:: 5/2021

Innovationsindex 2020

Baden-Württemberg im europäischen Vergleich

Das Wachstums- und Beschäftigungspotenzial hoch entwickelter Volkswirtschaften hängt in besonderem Maß von der Fähigkeit ab, neues Wissen zu generieren, hieraus systematisch Ideen zu entwickeln und diese mit hohem Tempo in marktfähige Produkte und Dienstleistungen zu überführen. Innovationen leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung des Wohlstands eines Landes. Fundierte Kenntnisse über die Innovationsfähigkeit einer Region sind aus diesem Grund sowohl für die Politik zur Gestaltung von förderlichen Rahmenbedingungen als auch für die Wirtschaft zur Auswahl von geeigneten Forschungs- und Entwicklungsstandorten unerlässlich.

Innovationen lassen sich nicht direkt messen, deshalb wurde vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg ein Innovationsindex entwickelt. Dieser Index bündelt die Daten von sechs Innovationsindikatoren in einer Kennzahl und ermöglicht damit den direkten Vergleich der Innovationsfähigkeit verschiedener Wirtschaftsräume.

Im nachfolgenden Beitrag werden die Ergebnisse der Berechnung 2020 für 60 Länder und Regionen der Europäischen Union (EU) vorgestellt. In der Analyse steht die Beantwortung folgender Fragen im Vordergrund: Wie hoch ist die Innovationsfähigkeit der betrachteten Länder bzw. Regionen? Wie hat sich deren Innovationsfähigkeit in den vergangenen Jahren entwickelt? Wo steht Baden-Württemberg im europäischen Innovationsvergleich? Um ein differenziertes Bild über die Innovationsfähigkeit der EU-Mitgliedsländer und seiner Regionen zu erhalten, werden in der Analyse auch die einzelnen Innovationsindikatoren näher betrachtet.

Baden-Württemberg belegt Spitzenplatz1

Der Innovationsindex wird für die Länder und Regionen der Europäischen Union2 im 2-jährigen Turnus berechnet. In die Berechnung des Jahres 2020 wurden 60 Regionen einbezogen, und zwar die 27 EU-Mitgliedstaaten und 33 Regionen auf NUTS-1-Ebene3. Da sich die Anzahl der einbezogenen Regionen im Vergleich zu früheren Berechnungen deutlich reduziert hat, beschränkt sich der nachfolgende Rangvergleich auf die aktuelle Neuberechnung (i-Punkt »Methodische Erläuterungen«). Für die Berechnung standen Daten zu den Innovationsindikatoren bis einschließlich 2019 zur Verfügung. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Innovationsfähigkeit der Länder bzw. Regionen konnten in der vorliegenden Analyse daher noch nicht ermittelt werden.

Der Innovationsindex 2020 zeigt: Baden-Württemberg ist innerhalb der Europäischen Union weiterhin die Region mit der höchsten Innovationsfähigkeit. Mit einem Indexwert von 81 Punkten liegt der Südwesten an der Spitze des Innovationsvergleichs, beachtliche 19 Indexpunkte vor dem Zweitplatzierten. In der Spitzengruppe des EU-Rankings mit einem Indexwert von über 50 Punkten und einer damit ebenfalls hohen Innovationsfähigkeit liegen Bayern, die französische Hauptstadtregion Île de France, Schweden, Berlin, die südliche Region der Niederlande, Dänemark, Hamburg, Hessen, Finnland und Luxemburg (Schaubild 1).

Bei den ersten drei Rangplätzen ergab sich damit gegenüber 2018 keine Veränderung, jedoch traten in der Spitzengruppe insgesamt Rangverschiebungen um einen Platz auf. Im Rangplatz verbessern konnten sich Schweden, die südliche Region der Niederlande und Luxemburg, während Berlin, und Dänemark zurückfielen (Tabelle 1). 4

In der Schlussgruppe mit einem Indexwert unter 20 Punkten sind sieben EU-Länder und sechs europäische Regionen der NUTS-1-Ebene vertreten. In den spanischen Regionen Noroeste, Centro, Sur und Canarias (die Kanarischen Inseln), den italienischen Regionen Sud und Isole (Sizilien und Sardinien) sowie den EU-Ländern Litauen, Kroatien, Griechenland, Lettland, Zypern, Bulgarien und Rumänien ist die Innovationskraft im europäischen Vergleich am geringsten.

13 Bundesländer im europäischen Vergleich überdurchschnittlich

Neben den fünf Bundesländern in der Spitzengruppe des europäischen Innovationsvergleichs sind weitere drei Bundesländer, und zwar Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, im Vorderfeld der Rangfolge vertreten (Schaubild 2). Die verbleibenden Bundesländer befinden sich mit Indexwerten von 25 bis unter 45 Punkten im Mittelfeld dieses Innovationsvergleichs. Schleswig-Holstein mit einem Indexwert von 36 liegt dabei noch knapp über dem europäischen Durchschnitt, hingegen schneiden Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich ab. Damit weisen 13 Bundesländer einen Indexwert über dem europäischen Durchschnitt von 36 Punkten auf.

Im Bundesländervergleich wird das enorme Innovationspotenzial Süddeutschlands deutlich. In Baden-Württemberg, Bayern und Hessen liegt die Innovationsfähigkeit neben der Hauptstadt Berlin und dem Stadtstaat Hamburg zum Teil deutlich über dem durchschnittlichen Niveau aller Bundesländer (Indexwert Deutschland: 53). Hingegen schneiden die verbleibenden elf Bundesländer im deutschlandweiten Vergleich unterdurchschnittlich ab.

Schweden belegt unter den 27 EU-Ländern den Spitzenplatz

Beim Innovationsindex 2020 weist Schweden auf Länderebene das höchste Innovationspotenzial auf und führt damit die Spitzengruppe im EU-27-Vergleich an. Ausschlaggebend für die Spitzenposition Schwedens ist das hohe Engagement im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) und eine Vielzahl an Patentanmeldungen. Außerdem tragen der hohe Anteil der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen und der hohe Anteil der Erwerbstätigen in wissenschaftlich-technischen Berufen mit zu diesem Ergebnis bei, wie in Schaubild 3 zu erkennen ist. Hier sind die Anteile der einzelnen Innovationsindikatoren am Gesamtindex dargestellt. Mit einer etwas geringeren Innovationsfähigkeit folgt Dänemark auf Rang 2. Deutschland belegt 2020 den dritten Rang knapp vor Finnland. Im EU-27-Vergleich haben damit in der vergangenen Dekade Dänemark, Deutschland, Österreich und Malta ihre Position im Ranking um zwei und Portugal um beachtliche sechs Rangplätze verbessert.

Beim europäischen Innovationsvergleich auf Länderebene sind auf den letzten Rangplätzen mit dem vergleichsweise niedrigsten Innovationspotenzial (Indexwert unter 20 Punkten) die Länder Litauen, Kroatien, Griechenland, Lettland, Zypern, Bulgarien und Rumänien vertreten. Bei diesen in der Schlussgruppe liegenden Ländern weist der Landwirtschaftssektor im EU-Vergleich noch eine überdurchschnittliche Bedeutung auf. In Schaubild 3 ist zu erkennen, dass in diesen Ländern vergleichsweise wenige FuE-Ressourcen verfügbar sind und bisher eine geringe Anzahl an Patenten beim europäischen Patentamt angemeldet wurden.

Verteilung der Innovationsfähigkeit in den Ländern

Für die Länder Deutschland, Italien, Niederlande und Spanien liegen aufgrund der Berechnung 2020 Daten zur Innovationsfähigkeit auf regionaler NUTS-1-Ebene vor. Nachfolgend soll untersucht werden, wie die Innovationsfähigkeit auf deren Regionen verteilt ist. Schaubild 4 zeigt den jeweiligen minimalen und maximalen Indexwert der Regionen auf NUTS-1-Ebene der betrachteten Länder und zwar in Bezug zum Landes- und EU-Durchschnitt für die Berechnungsjahre 2010 und 2020. Hierbei ist zu beachten, dass die Länder sich in der Anzahl ihrer Regionen deutlich unterscheiden. Hinter der ausgewiesenen Spannweite zwischen Minimum und Maximum verbirgt sich damit jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Regionen, nämlich beispielsweise nur vier für die Niederlande bzw. bis zu 16 in Deutschland. Daher kann eine geringe Spannweite auch auf die geringe Anzahl an Regionen zurückgeführt werden. Durch diese Aufbereitung der Daten lassen sich dennoch interessante Aspekte erkennen.

Die Entwicklung der Innovationsfähigkeit zeichnet in Deutschland und in den Niederlanden ein ähnliches Bild. In diesen beiden Ländern hat sich die Innovationsfähigkeit im Betrachtungszeitraum 2010 bis 2020 erhöht. Im Vergleich zum Jahr 2010 hatte sich in Deutschland das durchschnittliche Innovationspotenzial des Landes von 47 auf 53 Indexpunkte verbessert. In den Niederlanden war diese Entwicklung deutlicher. Hier nahm das Innovationspotenzial von 36 auf 46 Indexpunkte zu. Die höchste Spannweite des Innovationsindex zwischen den Regionen eines Landes war 2020 in Deutschland zu beobachten. Diese umfasste einen Bereich von 53 Indexpunkten, dies ist gegenüber 2010 eine leichte Erhöhung, aber der Minimalwert des Landes hat sich insgesamt deutlich verbessert. Dies bedeutet, dass nicht nur bisher innovative Regionen des Landes ihre Innovationsfähigkeit weiter ausgebaut haben, sondern auch die Region mit dem geringsten Innovationspotenzial des Landes vermochte ihre Innovationsfähigkeit zu steigern. Eine analoge Entwicklung konnte auch für die Niederlande festgestellt werden. Hingegen hat sich in den Ländern Italien (fünf Regionen auf NUTS-1-Ebene) und Spanien (sieben Regionen auf NUTS-1-Ebene) eine andere Entwicklung abgezeichnet. Das durchschnittliche Innovationspotenzial hat sich im Betrachtungszeitraum zwar in diesen Ländern ebenfalls insgesamt erhöht. Jedoch ist das regionale Ausgangsniveau stabil geblieben; die Region mit dem geringsten Innovationspotenzial des Landes vermochte ihre Innovationsfähigkeit nicht zu steigern. Auch ändert sich dieses Bild kaum, wenn die weniger innovativen Inselregionen aus der Betrachtung herausgenommen werden.

Baden-Württemberg: Innovationsregion Nr. 1 in der EU

Ausschlaggebend für die Spitzenposition Baden-Württembergs sind beträchtliche Investitionen in Forschung und Entwicklung, der hohe Anteil des FuE-Personals, die hohe Bedeutung forschungsintensiver Industriezweige und der große Erfindungsreichtum. Der Südwesten belegt im europäischen Vergleich bei drei Innovationsindikatoren den höchsten und bei einem Innovationsindikator den zweithöchsten Wert (Tabelle 2). In Schaubild 5 sind die standardisierten Werte der einzelnen Indikatoren für den Südwesten, für die EU-27 und für Deutschland als Überblick im Netzdiagramm dargestellt.

Eine nähere Betrachtung der Innovationsindikatoren und deren Gewicht für den Index ergibt: Baden-Württemberg investiert 5,7 %5 seines Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Mit einer FuE-Intensität6 von 3,4 % bzw. je 3,1 % folgen mit deutlichem Abstand Berlin und Schweden sowie Niedersachsen und Bayern. Die Rangplätze der Länder und Regionen bei den einzelnen Indikatoren sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Auch beim Innovationsindikator FuE-Personalintensität7 befindet sich Baden-Württemberg mit 2,8 % vor der französischen Hauptstadtregion Île de France (2,7 %)8, Dänemark, Bremen, (2,2 % bzw. 2,1 %) und der niederländischen Region Zuid-Nederland (2,0 %) inzwischen ebenfalls auf dem europäischen Spitzenplatz.

In keiner in den Innovationsvergleich einbezogenen Region ist der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen höher als in Baden-Württemberg. Hierzulande arbeiten knapp 17 % aller Erwerbstätigen in industriellen Hochtechnologiebranchen9, beispielsweise im Maschinenbau, in der Herstellung von Kraftwagen und -motoren oder im Bereich Herstellung von DV-Geräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen. Dieser Anteil stagniert seit dem Jahr 200810 nahezu unverändert auf einem sehr hohen Niveau. Hinter Baden-Württemberg rangieren bei diesem Innovationsindikator, wie bereits in früheren Berechnungen, Bayern und die Tschechische Republik. Dort liegt der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen bei 13 % bzw. 12 %. Ebenfalls zweistellig und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt dieser Anteil in der Slowakei und Slowenien. Im europäischen Durchschnitt beträgt der Anteil der Erwerbstätigen in forschungsintensiven Industriezweigen hingegen nur knapp 6 %.11

Patente: Output-Indikator im Innovationsprozess

FuE-Ressourcen sind im Innovationsprozess sogenannte Input-Größen. Im Gegensatz hierzu sind Patente ein Ergebnis dieser Forschungstätigkeiten und werden daher als Output-Größe im Innovationsprozess bezeichnet. Der Innovationsindikator Patentanmeldungen lässt Rückschlüsse auf Umfang und Erfolg der Erfindertätigkeit in einer Region zu.

Die höchste Anzahl an Patentanmeldungen bezogen auf 1 Million (Mill.) Einwohner ist in der Region im Süden der Niederlande (Zuid-Nederland) zu verzeichnen. Neben der allgemein bekannten landwirtschaftlichen Produktion sind in den Niederlanden namhafte Industrieunternehmen beheimatet. In der südlichen Region der Niederlande sind beispielsweise Forschungseinrichtungen der Unternehmen Philips, Canon und DAF angesiedelt, die beträchtlich in FuE investieren und eine Vielzahl von Patenten anmelden.

Baden-Württemberg liegt im Ranking bei diesem Indikator auf Platz 2. Der Südwesten verfügt damit nicht nur über enorme Forschungs- und Entwicklungsressourcen, sondern zählt neben Bayern zu den größten Patentanmeldern Deutschlands und Europas. Bezogen auf 1 Mill. Einwohner werden von baden-württembergischen Erfindern weit mehr als viermal so viele Patente beim Europäischen Patentamt angemeldet wie im Durchschnitt aller 27 EU-Länder.12 Vorteilhaft für Baden-Württemberg wirkt sich aus, dass eine ganze Reihe innovativer Unternehmen wie beispielsweise BOSCH, Daimler, ZF Friedrichshafen, Porsche, Mahle, Valeo, Voith, TRUMPF, SAP, Heidelberger Druckmaschinen, Festo, IBM und Hewlett-Packard ihren Hauptsitz oder ein Tochterunternehmen in Baden-Württemberg haben. Einige dieser Unternehmen investieren hierzulande beachtliche Ressourcen in FuE und zählen auch zu den größten Patentanmeldern Deutschlands und Europas.

Wie in Schaubild 6 zu erkennen ist, würde Baden-Württemberg mit diesen vier zuvor dargestellten Innovationsindikatoren bereits den Spitzenplatz erreichen. In der Grafik sind die Anteile der einzelnen Innovationsindikatoren am Gesamtindex der Länder und Regionen bis Rangplatz 20 dargestellt.

Baden-Württemberg: wenig Erwerbstätige in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen

Analog zu früheren Berechnungen schneidet der Südwesten im EU-Vergleich beim Innovationsindikator »Anteil der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen« schwächer ab. Mit einem Anteil von 38 % liegt Baden-Württemberg bei diesem Indikator sogar unter dem Durchschnitt der EU-27 (39 %). Zu den wissensintensiven Dienstleistungsbranchen zählen neben Ingenieur-, Finanz- sowie Informations- und Kommunikationsdienstleistungen beispielsweise auch Dienstleistungen aus dem Bereich der Logistik, Gesundheit und Medien. Der niedrigere Erwerbstätigenanteil in diesen Branchen wird allerdings auch verursacht durch die Bedeutung der industriellen Hochtechnologiebranchen im Land, in denen viele hochwertige Dienstleistungsfunktionen, auch wissensintensive Tätigkeiten, von den Unternehmen selbst wahrgenommen werden. Der Anteil der Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen liegt mit rund 55 % in Luxemburg am höchsten. Es folgen Berlin, die Region Île de France und Schweden mit einem Anteil von rund 54 %.

In den wissensintensiven Dienstleistungsbranchen ist der Anteil der Hochqualifizierten im Durchschnitt höher als in der High-Tech-Industrie. Beim Innovationsindikator »Erwerbstätigenanteil in wissenschaftlich-technischen Berufen«, der das Qualifikationsniveau berücksichtigt, befinden sich neben Schweden große Stadtregionen wie Luxemburg, Berlin und Hamburg im europäischen Ranking auf den vorderen Rängen. Baden-Württemberg belegt 2020 bei diesem Innovationsindikator mit einem Wert von 43 % einen Platz im Vorderfeld und liegt damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 37 %.

Innovationspotenzial im Zeitverlauf

Um einen intertemporalen Vergleich der Innovationsfähigkeit der Länder und Regionen der europäischen Union zu ermöglichen, wurde der Innovationsindex der Jahre 2010, 2012, 2014, 2016 und 2018 neu berechnet, das heißt die aktuell vorliegende Zeitreihe wurde über eine Rückrechnung realisiert. Hierzu wurden die aktualisierten Daten dieser Jahre einbezogen. Als Basis für die Standardisierung dieser Daten wurden die Min/Max-Werte der Berechnung 2020 herangezogen.13 Im Vordergrund der Untersuchung steht hier die Frage: Wie hat sich die Innovationsfähigkeit in den EU-Regionen und besonders im Südwesten in den vergangen 10 Jahren entwickelt? Zur Bestimmung der Innovationsdynamik wird die OLS-Schätzung der Zeitreihe herangezogen (i-Punkt »Methodische Erläuterungen«). Für die vergangene Dekade konnte für 46 Länder bzw. Regionen eine Zunahme der Innovationsfähigkeit ermittelt werden. Die höchste Innovationsdynamik wies in der betrachteten Dekade die südliche Region der Niederlande sowie die Länder Portugal, Österreich und Polen auf. Diese Länder haben im betrachteten Zeitraum ihre Innovationsfähigkeit um durchschnittlich gut einen Indexpunkt pro Jahr verbessert.

Nicht alle in die Berechnung einbezogenen Regionen konnten ihre Innovationsfähigkeit in den vergangenen Jahren verbessern. In neun Regionen wurde ein stabiler Trend bezüglich der Entwicklung der Innovationsfähigkeit ermittelt. Hierzu zählt die französische Region Île de France, die vier spanischen Regionen Centro, Comunidad de Madrid, Sur und Canarias, das Bundesland Hessen, Finnland sowie die zwei italienischen Regionen Sud und Isole. Nur im Großherzogtum Luxemburg mit seinen rund 600 000 Einwohnerinnen und Einwohnern war die Entwicklung der Innovationsfähigkeit in den letzten Jahren von der Tendenz her abwärtsgerichtet. Insgesamt hat sich im europäischen Vergleich die Innovationsfähigkeit in der vergangenen Dekade damit um durchschnittlich 0,7 Indexpunkte pro Jahr verbessert (Tabelle 1).

Spitzengruppe: südliche Region der Niederlande mit höchster Innovationsdynamik

Wie hat sich die Innovationsfähigkeit in der Spitzengruppe in den vergangenen 10 Jahren entwickelt? Ausgehend von einem bereits hohen Niveau wird in der Spitzengruppe eher eine moderate Verbesserung der Innovationsfähigkeit erwartet. Besonders beachtlich ist daher die Entwicklung in der südlichen Region der Niederlande. Diese zeigte im Betrachtungszeitraum die höchste ermittelte Innovationsdynamik von durchschnittlich 1,4 Indexpunkte pro Jahr. Mit einem Indexwert von 59 Punkten (2010: 46 Indexpunkte) liegt die Region inzwischen im EU-Vergleich auf dem sechsten Rangplatz und hat sich damit gegenüber der Vordekade deutlich verbessert (Schaubild 7).

Im EU-Vergleich verbesserte sich die Innovationsfähigkeit in der vergangenen Dekade neben der südlichen Region der Niederlande nur noch in Hamburg überdurchschnittlich. Hingegen hat sich das Innovationspotenzial in Baden-Württemberg und in Dänemark mit einem vergleichsweise stabilen, aufwärts gerichteten Trend entwickelt. Im europäischen Vergleich zeigte sich hier jedoch nur eine durchschnittliche Verbesserung der Innovationsfähigkeit.

Eine positive, wenn auch im EU-Vergleich unterdurchschnittliche Veränderung der Innovationsfähigkeit, wurde für Berlin, Schweden und Bayern festgestellt. Ein positiver Verlauf ist jedoch nicht in allen Regionen der Spitzengruppe ersichtlich. In Île de France, Hessen und Finnland entwickelte sich die Innovationsfähigkeit mit einem seitwärts gerichteten Trend, das heißt sie blieb im betrachteten Zeitraum vergleichsweise konstant. In Luxemburg war dieser Verlauf sogar negativ.

Vorderfeld: Österreich mit hoher Innovationsdynamik

Im Vorderfeld zeigt sich im Vergleich zur Spitzengruppe ein deutlich dynamischeres Bild bezüglich der Veränderung der Innovationsfähigkeit. In fünf der sechs Länder bzw. Regionen hat sich die Innovationsfähigkeit innerhalb der zurückliegenden Dekade im europäischen Vergleich mit mindesten rund 0,9 Indexpunkten pro Jahr verbessert. Hierzu zählen Österreich, Bremen, die westliche Region der Niederlande, Belgien und Niedersachen. Am höchsten war dieser positive Trend mit 1,1 Indexpunkten pro Jahr in Österreich. Mit einem Indexwert von 46 Punkten (2010: 35 Indexpunkte) liegt die Alpenrepublik inzwischen im EU-Vergleich auf dem 15. Rangplatz (Schaubild 8).

Neben den bereits erwähnten zwei Regionen der Niederlande haben sich auch die weiteren zwei Regionen dieses EU-Landes, die im Mittelfeld des Innovationsvergleichs liegen, mit einer überdurchschnittlichen Dynamik entwickelt und damit zur hohen Innovationsdynamik des Landes insgesamt beigetragen.

Ebenfalls mit hoher Dynamik und somit im europäischen Vergleich weit überdurchschnittlich hat sich die Innovationsfähigkeit in Portugal und in Polen verbessert. Beide EU-Länder konnten ihre Innovationsfähigkeit in der vergangenen Dekade im Durchschnitt mit mehr als einem Indexpunkt pro Jahr verbessern. Das 2004 der EU beigetretene Land Polen hat bei der Berechnung 2020 mit fast 22 Indexpunkten den Sprung heraus aus der Schlussgruppe geschafft. Im Jahr 2010 wies das Land noch einen Indexwert von 12 Punkten auf. Portugal hatte diese Hürde bereits zum Berechnungstand 2016 überwunden.

Baden-Württemberg – Spitzenplatz in Gefahr?

Weniger dynamische Regionen laufen Gefahr, bei der Innovationsfähigkeit im Zeitverlauf zurückzufallen. Baden-Württemberg bleibt bei der Innovationsdynamik deutlich hinter der europäischen Spitze zurück. Ausgehend von einem bereits hohen Niveau hat sich das Innovationspotenzial in Baden-Württemberg mit einem vergleichsweise stabilen, aufwärts gerichteten Trend entwickelt. Im europäischen Vergleich zeigte sich im Südwesten damit nur eine durchschnittliche Verbesserung der Innovationsfähigkeit.

Auch der Großteil der übrigen Spitzenreiter des Index zeigen im europäischen Vergleich eine eher verhaltene Entwicklung. Eine Ausnahme ist hier die südliche Region der Niederlande. Aufgrund dieser überdurchschnittlichen Dynamik hat sich im Betrachtungszeitraum der Abstand im Vergleich zu Baden-Württemberg von 27 Indexpunkten auf 22 Indexpunkte verringert. Gleichwohl steht Baden-Württemberg weiterhin mit deutlichem Abstand an der Spitze des Innovationsvergleichs und konnte seine führende Position in der vergangenen Dekade sogar ausweiten. 2010 betrug der Abstand zur zweitplatzierten Region Bayern 16 Indexpunkte und im Jahr 2020 beträgt dieser Abstand nun 19 Indexpunkte.

Dennoch stellt sich die Frage: Weshalb ist in Baden-Württemberg nur eine durchschnittliche Innovationdynamik festzustellen? Gründe hierfür sind: Baden-Württemberg weist bei drei der betrachteten Innovationsindikatoren bereits ein sehr hohes Niveau auf – im EU-Vergleich das höchste (Schaubild 5). Um diese Indikatoren prozentual nennenswert zu erhöhen, sind deutlich höhere Aktivitäten erforderlich als in Ländern und Regionen mit einer vergleichsweise niedrigen Ausgangsbasis. Bei FuE-Ressourcen ergab sich im Betrachtungszeitraum trotz eines sehr hohen Niveaus eine überdurchschnittlich starke Zunahme. Eine unterdurchschnittliche Entwicklung zeigt sich hingegen bei den Erwerbstätigen in wissensintensiven Dienstleistungsbranchen und den Erwerbstätigen in wissenschaftlich-technischen Berufen. Ausschlaggebend für die insgesamt im Zeitverlauf nur durchschnittliche Innovationsdynamik ist der seit 201014 stetige Rückgang bei den Patentanmeldungen.

Index – kritisch betrachtet

Die Verdichtung von Informationen zu einer Kennzahl ist praktisch und hilfreich, da sie den Vergleich von Regionen erleichtert. Dabei gehen jedoch zwangsläufig auch Informationen verloren. Die angewandte Methode zur Verdichtung dieser Daten und im Besonderen die Anzahl, Auswahl und die Gewichtung der eingesetzten Indikatoren hat einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis. Bei deren Auswahl stehen die Validität und Reliabilität im Vordergrund, jedoch gibt es derzeit keine Methode, welche die Bedeutung der einzelnen Indikatoren für die Innovationsfähigkeit einer Region zuverlässig empirisch bestimmen kann.

Fazit

Der Innovationsindex 2020 zeigt:

  • Baden-Württemberg ist in der EU mit einem Indexwert von 81 Punkten unangefochten die Region mit dem höchsten Innovationspotenzial. Ausgehend von einem bereits hohen Niveau hat sich hierzulande in den vergangenen 10 Jahren die Innovationsfähigkeit im europäischen Vergleich nur durchschnittlich verbessert. Der Abstand zum im Ranking Zweitplatzierten hat sich dennoch erhöht.
  • 13 Bundesländer weisen im europäischen Vergleich eine überdurchschnittliche Innovationsfähigkeit von über 36 Indexpunkten auf.
  • Im Ranking der Bundesländer liegen Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg und Hessen vorne und weisen deutschlandweit ein überdurchschnittliches Niveau beim Innovationspotenzial auf.
  • Im Vergleich der EU-27-Länder belegt Schweden, gefolgt von Dänemark, Deutschland und Finnland den Spitzenplatz. In der vergangenen Dekade haben Dänemark, Deutschland, Österreich und Malta ihre Position im Ranking um zwei und Portugal um beachtliche sechs Rangplätze verbessert.
  • Für die vergangene Dekade wurde der Rückgang der Innovationsfähigkeit in Luxemburg ermittelt. Neun Wirtschaftsräume konnten ihre Innovationsfähigkeit im Untersuchungszeitraum nicht verbessern und sind daher im Innovationsvergleich in der Rangposition teilweise zurückgefallen.
  • Die südliche Region der Niederlande sowie die Ländern Portugal, Österreich und Polen haben ihre Innovationsfähigkeit in der vergangenen Dekade deutlich verbessert und liegen beim Ranking bezüglich der Innovationsdynamik auf den vorderen Plätzen.

1 Der Innovationsindex 2020 weist das Niveau der Innovationsfähigkeit aus und gibt damit Hinweise zum aktuellen technologischen Ist-Zustand. Die Entwicklung bzw. Dynamik der Innovationsfähigkeit in den einzelnen Ländern bzw. Regionen ist aus der berechneten Zeitreihe zu ersehen. Die neu ermittelten Werte des Index sind nicht mit Berechnungen aus früheren Jahren vergleichbar.

2 Der Innovationsindex wird außerdem für die Kreise und Regionen in Baden-Württemberg berechnet.

3 Die Gebietssystematik »Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques« – kurz NUTS – ist eine Klassifikation der Regionen innerhalb der EU zur Erstellung regional vergleichbarer Statistiken, die auf Verwaltungseinheiten basiert. Die NUTS-0-Ebene entspricht den Mitgliedstaaten der EU und die NUTS-1-Ebene entspricht in Deutschland den Bundesländern.

4 Vergleich in Bezug auf die aktuelle Neuberechnung. Aufgrund der Änderung der Anzahl der Regionen und der Aktualisierung der einbezogenen Daten sind die für die Länder bzw. Regionen ermittelten Ränge nicht mit Berechnungen aus früheren Jahren vergleichbar. Wie bisher werden Länder, deren Regionen auf NUTS-1-Ebene in die Berechnung einbezogen wurden, nicht im Rangvergleich berücksichtigt. Dies sind 2020 die Länder Deutschland, Italien, Niederlande und Spanien.

5 Eurostat, Stand November 2020, Daten 2017.

6 Forschungs- und Entwicklungsausgaben bezogen auf das nominale Bruttoinlandsprodukt.

7 FuE-Personal in Vollzeitäquivalenten insgesamt bezogen auf die Erwerbspersonen insgesamt.

8 Eurostat, November 2020, Daten 2013.

9 FuE-intensive Industriezweige.

10 Aufgrund der Änderung der Klassifikation der Wirtschaftszweige in 2008 ist ein Vergleich mit früheren Jahren nur eingeschränkt möglich.

11 Eurostat, November 2020, Daten 2017.

12 Patentanmeldungen beim europäischen Patentamt. Die Auswertung erfolgte über die weltweite Patentstatistik-Datenbank PATSTAT, und zwar nach Erfinderwohnsitz. Die regionalen Patentdaten auf NUTS-1-Ebene des Jahres 2017 wurden anhand der aktuellsten zur Verfügung stehenden regionalen Verteilung der Jahre 2011 bis 2015 aus den nationalen Werten 2017 geschätzt.

13 Der neu ermittelte Index sowie der Rang der Regionen und Länder ist somit nicht mit Berechnungen aus früheren Jahren vergleichbar, siehe auch Methodenbeschreibung.

14 Patentanmeldungen im Zeitraum 2007 bis 2017.