:: 8/2021

Die Alltagsmobilität von Familien in Baden-Württemberg: Eltern

In Baden-Württemberg sind Alleinerziehende sowie Eltern in Paarfamilien in ihrem Alltag hochmobil. Dies resultiert aus den komplexen Mobilitätsmustern ihres Alltags. Ihre regelmäßigen Wege umfassen neben dem Pendeln zu Arbeitsplatz, Nahversorgungseinrichtungen und Dienstleistern, Freizeitaktivitäten und ehrenamtlichen Tätigkeiten auch die Begleitung ihrer Kinder zu Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie zu deren Hobbys.1 Gleichzeitig gehören sie zu der Bevölkerungsgruppe, die in ihrer Alltagsmobilität am häufigsten das Auto verwendet. Aufgrund ihres Zeit- und Flexibilitätsdrucks verzichten Alleinerziehende sowie Paarfamilien seltener als Personen ohne Kinder auf das Auto. Allgemein sind das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsmittelwahl von Eltern abhängig von dem Betreuungsbedarf ihrer Kinder, dem Umfang ihrer Erwerbstätigkeit und ihren finanziellen Möglichkeiten. Die Alltagsmobilität von Eltern wird allerdings auch von den Erreichbarkeiten ihrer Ziele bestimmt. Mütter und Väter in ländlichen Regionen weisen auch aufgrund eines Mangels an Alternativen zum Auto eine höhere Pkw-Abhängigkeit in ihrer Alltagsmobilität auf als Eltern in urbanen Regionen. Allgemein sind geringe Entfernungen zu Nahversorgungseinrichtungen und Dienstleistern sowie eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel damit verbunden, dass Familien in ihrem Alltag mehr nachhaltige Verkehrsmittel nutzen.

(Räumliche) Mobilität bezeichnet die konkreten Ortsveränderungen von Personen sowie auch ihr Potenzial für Ortsveränderungen (beispielsweise ihr Zugang zu Verkehrsmitteln).2 Sie ist eine Grundvoraussetzung für Teilhabe in allen Gesellschaftsbereichen.3 Die Mobilitätsanforderungen an Familien haben durch die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen, die Forderung nach Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, die Zentralisierung des Einzelhandels und die Mobilitätserwartungen der Gesellschaft bezüglich der Erziehung und Freizeitgestaltung von Kindern im Laufe der Zeit zugenommen.4 Der resultierende Zeit- und Flexibilitätsdruck beeinflusst auch die Verkehrsmittelwahl von Familien.5 Steigende Mobilitätskosten können zudem dazu führen, dass Familien sich in anderen Bereichen stärker einschränken müssen. Die Haushaltsausgaben für Mobilität entsprechen im Schnitt in etwa den Ausgaben für Nahrungsmittel.6 Die Beschäftigung mit der Familienmobilität hat auch vor dem Hintergrund der globalen Umweltveränderungen an Bedeutung gewonnen. Der Klimaschutz erfordert eine erhebliche Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Aufgrund ihres hohen Verkehrsaufkommens kommt der Beschäftigung mit der Alltagsmobilität von Familien eine hohe Bedeutung zu.7 Gleichzeitig ist in den letzten Jahren das Angebot an alternativen Verkehrsmitteln in Städten gestiegen wie zum Beispiel Carsharing sowie der Verleih von Elektrofahrrädern.8 Damit ist von Interesse, unter welchen Bedingungen Familien nachhaltiger im Alltag unterwegs sind.9

Im Folgenden werden das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsmittelwahl von Eltern in Baden-Württemberg zusammenfassend dargestellt. Das Mobilitätsverhalten von Kindern und Jugendlichen wird in der nächsten Monatsheft-Ausgabe näher betrachtet. Die Daten der Erhebung Mobilität in Deutschland (MID) 2017 erlauben es zu betrachten, inwiefern die Mobilität und Verkehrsmittelwahl von Eltern in Familienhaushalten von ihrer sozio-ökonomischen Situation sowie den Rahmenbedingungen an ihrem Wohnsitz abhängig ist (i-Punkt »Mobilitätsdaten in der amtlichen Statistik«). Mobilität in Deutschland (MiD) ist eine bundesweite Befragung von Haushalten zu ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Sie wurde bereits in den Jahren 2002 und 2008 erhoben. Die letzte Studie wurde 2017 durchgeführt. Familien werden hier definiert als Haushalte mit zwei Erwachsenen und mindestens einem minderjährigen Kind (= Paarfamilien) sowie Haushalte mit einem Erwachsenen und mindestens einem minderjährigen Kind (= Alleinerziehende).

Eltern sind hochmobil

Eltern in Paarfamilien und Alleinerziehende sind in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen hochmobil. Bei Eltern in Paarfamilien ist der Anteil der Begleitwege an allen Wegen doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (Schaubild 1). Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sowie Alleinstehenden, Paaren ohne Kinder und Erwachsenenhaushalten, also Haushalten mit mindestens drei Erwachsenen, verlassen an einem durchschnittlichen Tag Alleinerziehende am häufigsten den eigenen Wohnsitz, gefolgt von Paarfamilien mit Kindern (Tabelle). Alleinerziehende sind am längsten pro Tag unterwegs und erreichen die höchste Wegeanzahl pro Tag. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie Einkäufe und andere Erledigungen sowie Begleitwege alleine zurücklegen müssen.10 Im Vergleich zu den Alleinerziehenden resultiert für Eltern aus Paarfamilien aus ihrer überdurchschnittlichen Wegeanzahl und zurückgelegten Strecke keine höhere Belastung bezüglich der Unterwegszeit.11 Insgesamt ist die hohe Mobilität von Eltern insbesondere auf ihre hohe Anzahl an Begleitwegen zurückzuführen, also Wegen, auf denen sie ihre Kinder zum Beispiel zur Kindertagesbetreuung, Schule und zu Freizeitaktivitäten begleiten.

Die Pkw- und Fahrrad-Verfügbarkeit ist bei Familien am höchsten

Die hohe Mobilität von Eltern geht mit einer hohen Verkehrsmittelausstattung einher. Nach Haushalten mit mindestens drei Erwachsenen besitzen Eltern in Paarfamilien am häufigsten mindestens zwei Autos im Haushalt (Schaubild 2). Die wenigsten von ihnen haben kein Auto im Haushalt. Eltern in Paarfamilien (90,6 %), gefolgt von Erwachsenen, die mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner zusammenleben (87,1 %), haben zudem am häufigsten mindestens zeitweise am Tag ein Auto zur Verfügung. Die Verfügbarkeit eines eigenen (normalen) Fahrrads von Personen in Paarhaushalten ohne Kinder (68,3 %) und bei Alleinstehenden (63,2 %) ist deutlich niedriger als bei Eltern in Paarfamilien (81,7 %) und Alleinerziehenden (80,6 %). Mitglieder von Paarhaushalten ohne Kinder (11 %) haben allerdings fast doppelt so häufig wie Eltern in Paarfamilien (6 %) täglich Zugang zu einem Elektrofahrrad. Während Eltern in Paarfamilien im Vergleich zu Personen aus anderen Haushaltstypen überwiegend ein Auto und ein Fahrrad zur Verfügung haben, ist bei ihnen der Anteil derjenigen, die eine Zeitkarte des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) besitzen, am geringsten (8,3 %).

Familien verwenden am häufigsten das Auto im Alltag

In Übereinstimmung mit ihrer Pkw-Ausstattung verwenden Eltern (52,8 %) in Paarhaushalten häufiger ausschließlich das Auto und seltener nur öffentliche Verkehrsmittel (3,9 %) oder das Fahrrad (3,5 %) in ihrer Alltagsmobilität als andere Bevölkerungsgruppen. Im bundesweiten Vergleich entspricht der Anteil der Eltern aus Paarfamilien, die nur das Auto verwenden, in Baden-Württemberg ungefähr dem Wert für Deutschland (50,1 %). Bezüglich der Pkw-Nutzung liegen sie damit nur knapp vor Personen aus Haushalten ohne Kinder (49 %). Eltern in Paarfamilien legen allerdings die meisten ihrer Wege mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) einschließlich dem Auto zurück (Schaubild 3).

Eltern in Paarfamilien weisen neben der Pkw-Nutzung auch den höchsten Anteil derjenigen auf, die mit mindestens zwei Verkehrsmitteln (Pkw, Fahrrad, öffentliche Verkehrsmittel) (multimodal) unterwegs sind (39 %). Der Anteil von Wegen, für die hauptsächlich öffentliche Verkehrsmittel verwendet werden, ist bei ihnen am geringsten (Schaubild 3). Alleinerziehende nutzen in etwa gleich häufig wie Eltern in Paarfamilien nur das Auto im Alltag (49,8 %) und kombinieren etwas seltener mehrere Verkehrsmittel (32,2 %, Zahlenwert statistisch eingeschränkt genau). Der MIV-Anteil ihrer Wege ist allerdings noch etwas höher als bei Eltern in Paarfamilien.

Insgesamt spiegelt sich die Verkehrsmittelausstattung und -wahl von Eltern in Paarfamilien auch in ihren Einstellungen wider. Sie sind am zufriedensten mit dem Auto und dem Fahrrad und sie geben auch am häufigsten an, dass sie gerne mit diesen beiden Mobilitätsressourcen unterwegs sind. Eltern in kinderreichen Paarfamilien sind etwas weniger zufrieden mit dem Auto und dem Fahrrad als Eltern von maximal zwei Kindern. Entsprechend des geringen Anteils des öffentlichen Personenverkehrs ihrer Wege sind Eltern aus Paarhaushalten nach Erwachsenen-Haushalten am wenigsten zufrieden mit öffentlichen Verkehrsmittel. Bei den Alleinerziehenden stimmt ihre Verkehrsmittelwahl weniger mit ihren Einstellungen überein. Sie sind am unzufriedensten mit dem Auto sowie dem Fahrrad als Verkehrsmittel. Sie präferieren am häufigsten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß unterwegs zu sein.

Der Betreuungsbedarf von Kindern geht mit einer hohen Mobilität einher

Neben Gemeinsamkeiten in der Alltagsmobilität von Familien lassen sich auch Unterschiede zwischen ihnen feststellen. Diese sind von den Herausforderungen ihres Alltags abhängig: dem Betreuungsbedarf der Kinder, dem Vorliegen einer umfangreichen Erwerbstätigkeit und einem geringen Haushaltseinkommen12. Der Betreuungsbedarf der Kinder kann anhand des Alters und der Anzahl der Kinder erfasst werden. Es wird angenommen, dass der Betreuungsbedarf bei jüngeren Kindern und/oder mindestens drei Kindern höher ist. Eltern aus kinderreichen Paarfamilien, also mit mindestens drei Kindern, verlassen häufiger an einem durchschnittlichen Tag den eigenen Wohnsitz (Mobilitätsquote: 91,1 %) und legen auf mehr Wegen auch eine größere Distanz (46,6 km) pro Tag zurück als Eltern aus anderen Paarhaushalten mit Kindern. Bezüglich des Alters der Kinder erreichen Eltern mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren die höchste Wegeanzahl und Tagesstrecke. Dies ist auf die Begleitung von Grundschulkindern zur Schule und auf Freizeitwegen zurückzuführen. In Übereinstimmung mit ihrer hohen Mobilität haben diese Eltern auch am häufigsten zwei Autos (53,3 %).

Der Betreuungsbedarf geht allgemein mit einer etwas besseren Pkw- und Fahrradausstattung einher. Eltern in Paarfamilien mit mindestens einem Kind unter 6 Jahren oder mindestens drei Kindern (91 %) verfügen etwas häufiger über ein Auto als der Durchschnitt aller Eltern in Paarfamilien. Eltern aus Paarfamilien mit mindestens einem Kind unter 6 Jahren haben allerdings am seltensten Zugang zu einem Fahrrad (78,7 %). In Studien nennen Eltern von Kleinkindern es als Nachteil des Fahrradfahrens, dass ihre Kinder dafür zu jung bzw. zu unsicher sind.13

Entsprechend der Pkw-Ausstattung ist auch die Pkw-Nutzung vom Betreuungsbedarf der Kinder abhängig. Unter Kontrolle anderer Einflussfaktoren steigt mit der Anzahl der Kinder die ausschließliche Verwendung des Autos im Alltag und sinkt die multimodale Verkehrsmittelnutzung von Paarfamilien.14 Ein hoher Betreuungsbedarf – mindestens ein Kind unter 6 Jahren und/oder mindestens drei Kinder – ist allerdings auch mit einem überdurchschnittlichen Anteil von Wegen verbunden, die zu Fuß zurückgelegt werden. Eltern in Paarhaushalten mit mindestens drei Kindern oder mindestens einem Kind unter 6 Jahren verfügen dagegen seltener als Eltern aus Paarfamilien insgesamt über eine ÖPNV-Zeitkarte. Entsprechend weisen sie auch einen relativ geringen Anteil öffentlicher Verkehrsmittel ihrer Wege auf (Schaubild 4). Je älter die Kinder sind, desto höher ist der Anteil der Eltern, die nur öffentliche Verkehrsmittel verwenden. Der Anteil von Eltern aus Paarfamilien, die nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind, nimmt dagegen unter Kontrolle anderer Einflussgrößen mit der Anzahl der Kinder ab.

Erwachsene aus Paarfamilien, in denen beide Eltern in Vollzeit berufstätig sind, sind besonders von Mobilitätszwängen betroffen. Dass sie mobiler sind als Eltern in anderen Paarfamilien zeigt sich mit Blick auf die Mobilitätsquote, Tagesstrecke und Unterwegszeit. Allerdings unterscheidet sich im Vergleich zu anderen Haushaltstypen die Anzahl der Wege nicht zwischen vollzeitberufstätigen und nicht-vollzeitberufstätigen Eltern. Eltern weisen allgemein einen hohen Anteil von Begleitwegen auf. Wenn beide Eltern in Vollzeit berufstätig sind, trägt wahrscheinlich der Flexibilitätsdruck dazu bei, dass Eltern in diesen Haushalten eine überdurchschnittliche Pkw-Verfügbarkeit aufweisen. Gleichzeitig steht ihnen seltener ein Fahrrad zur Verfügung als Eltern in Paarfamilien insgesamt. Dies führt dazu, dass sie häufiger im Alltag nur das Auto verwenden und seltener multimodal unterwegs sind als alle Personen aus Paarfamilien. Bezüglich der Wegeanteile der Hauptverkehrsmittel unterscheiden sich Paarfamilien mit zwei vollzeitbeschäftigten Elternteilen allerdings nur geringfügig von Eltern in Paarfamilien insgesamt (Schaubild 4).

Die Familienmobilität ist abhängig von dem Haushaltseinkommen

Wie auch in der Gesamtgesellschaft ist die Mobilität von Eltern abhängig von ihrem Haushaltseinkommen. Eltern in Paarfamilien mit einem geringen Haushaltseinkommen legen eine deutlich geringere Distanz pro Tag zurück (35,9 km) als Eltern in Paarfamilien mit hohen oder mittleren Einkommen (ca. 45 km). Auch die Mobilität von Erwachsenen in kinderreichen Familien und Alleinerziehenden sinkt mit dem Haushaltseinkommen. Insbesondere Mütter und Väter in Paarfamilien mit keinem gesicherten Haushaltseinkommen und mindestens einem Kind unter 6 Jahren weisen eine geringe Tagesstrecke sowie Unterwegszeit auf (28,7 km, 67 Minuten).

Mit dem Haushaltseinkommen steigt die Pkw- und Fahrrad-Verfügbarkeit sowie der Besitz von ÖPNV-Zeitkarten von Eltern in Paarfamilien. In allen Einkommensgruppen sind Eltern in Paarfamilien die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Pkw-Verfügbarkeit. Allerdings unterscheiden sich Erwachsene mit einem hohen Haushaltseinkommen aus verschiedenen Haushaltstypen in dieser Hinsicht nur geringfügig. Mit dem Alter der Kinder sinkt der Anteil an Eltern in Paarfamilien mit einem geringen Haushaltseinkommen, die über ein Auto verfügen. Dagegen variiert die Pkw-Verfügbarkeit von Eltern aus Paarfamilien in der hohen Einkommensgruppe nur geringfügig mit dem Alter ihrer Kinder.

Im Vergleich zur Pkw-Verfügbarkeit ist multivariat die ausschließliche Verwendung von Autos von Paarfamilien nicht abhängig vom Haushaltseinkommen. Mit dem Haushaltseinkommen steigt allerdings die Kombination mehrerer Verkehrsmittel im Alltag. 34,7 % der Eltern in Paarhaushalten mit einem geringen Haushaltseinkommen sind multimodal unterwegs, aber 42,6 % derjenigen mit einem hohen Haushaltseinkommen. Mit dem Haushaltseinkommen nimmt unter Kontrolle anderer Einflussgrößen auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel von Eltern in Paarfamilien zu. Dementsprechend weisen Eltern in Paarhaushalten ohne gesichertes Haushaltseinkommen auch einen überdurchschnittlichen MIV-Anteil auf (Schaubild 4) und legen überdurchschnittlich viele Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück.

Mütter in Paarfamilien haben weniger Verkehrsmittel zur Verfügung als Väter

Die Alltagsmobilität variiert zwischen Müttern und Vätern. Mütter, die in Paarfamilien mit Kindern leben, sind insbesondere bezüglich der Tagesstrecke weniger mobil als Väter (37,7 km gegenüber 50,1 km). Dieser Geschlechterunterschied ist in Paarfamilien allerdings weniger stark ausgeprägt als in Paarhaushalten ohne Kinder. Er resultiert aus der höheren Anzahl an Wegen, auf denen Mütter ihre Kinder begleiten.15 In Paarfamilien begleiten Mütter ihre Kinder mehr als doppelt so häufig wie Väter (20,4 % vs. 7,5 %). Sie weisen annähernd die gleiche Anzahl an Wegen pro Tag auf wie Väter. Innerhalb von Paarfamilien haben Frauen seltener ein Auto (89,5 % vs. 91,7 %), ein normales Fahrrad (78,3 % vs. 85,3 %) und eine ÖPNV-Zeitkarte (8,7 % vs. 7,9 %) zur Verfügung als Männer. Sie verwenden allerdings in etwa gleich häufig in ihrer Alltagsmobilität nur das Auto (ca. 50 %) oder sind multimodal unterwegs (ca. 39 %). Mütter in Paarfamilien weisen einen etwas unterdurchschnittlichen MIV-Anteil ihrer Wege auf, legen aber überdurchschnittlich viele Wege zu Fuß zurück (Schaubild 4).

Die Familienmobilität ist abhängig von Erreichbarkeiten

Wie auch in der Gesamtbevölkerung variiert die Mobilität von Familien zwischen ländlichen und städtischen Regionen.16 Eltern in Paarfamilien sind in Stadtregionen bezüglich ihrer Mobilitätsquote, Unterwegszeit und Wegeanzahl mobiler (88 Minuten, 3,3 Wege) als in ländlichen Regionen (79 Minuten, 2,9 Wege). Ihre Tagesstrecke variiert dagegen nicht zwischen Stadt- und ländlichen Regionen. Wie auch in der Gesamtbevölkerung ist die Pkw-Verfügbarkeit von Erwachsenen aus Paarfamilien in ländlichen Regionen ausgeprägter als in Städten (93,5 % gegenüber 88,6 %). Sie verwenden in ländlichen Regionen deutlich häufiger das Auto als einziges Verkehrsmittel als in Stadtregionen (Land: 59,6 % vs. Stadt: 46,4 %). Eltern aus Paarhaushalten mit Kindern legen mehr Wege mit dem MIV auf dem Land zurück als in Stadtregionen (Schaubild 5). In Städten ist dagegen der Anteil der Wege, die mit dem Fahrrad und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden, höher. Zudem kombinieren Erwachsene in Paarfamilien in urbanen Räumen häufiger mehrere Verkehrsmittel als auf dem Land (41,1 % vs. 36 %).

Die Alltagsmobilität von Familien ist auch abhängig von der Erreichbarkeit von Nahversorgungseinrichtungen, Kindertagesbetreuungen und Bildungseinrichtungen.17 Der MIV-Anteil der Wege von Eltern fällt geringer aus, wenn eine gute Nahversorgung und ein guter ÖPNV vorliegt (Schaubild 5). Eine gute Nahversorgung trägt zu mehr zu Fuß zurückgelegten Strecken bei, während eine gute ÖPNV-Anbindung auch mit einem höheren Anteil von Wegen mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln verbunden ist. Multivariat bestätigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit von Eltern aus Paarfamilien, die nur das Auto im Alltag verwenden, geringer ist, wenn eine gute Qualität der Wohnlage18, der Nahversorgung19 sowie des ÖPNV vorliegt. Die Qualität der Wohnlage wurde erfasst anhand von sozio-ökonomischen Merkmalen des Wohnviertels, der Siedlungsdichte, der Art und der Nutzung des Wohnhauses, die Lage in der Kommune und die Entfernung zur nächsten ÖPNV-Haltestelle und zum nächsten Geschäftszentrum. Die Qualität der Nahversorgung bezieht sich auf Entfernungen zwischen Angeboten der Nahversorgung und dem Wohnsitz der Befragten. Nur 36,9 % der Eltern aus Paarfamilien nutzen ausschließlich das Auto bei einem (sehr) guten ÖPNV, während es bei einer (sehr) schlechten ÖPNV-Qualität 58,2 % sind. Dementsprechend verwenden sie eher nur öffentliche Verkehrsmittel bei einer guten Qualität der Nahversorgung und des ÖPNV als wenn diese keine gute Qualität aufweisen. Der Anteil von Eltern in Paarfamilien mit einer Zeitkarte öffentlicher Verkehrsmittel verdoppelt sich bei einer (sehr) guten ÖPNV-Qualität im Vergleich zu einer (sehr) schlechten Qualität. (13,4 % vs. 6,1 %). Dagegen geht eine (sehr) gute Wohnlage bei Eltern aus Paarfamilien mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einher, nur öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, als bei einer (sehr) schlechten Wohnlage. Die Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel durch Eltern aus Paarfamilien nimmt mit der Qualität der Nahversorgung, Wohnlage, des ÖPNV zu und ist auch höher in Stadt- als in Landregionen.

Fazit

Eltern sind aufgrund ihres komplexen Alltags die mobilste Bevölkerungsgruppe in Baden-Württemberg. Die in diesem Beitrag verwendeten Daten berücksichtigen noch nicht die Auswirkungen der Corona-Pandemie. In Baden-Württemberg und bundesweit haben die Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie allerdings zu einer verstärkten Pkw-Nutzung zu Lasten der Nutzung mehrerer Verkehrsmittel sowie öffentlichen Verkehrsmittel geführt.20 Die überdurchschnittliche Alltagsmobilität von Familien geht aufgrund ihrer bereits vor der Pandemie vorliegenden Pkw-Abhängigkeit mit negativen Konsequenzen für die Umwelt und das Klima einher. Gleichzeitig besteht damit bezüglich der Förderung von nachhaltiger Mobilität in Baden-Württemberg in dieser Bevölkerungsgruppe ein erhebliches Potenzial für die Reduktion von Treibhausgasemissionen. Die Unterschiede in der Alltagsmobilität zwischen Familien illustrieren, dass die Pkw-Nutzung durch eine Verbesserung der Erreichbarkeit von Alltagszielen und eine Verbesserung der Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel reduziert werden könnte.

Insbesondere ist auf Basis der Ergebnisse zu erwarten, dass Alleinerziehende unter besseren Rahmenbedingungen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen würden. Während sie, wie auch Eltern in Paarfamilien hauptsächlich das Auto im Alltag verwenden, präferieren sie öffentliche Verkehrsmittel und sind mit dem Pkw als Verkehrsmittel unzufrieden. Dies ist wahrscheinlich auf ihre hohe finanzielle Belastung durch den Pkw-Besitz zurückzuführen. Für eine nachhaltigere Mobilität von Alleinerziehenden und Paarfamilien sind allerdings auch weitere Gründe für ihre Pkw-Nutzung zu berücksichtigen, so überschätzen sie beispielsweise die Verkehrssicherheit von Autos für ihre Kinder.21 Die regionalen Unterschiede in der Pkw-Abhängigkeit von Eltern in Paarhaushalten mit Kindern sowie Alleinerziehenden in ländlichen Regionen in ihrem Alltag verweisen darauf, dass das Mobilitätsverhalten abhängig vom Angebot von nachhaltigen Verkehrsmitteln ist.22 Die Abhängigkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel vom Haushaltseinkommen verdeutlicht zudem, dass vergünstigte Einzelfahrscheine und Zeitkarten für Familien sinnvoll sein könnten. Aufgrund der hohen Mobilitätskosten könnten Vergünstigungen auch die soziale Teilhabe von einkommensschwachen Familien und Alleinerziehenden verbessern.

1 Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2015): Familienmobilität im Alltag. Herausforderungen und Handlungsempfehlungen. Berlin. Schneider, Uta/Hilgert, Tim (2017): Urbane Familienmobilität im Wandel: Wie sind Familien im Alltag mobil und wie bewerten sie neue Mobilitätskonzepte? in: Working Paper Sustainability and Innovation, Nr. S08/2017. Karlsruhe: Frauenhofer ISI.

2 Giesel, Flemming/Köhler, Katja (2015): Mobilität armutsgefährdeter älterer Menschen in deutschen Großstädten, in: Europa Regional 21. 2013, 3, S. 94–106.

3 Daubitz, Stephan (2014): Mobilitätsarmut: Die Bedeutung der sozialen Frage im Forschungs- und Politikfeld Verkehr, in: Schwedes, Oliver/Canzler, Weert/Knie, Andreas (Hrsg.): Handbuch Verkehrspolitik. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS, S. 433–449; Stark, Kerstin (2017): Mobilitätsarmut in der sozialwissenschaftlichen Debatte, in: Großmann, Katrin/Schaffrin, André/Smigiel, Christian (Hrsg.): Energie und soziale Ungleichheit. Zur gesellschaftlichen Dimensionen der Energiewende in Deutschland und Europa. Wiesbaden: Springer VS, S. 79–100.

4 BMVI (2015); Schneider/Hilgert (2017).

5 Herget, Melanie (2013): Verkehrsverhalten und Mobilitätsstrategien von Familien in ländlichen Räumen Deutschlands unter besonderer Berücksichtigung rollen­typischer Arbeitsteilung. Dissertation. Berlin: TU Berlin.

6 Stark, Kerstin (2020): Zu Entstehung von Mobilitätsbenachteiligung und ihrer Vermeidung im Kontext ökologischer Nachhaltigkeit. Entwicklung und Anwendung eines Konstellationsansatzes zur differenzierten Betrachtung sozialer und ökologischer Anforderungen an Mobilität. Kassel: Kassel University Press.

7 Herget (2013).

8 BMVI (2015).

9 BMVI (2015).

10 BMVI (2015); Herget (2013)

11 BMVI (2015).

12 Das Haushaltseinkommen wurde bedarfsgewichtet, also in Abhängigkeit zu Anzahl und Alter der Haushaltsmitglieder gesetzt.

13 BMVI (2015).

14 In diesem Beitrag wurden zur Kontrolle anderer Einflussgrößen logistische Regressionen verwendet.

15 BMVI (2015).

16 Stadtregionen beziehen sich auf Großstädte ab einer Bevölkerungsgröße von 100 000 Einwohner/-innen sowie einem Einzugsbereich von unter 30 Minuten oder einem Auspendleranteil in die nächste Großstadt von mindestens 25 %. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2018b): Regionalstatistische Raumtypologie (RegioStaR) des BMVI für die Mobilitäts- und Verkehrsforschung. Arbeitspapier. Version V1.1.

17 BMVI (2015).

18 Siehe Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2019): Mobilität in Deutschland – MID. Nutzerhandbuch. Dokumentation Raumvariablen. Studie des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, durchgeführt von infas in Kooperation mit DLR, IVT und infas 360. Berlin.

19 Siehe BMVI (2019).

20 INFAS (2020): Mobilitätsreport Baden-Württemberg 02. Krise als Dauerzustand? Mobilität in Baden-Württemberg vor dem zweiten Lockdown »light«. Bonn; WZB (2020): Mobilitätsreport 03. Ergebnisse aus Beobachtungen per repräsentativer Befragung und ergänzendem Mobilitätstracking bis Ende Oktober. Ausgabe 15.12.2020. Bonn, Berlin, mit Förderung des BMBF.

21 BMVI (2015).

22 Herget (2013).