:: 9/2021

Vorläufige COVID-19-Sterbefallzahlen 2020 für Baden-Württemberg

Neue Monatsberichte der Todesursachenstatistik

Während der Corona-Pandemie zeigte sich, dass genaue und zeitnahe Informationen über diejenigen Sterbefälle benötigt werden, die im Zusammenhang mit dieser Infektionkrankheit stehen. Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben eine monatliche Todesursachenstatistik mit vorläufigen Daten entwickelt, die einen ersten Einblick in das Mortalitätsgeschehen geben soll. Der Beitrag stellt die vorläufigen Monatsberichte der Todesursachenstatistik vor und präsentiert für Baden-Württemberg erste ausgewählte Monatsergebnisse zu COVID-19 als Todesursache.

Die Todesursachenstatistik ist eine gefragte Datenquelle für epidemiologische und gesundheitspolitische Fragestellungen. So bieten beispielsweise Indikatoren der vorzeitigen Sterblichkeit wesentliche Ansatzpunkte für Präventions- und Interventionsmaßnahmen. Änderungen im Morbiditäts- und Mortalitätsgeschehen sind meist erst im langfristigen Vergleich sichtbar. Ausnahmen davon sind beispielsweise Grippewellen oder Hitzewellen sowie Naturkatastrophen oder Pandemien, die zu erhöhten Sterbefallzahlen führen. Die Corona-Pandemie hat nun ein besonders stark erhöhtes öffentliches und wissenschaftliches Interesse an aktuellen Daten der Todesursachenstatistik hervorgerufen. Fragen zur Zahl der durch eine COVID-19-Infektion hervorgerufenen Sterbefälle, zu Alter und Geschlecht der Verstorbenen, zu deren regionaler Verteilung, zum Zeitverlauf des Pandemiegeschehens und zu Vor- und Begleiterkrankungen stehen häufig im Mittelpunkt der Diskussionen. Ebenso interessiert die Frage, ob eine Person an oder mit einer COVID-19-Erkrankung verstorben ist. Teile dieser Fragestellungen können nun mithilfe einer neuen Veröffentlichung, den Monatsberichten der Todesursachenstatistik, beantwortet werden.

Endgültige Ergebnisse der Todesursachenstatistik 8 Monate nach Ende eines Kalenderjahres

Der Fokus der etablierten, jährlichen Todesursachenstatistik liegt auf qualitätsgesicherten und stark differenzierten Daten. Der Jahresabschluss der Todesursachenstatistik ist erst möglich, wenn die Statistik der Sterbefälle abgeschlossen ist und alle Statistischen Landesämter die vorliegenden Todesbescheinigungen vollständig signiert und plausibilisiert haben:

Die Todesursachenstatistik ist der Statistik der Sterbefälle nachgeordnet. Diese weist alle von einem Standesamt beurkundeten Sterbefälle nach Alter, Geschlecht und Nationalität aus. Die Zahl der Sterbefälle im jeweiligen Berichtsmonat muss zwischen beiden Statistiken synchronisiert werden.

Die Statistik der Sterbefälle unterliegt seit 2018 der Geheimhaltung durch Vergröberung und Zellsperrung. Daher sind auch die Veröffentlichungen der Todesursachenstatistik entsprechend anzupassen, um die Geheimhaltung der Bevölkerungsstatistik nicht aufzudecken.

Der Jahresabschluss der Todesursachenstatistik beinhaltet den sogenannten »Länderaustausch«. Die Statistischen Landesämter übernehmen die Todesursachenkodierung für die im jeweiligen Bundesland registrierten Sterbefälle (Sterbeort). Veröffentlicht wird die Todesursachenstatistik jedoch nach dem Wohnort der Verstorbenen, um ein regional korrektes Mortalitätsgeschehen abzubilden. Sterbefälle, deren Sterbeort nicht im Bundesland ihres Wohnortes liegen, werden in das Bundesland des Wohnortes verschoben.

Planmäßig werden die Ergebnisse der Todesursachenstatistik 8 Monate nach Ende des jeweiligen Kalenderjahrs von Bund und Ländern mit einem breiten Tabellenprogramm veröffentlicht. Störungen der oben genannten Prozesse, beispielsweise der Rückstand eines einzelnen Landes aufgrund eigener Personalengpässe oder ausstehender Datenlieferungen der auskunftspflichtigen Gesundheitsämter können dabei bundesweite Verzögerungen verursachen. Während der Corona-Pandemie kam es, zum Beispiel in Baden-Württemberg, zu großen Rückständen bei der monatlichen Lieferung der Todesbescheinigungen an das Statistische Landesamt.

Entwicklung einer monatlichen Berichterstattung mit vorläufigen Daten

Die Monatsberichte der Todesursachenstatistik sollen zukünftig – basierend auf vorläufigen Daten – einen ersten Einblick in das Mortalitätsgeschehen geben. Hierzu wird zum jeweiligen Stichtag ein vorläufiger Länderaustausch durchgeführt. Vorläufig sind die Daten der Monatsberichte vor allem, weil sie zunächst nicht vollzählig sind, aber auch aufgrund ihrer Anbindung an die Sterbefallstatistik. Änderungen dort, beispielsweise eine nachträgliche Korrektur des Wohnorts oder der Staatsangehörigkeit, wirken sich auch auf die Todesursachenstatistik aus. Die monatliche Berichterstattung der Todesursachenstatistik orientiert sich daher am Berichtsmonat der Sterbefallstatistik.1 Ein vom Standesamt gemeldeter Sterbefall wird dabei nach dem Sterbedatum dem Berichtsmonat zugewiesen, in der Regel entspricht dies dem Ereignismonat.2 Erfolgt die Meldung des Sterbefalls mit mehrmonatigem Verzug und ist die Bearbeitung der Sterbefallzahl des Berichtsmonats bereits abgeschlossen, wird der Sterbefall dem nächstmöglichen Berichtsmonat zugeordnet. Für die monatliche Todesursachenstatistik kann anhand dieser vorläufigen monatlichen Sterbefallzahlen berechnet werden, für welchen Anteil der Sterbefälle bereits eine Todesursachenkodierung vorliegt.

Für die Veröffentlichung der Monatsberichte der Todesursachenstatistik gilt Folgendes: Sind für mindestens 50 % der Sterbefälle die Todesursachen plausibel kodiert und können alle genutzten Fälle genau einem Sterbefall aus der Bevölkerungsstatistik zugeordnet werden, erfolgt die Veröffentlichung der Daten auf Bundesebene. Für die Landesebene liegt die Schwelle bei 80 % der Sterbefälle. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass Abweichungen zur später veröffentlichten Jahresstatistik möglichst gering ausfallen. Die Monatsberichte der Todesursachenstatistik stellen fortlaufend revidierte und vervollständigte Ergebnisse dar. Da es im Laufe des Jahres immer wieder zu Nachmeldungen und Korrekturen kommt, stellen erst die Jahresdaten sicher, dass alle Sterbefälle korrekt und vollzählig mit einer Todesursache versehen sind.

Vorläufig sind die Monatsergebnisse der Todesursachenstatistik zudem durch den reduzierten Merkmalskranz. Dazu wurden die wichtigsten ICD-Kapitel, Diagnosegruppen und Einzeldiagnosen so ausgewählt, dass sie möglichst komprimiert die wichtigsten Ergebnisse der Todesursachenstatistik einschließlich Corona-relevanter Diagnosen abbilden. Zusätzlich werden alle Sterbefälle im Zusammenhang mit COVID-19-Sterbefällen ausgewiesen: Die Monatsberichte enthalten sowohl Sterbefälle, in denen COVID-19 das Grundleiden darstellte (an COVID-19 verstorben), als auch jene Sterbefälle, bei welchen COVID-19 eine Begleiterkrankung war (mit COVID-19 verstorben).3

Von der Todesbescheinigung zum Grundleiden

Datenbasis sowohl der jährlichen Todesursachenstatistik als auch der monatlichen Berichterstattung ist der sogenannte vertrauliche Teil der Todesbescheinigung, die die leichenschauenden Ärztinnen und Ärzte bei jedem Sterbefall ausfüllen. Dabei ist im Abschnitt »Todesursache«, Teil 1, der Krankheitsverlauf von der zugrundeliegenden Erkrankung oder äußeren Ursache bis hin zur unmittelbaren Todesursache in einer Kausalkette zu dokumentieren. Das Grundleiden ist definiert als »a) die Krankheit oder Verletzung, die den Ablauf der direkt zum Tode führenden Krankheitszustände auslöste, oder b) die Umstände des Unfalls oder der Gewalteinwirkung, die den tödlichen Ausgang verursachten«.4 In Teil 2 der Todesbescheinigung sind andere wesentliche Krankheiten und Zustände aufzuführen, die nicht im Zusammenhang mit dem Grundleiden stehen.

Die vertraulichen Teile der Todesbescheinigung gehen über das für den Sterbeort zuständige Standesamt an das Gesundheitsamt, wo sie geprüft und anschließend an die Statistischen Landesämter übermittelt werden. Das Statistische Landesamt Baden-Württemberg erhält die Todesbescheinigungen in elektronischer Form und setzt zur Bestimmung des Grundleidens das elektronische Kodiersystem »Iris/MUSE« ein, welches das Regelwerk der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme (ICD-10) anwendet und eine Texterkennung für medizinische Terme enthält.5 Der Einsatz des Kodiersystems IRIS ist die Voraussetzung dafür, dass alle Angaben auf der Todesbescheinigung erfasst werden und so Sterbefälle, bei denen COVID-19 nicht Todesursache sondern eine Begleiterkrankung ist, nachgewiesen werden können.6

Die Erfassung von Covid-19 in der Todesursachenstatistik

Am 20. April 2020 führte die WHO kurzfristig neue ICD-10-Kodes ein, mit denen in der Todesursachenstatistik eine COVID-19-Erkrankung mit Virusnachweis (U07.1) oder ohne Virusnachweis (U07.2) kodiert wird. Die Schlüsselnummer U07.1 wird auch dann angewandt, wenn ärztlicherseits »COVID-19« ohne expliziten Hinweis auf einen Virusnachweis dokumentiert ist. Die Schlüsselnummer U07.2 soll dagegen verwendet werden, wenn COVID-19 klinisch-epidemiologisch bestätigt ist und das Virus nicht durch Labortest nachgewiesen wurde oder kein Labortest zur Verfügung stand.

Ob COVID-19 als Grundleiden in die amtliche Statistik einfließt, hängt entscheidend davon ab, an welcher Position auf der Todesbescheinigung, mit welcher Diagnosesicherheit und wie plausibel der leichenschauende Arzt beziehungsweise die leichenschauende Ärztin dieses Krankheitsbild bescheinigt hat. Die WHO-Kodierregeln für COVID-197 sind analog zu denjenigen für Influenza aufgebaut: Ist auf dem Totenschein COVID-19 als Startpunkt einer plausiblen Kausalkette von Folgeerkrankungen (beispielsweise Pneumonie) verzeichnet, so wird COVID-19 als Grundleiden festgelegt. Laut ICD-10 gilt außerdem der Grundsatz, dass COVID-19 (ebenso wie Influenza) nicht durch andere Krankheiten verursacht werden kann.

Die typische Bearbeitung von Todesbescheinigungen mit Erwähnung einer COVID-19-Infektion und die damit verbundene Entscheidung, ob eine Person an oder mit Covid-19 verstorben ist8, wird nachfolgend für vier Fallbeispiele erläutert.

An Covid-19 Verstorbene mit Virusnachweis

Übersicht 1 zeigt eine vereinfachte Todesbescheinigung (linke Spalte), bei welcher nach zeilenweiser Zuweisung der ICD-10-Kodes (rechte Spalte) das Kodiersystem Iris/MUSE den ICD-10-Kode U07.1 als Grundleiden ermittelt. Dabei wird das von der WHO vorgegebene Regelwerk angewendet, das in diesem Fall die in Teil 1 angegebene Kausalkette als plausibel akzeptiert.

Während in diesem Beispiel das Grundleiden in der dafür vorgesehenen Zeile 1c zu finden ist, geben die Zeilen 1a und 1b die direkt zum Tode führenden Krankheiten oder Zustände (1a) sowie vorausgegangene Ursachen und Krankheitszustände (1b) an. Die in den Zeilen 1a und 1b auf der Todesbescheinigung angegebenen Krankheiten sind Folgen der COVID-19-Erkrankung und demnach Begleiterkrankungen. Die in Zeile 2 angegebene Diabetes-Erkrankung ist eine Erkrankung, die nicht ursächlich zum Tode beigetragen hat. Für diesen Sterbefall wird der Kode U07.1 in die unikausale Todesursachenstatistik aufgenommen.

Mit Covid-19 Verstorbene mit Virusnachweis

Bei einer mit Covid-19 verstorbenen Person wird nach Auswertung der Todesbescheinigung ein abweichender ICD-10-Kode als Grundleiden ausgewählt, obwohl U07.1 als multikausaler ICD-10-Kode dokumentiert ist. Die Person ist mit COVID-19 verstorben, da COVID-19 in diesem Fall eine Begleiterkrankung ist.

Übersicht 2 zeigt eine Todesbescheinigung, bei der ein Herzinfarkt (ICD-10-Kode I21.9) der Startpunkt einer Kausalkette in Teil 1 ist und damit auch als Grundleiden in die Todesursachenstatistik einfließt. Die Angabe von COVID-19 als Begleiterkrankung in Teil 2 hat hier keinen Einfluss auf die Auswahl des Grundleidens.

Verdachtsfälle: an oder mit Covid-19 Verstorbene ohne Virusnachweis

Ein medizinischer Term mit COVID-19 wird dann mit U07.2 kodiert, wenn aus der Formulierung ableitbar ist, dass entweder kein PCR-Test durchgeführt wurde oder das Ergebnis eines veranlassten PCR-Tests zum Zeitpunkt der Ausstellung der Todesbescheinigung nicht bekannt war. Beispielsweise wird bei den folgenden Nennungen auf der Todesbescheinigung mit dem Kode U07.2 kodiert:

  • Verdacht auf COVID-19
  • Infektion durch SARS-CoV-2, Virus nicht nachgewiesen
  • Verdacht auf COVID-19, kommt aus Pflegeheim mit Corona-Ausbruch.

Bei der in Übersicht 3 dargestellten Todesbescheinigung wurde in der Kausalkette eine fragliche COVID-19-Erkrankung angegeben, die zu einem Grundleiden U07.2 führt. Hätte der Arzt oder die Ärztin nicht den Verdacht in Klammern auf dem Totenschein aufgeschrieben, so wäre die Pneumonie als Grundleiden in die Todesursachenstatistik eingegangen. Das Grundleiden ist jedoch COVID-19, da hierzu eine schlüssige Kausalkette vorliegt.

Eine rechtsmedizinische Publikation zeigt auf, dass mehr als 27 % der Todesbescheinigungen schwerwiegende Dokumentationsfehler enthalten.9 Falls beispielsweise die Kausalkette in Teil 1 fehlerhaft ist, so wird nach den Vorgaben der WHO lediglich der plausible obere Teil für die Ermittlung des Grundleidens herangezogen. Das folgende Beispiel weist daher I25.9 als Grundleiden aus, da COVID-19 aus medizinischer Sicht keine koronare Herzkrankheit verursachen kann. Dieser Fall geht als mit COVID-19 verstorben in die Todesursachenstatistik ein (Übersicht 4). Es ist davon auszugehen, dass die Unterscheidung zwischen an und mit COVID-19 verstorben aufgrund von Dokumentationsmängeln in den Todesbescheinigungen nicht immer sicher möglich ist.

Vorläufige Monatsergebnisse zeigen …

Die vorläufigen Monatsergebnisse der Todesursachenstatistik für Baden-Württemberg zum Stand 15. Juli 2021 sind im oberen Teil von Schaubild 1 dargestellt. Sie sind in Zusammenhang mit dem Vollständigkeitsgrad der Todesursachenstatistik in den jeweiligen Monaten zu betrachten — zu finden im unteren Teil des Schaubilds. Für die Monate Januar bis Juli des Jahres 2020 liegt für jeweils über 98 % der Sterbefälle eine plausible Todesursache vor; die Qualität der vorläufigen Todesursachenstatistik ist für diese Monate am höchsten einzustufen. Der Vollständigkeitsgrad der Todesursachenstatistik der Monate August bis September liegt bei 91 %, der der Monate Oktober und Dezember bei knapp unter 90 %. Demnach ist die Qualität der Todesursachenstatistik für diese Monate als etwas geringer einzuschätzen.

Die Darstellung der Todesursachen erfolgt hier in Anteilen an allen kodierten Sterbefällen, da bei den vorläufigen Monatsberichten der Todesursachenstatistik noch nicht alle Sterbefälle enthalten sind. Nach den vorläufigen Ergebnissen waren im Jahr 2020 etwa 35 % der Sterbefälle auf Krankheiten des Kreislaufsystems (IDC-10 Klassifikation I00 bis I99) zurückzuführen. Die zweithäufigste Todesursache waren Krebserkrankungen (C00 bis D48) mit 24 %.

… Rückgang der Sterbefälle durch Atemwegserkrankungen

Manche Todesursachen zeigten Schwankungen im Jahresverlauf. Bei den hier nachgewiesenen Todesursachengruppen war dies vor allem bei den Krankheiten des Atmungssystems (J00 bis J99) der Fall, die am Jahresanfang häufiger auftraten. Im Januar bis März machte diese Todesursachengruppe 8 % bis 9 % der Sterbefälle aus, während sie in den darauffolgenden Monaten nur noch etwa 4 % bis 5 % umfassten. Dies scheint allerdings nicht allein auf saisonale Muster zurückzuführen sein, sondern ist vermutlich auch ein Nebeneffekt der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Durch Kontaktbeschränkungen, Hygienemaßnahmen und Maskenpflicht werden Übertragungswege von Infektionen unterbrochen.10

… erste und zweite Corona-Welle

Deutlich zu sehen sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie: Nach dem ersten Auftreten von COVID-19-Sterbefällen im März 2020 zeigen sich Anteile von etwa 3 % im März, 13 % im April und 4 % im Mai. Die Zahl der Sterbefälle im Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion nahm in den Monaten Juni bis September 2020 wieder deutlich ab (Anteile unter 1 %), bevor im Oktober 2020 ein erneuter Anstieg mit der zweiten Welle erfolgte. Der Anteil der an COVID-19 Gestorbenen erreichte im Dezember mit 20 % sein Maximum für das Jahr 2020. In den Monaten der ersten und zweiten Welle mit einer erhöhten Zahl von Sterbefällen und deutlich erhöhten Anteilen von COVID-19 als Todesursache gingen in der relativen Betrachtung die Anteile der übrigen Todesursachengruppen zurück, nicht jedoch zwangsweise bei der Betrachtung der absoluten Fallzahlen.

… an und mit COVID-19 Verstorbene

Insgesamt starben 2020 in Baden-Württemberg nach vorläufigen Ergebnissen 5 % der Verstorbenen an COVID-19, ca. ein weiteres Prozent verstarb mit COVID-19, das heißt COVID-19 war eine Begleiterkrankung. Im Laufe des Jahres 2020 lässt sich feststellen, dass sich das Verhältnis von COVID-19 als Grundleiden zu jenen Fällen, in denen die Krankheit eine Begleiterkrankung darstellte unterschiedlich entwickelte. Vor allem in Monaten, in welchen hohe COVID-19-Sterbefallzahlen vorlagen (April, Oktober bis Dezember 2020), war die Erkrankung deutlich häufiger Grundleiden (fünf- bis neunmal so häufig wie Begleiterkrankung). Im Gegensatz dazu machten Sterbefälle mit COVID-19 als Begleiterkrankung in den Sommermonaten – also bei sehr geringen Fallzahlen – einen deutlich höheren Anteil aus (Schaubild 2).

…. COVID-19 Verdachtsfälle

Eine COVID-19-Erkrankung wird, wie oben erläutert, in der Todesursachenstatistik als Covid-19, Virus nachgewiesen (U07.1) oder Covid-19, Virus nicht nachgewiesen (U07.2) ausgewiesen, abhängig von den Angaben auf der Todesbescheinigung. Im Mittel des Jahres 2020 entfielen in Baden-Württemberg nach vorläufigen Angaben mit 94 % die meisten Verstorbenen mit Grundleiden COVID-19 auf den Kode U07.1. Verdachtsfälle (U07.2) kamen nur in 6 % der Sterbefälle mit COVID-19 als Grundleiden vor. Bedingt durch die erhöhte Testkapazität im Jahresverlauf 2020 waren vor allem in den Monaten Oktober bis Dezember geringe Anteile an Verdachtsfällen zu verzeichnen (Schaubild 3). Während im 4. Quartal zwischen 1 % und 6 % der an COVID-19 Verstorbenen sogenannte Verdachtsfälle (U07.2) waren, betrugen die Anteile der Verdachtsfälle in den ersten 3 Quartalen noch zwischen 10 % und 25 %.

In Baden-Württemberg, wie auch in anderen Bundesländern, war eine Überprüfung der Todesbescheinigungen mit Verdachtsangaben nicht möglich. Viele Gesundheitsämter sahen sich aufgrund der pandemiebedingten Zusatzbelastungen nicht in der Lage, mögliche Testergebnisse bei Ärztinnen und Ärzten, Kliniken oder Laboren zu recherchieren, Korrekturen vorzunehmen und Rückfragen der Landesämter zu beantworten. Nachfragen bei den Gesundheitsämtern zu den vorhandenen Verdachtsfällen ergaben in Niedersachsen11, dass sich dort nur in etwa einem Viertel der Fälle der Verdacht auf eine COVID-19 Infektion bestätigte (24 %). Bei der Interpretation von COVID-19 Sterbefallzahlen sollte aus diesem Grund der jeweilige Anteil der Verdachtsfälle berücksichtigt und transparent gemacht werden.

Fazit

Die monatliche Berichterstattung der Todesursachenstatistik kann die Sterbefallzahlen durch COVID-19 während der Corona-Pandemie monatlich quantifizieren. Da die Bearbeitung der Todesursachenstatistik jedoch noch nicht in allen Fällen abgeschlossen ist, ist die Zahl der durch die monatliche Todesursachenstatistik nachgewiesenen COVID-19-Sterbefälle als Untergrenze anzusehen. Durch die komplette multikausale Todesursachenkodierung aller Todesbescheinigungen mit einem Hinweis auf COVID-19 war es möglich, zusätzlich zum Ausweis des Grundleidens auch Fälle mit COVID-19 als Begleiterkrankung zu identifizieren. Dabei sollten in zukünftigen Forschungsarbeiten die Schwankungen im Verhältnis von Sterbefallzahlen mit COVID-19 als Grundleiden zu jenen mit COVID-19 als Begleiterkrankungen untersucht werden.

Aufgrund der geringeren Fallzahlen und größeren Schwankungen in den Häufigkeiten sind die Monatsberichte der Todesursachenstatistik grundsätzlich unter Vorbehalt zu interpretieren. Der Vollzähligkeitsgrad und die Fallzahl für die jeweilige Erkrankung(sgruppe) sind hier unbedingt zu berücksichtigen.

Ausblick

Die Monatsberichte der Todesursachenstatistik haben sich im hier vorgelegten ersten Konzept auf eine Ausweisung der Todesursachen in meist größeren Gruppen und COVID-19-Sterbefälle ohne weitere Differenzierung fokussiert. Eine Weiterentwicklung der Monatsberichte könnte eine weitere Differenzierung der Sterbefälle, zum Beispiel nach Alter und Geschlecht, umfassen. Zu berücksichtigen ist dabei ein Geheimhaltungsverfahren, das im Einklang mit der Geheimhaltung in der Jahresstatistik der Todesursachen- und Sterbefallstatistik steht.

Um die Ergebnisse valide einzuordnen, ist zudem ein Vergleich mit den Zahlen der Vorjahre nötig. Da die vorläufigen Monatsberichte der Todesursachenstatistik nicht vollständig sind, ist ein Vergleich der absoluten Zahlen schwierig; auch ein Vergleich von Anteilswerten ist mit Einschränkungen versehen. Für den Zeitvergleich von Anteilswerten bestimmter Krankheiten oder ICD-Gruppen ist somit ein Analysekonzept notwendig, welches dem erstmaligen Vorkommen bestimmter Erkrankungen (zum Beispiel COVID-19) sowie den jährlichen Schwankungen von Krankheiten (zum Beispiel Jahre mit ausgeprägter Grippewelle) Rechnung trägt.

Nach Abschluss des Berichtsjahrs sollte die monatliche Berichterstattung mit der Jahresstatistik verglichen werden. Dabei sollte auch nochmals geprüft werden, ob die vorläufige Berichterstattung durch Selektivitätsprozesse beeinflusst ist, weil bestimmte Todesursachen bei nicht vollzähligen Ergebnissen über- oder unterrepräsentiert sind.

1 Teile dieses Beitrags wurden in der Ausgabe 4/2021 von WISTA Wirtschaft und Statistik (Hrsg.: Statistisches Bundesamt) unter dem Titel »Neue Monatsberichte der Todesursachenstatistik — mit Fokus auf dem Nachweis von COVID-19-Sterbefallzahlen« veröffentlicht.

2 Einzelne andere Länder veröffentlichen ihren Monatsbericht auf Basis des Sterbemonats.

3 Nach 4 Wochen sind bundesweit 97 % der Sterbefälle registriert. Siehe: Zur Nieden, Felix/Sommer, Bettina/Lüken, Stephan: Sonderauswertung der Sterbefallzahlen 2020, in: WISTA Wirtschaft und Statistik. Ausgabe 4/2020, Seite 38 ff.

4 Der jeweils aktuelle Monatsbericht der Todesursachenstatistik für Baden-Württemberg ist unter https://www.statistik-bw.de/Gesundheit/Todesursachen/Monatsbericht.jsp (Abruf: 02.07.2021).

5 DIMDI – Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information. Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision. Band 2 Regelwerk. Version 2019. Verfügbar unter: https://www.dimdi.de/dynamic/.downloads/klassifikationen/icd-10-who/version2019/icd10whO2019regel-pdf.zip (Abruf: 02.07.2021).

6 Eckert, Olaf. Elektronische Kodierung von Todesbescheinigungen, in: Bundesgesundheitsblatt. Ausgabe 62/2019, Seite 1468 ff. Verfügbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s00103-019-03045-2 (Abruf: 02.07.2021).

7 Deutschlandweit wurden rund 75 % der Sterbefälle des Jahres 2020 mithilfe des elektronischen Kodiersystems »Iris/MUSE« kodiert. Bei Todesbescheinigungen mit der Angabe COVID-19 liegt der Anteil etwas höher. Hier wurde in 13 von 16 Bundesländern multikausal mit Iris/MUSE kodiert.

8 WHO. INTERNATIONAL GUIDELINES FOR CERTIFICATION AND CLASSIFICATION (CODING) OF COVID-19 AS CAUSE OF DEATH. 2020. Verfügbar unter: https://www.who.int/docs/default-source/classification/icd/covid-19/guidelines-cause-of-death-covid-19-20200420-en.pdf?sfvrsn=35fdd864_2 (Abruf: 02.07.2021).

9 Siehe auch: Möbius, Katrin: Sterben die Menschen in Berlin und Brandenburg mit oder an Corona? In: Zeitschrift für amtliche Statistik Berlin Brandenburg. Ausgabe 2/2020, Seite 10 ff. Verfügbar unter: https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/publikationen/aufsaetze/2020/HZ_202002-01.pdf (Abruf: 05.07.2021).

10 Zack, F./Kaden, A./Riepenhausen,·S./Rentsch, D./Kegler, R./Büttner A.: Fehler bei der Ausstellung der Todesbescheinigung, in: Rechtsmedizin. Jahrgang 27. Ausgabe 6/2017, Seite 516 ff.

11 Buchholz, Udo/Buda, Silke/Prahm, Kerstin: Abrupter Rückgang der Raten an Atemwegserkrankungen in der deutschen Bevölkerung, in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 16/2020, S. 7 ff. DOI 10.25646/6636.2. Verfügbar unter: https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/ 6601.2/16_2020_2.Artikel.pdf?sequence=3&isAllowed=y (Abruf: 02.07.2021).

12 Die exemplarische Auswertung basiert auf 71 Verdachtsfällen aus Niedersachsen.