:: 12/2021

Baden-Württembergs Handwerk – robust trotz Pandemie

Die Einschränkungen, welche die Corona-Pandemie mit sich brachte, haben im Wirtschaftsgeschehen des baden-württembergischen Handwerks 2020 sowie im 1. Halbjahr 2021 insgesamt betrachtet vergleichsweise wenige Spuren hinterlassen. Die Beschäftigung in den Handwerksunternehmen ging leicht zurück, während der Umsatz knapp über dem Vorjahresergebnis lag.

Insbesondere im 1. Halbjahr 2020 und damit zu Beginn der Corona-Pandemie und des ersten Lockdowns, mussten weite Teile der Wirtschaft deutliche Einbußen aufgrund der damals einsetzenden Beschränkungen hinnehmen. Das Verarbeitende Gewerbe beispielsweise verzeichnete im Wirtschaftsjahr 2020 einen Umsatzrückgang von 6,3 % und auch im Gastgewerbe wurden empfindliche Umsatzeinbrüche von 36,1 % zum Vorjahr gemeldet. Dagegen verzeichnete das baden-württembergische Handwerk mit einem knappen Umsatzplus von 0,2 % eine vergleichsweise positive Entwicklung.

In der mittelfristigen Betrachtung von 2010 bis 2019 waren die Umsätze im baden-württembergischen Handwerk deutlich angestiegen, was bei einer stagnierenden Zahl der tätigen Personen zu einer entsprechenden Steigerung des Pro-Kopf-Umsatzes führte. Nach den Ergebnissen der Handwerkszählung bleiben die deutlichen Unterschiede im regionalen und brancheninternen Vergleich auch in 2019 weiterbestehen. Fraglich ist jedoch, ob und wie stark sich die Handwerksstruktur infolge der Corona-Pandemie ändern wird. Ein Indikator dürfte hier sicherlich die konjunkturelle Entwicklung sein, zu der Messzahlen für das Jahr 2020 und das 1. Halbjahr 2021 vorliegen.

Corona als Dämpfer

Zwar gingen auch die Umsätze der Handwerksunternehmen im Südwesten im 2. Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zurück. Aufgrund von Erholungstendenzen im 2. Halbjahr 2020 lag der Gesamtumsatz des Jahres 2020 mit einer Messzahl1 von 132,2 letztlich dann sogar knapp über dem Vorjahreswert (+ 0,2 %). 2021 zeigte sich entsprechend des Pandemieverlaufs im 1. Quartal ein Umsatzminus (– 6,8 %)2 sowie einen Umsatzzuwachs im 2. Quartal (+ 11,4 %) gegenüber den jeweiligen Vorjahresquartalen. Hier bleibt das Jahresergebnis mit dem traditionell besonders umsatzstarken 4. Quartal noch abzuwarten. Verglichen mit dem Umsatzplus von 0,2 % in 2019 lagen die entsprechenden Wachstumsraten in den Jahren vor der Pandemie deutlich höher: Für das Jahr 2019 wurde ein Plus von 3,7 % verzeichnet, für 2018 waren es 4,6 % mehr als im Vorjahr (Schaubild 1).

Die Zahl der Beschäftigten ging dagegen leicht zurück und lag 2020 um 1,6 % unter dem Vorjahreswert. Im 1. Quartal 2021 ist die Zahl der Beschäftigten gegenüber dem Vorjahresquartal weiter gesunken. Zuvor war die Zahl der Beschäftigten leicht um 0,2 % in 2019 und 0,6 % in 2018 gestiegen.

Auch wenn das baden-württembergische Handwerk 2020 durch Corona damit keinen expliziten Rückgang ausweist, dürfte es doch einen Dämpfer in seiner an sich aufwärtsgerichteten Konjunktur erhalten haben.

Die Erholungsprozesse wurden dabei von den Unternehmen des zulassungspflichtigen Handwerks getragen, die gegenüber dem Vorjahr ein Umsatzplus von 0,4 % verbuchten. Der Umsatz im zulassungsfreien Handwerk sank dagegen um 1,6 %. Die Zahl der tätigen Personen ging 2020 in beiden Handwerksarten zurück, im zulassungspflichtigen Handwerk jedoch weniger stark (– 1,3 %) als im zulassungsfreien Handwerk (– 3,0 %).

Rückblick auf Situation vor Corona: Steigende Pro-Kopf-Umsätze

Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 sind die Umsätze im Handwerk deutlich von rund 77,6 Milliarden (Mrd.) Euro (2008) um 36,7 % auf 106,1 Mrd. Euro (2019) gestiegen.3 Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Unternehmen beinahe konstant geblieben, die Zahl der tätigen Personen ist lediglich um 11,4 % gestiegen. Entsprechend stark stieg der pro Kopf erwirtschaftete Umsatz im baden-württembergischen Handwerk um 22,6 % auf 135 145 Euro pro Person (Tabelle 1).

Zum Vergleich: Auf Bundesebene stieg der Umsatz je tätige Person prozentual fast gleich stark (+ 22,7 %), allerdings lag das Ausgangs- und Endniveau im Betrachtungszeitraums etwas niedriger bei 95 863 Euro bzw. 117 619 Euro pro Person (Schaubild 2).

Den Großteil der Umsätze im baden-württembergischen Handwerk erwirtschaften regelmäßig die zulassungspflichtigen Handwerke. Die rund 644 000 tätigen Personen erzielten 2019 Umsätze in Höhe von 97,2 Mrd. Euro – rein rechnerisch waren das 150 862 Euro je Person. Im zulassungsfreien Handwerk erwirtschafteten die rund 141 100 tätigen Personen einen Umsatz von 8,9 Mrd. Euro. Der Pro-Kopf-Umsatz lag hier folglich bei 63 396 Euro und damit nicht einmal halb so hoch wie im zulassungspflichtigen Handwerk (Schaubild 2).

Seit 2008 ist der pro Kopf erwirtschaftete Umsatz des zulassungspflichtigen Handwerks in Baden-Württemberg damit um 26,1 % gestiegen. Auch das zulassungsfreie Handwerk konnte seinen Umsatz je tätige Person steigern, mit einem Plus von 6,6 % gengenüber 2008 war der Zuwachs im Betrachtungszeitraum jedoch nicht ganz so stark.

Zulassungspflichtiges und -freies Handwerk mit deutlichen Größenunterschieden

Die strukturelle Bedeutung des zulassungspflichtigen Handwerks zeigt sich auch in den anderen Kennzahlen deutlich. Nach den Ergebnissen der letzten Handwerkszählung 2019 waren rund 80,2 % der erfassten Unternehmen in die Handwerksrolle eingetragen und zählten somit zum zulassungspflichtigen Handwerk. Diese Unternehmen beschäftigten 82 % der tätigen Personen und erwirtschafteten 91,6 % des Umsatzes im baden-württembergischen Handwerk. Im Umkehrschluss waren rund 19,8 % der Unternehmen sowie 18 % der tätigen Personen im zulassungsfreien Handwerk tätig.

Dabei sind die Unternehmen des zulassungspflichtigen Handwerks mit durchschnittlich elf tätigen Personen etwas größer als die Unternehmen des zulassungsfreien Handwerks mit durchschnittlich neun Personen. Der Anteil der Kleinstbetriebe mit weniger als zehn tätigen Personen ist im zulassungspflichtigen Handwerk mit 76,9 % ebenfalls niedriger als im zulassungsfreien Handwerk mit 85,7 %.

Allerdings: Die vergleichsweise wenigen Großunternehmen mit mehr als 50 Personen (390 Unternehmen), die im zulassungsfreien Handwerk erfasst wurden, beschäftigten durchschnittlich 186 tätige Personen und damit deutlich mehr Personen als die großen Unternehmen im zulassungspflichtigen Handwerk mit 143 tätigen Personen (bei 1 746 Unternehmen).

Über alle Größenklassen und Gewerbezweige hinweg betrachtet kam ein Unternehmen im baden-württembergischen Handwerk 2019 – einschließlich tätiger Unternehmer – im arithmetischen Mittel auf zehn tätige Personen. Dabei hatten 78,7 % der Unternehmen 2019 weniger als zehn tätige Personen, 57,7 % sogar weniger als fünf Personen (Tabelle 2).

Deutliche Unterschiede zwischen den Gewerbegruppen

Nicht nur zwischen zulassungspflichtigem und zulassungsfreiem Handwerk, auch innerhalb der Gewerbegruppen zeigen sich deutliche Unterschiede: Die meisten Unternehmen und tätigen Personen verzeichnete des Ausbaugewerbe mit rund 31 000 Unternehmen und 220 000 tätigen Personen. In dieser Gewerbegruppe wurde zudem der höchste Umsatz erwirtschaftet (27,1 Mrd. Euro).

Den höchsten Pro-Kopf-Umsatz verzeichneten die Unternehmen im Kraftfahrzeuggewerbe mit knapp 285 200 Euro je tätige Person. Die größten Unternehmen fanden sich im Lebensmittelgewerbe mit durchschnittlich 25 Personen.

Dagegen verbuchten die Handwerksunternehmen im Gesundheitsgewerbe mit 2,1 Mrd. Euro den niedrigsten Gesamtumsatz; den niedrigsten Pro-Kopf-Umsatz registrierten wiederum die Handwerke für den privaten Bedarf mit rund 51 300 Euro je tätige Person. Hier waren die Unternehmen mit durchschnittlich vier tätigen Personen zudem deutlich kleiner als in den anderen Gewerbegruppen.

Stadtkreise mit größeren und umsatzstärkeren Handwerksunternehmen – Handwerksbesatz dennoch niedriger

In den Ballungszentren bzw. Stadtkreisen des Landes finden sich tendenziell größere Handwerksunternehmen als in den ländlicher geprägten Kreisen. Besonders große Handwerksunternehmen hinsichtlich der durchschnittlichen Zahl tätiger Personen finden sich in den Stadtkreisen Mannheim und Ulm mit jeweils 15 Personen pro Unternehmen. Aber auch in den Stadtkreisen Stuttgart, Heilbronn, Baden-Baden und Heidelberg liegt die Beschäftigtenzahl je Unternehmen deutlich über dem Landesdurchschnitt von zehn Personen je Unternehmen.

Über vergleichsweise große Handwerksbetriebe verfügen zudem der Landkreis Tuttlingen (13 tätige Personen je Unternehmen) sowie der Ortenaukreis (14 tätige Personen je Unternehmen). Der Ortenaukreis ist auch hinsichtlich der Erträge einer der führenden Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs. Die Handwerksbetriebe des Ortenaukreises erwirtschafteten 2019 Umsätze in Höhe von rund 6,1 Mrd. Euro. Nur im Stadtkreis Stuttgart wurde mit knapp 7,8 Mrd. Euro mehr Umsatz im Handwerk erzielt (Schaubild 3).

Auch wenn die Handwerksunternehmen in den Ballungszentren vergleichsweise groß und umsatzstark sind, ist die Bedeutung des Handwerks in den ländlicheren Kreisen sicherlich nicht zu unterschätzen. So ist der Handwerksbesatz, also der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten des Handwerks an den insgesamt sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, in ländlichen Gebieten besonders hoch, gleiches zeichnet sich auch für die Umsatzanteile des Handwerks an der Gesamtwirtschaft ab.4

Fazit und Ausblick

Sowohl zwischen den Handwerksarten und Gewerbezweigen, als auch zwischen den Ballungszentren und den ländlicher geprägten Regionen zeigen sich deutliche Unterschiede, die sich, wie beispielsweise im Bereich des Pro-Kopf-Umsatzes, im Zeitverlauf noch verstärkt haben. Inwiefern die Pandemie diese bereits bestehende Unterschiede weiter verstärkt oder womöglich auch mindert, werden die Daten zur Handwerksstruktur für die Berichtsjahre 2020 und 2021 zeigen. Die Zahlen von 2020 werden im 2. Halbjahr 2022 vorliegen.

1 Datenquelle Konjunkturdaten Handwerk: vierteljährliche Handwerksberichterstattung, Basisjahr 2009 = 100.

2 Wie sich die Zahlen des baden-württembergischen Handwerks 2021 und damit im 2. Jahr der Pandemie entwickeln, lässt sich nur mit Einschränkungen in einen längeren Kontext einordnen. Denn die bisher vorliegenden Messzahlen zum 1. und 2. Quartal 2021 basieren auf dem neuen Basisjahr 2020, zudem hat sich der Berichtskreis im zulassungsfreien Handwerk etwas erweitert. Den vorhergehenden Messzahlen bis einschließlich 4. Quartal 2020 lag das Basisjahr 2009 zugrunde.

3 Datenquelle Strukturdaten Handwerk: jährliche Handwerkszählung. Die Ergebnisse der vierteljährlichen Handwerksberichterstattung (Konjunkturdaten) und der jährlichen Handwerkszählung (Strukturdaten) sind grob vergleichbar.

4 Siehe Betzholz , Thomas: »Handwerkszählung 2017 – Teil 2«, in: »Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2020«.