:: 10/2021

Baden-württembergische Stadt- und Landkreise mit hohem Verdienstniveau durch Automobilwirtschaft geprägt

Der Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder hat kürzlich die Zahlen zum Arbeitnehmerentgelt in den Stadt- und Landkreisen Deutschlands für das Jahr 2019 veröffentlicht,1 die Definition dieser Größe ist im Info-Kasten (i-Punkt) wiedergegeben. Damit kann unter anderem dargelegt werden, wie sehr die Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im letzten Jahr vor der Corona-Krise regional differiert hat.

14 Kreise mit einem Arbeitnehmerentgelt von mehr als 55 000 Euro je Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin

In Schaubild 1 sind die zehn kreisfreien Städte und vier Landkreise aufgeführt, deren Arbeitnehmerentgelt 2019 mehr als 55 000 Euro je Arbeitnehmer/-in betragen hat. Deutlich an der Spitze lag danach die Stadt Wolfsburg mit 75 340 Euro je Arbeitnehmer/-in, mit schon merklichem Abstand gefolgt von der Stadt Ingolstadt mit 64 800 Euro je Arbeitnehmer/-in. Hinter dem Landkreis München mit 62 020 Euro je Arbeitnehmer/-in haben sich fast gleichauf zwei baden-württembergische Kreise behauptet, nämlich die Stadt Stuttgart mit 61 770 und der Landkreis Böblingen mit 61 480 Euro je Arbeitnehmer/-in. Immerhin noch mehr als 60 000 Euro je Arbeitnehmer/-in erreichten die Städte Erlangen, München, Frankfurt am Main und Ludwigshafen. Dahinter konnten sich, schon etwas abgeschlagen, die Städte Düsseldorf, Leverkusen und Darmstadt vor den Landkreisen Main-Taunus und Dingolfing-Landau mit Arbeitnehmerentgelten zwischen 55 380 und 56 040 Euro je Arbeitnehmer/-in platzieren.

Stuttgart unter den Großstädten, Kreis Böblingen unter den Landkreisen ganz vorne

Aus der Sicht Baden-Württembergs sind zwei Besonderheiten hervorzuheben: Zum einen hat Stuttgart unter den Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnerinnen bzw. Einwohnern – vor München, Frankfurt und Düsseldorf – die höchsten Pro-Kopf-Arbeitnehmereinkommen erzielt. Zum anderen hat der Kreis Böblingen – knapp hinter dem Landkreis München und recht deutlich vor den Kreisen Main-Taunus und Dingolfing-Landau – die zweithöchsten Pro-Kopf-Entgelte unter den Landkreisen erreicht.

Strukturelle Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes

Aus der Auflistung in Schaubild 1 wird deutlich, dass vor allem Städte und Landkreise mit einem festen Standbein in High-Tech-Industrien herausragende Verdienstmöglichkeiten bieten. Dies unterstreicht zunächst die sektorale Verteilung der Arbeitnehmenden nach Wirtschaftsbereichen in Schaubild 2. Danach waren 2019 in den Städten Wolfsburg (53,7 %), Ingolstadt (42,4 %) und Ludwigshafen (38,0 %) die mit Abstand meisten Arbeitnehmer/-innen im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigt, ebenso in den Landkreisen Dingolfing-Landau (49,1 %) und Böblingen (38,2 %). In der Universitätsstadt Erlangen belegte das Verarbeitende Gewerbe (31,7 %) knapp hinter dem Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit (33,7 %) den zweiten Rang. In der Stadt Leverkusen war immerhin jede(r) fünfte Arbeitnehmende im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigt, gleichwohl reichte es dort mit 20,9 % nur zum dritten Platz hinter den Bereichen Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit (30,0 %) sowie Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation (28,6 %).

In den verbleibenden sechs Stadt- und Landkreisen mit besonders hohen Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelten blieb das Verarbeitende Gewerbe zwar hinter den drei in Schaubild 2 aufgeführten Dienstleistungsbereichen zurück, doch konnte dieser industriell geprägte Wirtschaftsbereich in den Städten Darmstadt (16,5 %) und Stuttgart (16,2 %) immerhin ein Sechstel aller Arbeitnehmer/-innen beschäftigen und den Durchschnitt der kreisfreien Städte (12,8 %) recht deutlich übertreffen. In der Stadt München ist der betreffende Anteilswert immerhin zweistellig ausgefallen (10,5 %). Demgegenüber war das Verarbeitende Gewerbe in den Städten Düsseldorf (7,0 %) und Frankfurt am Main (6,1 %) sowie im Main-Taunus-Kreis (7,7 %) recht schwach vertreten; in diesen Kreisen haben offensichtlich gut zahlende Dienstleistungsbereiche zum hohen Verdienstniveau beigetragen.

Sehr hohe Verdienstmöglichkeiten in hochentwickelten Industriezweigen

Weitere Hinweise auf die sehr guten Ver­dienstmöglichkeiten in den genannten Kreisen gibt die Tabelle, in der die Wirtschaftszweige mit besonders hohen Pro-Kopf-Arbeitnehmerverdiensten in Deutschland aufgeführt sind.2 Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes sticht die Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen mit 79 430 Euro je Arbeitnehmer/-in hervor, gefolgt von der Herstellung chemischer und pharmazeutischer Erzeugnisse (76 390 bzw. 73 620 Euro je Arbeitnehmer/-in) und der Herstellung von DV-Geräten sowie elektronischen und optischen Erzeugnissen (68 200 Euro je Arbeitnehmer/-in).

Es überrascht deshalb nicht, wenn in den typischen Automobilstädten Deutschlands die Arbeitnehmerentgelte im Verarbeitenden Gewerbe besonders kräftig ausfallen und den Bundesdurchschnitt deutlich überragen; im Einzelnen lagen die Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelte des Verarbeitenden Gewerbes 2019 in München bei 107 480, in Wolfsburg bei 106 900, in Stuttgart bei 100 780 und in Ingolstadt bei 93 660 Euro je Arbeitnehmer/-in, im Kreis Böblingen waren es immerhin noch 86 230 Euro je Arbeitnehmer/-in. Ein vergleichbarer Befund gilt für die auf Chemie und Pharmazie ausgerichteten Städte Ludwigshafen und Leverkusen mit 89 930 bzw. 86 110 Euro je Arbeitnehmer/-in, ebenso für die im Bereich der Herstellung von DV-Geräten sowie Elektronik und Optik stark verankerte Stadt Erlangen sowie den Landkreis München mit Arbeitnehmerverdiensten von 87 710 und 84 110 Euro je Arbeitnehmer/-in.

Überragende Arbeitnehmerverdienste im Verarbeitenden Gewerbe in Stuttgart und im Kreis Böblingen

Die große Bedeutung der Automobilwirtschaft für die herausragenden Verdienstmöglichkeiten in den beiden baden-württembergischen Kreisen Stuttgart und Böblingen wird in einer weiteren Gegenüberstellung deutlich:

Die Arbeitnehmerverdienste je Arbeitnehmer/-in in der baden-württembergischen Landeshauptstadt überragen beim Verarbeitenden Gewerbe mit den genannten 100 780 Euro je Arbeitnehmer/-in den Bundesdurchschnitt um nicht weniger als 73 %; beim stark wirtschaftsorientierten Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen (65 380 Euro je Arbeitnehmer/-in) beträgt der Abstand nur noch 41,3 %, bei Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation (52 960 Euro je Arbeitnehmer/-in) 34,6 % und beim überwiegend personenbezogenen Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit (44 320 Euro je Arbeitnehmer/-in) sogar nur 8,1 %.

In ähnlicher Weise, allerdings auf jeweils niedrigerem Niveau, stellt sich die Situation für den Kreis Böblingen dar. In diesem Landkreis übertreffen die Verdienste im Verarbeitenden Gewerbe mit 86 230 Euro je Arbeitnehmer/-in den Bundesdurchschnitt um 48,2 % und damit deutlich stärker als im Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen (58 440 Euro je Arbeitnehmer/-in) mit 26,3 % oder bei Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation (46 010 Euro je Arbeitnehmer/-in) mit 16,9 %. Im Bereich Öffentliche und sonstige Dienstleister, Erziehung und Gesundheit wurde 2019 im Kreis Böblingen mit 37 780 Euro je Arbeitnehmer/-in sogar ein um 7,9 % geringerer Verdienst als im Bundesgebiet erzielt.

Ausstrahlung auf spezielle Dienstleistungen

Diese Gegenüberstellung und noch mehr die Daten in der Tabelle offenbaren einen weiteren interessanten Aspekt, nämlich eine beachtliche Differenzierung innerhalb der dienstleistenden Wirtschaftsbereiche. So lässt sich der jeweils höhere Betrag beim Bereich Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister, Immobilienwesen damit erklären, dass gerade global agierende Unternehmen der Hochtechnologie auf verschiedene externe Dienstleistungen angewiesen sind, deren Verdienste sich ebenfalls im oberen Bereich bewegen. Hierzu zählen, wie die Tabelle zeigt, insbesondere Forschung und Entwicklung sowie IT- und Informationsdienstleister mit bundesweiten Verdiensten in Höhe von 66 410 beziehungsweise 77 440 Euro je Arbeitnehmer/-in, außerdem Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung mit 68 530 Euro je Arbeitnehmer/-in.

Diese Wirtschaftszweige sind in Metropolen wie München, Frankfurt, Düsseldorf und Stuttgart generell gut vertreten. Gleiches gilt für Branchen wie Luftfahrt, Finanz- und Versicherungsdienstleister, Telekommunikation sowie Audiovisuelle Medien und Rundfunk als weitere Dienstleistungsbereiche mit ausgezeichneten Verdienstmöglichkeiten (vergleiche Tabelle), die außerdem im Landkreis München ebenfalls stark verankert sind. Die sehr guten Verdienstmöglichkeiten in den genannten Großstädten sowie in den Landkreisen München und Main-Taunus haben also ebenfalls strukturelle Ursachen.

Weitere Kreise mit hohen Arbeitnehmerverdiensten

Dieser Befund erhärtet sich, wenn man die in Schaubild 3 aufgeführten zwölf kreisfreien Städte und zehn Landkreise mit einem durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelt zwischen 50 000 und 55 000 Euro je Arbeitnehmer/-in betrachtet. Hierunter finden sich zum einen Städte wie Hamburg, Bonn, Wiesbaden, Karlsruhe, Köln, Nürnberg und Hannover sowie Landkreise wie Hochtaunus, Freising und Starnberg, die vornehmlich auf unternehmensbezogene Dienstleistungen ausgerichtet sind, aber gleichwohl über teilweise beachtliche Standbeine in der Automobilwirtschaft und anderen hochtechnisierten Industriezweigen verfügen. Zum anderen gehören hierzu Städte und Landkreise mit explizit starker Verankerung in der Herstellung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen, was sich dann auch in einem hohen Anteil von Arbeitnehmenden im Verarbeitenden Gewerbe widerspiegelt.

In den hierzu zählenden kreisfreien Städten erreichten die Anteilswerte des Verarbeitenden Gewerbes 2019 folgende Werte: Salzgitter 43,9 %, Schweinfurt 40,2 %, Coburg 23,4 %, Regensburg 21,6 % und Mannheim 18,6 %. Unter den Landkreisen ragen fünf baden-württembergische Kreise heraus, nämlich Rastatt mit 40,1 %, Heilbronn mit 38,7 %, Bodenseekreis mit 35,6 % sowie Esslingen und Ludwigsburg mit jeweils 27,6 %; der Landkreis Altötting mit dem südostbayerischen Chemiedreieck erreichte 38,3 % und der hessische Landkreis Groß-Gerau (mit der Autostadt Rüsselsheim) 20 %. Die hohen Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelte in der Stadt Karlsruhe sind, neben verschiedenen Dienstleistungen mit hohem Gehaltsniveau, dagegen eher auf die ebenfalls überdurchschnittlich gut bezahlenden Bereiche Energieversorgung und Mineralölverarbeitung (vergleiche Tabelle) zurückzuführen.

Zusammenfassung aus der Sicht Baden-Württembergs

Die in Stuttgart beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden 2019 im Durchschnitt besser bezahlt als in jeder anderen deutschen Großstadt, und unter allen kreisfreien Städten erreichte Stuttgart mit 61 770 Euro je Arbeitnehmer/-in Platz 3 hinter Wolfsburg und Ingolstadt. Dieser Befund ist Ausdruck der herausragenden Verdienstmöglichkeiten in der Automobilindustrie einschließlich ihrer Zulieferwirtschaft, von der außerdem verschiedene unternehmensbezogene Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung im ebenfalls hohen Gehaltssegment profitieren.

Auch der Kreis Böblingen, der 2019 mit 61 480 Euro je Arbeitnehmer/-in hinter dem Landkreis München das zweitbeste Verdienstniveau aller Landkreise verbuchen konnte und unter allen Stadt- und Landkreisen auf Platz 5 rangierte, verdankt diese herausragende Stellung vor allem der Automobilwirtschaft. Gleiches gilt für die Stadt Mannheim und die Landkreise Rastatt, Heilbronn, Bodensee, Esslingen und Ludwigsburg, wo die Arbeitnehmenden 2019 auf ein Verdienstniveau von jeweils über 50 000 Euro je Arbeitnehmer/-in zurückblicken konnten. Alle diese Städte und Landkreise Baden-Württembergs zeichnen sich entsprechend durch einen hohen Anteil von Arbeitnehmenden aus, die im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigt sind.

Diese Erkenntnisse dürften auch aktuell Bestand haben, obwohl im Zuge der Corona-Krise die Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe und hierbei speziell in der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen mit Verdiensteinbußen konfrontiert waren; hierauf deuten jedenfalls die vorläufigen Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das Bundesgebiet im Jahr 2020 hin.3

Unabhängig davon bleibt abzuwarten, inwieweit Beschäftigungseinbußen im Zuge der verstärkten Verlagerung auf elektrobetriebene Kraftfahrzeuge die Herstellung von Kraftwagen und Zulieferteilen beeinträchtigen und damit auch das Verdienstniveau der betroffenen Städte und Kreise beeinflussen.

1 Vergleiche Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder, Reihe 2, Band 2: Arbeitnehmerentgelt, Bruttolöhne und -gehälter in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 2000 bis 2019, Berechnungsstand August 2020. Stuttgart, August 2021; Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder (Hrsg.): Erwerbstätigenrechnung, Reihe 2, Band 1: Erwerbstätige in den kreisfreien Städten und Landkreisen der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2019, Berechnungsstand August 2020. Wiesbaden, Mai 2021.

2 Vergleiche Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Fachserie 18, Reihe 1.4: Inlandsproduktberechnung – Detaillierte Jahresergebnisse 2020, Berechnungsstand August 2021. Wiesbaden, September 2021, S. 170–171.

3 Vergleiche Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Fachserie 18, Reihe 1.4: Inlandsproduktberechnung – Detaillierte Jahresergebnisse 2020, a. a. O.