:: 3/2021

Die Novellierung des Verdienststatistikgesetzes ab 2021

Aktuellere und umfassendere Daten durch das neue System der Verdienststatistiken

Im August 2020 veröffentlichte der Bundesanzeiger das Gesetz zur Änderung des Verdienststatistikgesetzes.1 Damit reagierte der Gesetzgeber auf den zunehmenden Bedarf von Politik, Wirtschaftsverbänden und wissenschaftlichen Instituten – nicht zuletzt auch der Öffentlichkeit – an aktuelleren und umfassenderen Daten zu Verdienststrukturen und deren Entwicklung. Viele Fragestellungen betrafen dabei die Wirkung der Einführung des Mindestlohns und den sogenannten »Gender Pay Gap«, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Die Vierteljährliche Verdiensterhebung und die bisher alle 4 Jahre durchgeführte Verdienststrukturerhebung (VSE) werden zu einer monatlichen Erhebung der Verdienste zusammengeführt, die konjunkturelle und jährlich strukturelle Ergebnisse liefern wird. Damit kommen ab dem Jahr 2021 neue Anforderungen auf die Betriebe zu, die zu den Verdienststatistiken meldepflichtig sind, aber auch auf die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bei der Erhebung und Aufbereitung der Daten. Bei der Konzeption und bei der Vorbereitung der Produktionsabläufe der neuen Statistik wurde deshalb auf Möglichkeiten, die berichtspflichtigen Betriebe zu entlasten und auf die Nutzung aller technisch möglichen digitalen Unterstützungen gesetzt.

Neue Forderungen an die Verdienststatistiken

Mit der Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 wurden auch statistische Daten benötigt, um die Auswirkung dieser gesetzlichen Vorgaben beurteilen zu können. Vor 5 Jahren wurde daraufhin das »Gesetz über die Statistik der Verdienste und Arbeitskosten« (Verdienststatistikgesetz) bereits geändert. Die Verdienststrukturerhebung wurde beginnend mit dem Berichtsjahr 2014 erweitert. Neu war die Einbeziehung der Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten.2 Mit dem »Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns« (Mindestlohngesetz) wurde nicht nur der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland eingeführt, sondern auch dessen Evaluation und laufende Anpassung. Danach hat die Mindestlohnkommission der Bundesregierung alle 2 Jahre Beschlussvorschläge über die Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zur Verfügung zu stellen.3 Für diese Bewertung ist eine Datengrundlage notwendig, die die amtliche Statistik bisher nicht im erforderlichen Maß liefern konnte, weil die Verdienststrukturstatistik nur alle 4 Jahre durchgeführt wurde. Im Auftrag der Mindestlohnkommission sind deshalb in den vergangenen 5 Jahren von den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder vier freiwillige, sogenannte § 7-Erhebungen durchgeführt worden.4 Sie lieferten Ergebnisse für Deutschland insgesamt und wurden der Mindestlohnkommission zur Verfügung gestellt.5

Neben der Mindestlohnkommission hat auch die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder aktuellere Daten zu Verdienststrukturen gefordert. Im Blick ist dabei der »Gender Pay Gap« – der Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. Im Ergebnis der Vierteljährlichen Verdiensterhebung liegt vierteljährlich ein Wert für den Verdienstunterschied insgesamt vor – der »unbereinigte Gender Pay Gap«. Eine Auswertung nach Verdienstunterschieden von Männern und Frauen in den einzelnen Branchen und nach Berufs- oder qualifikationsspezifische Eigenschaften der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist mit diesen Daten nicht möglich. Dementsprechend kann auf Basis dieser Daten auch keine Bereinigung des Verdienstunterschieds von Männern und Frauen von branchen- oder qualifikationsspezifischen Einflüssen auf die Einkommen erfolgen. Die Berechnung eines »bereinigten Gender Pay Gap« konnte bisher nur auf der Grundlage der im 4-jährigen Abstand durchgeführten Verdienststrukturerhebung erfolgen.6 Für die Beobachtung der Entwicklung der Verdienstunterschiede zwischen den Geschlechtern wurde eine jährliche Datengrundlage gefordert.

Neben diesen beiden Datennutzern haben sich in den letzten Jahren auch viele weitere Interessenten aus Wissenschaft und Forschung, von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden mit Wünschen nach zusätzlichen bzw. aktuelleren Daten zu den Verdiensten an die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder gewandt. Um die so gestiegenen Anforderungen zu befriedigen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Initiative ergriffen und die Novellierung des Verdienststatistikgesetzes (VerdStatG) auf den Weg gebracht.

Die Novellierung des Verdienststatistikgesetzes

Im Gesetzentwurf7, der dem Bundesrat vorgelegt wurde, steht in Kapitel A »Problem und Ziel«:

»Die Änderung sieht vor, die Erhebung der Arbeitsverdienste und die VSE8, die bisher nach den §§ 3 und 4 VerdStatG separat durchzuführen waren, miteinander zu verzahnen und so anzupassen, dass der zusätzliche Datenbedarf gedeckt werden kann. Hierzu wird in dem neuen § 4 VerdStatG eine monatliche digitale Verdiensterhebung eingeführt. Auf die vierteljährliche Erhebung der Arbeitsverdienste sowie auf die vierjährliche VSE wird künftig verzichtet. Durch die Ausnutzung von Automatisierungs- und Digitalisierungspotentialen werden die vorgesehenen Änderungen für die Wirtschaft so belastungsarm wie möglich umgesetzt.«

Was bedeutet das für die Melder, für die Bereitstellung der Ergebnisse und auch für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Statistischen Ämtern?

Die Vierteljährliche Verdiensterhebung und die Verdienststrukturerhebung werden durch eine neue Monatsstatistik abgelöst, die das Beste aus beiden Statistiken vereinen und deutlich aktuellere Konjunktur- und Strukturdaten liefern soll. Statt wie bisher vierteljährlich soll der Konjunkturindikator Nominallohnindex schon monatlich als Schnellindex vorliegen.9 Strukturdaten werden jährlich zur Verfügung stehen, statt wie bisher nur alle 4 Jahre. Dabei soll es Ergebnisse für alle Wirtschaftszweige und für alle Betriebe ab einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten geben, so wie bisher in der Verdienststrukturerhebung. Um die monatliche Meldepflicht so belastungsarm wie möglich durchzuführen, wurde im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens von den Statistischen Ämtern geprüft, wie die Erhebung so einfach wie möglich gestaltet werden kann. Die Erfahrung mit den beiden bisherigen Erhebungen hatten gezeigt, welche Merkmale der Erhebungen erhöhten Aufwand bei den Meldern verursachen, es wurde geprüft, welchen Daten aus anderen Quellen genutzt werden können, die technischen Lieferwege wurden ertüchtigt und das Stichprobendesign so gestaltet, dass nur so viele Betriebe befragt werden, wie es zur Ergebniserstellung unabdingbar ist. Für die monatliche, vierteljährliche und jährliche Plausibilisierung und Aufbereitung der Daten in den Statistischen Ämtern der Länder wurden nach umfangreichen vergleichenden Tests neue Methoden zur Automatisierung eingeführt, damit auch in der Statistikproduktion möglichst keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Das neue Konzept

Nach dem neuen Konzept werden nach wie vor Daten zum Betrieb insgesamt und Daten zu Arbeitnehmenden erhoben. Die Erhebung von Betriebsdaten wird gegenüber der Verdienststrukturerhebung drastisch reduziert, indem Informationen aus Registern genutzt werden. So sollen zum Beispiel Informationen zum wirtschaftlichen Schwerpunkt des Betriebes aus dem statistischen Unternehmensregister genutzt werden.10 Die Erhebungsmerkmale für die Arbeitnehmerdaten wurden so gestaltet, dass die Betriebe nur Daten melden müssen, die in dieser Form auch schon im betrieblichen Abrechnungswesen vorgehalten werden müssen, wie zum Beispiel entsprechend der Entgeltbescheinigungsverordnung. Statt wie bisher in der Vierteljährlichen Verdiensterhebung Quartalssummen bilden und die Mitarbeiter einzeln den statistikspezifischen Leistungsgruppen zuordnen zu müssen, sollen die Betriebe einfach die Daten zu allen Beschäftigten liefern, die vorliegen. Für jeden Beschäftigten ist ein Datensatz mit den geleisteten Arbeitsstunden und den Verdiensten11 bereitzustellen und mit den personenbezogenen Merkmalen, die auch an die Sozialversicherung bzw. an die Bundesagentur für Arbeit gemeldet werden müssen. Eins dieser Merkmale ist beispielsweise der Tätigkeitsschlüssel, der für die Anmeldung eines Beschäftigten bei der Krankenkasse benötigt wird. Er beinhaltet unter anderem in verschlüsselter Form den Beruf, den Bildungsabschluss und das Arbeitszeitmodell.12

Die Meldungen können online über zwei verschiedene Meldeverfahren (IDEV und eSTATISTIK.core) abgegeben werden, die bereits für die derzeitigen Verdiensterhebungen und für viele andere Statistiken zur Verfügung stehen. Beide Verfahren wurden für die neue Verdiensterhebung ertüchtigt. Bereits im Sommer 2020 wurden für die Anbieter von Lohnsteuersoftware detaillierte Informationen bereitgestellt, sodass sie die Statistik-Module ihrer Produkte entsprechend erweitern können. Umfangreiches Informationsmaterial für Melder und auch für Software-Anbieter stehen im Erhebungsportal des Bundes und der Länder unter dem Link https://erhebungsportal.estatistik.de (Abruf: 15.02.2021) zur Verfügung.

Der zeitliche Ablauf

Das Jahr 2021 wird ein Übergangsjahr sein. Damit ganzjährig Daten zur Verfügung stehen, wird die Vierteljährliche Verdiensterhebung noch für alle Quartale durchgeführt. Die Einführung der neuen Verdienststatistik beginnt mit einer einmaligen Meldung für den Berichtsmonat April 2021. In Baden-Württemberg wurden schon Ende 2020 die ersten Informationsschreiben an die Betriebe versandt, die mit einem mathematisch-statistischen Stichprobenverfahren als Berichtspflichtige ermittelt wurden. Den Betrieben sollte damit eine Vorlaufzeit gegeben werden, um sich auf die Erhebung vorzubereiten, um Rücksprache mit dem Lohnsteuersoftwareanbieter zu halten oder für die eigenständige Sammlung und Vorbereitung der benötigten Daten. Für diese »April-Erhebung« werden erstmals Daten übermittelt und aufbereitet. Ergebnisse werden für die Mindestlohnkommission erstellt. Die bei diesem ersten Durchgang gesammelten Erfahrungen werden in die Optimierung der Verfahren für den Dateneingang, die Datenaufbereitung und die Ergebniserstellung einfließen. Die fortlaufende monatliche Erhebung beginnt mit dem Monat Januar 2022. Monatlich wird dann ein »Schnellindex« mit den aktuellen Veränderungsraten der Bruttoverdienste veröffentlicht, vierteljährlich der Nominal- und Reallohnindex und jährlich umfangreiche Tabellen mit Strukturdaten zu den Verdiensten. Sie ermöglichen differenzierte und aktuelle Aussagen zur Verteilung der Verdienste und die Berechnung des bereinigten Gender Pay Gap. Mit dem Jahr 2023 beginnt der Austausch von jährlich einem Sechstel der berichtspflichtigen Betriebe in der Stichprobe.13 Die Übersicht zeigt den Vergleich und die zeitliche Abfolge der Verdienststatistik »alt« und »neu«.

1 Siehe Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020 Teil I Nr. 38.

2 Siehe Pristl, Karl: »Erweiterung der Verdienststrukturerhebung zur Mindestlohnstatistik«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 1/2015«.

3 Siehe Mindestlohngesetz § 9 Absatz 1 und 4.

4 Auf der Grundlage des § 7 des Bundestatistikgesetzes können »Zur Erfüllung eines kurzfristigen Datenbedarfs … Bundesstatistiken ohne Auskunftspflicht durchgeführt werden…«.

5 Zu Ergebnissen der § 7-Erhebungen zu den Verdienststrukturen siehe: Kann, Kathrin: Der Einfluss des Mindestlohns auf die Verdienststrukturen, in: Wirtschaft und Statistik WISTA 5/2018, Statistisches Bundesamt und Schymura, Stefan: Beschäftigte und ihre Verdienste nach der zweiten Erhöhung des Mindestlohns, in: WISTA 6/2020, Statistisches Bundesamt.

6 Siehe Finke, Claudia/Dumpert, Florian/Beck, Martin: Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen, in: WISTA 02/2017, Statistisches Bundesamtes.

7 Siehe Dokumentations- und Informationssystem des Deutschen Bundestages DIP, ID: 19-259310 Drucksache 89/20.

8 Verdienststrukturerhebung.

9 Der Nominallohnindex bildet die Veränderung der Bruttomonatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen der in Vollzeit, in Teilzeit und geringfügig Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich ab. Er erfasst die Verdienstentwicklung bei gleicher Beschäftigtenstruktur wie im Vorjahr, ausführliche Definition siehe: de la Croix, Madeleine/Hickl, Matthias: »Ergebnisse der Vierteljährlichen Verdiensterhebung 2017 in Baden-Württemberg«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 5/2018«.

10 Das Unternehmensregister enthält für alle in Deutschland wirtschaftlich aktiven Unternehmen, Unternehmensgruppen, Rechtlichen Einheiten und deren Niederlassungen Angaben zu Hilfsmerkmalen (Name, Adresse), Ordnungsmerkmalen (Wirtschaftszweig, Rechtsform etc.) und Größe (Umsatz, Beschäftigte).

11 Bezahlte Arbeitsstunden mit und ohne Überstunden, Bruttomonatsverdienst insgesamt und darunter die Sonderzahlungen, Überstundenvergütung, andere Zuschläge und Entgeltumwandlungen.

12 Wer sozialversicherungspflichtig Beschäftigte bei der Krankenkasse meldet, muss einen Tätigkeitsschlüssel angeben. Die 9 Ziffern der Schlüsselzahl stehen für verschiedene Informationen: Ausgeübte Tätigkeit (Stellen 1 – 5), Schulbildung (Stelle 6), beruflichen Ausbildung (Stelle 7), Zeitarbeitsverhältnis (Stelle 8), Vertragsform (Stelle 9); Quelle: https://www.arbeitsagentur.de (Abruf und Stand: 15.02.2021).

13 Es gibt allerdings Betriebe, die so branchenbestimmend sind, dass auf ihre Meldung nicht verzichtet werden kann. Das sind insbesondere Betriebe mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Sie verbleiben in der Stichprobe.