Lohn gegenüber den befristet Tätigen aus.

Der Großteil der Beschäftigten in Vollzeit, nämlich 1,8 Mill. (54,1 %), ist zwischen 1 und 10 Jahren im selben Unternehmen tätig. Zum Einfluss der Dauer der Betriebszugehörigkeit auf den Verdienst lässt sich festhalten, dass mit zunehmendem Dienstalter der Verdienst tendenziell ebenfalls steigt. Startet man im Schnitt als Neuling mit 18,35 Euro/Stunde sind es nach 16 bis 20 Dienstjahren etwa 28,25 Euro/Stunde. Bei mehr als 20 Jahren Unternehmenszugehörigkeit ist die Vergütung allerdings leichten Schwankungen unterworfen (Tabelle 3).

Je höher der Bildungsabschluss desto höher der Bruttoverdienst

Ähnlich verhält es sich mit dem Verdienst nach (Lebens-)Alter, welches stark mit dem Dienstalter und der Berufserfahrung korreliert. Bei der Verteilung der Vollzeitbeschäftigten auf die Altersgruppen kann gut ein Viertel (27,3 %) der Personen, die sogenannten Baby-Boomer, bei den 50- bis 60-Jährigen verortet werden. Gerade auch diejenigen zwischen 50 und 54 Jahren erhalten durchschnittlich den höchsten Bruttoverdienst (4 547 Euro/Monat, 26,68 Euro/Stunde). Neben der Berufserfahrung ist aber auch der Schul- und Ausbildungsabschluss entscheidend für die Vergütung. Denn je höher der schulische als auch der berufliche Abschluss, desto höher der Bruttoverdienst eines Vollzeitbeschäftigten. Einzige Ausnahme ist hier, dass ein Meister-/Techniker-/Fachschulabschluss mit 4 820 Euro/Monat im Schnitt besser vergütet wird als ein Vollzeittätiger mit Bachelorabschluss (4 336 Euro/Monat). Die Tatsache, dass Personen mit Meister-/Techniker-/Fachschulabschluss mehr verdienen als diejenigen mit Bachelor dürfte darauf zurückzuführen sein, dass es den Bachelor als Abschluss noch nicht so lange gibt.5 Folglich handelt es sich bei Personen mit Bachelor ausschließlich um eher jüngere Menschen, während unter den Meistern etc. auch viele ältere Arbeitnehmende sind, die mehr Berufserfahrung und oft auch eine längere Betriebszugehörigkeit vorweisen können. Zudem ist es hier auch ein Stück weit Definitionssache, ob man den Bachelor als höherwertiger gegenüber einem Meister-/Techniker- oder Fachschulabschluss ansieht. Gerade eine Meisterausbildung genießt hierzulande hohes Ansehen, was auch in der Vergütung sichtbar wird. Unter Umständen könnte auch die tendenziell größere Berufserfahrung beim Abschluss der Fachschule gegenüber eines Bachelorstudiums eine Rolle spielen, wobei sich dies sicher nicht pauschalisieren lässt.

Die meisten Vollzeitkräfte (knapp 2 Mill. oder 60 %) verfügten über eine anerkannte Berufsausbildung und bei den Schulabschlüssen dominierte das Abitur/Fachabitur, welches 34,8 % der Vollzeittätigen vorwiesen. Die etwa 1 % der Vollzeittätigen, welche eine Promotion oder Habilitation als höchsten Ausbildungsabschluss erreichten, werden dafür mit durchschnittlich 7 510 Euro/Monat belohnt und erhalten somit mehr als das 2,5-fache an Lohn als Personen ohne beruflichen Ausbildungsabschluss (2 944 Euro/Monat). Je höher der formale berufliche Bildungsabschluss, desto höher also das Einkommen (Tabelle 3).

Verdienstverteilung: 50 % der Beschäftigten mit 17,86 Euro pro Stunde oder mehr

Der »Mittlere Verdienst« aller Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten insgesamt in Baden-Württemberg lag in den Wirtschaftsbereichen Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Produzierendes Gewerbe und dem Dienstleistungsbereich im April 2018 bei 17,86 Euro pro Stunde. Der Mittlere Verdienst, der sogenannte Median, gibt an, dass 50 % aller Beschäftigen (ohne Auszubildende) einen Bruttostundenverdienst größer oder gleich 17,86 Euro erhielten, die anderen 50 % lagen darunter. Das arithmetische Mittel, also die Summe aller Bruttostundenverdienste geteilt durch die Anzahl der Beschäftigten, lag hingegen bei 20,68 Euro pro Stunde und damit um 15,8 % höher als der Median. Diese beiden Maße der zentralen Tendenz haben beide ihre Berechtigung. Während das arithmetische Mittel den Durchschnitt angibt, zeigt der Median die mittlere Position in der Verteilung auf. Dabei wird das arithmetische Mittel im Vergleich zum Median grundsätzlich stärker von Ausreißerwerten, wie etwa sehr hohen oder sehr niedrigen Verdiensten, beeinflusst. Folglich deutet die Differenz zwischen Median und arithmetischem Mittel darauf hin, dass es einige Ausreißer- bzw. Extremwerte in der Verdienststruktur in Baden-Württemberg gibt.

Jeder fünfte Beschäftigte im Land verdiente unter 12 Euro pro Stunde

Im Jahr 2018 verdienten die 10 % der Beschäftigten am unteren Ende der Lohnskala 10,00 Euro oder weniger in der Stunde. Im Jahr 2014 lag dieser Wert noch bei 8,79 Euro. Am oberen Ende der Lohnskala bewegten sich die Stundenlöhne für die 10 % der Beschäftigten mit Spitzenverdiensten über dem Wert von 34,27 Euro. Im Jahr 2014 betrug dieser Wert noch 31,25 Euro. Im Vergleich zum Jahr 2014 haben sich also beide Werte erhöht, am unteren Ende der Lohnskala nicht zuletzt durch die Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde in Deutschland am 1. Januar 2015. Die Lohnspreizung – der Abstand zwischen hohen und niedrigen Verdiensten – hat sich seit 2014 aber nicht wesentlich verringert. Eine Hauptursache für die nach wie vor hohe Differenz in Baden-Württemberg sind die sehr hohen Verdienste, die von den Spitzenverdienern erzielt wurden. Betrachtet man die ganze Bandbreite der prozentualen Verteilung der Beschäftigungsverhältnisse für den April 2018 nach Bruttostundenlöhnen, so zeigt sich, dass rund 3 % der Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten insgesamt nur Bruttostundenlöhne bis unter 9 Euro erzielten. In den Entgeltbereichen von 9 bis 24 Euro pro Stunde arbeiteten insgesamt rund 70 % aller Beschäftigen. Mit 18,7 % erhielt fast ein Fünftel der Beschäftigten einen Stundenlohn zwischen 9 und 12 Euro brutto. Bemerkenswert ist, dass in Baden-Württemberg gut 1 % der Beschäftigten Bruttostundenlöhne von 60 Euro und mehr erzielten. Diese Extremwerte am oberen Ende der Verdienstverteilung dürften wiederum die Diskrepanz zwischen arithmetischem Mittel und Median erklären (Schaubild 3).

Niedrig- und Hochlohnbereich – fast zwei Drittel der Beschäftigten im Gastgewerbe im Niedriglohnbereich

Eine weiterhin gängige Unterteilung zur Beschreibung der Verdienstverteilung ist die Abgrenzung in einen Hoch- und Niedriglohnsektor. Gemäß internationaler Definitionen (unter anderem OECD6) spricht man vom Niedriglohn, wenn der Bruttostundenverdienst weniger als zwei Drittel des Medianverdienstes beträgt. Umgekehrt zählt zum Hochlohnbereich wer mehr als ein Drittel über dem Medianverdienst liegt. Für Deutschland insgesamt betrug der Grenzwert für April 2018 für den Hochlohnbereich 24,87 (2014: 22,50 Euro/Stunde) und für den Niedriglohn 11,05 (2014: 10 Euro/Stunde). Damit haben sich zwar die Grenzwerte jeweils etwas nach oben verschoben, der Anteil der Beschäftigten im Niedrig- und Hochlohnbereich7 blieb aber bundesweit konstant bei jeweils 21 %, auch wenn die absolute Zahl der Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnbereich verglichen mit 2014 um ca. 393 000 anstieg. Für Baden-Württemberg zeigt sich, wenn auch auf anderem Niveau, hinsichtlich der Beschäftigtenanteile ebenfalls keine Veränderung gegenüber 2014. So lag der Anteil der Beschäftigten mit Niedriglohn sowohl 2014 als auch 2018 bei 17 % und damit unter dem Bundesdurchschnitt, während 26 % und damit gut ein Viertel aller Beschäftigten im Südwesten dem Hochlohnbereich zuzuordnen waren.

Mit rund 198 000 gab es die größte absolute Anzahl an abhängigen Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnsektor im Wirtschaftsabschnitt Handel, Instanthaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen. Diese machten aber nur 25 % aller Beschäftigten im Handel aus. Dagegen war der Anteil an Niedriglohnjobs im Gastgewerbe mit 63 % (ca. 152 000) mit Abstand am höchsten, gefolgt von der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei, wo jeder zweite Job 2018 im Niedriglohnbereich angesiedelt war (ca. 14 000). Am wenigsten Anteil hatten die niedrig vergüteten Beschäftigungsverhältnisse im Wirtschaftszweig Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (3 %), bei der Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (5 %), sowie im Verarbeitenden Gewerbe (8 %) und bei Jobs im Informations- und Kommunikationsbereich (8 %).

Gender Pay Gap

Der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern, der sogenannte Gender Pay Gap (GPG), ist eine wichtige Kenngröße in der öffentlichen Debatte um gleiche Bezahlung von Männern und Frauen bzw. Geschlechterdiskriminierung im Beruf. Der GPG ergibt sich aus der Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes (ohne Sonderzahlungen) von Männern und Frauen im Verhältnis zum Bruttostundenverdienst der Männer (BSVm – BSVw / BSVm). Dabei gibt es eine unbereinigte und eine bereinigte Variante des GPG. Während beim unbereinigten Verdienstunterschied lediglich die absoluten Werte des Bruttostundenverdienstes ins Verhältnis gesetzt werden, rechnet man bei der bereinigten Version Faktoren, die neben dem Geschlecht die Höhe des Verdienstes maßgeblich beeinflussen, heraus. Bei der Verdienststrukturerhebung werden eben solche verdienstbestimmenden Merkmale der Beschäftigten erhoben, sodass auf dieser Basis etwa der Einfluss von Schul- und Ausbildungsabschluss, beruflicher Tätigkeit, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Arbeitszeitumfang usw. auf die Verdiensthöhe herausgerechnet und der bereinigte Gender Pay Gap angegeben werden kann. Auch wenn bei diesem nicht auf alle denkbaren Drittvariablen kontrolliert werden kann – beispielsweise wird der Einfluss von Erwerbsunterbrechungen auf den Verdienst nicht berücksichtigt – bildet der bereinigte GPG in etwa den Unterschied in der Bezahlung ab, der tatsächlich auf das Geschlecht der Person zurückzuführen ist.

Seit 2006 im Südwesten prozentual größte Ungleichheit bei Bezahlung von Männern und Frauen

Dabei unterscheiden sich bereinigter und unbereinigter GPG deutlich voneinander. So betrug der unbereinigte Verdienstunterschied im Jahr 2018 in Baden-Württemberg 24,1 %8 zu Ungunsten der weiblichen Beschäftigten. Das bedeutet, dass Frauen mit 17,27 Euro/Stunde im Durchschnitt fast ein Viertel (5,47 Euro) weniger verdienten als Männer mit 22,74 Euro/Stunde. Von den 24,1 % Verdienstunterschied lassen sich fast Dreiviertel bzw. 18 % durch nicht geschlechtsspezifische Einflussfaktoren erklären. Rechnet man diese Einflüsse für den bereinigten GPG heraus, wird die Verdienstdifferenz zwar geringer, weibliche Beschäftigte erhalten aber unter sonst (fast) gleichen Bedingungen immer noch 6,3 % weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Damit ist der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern im Südwesten auch 2018 höher als in Gesamtdeutschland mit 19,4 % (unbereinigt) bzw. 5,8 % (bereinigt). Auch im Bundesländervergleich besteht in Baden-Württemberg wie bereits seit 2006 weiterhin die größte Ungleichheit in der Bezahlung von Frauen und Männern, wobei der Unterschied 2018 im Nachbarland Bayern auf einem ähnlich hohen Niveau lag (23,4 %, unbereinigt).

Damit hat sich im Vergleich zu 2014 sowohl der bereinigte (6,4 %) als auch der unbereinigte (26,8 %) Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern zwar leicht verringert. Die geschlechtsbezogene Verdienstungleichheit im Südwesten liegt jedoch weiterhin über dem Bundesdurchschnitt. Im Zeitverlauf zeigt sich eine, wenn auch langsame Annäherung der Verdienste beider Geschlechter, so betrug der unbereinigte GPG 2006 im Südwesten noch 28 % (Tabelle 4).

Tarifbindung ohne Einfluss auf den Verdienstunterschied zwischen Geschlechtern

Betrachtet man die einzelnen Einflussfaktoren auf den Verdienst genauer, zeigt sich, dass sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene vor allem die Art der Tätigkeit (7,7 Prozentpunkte), die Leistungsgruppe (ungelernt bis leitende Stellung; 4,9 Prozentpunkte) und der Beschäftigungsumfang (2,8 Prozentpunkte) einen relativ hohen Erklärungsanteil an den 18 % unbereinigtem GPG haben. Bei den Wirtschaftsabschnitten besteht der größte unbereinigte Verdienstunterschied zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten mit 28 % bei den freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, gefolgt von der Informations- und Kommunikationsbranche mit 27% und dem Verarbeitenden Gewerbe (26 %). Die geringsten Lohnungleichheiten zwischen den Geschlechtern weisen das Gast- (8 %) und das Baugewerbe (9 %) auf, wobei gerade im Gastgewerbe die Verdienste insgesamt auf einem verhältnismäßig niedrigen Level liegen. Abgesehen von Betrieben mit 500 bis 999 Beschäftigten, vergrößert sich der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern mit der Größe des Unternehmens, in dem eine Person beschäftigt ist. Ist der Einfluss der öffentlichen Hand (vor allem Bund, Länder oder Gemeinden) in einem Unternehmen beherrschend9, liegt sowohl der Verdienst bei Frauen als auch bei Männern höher, als bei Unternehmen mit keinem oder wenig Einfluss der öffentlichen Hand und auch der Verdienstunterschied ist mit 15,7 % zu 26,7 % geringer. Hinsichtlich der Tarifbindung ist interessant, dass zwar die tarifgebundenen Löhne insgesamt als auch nach Geschlecht höher sind als ohne Tarifbindung, diese jedoch keinen allzu großen Einfluss auf den Verdienstunterschied zwischen Mann und Frau hat. Mit Tarifbindung liegt dieser bei 23,3 % und ohne bei 25,3 %. In Bezug auf die Stellung im Beruf besteht mit 26 % vor allem bei den Führungspositionen ein erheblicher Unterschied zwischen dem Verdienst nach Geschlecht, während dieser bei ungelernten Arbeitnehmenden noch 8,4 % ausmacht. Eine sehr große Diskrepanz besteht auch zwischen Vollzeittätigen und Teilzeitkräften hinsichtlich des Verdienstes von Männern und Frauen, denn während dieser bei Teilzeitbeschäftigung nur bei 8,2 % liegt, beträgt er bei Vollzeitlern satte 20 %. Beim Schul- und Ausbildungsabschluss liegt die größte Verdienstdifferenz mit 27,6 % zwischen Frauen und Männern mit Haupt- oder Volksschulabschluss bzw. mit Meister-/Techniker- oder Fachschulabschluss (28,2 %). Dies könnte daran liegen, dass Männer hier in eher technischen Berufen oder in der industriellen Produktion einen höheren Verdienst haben als Frauen, die tendenziell eher in schlechter bezahlten Branchen und Berufen (Friseurin, Verkäuferin, Erzieherin, Krankenschwester) zu finden sind.

Verdienstunterschied besonders stark im Alter zwischen 30 und 50 Jahren

Mit Blick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit steigt mit zunehmendem Dienstalter tendenziell die Vergütung, allerdings bis zu einer Zugehörigkeitsdauer von 16 bis 20 Jahren zugleich auch die Differenz bei der Bezahlung von weiblichen und männlichen Arbeitnehmenden auf 30 %. Nimmt man zudem noch das Alter der Beschäftigten unter die Lupe, wird noch deutlicher, dass der Bruttostundenverdienst von Frauen ab etwa 30 Jahren eher stagniert, während er bei den Männern bis etwa Anfang 50 kontinuierlich ansteigt. So zeigt sich vor allem im Alter zwischen 30 und 50 Jahren und damit vornehmlich in der potenziellen Kindererziehungszeit ein deutlich wachsender Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern von 13 % in der Altersgruppe Anfang 30 Jahre bis auf 30 % in der Altersgruppe Ende 40. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass es vor allem Frauen sind, die in der Phase der Familienbildung und Kindererziehung beruflich kürzertreten, zum Beispiel in Teilzeittätigkeit arbeiten oder eine berufliche Pause einlegen und sich damit in einer Situation wiederfinden, die berufliche Nachteile mit sich bringt. Ebenfalls in Zusammenhang mit der Betriebszugehörigkeitsdauer steht oftmals auch die Vertragsform befristet oder unbefristet. Entsprechend ist die Vergütungsdiskrepanz zwischen Frau und Mann bei unbefristeten Verträgen (und tendenziell längerer Betriebszugehörigkeit) mit 25 % mehr als doppelt so hoch wie bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen (10,3 %). Die kleinsten Verdienstunterschiede zwischen Mann und Frau zeigten sich 2018 bei den Auszubildenden (0,3 %) sowie in der Gruppe der geringfügig Beschäftigten (2 %) und zwischen Beamtinnen und Beamten in Vollzeit (7 %), alles Bereiche in denen entweder grundsätzlich eher niedrige Verdienste gezahlt werden oder aber der Verdienst stark durch staatliche Vorgaben reguliert wird.

Was bringt die Zukunft?

Insgesamt hat die Betrachtung der VSE-Ergebnisse verdeutlicht, dass Baden-Württemberg mit Blick auf die Verdienste im bundesweiten Vergleich derzeit mit an der Spitze steht. Diese herausragende Position ist nicht zuletzt auf die starke wirtschaftliche Stellung Baden-Württembergs als Industriestandort mit der Schlüsselbranche »Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen« zurückzuführen. Dieser steht jedoch, unter anderem vor dem Hintergrund des Klimawandels und des technologischen Fortschritts, ein massiver Strukturwandel bevor, dessen Chancen und Risiken sich auch bei den Verdiensten niederschlagen wird. Zudem sind viele Unternehmen über fast alle Branchen hinweg momentan stark von der Corona-Krise betroffen. Der Niedriglohnbereich im Südwesten ist im Ländervergleich zwar verhältnismäßig klein, dessen Anteil vor allem in Wirtschaftsbereichen wie dem Handel und dem Gastgewerbe, die nun ebenfalls deutlich mit coronabedingten wirtschaftlichen Einbrüchen zu kämpfen haben, ist jedoch hoch. Welche Entwicklungen die Verdienste vor dem Hintergrund der ökonomischen Folgen der Corona-Krise weiterhin nehmen werden, wird sich anhand der künftigen Verdiensterhebungen, wie der auf konjunkturelle Veränderungen fokussierten Vierteljährlichen Verdiensterhebung und vor allem auch der ab 2022 monatlich stattfindenden neuen digitalen Verdiensterhebung, die wie die VSE auch die Verdienststrukturen näher beleuchten wird, abzeichnen.

1 Schulten, Thorsten: Der Niedriglohnsektor in der Corona-Krise, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Bundeszentrale für politische Bildung, 2020, https://www.bpb.de/apuz/315575/der-niedriglohnsektor-in-der-corona-krise (Abruf: 28.12.2020).

2 Dieser trat mit Schließung von Schulen, KiTas, Einzelhandelsgeschäften mit Waren des nicht-täglichen Bedarfs, nächtlichen Ausgangssperren und anderem am 16.12.2020 in Kraft und sollte bei Redaktionsschluss voraussichtlich bis vorerst 10.01.2021 andauern (vgl. Corona-Verordnung des Landes in der ab 16.12.2020 gültigen Fassung).

3 Umfasst Land- und Forstwirtschaft, Fischerei sowie Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungsbereich.

4 Wenn die im Betrieb am häufigsten angewandte Verdienstregelung ein Branchen- oder Firmentarifvertrag ist, gilt der Arbeitgeber als tarifgebunden. Betriebliche Vereinbarungen und ausschließlich für Auszubildende geltende Tarifverträge zählen nicht als Tarifbindung.

5 Einführung des Bachelor-/Mastersystems in Europa (Bologna-Reform) 1999 und entsprechende Änderung des deutschen Hochschulrahmengesetzes zum 15.08.2002.

6 Organisation for Economic Cooperation and Developement (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).

7 Alle abhängigen Beschäftigungsverhältnisse der Abschnitte A bis S der WZ2008 mit Verdienstzahlung im Berichtsmonat April 2018 ohne Auszubildende.

8 Soweit nicht anders erwähnt, handelt es sich im Folgenden bei den Angaben zum GPG um die Werte aus der VSE für alle Beschäftigten der Wirtschaftsabschnitte A–S, inklusive der Kleinstbetriebe. Im Gegensatz dazu nimmt Eurostat für die EU-Ländervergleiche eine engere Abgrenzung der Beschäftigtengruppen für die GPG-Berechnung vor. So liegen der EU-Abgrenzung Beschäftigte der WZ-Abschnitte B–S, ohne O »Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung« und ohne Kleinstbetriebe zugrunde, da diese Daten in den Staaten einheitlich verfügbar sind. Die VSE-Ergebnisse sind hier umfassender, insgesamt ergeben sich aber zwischen den beiden Abgrenzungen keine großen Unterschiede. Vergleiche dazu auch Destatis: Pressemitteilung Nr. 484 vom 08.12.2020: Gender Pay Gap 2019. Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen erstmals unter 20 %, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_484_621.html (Abruf: 28.12.2020).

9 Von einem beherrschenden Einfluss (oder einer Kontrolle) ist auszugehen, wenn die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens (> 50 %) besitzt oder über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügt oder mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.