:: 7/2021

Migrationshintergrund – Die zugewanderte Bevölkerung in Baden-Württemberg

Zuwanderungsmotive und die wichtigsten Herkunftsländer

3,7 Millionen (Mill.) Menschen oder ein Drittel der Bevölkerung in Baden-Württemberg verfügt über einen Migrationshintergrund. Davon sind über 2,3 Mill. Menschen selbst zugewandert und 1,3 Mill. in Deutschland geboren. Die Gründe, die zu einer Zuwanderung nach Deutschland führen, sind vielfältig. Grundsätzlich können die Ursachen für Migration beispielsweise sozio-politischer, demografischer, ökonomischer sowie ökologischer Natur oder eine Kombination aus verschiedenen Faktoren sein. Im Mikrozensus wird das Hauptmotiv für den Zuzug erfasst. Demnach waren die Hauptzuzugsmotive der 2019 in Baden-Württemberg lebenden zugewanderten Personen1 vor allem die Familienzusammenführung bzw. die Einreise mit einem Familienmitglied sowie die Beschäftigungsperspektive. Über 40 % der zugewanderten Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger immigrierten mit einem Familienmitglied oder kamen aufgrund einer Familienzusammenführung nach Deutschland. Weitere 21 % gaben als Hauptmotiv der Migration Arbeit und Beschäftigung an.

Die zugewanderten Baden-Württemberger/ -innen stammen überwiegend aus Europa: 72 % kommen aus einem europäischen Land und 42 % aus der Europäischen Union (EU). Die Bedeutung der Hauptmotive sowie der Herkunftsländer variiert dabei im Zeitverlauf. Die dominierenden Zuwanderungsmotive und Herkunftsländer der heute in Baden-Württemberg lebenden Personen mit eigener Migrationserfahrung werden nachfolgend genauer betrachtet (siehe i-Punkt: »Der Migrationshintergrund im Mikrozensus«).2

Zugewanderte Bevölkerung im Bundesvergleich

Im Jahr 2019 lebten in Baden-Württemberg 3,7 Mill. Personen mit Migrationshintergrund in Privathaushalten. Dies entspricht rund 33,8 % der baden-württembergischen Bevölkerung. 2,3 Mill. Menschen, die Mehrheit der Bevölkerung Baden-Württembergs mit Migrationshintergrund, ist selbst nach Deutschland eingewandert. Dies entspricht 21,3 % der baden-württembergischen Bevölkerung oder 63 % der Bevölkerung mit Migrationshintergrund. Diese Mitbürgerinnen und Mitbürger mit eigener Migrationserfahrung sind gemeint, wenn im Folgenden von Zugwanderten gesprochen wird. Insgesamt leben in Baden-Württemberg hiervon etwas mehr Männer als Frauen (Tabelle 1 und Tabelle 2).

Mit einem Anteil von 21,3 % der Zugwanderten an der Gesamtbevölkerung des Bundeslandes findet sich Baden-Württemberg im Bundesvergleich hinter Bremen (24,4 %), Hamburg (22,4 %), Berlin (22,1 %) und Hessen (21,8 %) auf Platz 5 wieder. In absoluten Zahlen leben im Bundesvergleich nur in Nordrhein-Westfalen (3,3 Mill.) mehr Personen mit eigener Migrationserfahrung als in Baden-Württemberg. Von den in Baden-Württemberg lebenden Zugewanderten sind 1,4 Mill. Ausländerinnen und Ausländer (61,6 %) und rund 898 000 Deutsche (38,4 %). Von den nach Deutschland zugewanderten Personen mit deutschem Pass sind 53,3 % als (Spät-) Aussiedler/-innen nach Deutschland eingewandert. In etwa 40 % der zugewanderten Deutschen wurden eingebürgert, 5,7 % wurden als Deutsche geboren und weitere 1,1 % wurden adoptiert.

Die Hauptmotive der Zuwanderung der Baden-Württemberger/-innen

Die Struktur und das Ausmaß von Migrationsbewegungen hängen von einem Zusammenspiel komplexer Triebkräfte ab. Diese lassen sich in die Dimensionen demografisch, ökonomisch, ökologisch, individuell, politisch-institutionell, sozio-kulturell, supranational sowie Sicherheitsaspekte oder die menschliche Entwicklung betreffend einteilen.3 Die Ursachen können sowohl im Herkunfts- als auch im Zielland zu finden sein. Der Mikrozensus kann diese komplexen Migrationsmotive in ihrer Gänze nicht abbilden. Stattdessen legt er offen, welches Motiv die hauptsächliche Zuwanderungsursache darstellt. Mögliche Zuwanderungsgründe nach Mikrozensus sind die Arbeits- und Beschäftigungsperspektive mit oder ohne Stellenzusage bei der Einreise, das Studium sowie andere Formen der Aus- oder Weiterbildung, die Einreise oder die Zusammenführung mit Familienmitgliedern, die Gründung einer Familie bzw. die Partnerschaft mit einer in Deutschland lebenden Person, die europäische Freizügigkeit, Flucht, Vertreibung, Verfolgung und Asyl sowie andere Hauptgründe4 (siehe auch Abbildung).

Nach Mikrozensusergebnissen des Jahres 2019 sind rund 967 000 Personen der baden-württembergischen Bevölkerung aufgrund der Einreise mit einem Familienangehörigen oder einer Familienzusammenführung nach Deutschland zugewandert. Die Einreise mit Familienangehörigen oder eine Familienzusammenführung ist somit mit 41,3 % das meistgenannte Hauptmotiv der Zuwanderung. Weitere 21,3 % der in Baden-Württemberg lebenden, selbst nach Deutschland zugewanderten Personen gaben als Hauptmotiv der Zuwanderung die Arbeitsperspektive an. Von diesen knapp 500 000 Menschen verfügten 62 % bereits über eine Stellenzusage vor Einreise. Knapp 38 % hatten bei Einreise noch keine Stellenzusage vorliegen. Rund 300 000 oder 12,6 % der Zugewanderten gaben als Hauptmotiv Flucht, Asyl, Vertreibung oder Verfolgung an. 10,4 % nannten die Gründung einer Familie als Hauptmotiv der Zuwanderung und weitere 4,4 % das Studium bzw. die Aus- oder Weiterbildung (Tabelle 2).

Zuwanderungsmotive in Baden-Württemberg im Zeitvergleich

Heute leben noch ca. 174 000 Menschen in Baden-Württemberg, die vor 1950 bis 1969 nach Deutschland eingewandert sind. Sie zogen zu 42,8 % mit einem Familienmitglied mit oder einem Familienmitglied nach. Wird nur die männliche Bevölkerung betrachtet, war für die vor 1950 bis 1969 zugewanderten Männer das Beschäftigungsmotiv noch vor der Familienzusammenführung bzw. der Einreise mit einem Familienmitglied der wichtigste Einwanderungsgrund (Tabelle 2).

Von den in Baden-Württemberg lebenden rund 502 000 Personen, die zwischen 1970 und 1989 zuwanderten, kamen 51,9 % aufgrund einer Familienzusammenführung oder mit einem Familienmitglied nach Deutschland. Bei der in den Jahren zwischen 1990 bis 1999 eingewanderten Bevölkerung Baden-Württembergs sind rund 286 000 Personen mit Familienangehörigen eingereist oder diesen nachzogen. Dies entspricht 50,2 % der in diesem Jahrzehnt eingewanderten Bevölkerung. Für die in den beiden folgenden Jahrzehnten eingewanderte Bevölkerung war dieses Hauptmotiv weniger häufig. So nannten es nur 29 % der zwischen 2010 und 2019 zugewanderten Bevölkerung als Hauptmotiv. Mit 31,2 % wanderte der größte Anteil der in diesem Jahrzehnt eingereisten Bevölkerung aufgrund der beruflichen Perspektive nach Deutschland ein.

Insgesamt ist Arbeit und Beschäftigung nach der Familienzusammenführung bzw. der Einreise mit einem Familienangehörigen das zweitwichtigste Hauptmotiv der Zuwanderung der heute in Baden-Württemberg lebenden selbst immigrierten Bevölkerung. Werden nur die weiblichen Zugewanderten betrachtet, ist die Beschäftigungsperspektive als Zuwanderungsmotiv über alle betrachteten Zeiträume von geringerer Bedeutung als bei den Männern. Auf Platz 2 der Migrationsgründe liegt bei Zuwanderinnen stattdessen die Familiengründung.

Geschlechterübergreifend verfügte die Mehrheit der Zuwanderinnen und Zuwanderer die aufgrund der Arbeitsperspektive einwanderten in allen Zuzugszeiträumen bereits vor der Einreise über eine Arbeitsstelle.

Betrachtet man dieses Zuzugsmotiv im Zeitverlauf, zeigen sich Schwankungen: Zwischen 1990 und 1999 wanderten mehr der Baden-Württemberger/-innen aufgrund von Flucht, Vertreibung, Verfolgung und Asyl nach Deutschland ein. Die Beschäftigung rutschte hier auf den dritten Platz der Zuzugsmotive. Eine weitere Ausnahme ist der Zeitraum zwischen 2000 und 2009. Hier wurde die Beschäftigung von der Heirat oder Partnerschaft mit einer in Deutschland lebenden Person vom zweiten Platz der Zuwanderungsmotive verdrängt.

Eine Ursache, die zu der geringeren Bedeutung des Beschäftigungsmotivs als Zuwanderungsgrund in diesen beiden Jahrzehnten beigetragen hat, ist der deutsche Arbeitsmarkt. Nach der Wiedervereinigung musste Deutschland die Arbeitskräfte der neuen Bundesländer in den Arbeitsmarkt integrieren. Die Arbeitslosenquote stieg von 7,2 % im Jahr 1990 auf 13 % im Jahr 2005 an. In Baden-Württemberg stieg die Quote von 4,1 % auf 7,8 %. Erst nach 2005 begann sie sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene wieder zu sinken.5 Die höhere Arbeitslosenquote machte den deutschen Arbeitsmarkt für Migrationswillige weniger interessant. Weitere Gründe für die Verschiebung der Bedeutung der Migrationsmotive für diese beiden Jahrzehnte liegen vor allem in den Herkunftsländern. Auf diese wird weiter unten eingegangen.

Der Anteil der Bevölkerung, die Flucht, Verfolgung, Vertreibung und Asyl als Hauptmotiv der Zuwanderung nennt, variiert von Zuwanderungszeitraum zu Zuwanderungszeitraum stark. So lag er bei der Bevölkerung die zwischen 1990 und 1999 einwanderte bei 14,9 %, im darauffolgenden Jahrzehnt bei 5,5 % und zwischen 2010 und 2019 bei 16,3 %. Sowohl zwischen 1990 und 1999 als auch zwischen 2010 und 2019 spielte jeweils eine Einwanderungsgruppe eine bedeutende Rolle. Hierauf wird weiter unten näher eingegangen.

Zuwanderung aus Europa

Von den 2,3 Mill. Menschen mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg, die selbst eingewandert sind, stammen knapp 1 Mill. aus den EU-28-Staaten6 und weitere rund 700 000 Menschen aus dem restlichen Europa. Insgesamt kommen somit 72 % aller zugewanderten Menschen aus dem europäischen Ausland und 42 % aus den 28 EU-Staaten. Für über 700 000 Europäerinnen und Europäer war die Familienzusammenführung bzw. die Einreise mit Familienmitgliedern das Hauptmotiv der Zuwanderung. Dies entspricht knapp 43 % der europäischen Zuwanderinnen und Zuwanderer. Die in Baden-Württemberg lebenden Menschen aus den EU-28-Staaten wanderten zu 39,5 % aus diesem Motiv ein (Tabelle 3 und Schaubild).

Für 26 % aller Europäerinnen und Europäer in Baden-Württemberg war die Beschäftigungsperspektive das Hauptmotiv für die Zuwanderung nach Deutschland. Die Arbeitsperspektive war somit der zweitwichtigste Grund der Zuwanderung. Von diesen rund 438 000 Europäerinnen und Europäern, die aufgrund der Arbeitsperspektive nach Deutschland zugewandert sind, verfügten 62 % bereits vor der Einreise über eine Stellenzusage.

Die aus den EU-28-Staaten stammenden Mitbürgerinnen und Mitbürger nannten zu knapp 32 % die Arbeitsperspektive als Haupteinwanderungsgrund. Auch hier verfügten ungefähr zwei Drittel der in Baden-Württemberg lebenden Personen bereits bei der Einreise über eine Stellenzusage.

Die elf wichtigsten Herkunftsländer

Im Jahr 1955, 3 Jahre nach der Gründung Baden-Württembergs, schloss die Bundesrepublik mit Italien das erste Anwerbeabkommen ab. Es folgten weitere Abkommen mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko und Südkorea (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Die Gastarbeiter/-innen aus diesen Ländern sowie ihre Nachkommen prägen bis heute die Herkunftsstruktur der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg. So gehören Italien, Griechenland und die Türkei bis heute zu den elf Ländern, aus denen die meisten in Baden-Württemberg lebenden Menschen mit eigener Migrationserfahrung eingewandert sind. Mit Bosnien-Herzegowina, Kroatien und dem Kosovo sind drei Nachfolgestaaten Jugoslawiens ebenfalls unter den wichtigsten Ursprungsländern der zugewanderten Bevölkerung zu finden. Ergänzend zu diesen sechs Ländern gehören Kasachstan, Polen, Rumänien, Russland und Syrien zu den elf bedeutendsten Herkunftsländern der zugewanderten Bevölkerung. Knapp 65 % der zugewanderten Bevölkerung Baden-Württembergs stammt aus einem dieser elf Länder (Tabelle 4).

Die Türkei und Rumänien sind mit 9,9 % bzw. 9,8 % die beiden wichtigsten Herkunftsländer. Die größte Gruppe der Zugewanderten kommt bei den Männern aus der Türkei und bei den Frauen aus Rumänien. Das drittwichtigste Herkunftsland ist bei beiden Geschlechtern Kasachstan. Während aus Rumänien und Kasachstan etwas mehr weibliche als männliche Immigranten in Baden-Württemberg leben, ist die Zahl der aus der Türkei stammenden Zuwandererinnen und Zuwanderer identisch.

Zuzug aus den wichtigsten Herkunftsländern im Zeitverlauf

Die Anwerbestaaten prägten insbesondere mit Blick auf die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik die Herkunftsstruktur der zugewanderten Bevölkerung in Baden-Württemberg. Von der vor 1950 bis 1969 eingewanderten Bevölkerung kamen 62,2 % aus einem dieser Länder. Allein aus Italien kommen 19,7 % der in diesem Zeitraum eingewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürger (Tabelle 5).

Von den zwischen 1970 und 1989 knapp 500 000 zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern kamen 24 % aus der Türkei. In diesen beiden Jahrzehnten wanderten 52 % der insgesamt rund 232 000 aus der Türkei immigrierten baden-württembergischen Bevölkerung ein. Hiervon kamen 74 000 aufgrund der Familienzusammenführung oder mit der Familie nach Deutschland. Die Herkunftsstruktur der in den darauffolgenden Zuzugsjahrzehnten eingewanderten Bevölkerung wird weniger stark durch die Türkei geprägt. Insbesondere bei der zwischen 2010 und 2019 eingewanderten Bevölkerung wanderten nur 2,8 % aus der Türkei ein (Tabelle 5 und 6).

Für den Zeitraum zwischen 1990 bis 1999 sind andere Herkunftsländer prägend. Die Zuwanderung steht in diesem Jahrzehnt in engem Zusammenhang mit zwei geopolitischen Ereignissen. Zum einen ist dies die Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1992. Aus Kasachstan und Russland, zwei ehemaligen Teilstaaten der UdSSR, stammen 23,1 % bzw. 16,1 % aller in jenem Jahrzehnt nach Deutschland zugewanderten Baden-Württemberger/-innen. 56 % der russischstämmigen selbst eingewanderten und 69 % der aus Kasachstan selbst immigrierten Mitbürger/ -innen kamen kurz vor oder in den Jahren nach der Auflösung der Sowjetunion nach Deutschland. In diesem Zeitraum zwischen 1990 und 1999 war für rund 61 000 (ca. zwei Drittel) der aus Russland immigrierten und rund 93 000 (70 %) der aus Kasachstan eingewanderten Personen die Familienzusammenführung oder die Einreise mit einem Familienmitglied das Hauptmotiv der Migration.

Auch bei den zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die zwischen 2000 und 2009 nach Deutschland kamen, stammen die beiden größten Gruppen aus Russland (13,6 %) und Kasachstan (11,5 %). Im nachfolgenden Zuzugsjahrzehnt hat die Bedeutung dieser Herkunftsländer hingegen deutlich nachgelassen.

Die aus dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina zugewanderten Menschen prägen in Baden-Württemberg die Bevölkerungsstruktur insbesondere durch das Zuzugsjahrzehnt 1990 bis 1999. Mit der durch Slowenien und Kroatien im Jahr 1991 erklärten Unabhängigkeit begannen die Jugoslawienkriege, die bis zum Ende des Kosovokriegs im Jahr 1999 andauerten. Das Kriegsgeschehen hatte dabei großen Einfluss auf die Wanderungsströme aus den ehemaligen jugoslawischen Teilstaaten. Dies ist das zweite geopolitische Ereignis des Jahrzehntes mit bis heute anhaltender Auswirkung auf die Struktur der zugewanderten Bevölkerung Baden-Württembergs. Ca. 23 000 der 74 000 aus Bosnien und Herzegowina und knapp 38 000 der 73 000 aus dem Kosovo zugewanderten Baden-Württemberger/-innen sind zwischen 1990 und 1999 immigriert. Hierunter war für ca. 11 000 der aus Bosnien-Herzegowina und rund 17 000 der aus dem Kosovo stammenden Bevölkerung Flucht, Verfolgung und Asyl das Hauptmotiv der Migration.

Insgesamt wird die Struktur der heute in Baden-Württemberg lebenden zugewanderten Bevölkerung vor allem durch die Zuwanderinnen und Zuwanderer geprägt, die im vergangenen Jahrzehnt nach Deutschland eingewandert sind. 33 % der ca. 2,3 Mill. zugewanderten Baden-Württemberger/-innen kamen zwischen 2010 und 2019 nach Deutschland. Mit einem Anteil von 13,2 % an diesen rund 771 000 Zugewanderten stammen die meisten Personen aus Rumänien. Etwa 44 % der 230 000 rumänisch stämmigen Personen mit eigener Migrationserfahrung sind in diesen 10 Jahren nach Deutschland eingewandert. Dieser Bedeutungszuwachs für die Herkunftsstruktur der zugewanderten Bevölkerung folgt zeitlich auf die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Mitgliedschaft Rumäniens in der EU. Diese führte nach einer Übergangszeit von 7 Jahren zu einer uneingeschränkten Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dies bedeutet, dass sich Arbeitnehmer/-innen aus Rumänien seit 2014 vollkommen frei nach Deutschland einwandern dürfen.7 Von den insgesamt rund 64 000 aus Rumänien stammenden Baden-Württemberger/-innen, deren Hauptmotiv die Beschäftigungsperspektive war, wanderten alleine 51 000 zwischen 2010 und 2019 nach Deutschland ein.

Auch im Falle Kroatiens besteht ein Zusammenhang zwischen der gestiegenen Bedeutung für die Herkunftsstruktur der zugewanderten Bevölkerung und dem Beitritt des Landes zur EU. Nachdem Kroatien seit 2013 offizielles Mitglieder der EU ist, ist der deutsche Arbeitsmarkt nach einer Übergangszeit von 2 Jahren seit dem 1. Juli 2015 für die Arbeiternehmer/-innen aus Kroatien vollständig offen.8 Von den ca. 88 000 aus Kroatien stammenden Zuwanderinnen und Zuwanderern kamen allein 26 000 zwischen 2015 und 2019. Von diesen wanderten 11 000 aufgrund der Arbeitsperspektive ein.

Des Weiteren lebten im Jahr 2019 ca. 77 000 selbst eingewanderte Mitbürger/-innen syrischer Abstammung in Baden-Württemberg. Von diesen waren rund 73 000 erst in den Jahren 2010 bis 2019 zugewandert. Besonders stark vertreten sind die 61 000 Zuwanderinnen und Zuwanderer aus den Jahren 2015 bis 2019. Ursache ist hier der seit 2011 andauernde syrische Bürgerkrieg. Von diesen zwischen 2015 und 2019 aus Syrien zugewanderten Personen war für ca. 48 000 Flucht, Verfolgung und Asyl das Hauptmotiv der Migration. Weitere rund 12 000 kamen mit einem Familienmitglied oder aufgrund einer Familienzusammenführung nach Deutschland.

Eine weitere Beobachtung ist die im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten größere Bedeutung des Beschäftigungsmotivs für die zwischen 2010 und 2019 zugewanderten Personen. Erstmals seit dem Zeitraum vor 1950 bis 1969 war für mehr als 30 % der in Baden-Württemberg lebenden eingewanderten Personen die Beschäftigungsperspektive das Hauptmotiv der Migration. Zusätzlich haben die in jenem Zeitraum aus der EU und dem restlichen Europa eingewanderten Personen wieder einen größeren Anteil an allen in jenem Jahrzehnt zugewanderten Personen, als es in den beiden davorliegenden Jahrzehnten der Fall war. Alleine rund 214 000 der baden-württembergischen Bevölkerung aus Europa bzw. 171 000 der aus den Ländern der EU stammenden Personen wanderten zwischen 2010 und 2019 aufgrund der Arbeitsperspektive ein. Dies entspricht 9,1 % bzw. 7,3 % aller in Baden-Württemberg lebenden Personen mit eigener Migrationserfahrung. Diese Entwicklung fällt mit den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise zusammen, die in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt weniger stark zu spüren waren, als in vielen anderen EU-Ländern.9

Fazit

Die Zugewanderten prägen die Herkunftsstruktur der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg alleine dadurch, dass über zwei Drittel der Personen mit Migrationshintergrund selbst nach Deutschland eingewandert sind. Die Bedeutung der einzelnen Herkunftsländer für die Bevölkerungsstruktur Baden-Württembergs veränderte sich dabei im Zeitverlauf. Die heute noch in Baden-Württemberg lebende Bevölkerung, die in den Anfangsjahrzehnten der Bundesrepublik nach Deutschland zugewandert ist, kam vor allem aus den Anwerbeländern. Die Relevanz dieser Zugewanderten für die baden-württembergische Bevölkerungsstruktur nahm nach 1989 ab. Dasselbe trifft auch auf die Bedeutung der aus den europäischen Ländern stammenden Zuwanderinnen und Zuwanderer zu. Allerdings ist deren Anteil an der heute in Baden-Württemberg lebenden zugewanderten Bevölkerung weiterhin auf einem hohen Niveau und im vergangenen Jahrzehnt wieder angestiegen. Verantwortlich ist hier auch der erfolgte Zuzug aufgrund der Arbeits- und Beschäftigungsperspektive aus den europäischen Ländern.

Neben den Herkunftsländern variieren auch die Hauptmotive der Migration für die in Baden-Württemberg lebenden Zugewanderten, sowohl nach Herkunftsland als auch Zuzugszeitraum. Die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des Familienverbundes sowie die Arbeits- und Beschäftigungsperpektive sind die insgesamt bedeutendsten Motive der Zuwanderung, wenngleich es zwischen den Geschlechtern Unterschiede hinsichtlich der Relevanz der einzelnen Motive gibt.

Der erfolgte Blick auf die Entwicklung des Einflusses der für Baden-Württemberg elf wichtigsten Herkunftsländer auf die heutige Bevölkerungsstruktur mit eigener Migrationserfahrung zeigt dabei auf, dass Ursprungsland, Zuzugszeitpunkt und Zuzugsmotiv nicht voneinander losgelöst betrachtet werden sollten. Auch verschiedene Migrationsmotive sind nicht unabhängig voneinander zu betrachten: Mit dem Zuzug aufgrund der Beschäftigungsperspektive oder einer Flucht hängt oft auch eine spätere Familienzusammenführung zusammen.

1 Zuwanderinnen und Zuwanderer, die bereits wieder aus Deutschland ausgewandert sind, werden nicht betrachtet.

2 Alle nachfolgend dargestellten Ergebnisse basieren auf dem Mikrozensus 2019.

3 Czaika, Mathias/Reinprecht, Constantin (2020): Drivers of migration: A synthesis of knowledge, International Migration Institute, Working Paper 163, Oxford University, S. 6.

4 Seit 2021 wird auch der Ruhestand als weiteres mögliches Hauptmotiv explizit abgefragt.

5 Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf. Nürnberg, http://statistik.arbeitsagentur.de (Abruf: 27.05.2021).

6 Da der BREXIT noch nicht vollzogen wurde, wird für die Ergebnisse des Jahres 2019 die Abgrenzung der EU-28 verwendet.

7 Deutscher Bundestag (2020): Sachstand – Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit für Staatsangehörige der 2004 der Europäischen Union beigetretenen Mitgliedstaaten, WD 6 – 3000 – 065/20, S. 4.

8 Deutscher Bundestag (2020): Sachstand – Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit für Staatsangehörige der 2004 der Europäischen Union beigetretenen Mitgliedstaaten, WD 6 – 3000 – 065/20, S. 4.

9 Ghoshray, Atanu/Ordóñez, Javier/Sala, Hector (2016): Euro, crisis and unemployment: Youth patterns, youth policies? in: Economic Modelling, Volume 58, S. 442 ff.